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1. Einleitung

1.1 Akutes Koronarsyndrom

Nach einer 2013 vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Statistik wird ein deutscher Erwachsener zwischen 40 und 79 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 5% in seinem Leben einen Herzinfarkt erleiden [15]. Über ein Drittel der Betroffenen versterben und der akute Myokardinfarkt ist damit 2013 mit einem Anteil von 5,8% (52.044) die zweithäufigste Todesursache überhaupt in Deutschland [62, 63].

Der akute Myokardinfarkt wird unterteilt in einen ST-Streckenelevationsinfarkt (STEMI) und einen Nicht-ST-Streckenelevationsinfarkt (NSTEMI). Beide Formen werden gemeinsam mit der instabilen Angina pectoris als akutes Koronarsyndrom (ACS) zusammengefasst und bilden die wesentlichen Manifestationen der koronaren Herzkrankheit (KHK).

Pathophysiologisch liegt allen drei Erscheinungsformen eine myokardiale Minderperfusion durch atherosklerotische Plaques zugrunde. Je nach Ausmaß der durch die Ruptur oder Erosion der Plaques ausgelösten Embolisation oder Thrombose im nachgeschalteten Koronargefäß unterscheidet sich die klinische Manifestation [1].

Für die Ausbildung dieser atherosklerotischen Veränderungen und damit für das Auftreten eines akuten Koronarsyndroms sind inzwischen viele Risikofaktoren bekannt. Dazu gehören die Hypercholesterinämie, Hyperlipoproteinämie und arterieller Hypertonus, wobei das Risiko für eine KHK ab systolischen Blutdruckwerten >130mmHg und diastolischen Werten >85mmHg linear ansteigt.

Auch Diabetes mellitus, familiäre Prädisposition, Geschlecht und Alter, wobei das Risiko für Männer unter 60 Jahren deutlich höher ist als für Frauen und bei beiden Geschlechtern mit dem Alter zunimmt, erhöhen das Risiko atherosklerotische Veränderungen zu entwickeln. Rauchen, Adipositas und körperliche Inaktivität tragen ferner zur Risikoerhöhung bei, insbesondere, wenn einige von den oben genannten Faktoren bereits vorliegen. Psychosoziale Umstände spielen ebenfalls eine Rolle, wobei festzustellen ist, dass bei niedrigem sozialen Status

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Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonus, Adipositas und Diabetes gehäuft auftreten und am ehesten darüber der Zusammenhang zu einem erhöhten Atheroskleroserisiko zu sehen ist [14].

Neben der Pathophysiologie und den Risikofaktoren haben die unterschiedlichen Manifestationen des akuten Koronarsyndroms auch ein gemeinsames Leitsymptom, den akut einsetzenden Thoraxschmerz. Dieser kann sich auch als retrosternaler Druck, Brennen oder Beklemmungsgefühl äußern und typischerweise in den linken Arm, die Schultern und den Unterkiefer ausstrahlen.

Erschwert wird die Diagnose durch ebenfalls häufig auftretende atypische Symptome, wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Dyspnoe und Palpitationen. Insbesondere bei älteren Patienten (>75 Jahre), bei Frauen und Diabetikern, muss bei atypischen Symptomen auch das akute Koronarsyndrom als Diagnose berücksichtigt werden [6]. Umgekehrt bedeutet nicht jeder akute Thoraxschmerz das Vorhandensein einer myokardialen Ischämie.

Differentialdiagnostisch kommen demnach auch eine Lungenarterienembolie, eine Pneumonie, Pneumothorax, Aortendissektion und -aneurysma, Ösophagitis, Pankreatitis, muskuloskelettale Beschwerden und viele weitere Ursachen in Betracht. [1]

