• Keine Ergebnisse gefunden

Die Auswirkungen des SV-OG auf die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

5.1. Allgemeines

Im Vorfeld der Sozialversicherungsreform durch das SV-OG wurde heftig um ein Weiterbestehen der AUVA gerungen. Vielfach wurde über die Übertragung der AUVA-Agenden an die PVA bzw die ÖGK diskutiert. Dies hätte im Ergebnis zu einer Auflösung der AUVA geführt. Schlussendlich hat sich die Politik dazu entschlossen, die AUVA als fünften Sozialversicherungsträger beizubehalten (ua Wiener Zeitung, Die Unfallversicherung ist nun selbst Akut-Patient, 9.4.2018).

Die AUVA wurde jedoch zu einer „nachhaltigen Neuorganisation“ gedrängt, die vor allem Einsparungen im Personalbereich bringen sollen. Dieser Weg wurde von Seiten der Selbstverwaltung mit einschlägigen Beschlüssen, insbesondere des Vorstandsbeschlusses am 21. August 2018, auch eingeschlagen. Das seit 2018 laufende REFA-Projekt (Reform der AUVA) sieht unter anderem bis 2024/2027 eine jährliche Reduktion der Personalkosten in Millionenhöhe vor (siehe ua Vorblatt zu ErläutRV 329 BlgNR 26. GP).

Das neue Regierungsprogramm von ÖVP/Grüne „Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020-2024“ sieht mit Ausnahme der nachfolgenden Punkte keine weiteren Berührungspunkte mit der AUVA vor:

 Weiterentwicklung der Aufgaben der AUVA unter Berücksichtigung von Vorsorge, Gesundheit und Pflege

 Stärkung und Ausbau der Unterstützung des betrieblichen Gesundheitsmanagements (Auf betrieblicher Ebene: Bericht, Zielerfassung und Maßnahmen auf freiwilliger Basis. Für Betriebe unter 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt es dafür Unterstützung seitens der AUVA).

Wie ein Damoklesschwert schwebt über der AUVA weiterhin die Zusage der ÖVP an die Wirtschaft Lohnnebenkostensenkungen herbeizuführen. Mit einer Beitragssenkung in der Unfallversicherung von 1,3 % auf 1,2 % wurde mit dem

SV-OG ein weiterer Schritt in diese Richtung gesetzt. Weitere Beitragssenkungen werden derzeit nicht offen kommuniziert, doch sind diese in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht gänzlich auszuschließen (Wiener Zeitung, Die Unfallversicherung ist nun selbst Akut-Patient, 9.4.2018; Salzburger Nachrichten, Die Unfallversicherung ist gerettet, 14.8.2018).

Das SV-OG brachte zahlreiche Änderungen für die AUVA. Die wichtigsten Änderungen6 werden in den folgenden Kapiteln dargestellt:

1. Reduktion des Dienstgeberbeitrages von 1,3 % auf 1,2 % des Bruttolohnes (§§ 51 Abs 1 Z 2 und 53a Abs 1 ASVG),

2. Änderung der Selbstverwaltungskörper und ihrer Aufgabenbereiche (§§ 427 ff ASVG),

3. Überführung von Teilen der Versicherten (Selbstständige und Bergarbeiter) an die SVS (§ 3 SVSG, § 1 Abs 1 Z 31 und 32 B-KUVG),

4. Einzelverrechnung statt Pauschalverrechnung (§ 319a ASVG) und

5. die verpflichtende Errichtung einer Betriebs-GmbH (§ 24 Abs 4 ASVG) (Dimmel und Schmid 2019).

