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Jürgen Mittag unterteilt die rechtliche Entwicklung des Kulturhauptstadtkonzeptes in drei Zeitphasen: 236 In der „Initialphase“ vom Vorschlag Melina Mercouris 1983 bis zum Jahr 1990 war das Projekt aufgrund mangelnder Kulturkompetenznormen von einem geringen Grad der Verrechtlichung geprägt. In den frühen 1990er-Jahren wurden die Bedingungen reformiert: In der „Erprobungsphase“ kristallisierten sich festere Auswahl- und Entscheidungsstrukturen heraus und das Projekt Kulturstadt Europas lehnte sich enger an den institutionellen Rahmen der EG an. Das Inkrafttreten des Kulturartikels mit dem Vertrag von Maastricht markierte 1993 den Beginn der dritten Entwicklungsetappe, der

„Etablierungsphase“.

233 Vgl. Mittag, Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 70.

234 Vgl. Thun-Hohenstein/Cede/Hafner, Europarecht 79.

235 Vgl. Mittag, Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 71.

236 Vgl. Mittag, Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 71ff.

45 Im wesentlichen ist es auf das intergouvernementale Entscheidungsverfahren zurückzuführen, dass sich in den frühen 1990er-Jahren mehrfach Verfahrensänderungen ergaben: Wegen der wachsenden Nachfrage der Städte und der Notwendigkeit, die Nominierungen einstimmig zu fällen, verständigte man sich vorerst auf die Möglichkeit, auch zwei Städte pro Jahr auszuwählen. Gleichzeitig wurden die Auswahlkriterien für die Kulturstädte präzisiert. Um eine Entlastung zu schaffen und die Partizipation von Drittstaaten sicherzustellen, wurde zudem der Europäische Kulturmonat eingeführt. 237 Mit Blick auf den durch den Maastrichter Vertrag eingeführten Kulturartikel trat die Kommission dafür ein, dass eine formale Rechtsgrundlage für die Kulturstadt Europas geschaffen wurde. Das EP hatte durch den Maastrichter Vertrag weitgehende Mitwirkungsrechte erhalten und sollte künftig in die Entscheidungsverfahren über die Kulturstadt Europas eingebunden werden. Es sollte bis zum Juni 1999 dauern, bis sich Rat und EP auf eine Neuregelung einigen konnten: Basierend auf Art 151 EGV wurde das bisherige zwischenstaatliche Entscheidungsverfahren in eine Gemeinschaftsaktion umgewandelt und die bisherige Kulturstadt Europas in Europäische Kulturhauptstadt umbenannt.238 Der Beschluss des EP und des Rates über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas239 vom 25.

Mai 1999 enthielt eine Reihenfolge der zur Nominierung einer Kulturhauptstadt berechtigten MS für die Jahre von 2005 bis 2019, die durch einen weiteren Beschluss vom 4. Mai 2005 nochmals abgeändert wurde. Festgelegt wurde zudem, dass der Nominierung der Europäischen Kulturhauptstadt ein nationaler Städtewettbewerb vorangehen sollte.

Vom 24. Oktober 2006 stammt der aktuellste Beschluss des EP und des Rates über die Veranstaltung der Aktion für die Jahre 2007 bis 2019.240 Die Regelungen dieses Beschlusses in Bezug auf das Bewerbungs- und Auswahlverfahren und die Abwicklung des Kulturhauptstadtjahres werden im Folgenden behandelt.

Aus dem vormaligen zwischenstaatlichen Projekt mit lockerem und unverbindlichem Regelungswerk ist ein 11 Amtsblattseiten und 15 Artikel umfassendes Regularium entstanden, welches von den Bewerbungsmodalitäten und Auswahlkriterien bis hin zur abschließenden Evaluierung nahezu alle Details regelt.241

