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2 Literaturübersicht

2.3 Diagnostik der AE beim Fehlzwischenwirt

Entscheidend für ein effizientes Management der AE und eine erfolgreiche chirurgische Therapie – und damit eine Reduktion der Morbidität und der Mortalität – ist die frühzeitige Diagnose. Diese basiert bei Mensch und Tier neben immundiagnostischen Tests hauptsächlich auf charakteristischen morphologischen

Merkmalen, die auf der Grundlage von bildgebenden Verfahren erhoben werden. Auch epidemiologische Daten, klinische Befunde sowie Nachweis erregerspezifischer DNA und histopathologische Untersuchungen werden für die Diagnostik herangezogen (ROMIG et al. 1999; ECKERT et al. 2001a; PAWLOWSKI et al. 2001; SCHANTZ 2006; YAMASAKI et al. 2007; TAPPE et al. 2009; BRUNETTI et al. 2010).

2.3.1 Bildgebende Verfahren

Im Fall der hepatischen AE ist bei jeglichen bildgebenden Verfahren die Erfahrung des untersuchenden Arztes entscheidend, da die morphologischen Merkmale der AE, insbesondere in Fällen atypischer Läsionen, beispielsweise von neoplastischen Prozessen abzugrenzen sind (REUTER et al. 2001; BRESSON-HADNI et al. 2006;

CZERMAK et al. 2008). Die Basis für die Diagnose der AE in abdominalen Lokalisationen bildet die Sonographie (ROMIG et al. 1999; BARTHOLOMOT et al.

2002; BRUNETTI et al. 2010), welche als Methode der Wahl für Screeningzwecke und für Kurzzeitverlaufsbeobachtung gilt. Da mit der Sonographie jedoch kleinere Läsionen leicht übersehen werden können, sollten zur genaueren Feststellung der Anzahl und Lokalisation möglicher Echinokokkenvesikel Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) herangezogen werden (REUTER et al.

2001; SUZUKI et al. 2003).

In 70 % der Fälle treten für die AE typische sonographische Befunde auf. Dazu gehört eine unregelmäßige Abgrenzung gegenüber dem umliegenden Wirtsgewebe, welche auch als „worm-eaten sign“ bezeichnet wird, und als pathognomonisch für die AE gilt.

Weitere typische Merkmale sind eine heterogene Echotextur mit hyperechogenen Arealen (Bindegewebe) und hypoechogenen Bereichen („aktives“ Parasitengewebe) sowie die bei etwa 90 % der AE Patienten vorhandenen Verkalkungen, die sich sonographisch als unregelmäßige hyperechogene Herde mit einem typischen dorsalen Schallschatten darstellen. Pseudozystische Läsionen mit umfangreicher zentraler Nekrose, die von einem hyperechogenem Ring (Bindegewebe) umgeben sind, stellen einen weiteren charakteristischen Sonographie-Befund dar (PAWLOWSKI et al. 2001;

SUZUKI et al. 2003; BRESSON-HADNI et al. 2006; CZERMAK et al. 2008;

BRUNETTI et al. 2010). Daneben treten bei etwa 30 % der AE-Patienten auch atypische Veränderungen auf. So können beispielsweise frühe AE-Stadien in Form von hyperechogenen Knötchen auffallen, die Hämangiomen ähneln. Außerdem können gelegentlich kleine kalzifizierte Läsionen beobachtet werden, die für einen abortiven Verlauf der AE oder aber für einen noch sehr jungen Herd sprechen (BRESSON-HADNI et al. 2006).

Kalzifizierungen (PAWLOWSKI et al. 2001; BRESSON-HADNI et al. 2006;

CZERMAK et al. 2008; BRUNETTI et al. 2010). Pathologische Veränderungen intra- und extrahepatischer vaskulärer Strukturen und des biliären Systems können am besten mit MRT oder Farbdoppler- bzw. gepulster Doppler-Sonographie nachgewiesen werden (PAWLOWSKI et al. 2001; BRESSON-HADNI et al. 2006; BRUNETTI et al.

2010). Mittels MRT lässt sich zudem die multivesikuläre oder „honigwabenartige“

Struktur speziell nicht kalzifizierter Läsionen gut darstellen, welche ebenfalls als pathognomisch gilt (BRESSON-HADNI et al. 2006; CZERMAK et al. 2008;

BRUNETTI et al. 2010). Im Gegensatz zu konventionellen bildgebenden Verfahren eignet sich die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als Methode zur Differenzierung von aktivem und totem Echinokokkengewebe, da sich mit dieser Methode das Verschwinden metabolischer Aktivität innerhalb der parasitären Läsionen nachweisen lässt (REUTER et al. 1999; BRESSON-HADNI et al. 2006).