5.2. Reduktion des Beitragssatzes für die Unfallversicherung Die in §§ 51 Abs 1 Z 2 und 53a Abs 1 ASVG vorgesehene Senkung des Beitragssatzes für die Unfallversicherung von 1,3 % auf 1,2 % des Bruttolohnes mit 1. Jänner 2019 diente laut den Materialien (ErläutRV 329 BlgNR 26. GP 10) der Lohnnebenkostensenkung. Die Senkung des Beitragssatzes um 0,1% wird im Zeitraum 2019 bis 2023 zu einem Einnahmenentfall von insgesamt 589 Millionen Euro führen. Laut den genannten Gesetzesmaterialien sollen diese Einsparungen ohne Beeinträchtigung des hohen Versorgungsniveaus für die Versicherten durch eine Struktur- und Organisationsreform ab 2019 ausgeglichen werden.

6 Die Tätigkeit des Verwaltungsrates im Zeitraum zwischen 1.4.2019 und 31.12.2019 wird mangels Relevanz nicht thematisiert. Dieser Zeitraum war geprägt durch eine Koexistenz von alten und neuen Selbstverwaltungsgremien. Dem Verwaltungsrat, der in dieser Zeit als Überleitungsausschuss agierte, hatte bis 31.12.2019 nur beschränkte Befugnisse (§§ 538w, 538x ASVG). Seit 1.1.2020 hat der Verwaltungsrat die Geschäfte der AUVA übernommen (§ 432 ASVG).

Weiters soll durch die Überführung der Einrichtungen der AUVA in eine Betreibergesellschaft und durch eine verstärkte Kooperation mit den Trägern der Landeskrankenanstalten und den anderen Sozialversicherungsträgern eine kosteneffizientere Betriebsführung und eine Verschlankung und Reorganisation der Verwaltung möglich sein. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten wird auch ein positiver Beschäftigungseffekt erwartet, der wiederum zu einer Erhöhung der Beitragseinnahmen führen wird (Vorblatt zu ErläutRV 329 BlgNR 26. GP).

5.3. Änderung der Selbstverwaltungskörper und ihrer Aufgabenbereiche

Das SV-OG führte gemäß §§ 427 ff ASVG auch zu einer gänzlichen Neugestaltung der (Selbst)Verwaltungskörper der AUVA und ihrer Aufgaben. Aus dem Vorstand wurde der Verwaltungsrat, der nunmehr grundsätzlich als geschäftsführendes Selbstverwaltungsgremium fungiert. Die Generalversammlung und die Kontrollversammlung wurden abgeschafft und durch die Hauptversammlung ersetzt. Anstelle der Kontrollversammlung wird in Zukunft ein beeideter Wirtschaftsprüfer den Rechnungsabschluss der Sozialversicherungsträger prüfen (§ 444 Abs 1 ASVG).

Die Landesstellenausschüsse als Selbstverwaltungsgremien (Wien, Graz, Salzburg, Linz) wurden beibehalten, jedoch nahezu gänzlich entmachtet (§§ 419 - 431 ASVG). Sie verlieren jegliche Entscheidungskompetenz in Personal bzw sonstigen Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten (§ 434 Abs 3 ASVG) und haben nunmehr überwiegend (inhaltsleere) Mitwirkungs- und Bestellungsfunktionen (weiterführend siehe Silbernagl und Silbernagl 2020).

Mit der formellen Kompetenzreduktion der Landesstellen ging eine Aufwertung des Verwaltungsrates und der Verwaltung (Büro) einher. Besonders hervorzuheben ist nunmehr die aufgewertete Stellung des Büros und somit der Verwaltung der AUVA in Person des Generaldirektors. Gemäß § 432 Abs 1 ASVG sind dem Büro zahlreiche Agenden unbeschadet der Verantwortlichkeit und der Weisungsbefugnis des Verwaltungsrates (tunlichst) zu übertragen. Hervorzuheben

Verwaltungsgeschäften bis zu einem Betrag von € 208 500,00 (Wert 2019; das Eineinhalbfache des für das jeweilige Jahr festgesetzten Schwellenwertes für Dienstleistungen nach § 12 Abs 1 Z 1 BVergG 2018) oder die weitgehende Personalkompetenz mit Ausnahme höchster Führungspositionen in der AUVA.