237 Vgl. Mittag, Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 71ff.

238 Vgl. ebda.

239 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

240 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

241 Vgl. Mittag, Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 80.

46 5.2 Bewerbung, Auswahlverfahren und Abwicklung der Aktion Europäische

Kulturhauptstadt

Der Verleihung des Titels an eine europäische Stadt geht immer ein jahrelanger Vorbereitungs- und Bewerbungsprozess voran.242 Seit der Ernennung Athens zur ersten Kulturstadt Europas 1985 waren die Bewerbungskriterien und das Auswahlverfahren einer ständigen Änderung und Präzisierung unterworfen.243 In der anfänglichen Entschließung aus dem Jahr 1985 war eine alphabetische Rotation der MS bei der Ernennung der Kulturstädte vorgesehen. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich die Veranstaltung zu einer der beliebtesten und attraktivsten der EG, was eine ständige Zunahme der Bewerberstädte und gleichzeitig die sukzessive Ausdehnung von „einem zunächst zeitlich eng begrenzten ‚Sommerevent‘ [auf] ein spektakuläres Ganzjahresprogramm“ 244 zur Folge hatte. Präzisere Auswahlkriterien mussten geschaffen werden, um eine Ausgewogenheit in Bezug auf die geografische Lage, das Verhältnis zwischen MS und Drittstaaten und zwischen Hauptstädten und Provinzstädten zu gewährleisten.245 Trotz aller Bemühungen konnte jedoch aufgrund gezielter Lobbystrategien und dem Mitspiel politischer Interessen keine gleichberechtigte Rotation aufrecht erhalten werden. „So wurde die Nominierung Thessalonikis in Verbindung mit den Unruhen in Makedonien gesehen. Mit Stockholm wurde – gegen den Konkurrenten Prag – eine Stadt aus einem Mitgliedstaat für das Kulturhauptstadtjahr 1998 ernannt, der erst 1995 der Europäischen Union beitreten sollte und dessen Bevölkerung sich in einem Referendum noch für den Beitritt entscheiden musste.“246 Als das Jahr 2000 nahte, geriet das Ernennungssystem aus den Fugen: Neun Städte bewarben sich für den Titel der Kulturhauptstadt 2000 und das Erfordernis der Einstimmigkeit machte die Auswahl einer Stadt durch den Rat unmöglich. Unter Bezug auf die besondere Bedeutung des Jahres 2000 wurden schließlich alle Bewerbungen

242 Vgl. Betz, Von der Idee zum Titelträger. Regionale Kooperationsprozesse des Ruhrgebietes bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 191.

243 Vgl. Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 72.

244 Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 71. 245 Vgl. Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 72f.

246 Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 73.

47 akzeptiert und die Städte Avignon, Bergen, Bologna, Brüssel, Krakau, Helsinki, Prag, Reykjavik und Santiago de Compostela zu Kulturhauptstädten Europas ernannt.247

Durch den bereits erwähnten Beschluss des EP und des Rates vom 24. Oktober 2006248 wurde daraufhin das Verfahren zur Ernennung der Kulturhauptstädte Europas reformiert.

Der Beschluss sieht vor, dass auf nationaler Ebene ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Bewerberstädten stattfinden soll, dass die Zusammensetzung und die Aufgaben der Jury verändert werden und dass eine Überprüfungsphase zwischen Benennung und Beginn des Kulturhauptstadtjahres einzuführen ist.249 Zudem rückt die europäische Dimension der Kulturprogramme der Bewerberstädte stärker in den Mittelpunkt.

Der Beschluss regelt den Zugang zur Aktion Kulturhauptstadt Europas und die Bewerbungsmodalitäten: Nach einer festgelegten Reihenfolge, von der die MS einstimmig abgehen können, werden jährlich Städte zur Kulturhauptstadt Europas ernannt. Bereits 2005 legten das EP und der Rat fest, dass ab 2009 bis zum Ende der Aktion Kulturhauptstadt Europas jährlich zwei Städte, und zwar jeweils eine aus den 15 „alten“

MS und eine aus den 12 „jungen“ MS, welche 2004 bzw 2007 der Europäischen Union beigetreten sind, zu Kulturhauptstädten Europas ernannt werden sollen.250 Die aktuelle Reihenfolge der Berechtigung zur Nominierung der Kulturhauptstadt findet sich im Anhang zum Beschluss des EP und des Rates aus dem Jahr 2006.251

Spätestens sechs Jahre vor Beginn der Veranstaltung hat der jeweilige MS eine nationale Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen zu veröffentlichen. Städte und urbane Regionen können sich mit einem Kulturprogramm von europäischer Dimension, welches die Kriterien von Art 4 des Beschlusses erfüllt, für den Titel der Kulturhauptstadt bewerben. In den letzten Jahren ist die Zahl der nationalen Bewerberstädte konstant hoch.252 Beispielsweise haben sich 18 deutsche Städte um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2010 beworben.253

247 Vgl. Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 74.

248 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

249 Vgl. Europäische Gemeinschaften, Kulturhauptstadt Europas,

http://europa.eu/legislation_summaries/culture/l29014_de.htm (1.9.2009).