Bei an AE erkrankten Tieren wurden mittels bildgebender Verfahren ähnliche Befunde erhoben wie bei menschlichen AE-Patienten. So erbrachte beispielsweise die Untersuchung mittels Sonographie und CT bei zwei Japanmakaken (Macaca fuscata) tumorähnlich infiltrativ wachsende hepatische Läsionen mit Verkalkungen und Kolliquationsnekrose. Sonographisch konnten auch das von humanen AE-Patienten bekannte „snowflake sign“, welches durch in der Vesikelflüssigkeit flotierende Protoscolices zustande kommt (CZERMAK et al. 2008; KISHIMOTO et al. 2009), sowie das sogenannte „worm-eaten sign“ beobachtet werden (SUZUKI et al. 2003;

KISHIMOTO et al. 2009).

Bei einer sonographischen Screening-Untersuchung von Javaneraffen (Macaca fascicularis) im Zoo Basel ließen sich multilokuläre, teils intrahepatische zystische Strukturen mit einem Durchmesser zwischen 5 bis 15 mm nachweisen. Bei einem betroffenen Tier wurde die Verdachtsdiagnose auf AE postmortal und molekularbiologisch bestätigt, während sich die hepatische Läsion bei einem weiteren Tier als Gallengangszyste erwies (REHMANN et al. 2005).

In einer Studie mit elf an AE erkrankten Hunden wurden erstmals umfassende bildgebende Befunde beim Hund erhoben. Röntgenologisch stellten sich die Läsionen als umfangreiche Weichgewebemassen im kranialen Abdomen dar, die den Gastrointestinaltrakt kaudodorsal verdrängten. Bei fünf Hunden konnte außerdem ein Verlust serosaler Details sowie Mineralisationen innerhalb der Läsionen festgestellt werden. Letztere waren teils stecknadelkopfgroß, teils grob und amorph und zeichneten sich sonographisch durch charakteristische distale Schallschatten aus.

Sonographisch konnten außerdem kavernöse bis noduläre hepatische Läsionen zwischen zehn und 40 mm nachgewiesen werden. Bei vier Hunden wurde ein Aszites festgestellt. Des Weiteren konnte sonographisch und mittels CT festgestellt werden, dass die Läsionen nicht vaskularisiert waren (SCHARF et al. 2004). Ähnliche Befunde

erbrachte die röntgenologische und sonographische Untersuchung eines an AE erkankten Dackels. In der sonographischen Untersuchung stellte sich die Masse heterogen dar mit nodulären hyperechogenen Anteilen sowie hypoechogenen kavernösen Arealen, die teilweise flüssigkeitsgefüllt erschienen (HALLER et al.

1998).

2.3.2 Serologische Untersuchung

Die Immundiagnostik stellt neben den bildgebenden Verfahren eine der zuverlässigsten Methoden für die Diagnose der AE dar (GOTTSTEIN et al. 1993;

BRUNETTI et al. 2010).

Für die Interpretation serologischer Befunde ist eine grundlegende Kenntnis der Antikörperkinetik im Rahmen einer AE notwendig. So bildet ein Großteil der menschlichen AE-Patienten E. multilocularis-spezifische Antikörper mit allen Immunglobulin-Isotypen; nur sehr wenige Patienten zeigen keinerlei humorale Immunantwort (GOTTSTEIN et al. 1984). GOTTSTEIN et al. (1991) konnten einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe des IgG-Titers und dem aktuellen Krankheitsgeschehen bei menschlichen AE-Patienten herstellen. So zeigte sich, dass Patienten mit inoperabler, progressiver AE hohe Antikörperkonzentrationen aufwiesen, während letztere bei Patienten, bei denen eine radikale chirurgische Entfernung vorgenommen worden war, sehr niedrig war. Eine niedrige IgG-Konzentration oder gar ein negatives ELISA-Ergebnis konnte auch bei Patienten festgestellt werden, bei denen es zu Spontanheilung der Erkrankung durch Absterben des Parasiten gekommen war. Im Gegensatz zum ELISA mit nativem E.

multilocularis-Antigen konnten die Unterschiede der spezifischen IgG-Titer mit dem gereinigten Antigen Em2 noch deutlicher herausgestellt werden (GOTTSTEIN et al.

1991). In einer anderen Studie war zudem bei der Mehrzahl der AE-Patienten ein Absinken des spezifischen IgG-Titers nach zweijähriger Chemotherapie mit Mebendazol zu verzeichnen, sowie eine Abnahme oder gar ein Verschwinden von spezifischem IgE und IgA. Genau entgegengesetzte Tendenzen zeigten vier Patienten mit progressivem Krankheitsverlauf, bei denen die IgA-, IgG-, IgE- Konzentrationen im selben Zeitraum anstiegen. Als Gründe für die Abnahme der Immunglobulin-Konzentrationen im Verlauf der Chemotherapie werden eine reduzierte Antigen-Freisetzung durch den Parasiten oder eine Beeinträchtigung des Immunsystems des Wirtes durch die Anthelminthika diskutiert (GOTTSTEIN et al. 1984).