5.4. Überführung von Teilen der Versicherten (Selbstständige und Bergarbeiter) an die SVS bzw an die BVAEB

Das SV-OG ordnete mit 1.1.2020 eine Überführung der Versicherungsgruppen der Selbstständigen und der Beschäftigten der knappschaftlichen Betriebe im Bereich der Unfallversicherung von der AUVA an die SVS (§ 3 SVSG) bzw an die BVAEB (§ 1 Abs 1 Z 31 und 32 B-KUVG) im Bereich der Unfallversicherung an.

Dies wird in der AUVA einerseits zwar zu einem Beitragseinnahmenentfall führen, andererseits gehen bestehende Leistungsansprüche (zB Sachleistungen bzw Rentenleistungen) auf die jeweiligen neuen Träger über und belasten daher das Budget der AUVA in Zukunft nicht mehr. Insbesondere die Bearbeitung und Beurteilung von Versicherungsfällen der Selbstständigen war in der Vergangenheit

Schmid 2019

mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden (zB Erhebungsverfahren), der nunmehr wegfällt (Vorblatt zu ErläutRV 329 BlgNR 26. GP).

5.5. Einzelverrechnung statt Pauschalverrechnung

§ 319a ASVG regelt derzeit die wechselseitigen Abgeltungen der Behandlungskosten zwischen den KV-Trägern und der AUVA in Form von Pauschalbeträgen (Hattenberger 2014). Ab 1.1.2023 soll die Abgeltung der Behandlungskosten nicht mehr pauschal, sondern in Form einer Einzelverrechnung von Sach- bzw Geldleistungen erfolgen. Aus Sicht der AUVA soll die Einzelverrechnung zu einer jährlichen Einsparung von ca. 156 Millionen Euro führen (AUVA 2020).

Die Einführung der Einzelverrechnung könnte jedoch einen größeren Aufwand im Verwaltungsbereich (Einrichtungen, Landesstellen oder Betriebsgesellschaft) bedeuten. Dies würde wiederum einen erhöhten Personaleinsatz erforderlich machen. Fraglich ist ebenfalls, ob die Realisierung dieses gesetzlich vorgegebenen Zieles (von Pauschalabgeltung zu Einzelverrechnung) in der Praxis tatsächlich möglich ist, da viele grundsätzliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Ende der Vorleistungspflicht der Krankenkassen geklärt werden müssen.

5.6. Verpflichtende Errichtung einer Betriebs-GmbH

§ 24 Abs 4 ASVG verpflichtet die AUVA ab 2020 zur Errichtung einer Betreibergesellschaft, in der alle eigenen Einrichtungen (Unfallspitäler und Rehabilitationseinrichtungen) gemeinsam verwaltet werden sollen. Diese Gesellschaft soll zu 100% im Eigentum der AUVA stehen. Das Heben von Einsparungspotentialen wurde hierbei seitens des Gesetzgebers als klares Ziel formuliert (Vorblatt zu ErläutRV 329 BlgNR 26. GP; siehe auch Stöger 2020).

Diese gesetzliche Vorgabe wurde mit der Gründung der AUVB (Allgemeine Unfallversicherungsbetriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung,

Seither ist man – nach internen Informationen – jedoch davon abgegangen, die jeweiligen Einrichtungen der AUVA zur Gänze in die Gesellschaft zu überführen.

Eingegliedert werden sollen nur Teilbereich der Einrichtungen (Küche, Technik, Reinigung, medizinische Aufbereitung, Parkraumbewirtschaftung) sowie der Verwaltung (zB Reinigung, Gebäudeverwaltung). Die Implementierung der Gesellschaft bedarf auch den Aufbau eines neuen Organigramms und insbesondere der Gründung eines Aufsichtsrates (§ 29 GmbHG).

Doppelstrukturen werden sich darüber hinaus vor allem zu Beginn der Tätigkeit der AUVB nicht vermeiden lassen. Der endgültige Aufgabenbereich der AUVB wurde nach wie vor nicht festgelegt und ist stets in Veränderung begriffen.

AUVA 2020 (intern)