250 Vgl. Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 78.

251 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

252 Vgl. Europäische Gemeinschaften, Kulturhauptstadt Europas,

http://europa.eu/legislation_summaries/culture/l29014_de.htm (1.9.2009).

253 Vgl. Schwencke/Rydzy, Kulturstädte als Hefe europäischer Entwicklung und Integration, Kulturpolitische Mitteilungen 104 (2004) 8.

48 Fünf Jahre vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres beruft der betreffende MS die Auswahljury ein. Diese Jury besteht aus 13 unabhängigen ExpertInnen, die über umfangreiche Fachkenntnisse in den Bereichen Kulturpolitik, Europäische Kulturhauptstadt und kulturelle Entwicklung von Städten verfügen. Sieben Mitglieder werden vom EP, vom Rat, von der Kommission und vom Ausschuss der Regionen, die übrigen sechs Mitglieder vom betreffenden MS nach Konsultation mit der Kommission benannt. Die 13 ExpertInnen bewerten die Bewerbungen der Städte, treffen eine Vorauswahl und übermitteln Empfehlungen an die in der Auswahlliste genannten Bewerberstädte, welche daraufhin neun Monate Zeit haben, ihre eingereichten Programme zu ergänzen. Aufgrund der vorliegenden, konkretisierten Programme trifft die Jury ihre Endauswahl. Vier Jahre vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres nominiert der jeweilige MS unter Beachtung der Juryauswahl eine Stadt und notifiziert dies dem EP, dem Rat, der Kommission und dem Ausschuss der Regionen. Der Rat ernennt daraufhin auf Empfehlung der Kommission und unter Beachtung der Stellungnahmen des EP und der Berichte der Jury offiziell die betreffenden Städte zu Kulturhauptstädten Europas.

Bis zum Beginn der Veranstaltung wird eine Überwachungs- und Beratungsjury aus sieben ExpertInnen eingesetzt, die in zwei Sitzungen die Umsetzung der Ziele und Kriterien der Aktion überwachen soll und Berichte über den Stand der Vorbereitungen und die zu unternehmenden Schritte veröffentlicht.

Nach Ablauf des Kulturhauptstadtjahres veranlasst die Kommission eine externe und unabhängige Evaluierung der Ergebnisse der Aktion, die die Einhaltung der im Beschluss festgelegten Kriterien und Ziele überprüft.254

5.3 Motivationsgründe von Kulturhauptstädten (aims and objectives)

Durch die Bewerbungsschriften der bisherigen Europäischen Kulturhauptstädte ziehen sich wie ein roter Faden ähnliche Motivationsgründe: Meist ist die Rede von „promoting cultural tourism“, „renewing the city’s image“, „making the city better known“, „using the designation as a tool for regeneration or as part of a strategy of economic recovery.“255

254 Die aktuellen Evaluierungsergebnisse, Berichte von Überwachungstreffen, der Stand der

Juryvorauswahlen und die Entscheidungen der Jury über die Kulturhauptstädte der kommenden Jahre sind auf der Homepage der Kommission unter

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc481_de.htm abrufbar. (1.9.2009).

255 Palmer RAE/Associates, Study on the European Cities and Capitals of Culture and the European Cultural Months (1995-2004) 47,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

49 Einer der wichtigsten Gründe für eine Stadt, sich um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt zu bewerben, ist also die Ankurbelung des Tourismus und die Erzielung eines höheren Bekanntheitsgrades. Nur in wenigen Ausnahmefällen waren die wirtschaftlichen Beweggründe zweitrangig: Für Thessaloniki gab es beispielsweise vor allem politische Gründe, wollte man doch durch die investitionsintensive Schaffung einer kulturellen Region die Solidarität zu Makedonien demonstrieren.256

Im Zuge der Erstellung des so genannten „Palmer-Berichts“ gaben befragte Personen aus vormaligen Kulturhauptstädten die Hauptmotivation für die Bewerbung ihrer Stadt folgendermaßen an:257

“To become the metropolis of the Balkans.“ (Thessaloniki 1997)

“To build bridges, create synergies between the artists of different linguistic communities and be a motor for long-term development.” (Brussels 2000)