In der Humanmedizin findet derzeit eine Vielzahl verschiedener ELISA-(Enzyme linked immunosorbent assay)-Methoden in der Diagnostik der AE Anwendung. Dabei

Antigen unterschieden werden kann (GOTTSTEIN 1985; DEPLAZES u.

GOTTSTEIN 1991; HELBIG et al. 1993; ITO et al. 1999; ITO et al. 2003b).

FROSCH (2003) empfiehlt die Verwendung von nativem Antigen in Form von E.

multilocularis-Metacestoden-Extrakten zur Diagnose der AE (FROSCH 2003). Dieses native Antigen besitzt eine diagnostische Sensitivität von 95,7 %. Höhere Sensitivitäten konnten lediglich mit zwei Antigenen erreicht werden, deren Sensitivität jeweils bei 97,1 % liegt. Hierzu gehört zum einen das Em2plus Antigen, eine Mischung aus gereinigtem Em2-Metacestoden Antigen und dem rekombinanten II/3-10 sowie EgHF, ein aus der Hydatidenflüssigkeit von E. granulosus gewonnenes Antigen.

Nachteil des nativen E. multilocularis Antigens ist allerdings eine Kreuzreaktivität gegenüber Antikörpern gegen E. granulosus, sodass sich insgesamt nur eine Spezifität von 39 % in Fällen von zystischer Echinokokkose für das E. multilocularis Nativantigen ergibt. Unter zusätzlicher Einbeziehung weiterer Helminthosen, wie beispielsweise Fascioliasis oder Cystizerkose, in den Spezifitätstest, ergibt sich jedoch eine relative Gesamtspezifität von 97,3 % für das E. multilocularis-Nativantigen.

Diese Gesamtspezifität ist vergleichbar mit der Spezifität des rekombinanten Em10-Antigens sowie der des Em2plus Antigens mit jeweils 98 % (GOTTSTEIN et al. 1993).

Laut TAPPE et al. (2009) sind Antikörper, die gegen das E. multilocularis Nativantigen gerichtet sind, länger detektierbar als Antikörper gegen gereinigte oder rekombinante Antigene. Dies liegt darin begründet, dass native Antigene ein breites antigenetisches Spektrum des Parasiten repräsentieren, wodurch sich die Antikörperkonzentration nach kurativer chirurgischer Resektion des Metacestodengewebes verhältnismäßig langsam verändert. Daher stellen ELISA-Systeme auf Nativantigen-Basis die sicherste Methode dar, um noch vorhandenes Metacestodengewebe unabhängig vom klinischen Stadium nachzuweisen.

Andererseits eignen sich diese Tests aus demselben Grund nicht zur Bestimmung der aktuellen Parasitenaktivität. Fällt allerdings der Index eines Tests, in dem Nativantigen verwendet wird, unter den „cutoff“-Wert, so ist es unwahrscheinlich, dass noch lebensfähiges Parasitengewebe vorhanden ist (TAPPE et al. 2009).

Bei der Interpretation serologischer Befunde müssen auch die Grenzen der klinischen Aussagekraft gängiger immundiagnostischer Tests bedacht werden. So kann beispielsweise in Endemiegebieten die Seroprävalenz beim Menschen hoch sein, auch bei Personen, die über einen jahrelangen Beobachtungszeitraum keine klinisch detektierbaren Zeichen einer Echinokokkose zeigen. Ein persistierender Antikörpernachweis wird in diesem Zusammenhang als Zeichen für Immunität und eine abortive Verlaufsform der AE bei diesen Patienten gewertet. Schätzungen zufolge entwickeln sogar nur 10-30 % der Personen nach Serokonversion eine klinisch manifeste AE, was die Aussagekraft positiver serologischer Befunde entsprechend einschränkt (GOTTSTEIN et al. 2001; JENSEN et al. 2001). Auf der anderen Seite

muss auch berücksichtigt werden, dass laut Erfahrungen aus einer Studie zu AE in Japan Patienten mit Läsionen mit einem Durchmesser von weniger als 10 mm seronegativ waren, und diese Personen folglich in einem serologischen Screening übersehen werden können (PAWLOWSKI et al. 2001). Ein dauerhaft seropositives Ergebnis bei Patienten ohne feststellbare Leberläsionen kann unterschiedlich interpretiert werden: entweder die Person ist dauerhaft einem hohen Infektionsdruck ausgesetzt, oder der persistente Antikörpernachweis ist Ausdruck sehr kleiner, sonographisch noch nicht nachweisbarer Läsionen, welche sowohl entwicklungsfähig als auch abortiert sein können. Alternativ ist auch eine erworbene Langzeit-Immunität gegen E. multilocularis denkbar (JENSEN et al. 2001). Insgesamt muss also bedacht werden, dass die Diagnose der AE stets durch eine Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden abgesichert werden sollte (PAWLOWSKI et al. 2001;

BRUNETTI et al. 2010).