Bei genannten Überschneidungen der Symptome für die verschiedenen Formen des ACS sowie der Vielzahl an möglichen Differenzialdiagnosen bedarf es eines diagnostischen Mittels zur Verifikation der Diagnose akuter Myokardinfarkt. Dabei und in der Risikostratifizierung des akuten Thoraxschmerz kommt der Elektrokardiographie (EKG) eine entscheidende Bedeutung zu. Nach den aktuellen Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie soll innerhalb der ersten 10 Minuten nach Aufnahme eines Patienten in der Notaufnahme mit dem Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom ein EKG geschrieben und ärztlich befundet werden. Seit 2012 liegt eine neue Infarktdefinition vor, die insbesondere die EKG-Kriterien betrifft. So werden in der aktuellen Version alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede und die besondere Signifikanz der Ableitungen V2 und V3 berücksichtigt. Dies bedeutet für Frauen mit entsprechender Klinik beispielsweise bereits bei einer ST-Streckenhebung von 0,15 mV in V2-V3 eine Indikation zur invasiven Diagnostik. Sind nach diesen

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Kriterien zum Zeitpunkt der Aufnahme neue signifikante ST-Streckenhebungen oder ein neu aufgetretener Linksschenkelblock zu sehen, handelt es sich um einen STEMI und der Patient sollte innerhalb von 60 Minuten beziehungsweise zwei Stunden, falls eine Verlegung in ein Zentrum mit Herzkatheterlabor notwendig ist, revaskularisiert werden [53].

Fehlen die nach der aktuellen Definition festgelegten EKG-Veränderungen, wird nach dem in Abbildung 1 dargestellten Algorithmus verfahren.

Abbildung 1: Algorithmus bei Verdacht auf ACS mit frühem Ausschluss („rule out“) und Nachweis („rule-in“) eines NSTEMI unter Verwendung eines hochsensitiven cTn-Tests (DD=Differenzialdiagnose, hsTn=hochsensitives Troponin, Echo=Echokardiographie, CT=Computertomographie, MRT= Magnetresonanztomographie; Abbildung nach [53]).

Ein initial unauffälliges EKG schließt demnach eine akute myokardiale Ischämie nicht aus. Es kann sich weiterhin um lebensbedrohliche Erscheinungsformen des ACS, die instabile Angina pectoris und den NSTEMI handeln. Hier erhält das Troponin eine entscheidende Rolle in der weiteren Behandlung des Patienten.

Seine genaueren biochemischen Eigenschaften und die Organspezifität werden im Folgenden noch dargestellt. Da das Troponin erst mit einer, je nach verwendetem Assay unterschiedlichen Verzögerung ansteigt (hochsensitives Tn schon nach 3 Stunden), sind nach der initialen Messung laborchemische

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Verlaufskontrollen nach 3, 6 bzw. 9 Stunden notwendig. Ist ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen, lautet die Diagnose NSTEMI und der Patient erhält ebenfalls so schnell wie möglich eine invasive Diagnostik mittels Koronarangiographie. Bleibt ein Anstieg des Biomarkers aus, handelt es sich definitionsgemäß um eine instabile Angina pectoris [53].

Als weitere Parameter zur Risikostratifizierung stehen Risikoscores wie der GRACE-Risiko-Score zur Verfügung. Dieser wird ermittelt aus dem Patientenalter, Herzfrequenz, systolischem Blutdruck, Kreatinin, Killip-Klassifikation sowie dem Vorhandensein von ST-Streckenhebungen, Herzstillstand bei Aufnahme und erhöhten Troponinkonzentrationen. Je nach Höhe des errechneten Scores wird eine Wahrscheinlichkeit für Tod oder Myokardinfarkt noch im Krankenhaus oder innerhalb der nächsten 6 Monate angegeben [66].

Da eine irreversible Myokardzellschädigung bereits nach 20 Minuten beginnt und sich mit zunehmender Minderperfusion weiter ausbreitet, liegt besonderes Interesse auf einem Diagnoseschema, bei dem möglichst schnell adäquat gehandelt werden kann [7]. Adäquat bedeutet zum einen das richtige Erkennen von ischämischen und interventionspflichtigen Zuständen, zum anderen aber auch die korrekte Einordnung als nicht ACS, um die Ressourcen der Klinik optimal zu nutzen. Leider konnte in einer Studie mit über 10.000 Patienten gezeigt werden, dass trotz der neuen Methoden zur Diagnostik und Risikostratifizierung immer noch über 2% fälschlicherweise als gesund eingeordnet und mit einem akuten Myokardinfarkt nach Hause entlassen werden [39].