“To put Graz on Europe’s cultural map and to turn around the life in the city through a programme based on a wide notion of culture that makes people understand and actually feel that culture is part of everyday life.” (Graz 2003)

Der „Palmer-Bericht” definierte aufgrund der Aussagen von Verantwortlichen und der Analyse der Bewerbungsschriften aller Kulturhauptstädte im Zeitraum von 1995 bis 2004 eine Reihe von vorrangigen Motivationsgründen für eine Bewerbung: Die Steigerung der Bekanntheit ihrer Stadt, die Veranstaltung eines großen Kulturevents, die längerfristige Verbesserung der kulturellen Infrastruktur, Beachtung bei in- und ausländischen TouristInnen zu finden und die Förderung einer europäischen kulturellen Zusammenarbeit.258

5.4 Programmatik von Kulturhauptstädten

„Die Ernennung einer Stadt zur Kulturhauptstadt Europas erfolgt nicht allein aufgrund dessen, was sie ist oder tut.“259 Vielmehr ist für die Entscheidung der Auswahljury die Vorlage eines konkreten Kulturprogramms ausschlaggebend.

256 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 47,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

257 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 47f,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

258 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 49,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

259 Europäische Gemeinschaften, Leitfaden für Bewerbungen als „Kulturhauptstadt Europas“, http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc629_de.htm (1.10.2009).

50 Jürgen Mittag teilt die Ausgestaltung der Kulturhauptstadtidee in programmatisch-konzeptioneller Perspektive in drei Phasen.260 Eine erste Phase bis 1989 umspannt den Zeitraum, in dem die Kulturstädte Europas lediglich ein auf den Sommer begrenztes Event waren. Der Titel verkörperte damals wenig mehr als ein zusätzliches Etikett auf einem erweiterten Veranstaltungsprogramm zur nationalen Hochkultur. Glasgow führte mit seiner Nominierung zur Kulturstadt Europas im Jahr 1990 eine Wende herbei: Das Programm wurde auf das gesamte Jahr ausgedehnt und die Kulturhauptstadtidee durch den Aufbau einer systematischen Imagewerbung, durch städtebauliche Veränderungen und durch die erstmalige Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten regelrecht revolutioniert.261 Das inhaltliche Konzept Glasgows wurde in den Folgejahren von nahezu jeder weiteren Kulturhauptstadt aufgegriffen. Der gemeinsame Nenner dieser zweiten Phase ist die Umwandlung des Projekts hin zu einem werbewirksamen Publikumsmagneten, mit dem in erster Linie Imagewerbung und die Ankurbelung des Städtetourismus verfolgt werden sollten. Das Jahr 2007 kann als Beginn der dritten Entwicklungsphase angesehen werden:

Die konkretisierten rechtlichen Vorgaben haben dazu beigetragen, dass den Programmen künftiger Kulturhauptstädte explizit eine europäische Dimension verliehen werden muss.262

Ebenso wie das Auswahlverfahren ist auch die inhaltliche Programmkonzeption der Kulturhauptstädte im Beschluss des EP und des Rates aus dem Jahr 2006 geregelt. 263 Das Kulturprogramm hat mehreren Kriterien zu entsprechen, die sich in die Kategorien „Stadt und Bürger“ und „Europäische Dimension“ untergliedern lassen.

In Bezug auf die erstgenannte Kategorie hat die Stadt bei der Erstellung des Kulturprogrammes dafür Sorge zu tragen, das Interesse der in der Stadt und ihrer Umgebung lebenden BürgerInnen zu wecken und ihre Beteiligung zu fördern. Zudem soll

260 Vgl. Mittag, Die Idee der Kulturhauptstadt Europas, in Mittag (Hrsg), Die Idee der Kulturhauptstadt Europas 80.

261 Vgl. ebda.

262 Vgl. Art 4 Beschluss Nr. 1622/2006/EG des EP und des Rates vom 24. Oktober 2006 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2007 bis 2019, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm

(29.9.2009).

263 Vgl. Beschluss Nr. 1622/2006/EG des EP und des Rates vom 24. Oktober 2006 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2007 bis 2019, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

51 das Programm wichtiger Bestandteil einer langfristigen Strategie für kulturelle und soziale Entwicklung der betreffenden Stadt sein.