Unabhängig von der endgültigen Diagnose eines Patienten, der mit dem Verdacht auf ein ACS in der Notaufnahme oder prähospital versorgt wird, besteht ein initiales Therapieschema. Dieses besteht aus Monitoring, Oberkörperhochlagerung und Sauerstoffgabe sowie einer medikamentösen Therapie. Zunächst erfolgt die Gabe von Morphin, welches durch seine analgetische Wirkung gleichzeitig den myokardialen Sauerstoffverbrauch indirekt senkt [14]. Im Rahmen einer antiischämischen Therapie kommen Nitrate, ß-Blocker und Kalziumantagonisten zum Einsatz, um den myokardialen Sauerstoffbedarf zu senken, beziehungsweise die Versorgung zu verbessern.

Eine zweite medikamentöse Säule besteht in der Thrombozytenaggregation. Dafür werden nach aktuellen Empfehlungen Acetylsalicylsäure (ASS) und P2Y12

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Inhibitoren (Ticagrelor, Prasugrel, Clopidogrel) eingesetzt, GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten sind verglichen mit den Leitlinien von 2007 in den Hintergrund geraten und sollen vorrangig bei Hochrisikopatienten eingesetzt werden. Die dritte medikamentöse Säule stellt die Antikoagulation dar. So sollen alle Patienten mit NSTE-ACS neben der Thrombozytenaggregation auch Antikoagulantien erhalten, Fondaparinux (Faktor Xa-Antagonist) ist dabei zu bevorzugen [1].

Handelt es sich um einen ST-Elevationsinfarkt kommt medikamentös noch eine fibrinolytische Reperfusionstherapie in Frage, welche eingeleitet wird, sollte eine Koronarangiographie mit Intervention nicht innerhalb von 2 Stunden durchführbar sein [61]. Für den NSTEMI ist eine Fibrinolyse obsolet.

Während bei Patienten mit ST-Streckenhebungen eine Koronarangiographie umgehend durchgeführt werden soll, gilt es bei dem NSTEMI-Patienten risikoadaptiert zu intervenieren (vgl. Abbildung 2). Dabei profitieren Patienten mit sehr niedrigem Risiko von einem eher konservativen Vorgehen, während Patienten mit hohem Risiko umgehend revaskularisiert werden sollten. Unter Berücksichtigung des Patientenzustandes wird auch die Dringlichkeit individuell festgelegt, mit der der Patient einer Intervention zugeführt werden soll [1].

Risikokriterien mit Indikation für ein invasives Vorgehen bei NSTE-ACS

Primär Relevanter Troponin-Anstieg oder –abfall

Dynamische Veränderungen der ST-Strecke oder der T-Welle

Sekundär Diabetes mellitus

Niereninsuffizienz (eGFR < 60 ml/min/1,73 m²) LV-Funktion eingeschränkt (Ejektionsfraktion < 40%)

Frühe Postinfarktangina

Kürzlich erfolgte PCI

Zurückliegende ACB-Operation

Mittlerer bis hoher GRACE Score

Abbildung 2: Risikokriterien für ein invasives Vorgehen bei NSTE-ACS (eGFR= estimated glomerular filtration rate, LV-Funktion= linksventrikuläre Funktion, PCI=

perkutane koronare Intervention, ACB= Aorto-koronaer Bypass; Abbildung nach [1])

Die passende Strategie zur Revaskularisation, also PCI oder ACB-Operation, sollte durch ein abteilungsübergreifendes Team aus Kardiochirurgen,

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Kardioanästhesisten und Kardiologen mit Hilfe von Risikoscores und klinischen Aspekten, wie Grad und Lokalisation der Stenose ermittelt werden [34].

1.2 Die Bedeutung von Biomarkern in der Risikostratifizierung