Um der Europäischen Dimension Rechnung zu tragen, hat das Kulturhauptstadtprogramm die Zusammenarbeit zwischen KulturakteurInnen, KünstlerInnen und Städten aus anderen MS zu fördern, den Reichtum der kulturellen Vielfalt Europas hervorzuheben und die gemeinsamen Aspekte europäischer Kulturen in den Vordergrund zu rücken. Die europäische Dimension sollte im Zuge des Kulturhauptstadtjahres sowohl in den Veranstaltungsthemen, als auch in der Projektumsetzung zum Ausdruck kommen.264 Der Bewerbungsleitfaden der EU listet in diesem Sinne beispielhaft folgende Themen für das Programm einer Kulturhauptstadt auf:

− In Europa weit verbreitete und bekannte Bewegungen und Stilrichtungen in Kunst und Kultur, die von der Stadt inspiriert wurden oder zu denen sie maßgeblich beigetragen hat.

− Jüngste Bewegungen und Stilrichtungen in Kunst und Kultur.

− Führende Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, die aus der Stadt stammen und durch ihren Ruhm und/oder ihre Mobilität und ihre Rolle in Europa zu

„europäischen“ Künstlern wurden.

− Darstellung und Würdigung von Aspekten der europäischen Geschichte und Identität und des europäischen Erbes, die in der Stadt bereits vorhanden sind/Sensibilisierung der europäischen Öffentlichkeit für Persönlichkeiten und Ereignisse, die für Geschichte und Kultur der Stadt prägend waren.

− Entwicklung europäischer Themen, aktuelle Herausforderungen für Europa.

− Kooperationen, Koproduktionen, Austausche und andere Formen der Zusammenarbeit zwischen KünstlerInnen, Organisationen und Gruppen aus dem Kulturbereich, die in verschiedenen europäischen Ländern vertreten sind.265

264 Vgl. Europäische Gemeinschaften, Leitfaden für Bewerbungen als „Kulturhauptstadt Europas“, http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc629_de.htm (1.10.2009) 22ff.

265 Vgl. Europäische Gemeinschaften, Leitfaden für Bewerbungen als „Kulturhauptstadt Europas“, http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc629_de.htm (1.10.2009) 22ff.

52 Insbesondere dadurch, dass ein Kulturhauptstadtprogramm viele verschiedene Projekte umfasst, besteht die Gefahr der Verwässerung des Programms.266 Jedenfalls ist darauf zu achten, die Besonderheiten und die Geschichte der jeweiligen Stadt zu berücksichtigen und eine ausgewogene und abwechslungsreiche Mischung der verschiedenen Kunst- und Kultursparten zu bedienen. Eine „einseitige Fixierung auf Hoch-, Stadt-, Lebens-, Frauen-, Jugend-, Unterhaltungs- oder Arbeiterkultur ist unzulässig“, vielmehr sollte sich das Programm aus dem Zusammenspiel und der Vernetzung all dieser Aspekte ergeben.

Weiters ist darauf zu achten, ein ausgewogenes Verhältnis von Groß- und Kleinveranstaltungen zu erzeugen: So genannte „Big Events“ sind zwar medientechnisch besser verwertbar, doch darf die Bedeutung von „kleinen, fast intimen, aber nicht weniger feinen Projekten“ nicht negiert werden.267 Während „Blockbuster events“ große Menschenmassen anziehen, erweisen sich kleine, lokale Initiativen oft als nachhaltigere Programmpunkte.268 Ein erfolgreiches Programm für eine Kulturhauptstadt Europas zeichnet sich laut Max Aufischer dadurch aus, dass es „nicht nur den Seiltanz zwischen

‚Kunstfalle und Medienfalle‘ (Peter Weibel), sondern auch den zwischen Elitärfalle und Banalfalle bewältigt.“269

Vielfach entscheiden sich die Kulturhauptstädte bereits zu Beginn des Bewerbungsverfahrens und der Programmkonzeption für ein übergeordnetes Hauptthema der Veranstaltung.270 So wählte Reykjavik „Culture and Nature“ zum bestimmenden Thema und unterteilte das Kulturprogramm nach den vier Elementen Wind, Erde, Feuer und Wasser; Genua positionierte sich aufgrund seiner geographischen Lage mit dem Titel

„Genoa: Capital of the Sea“,271 Stavanger wählte das Motiv „Open Port“272 und Tallin, das zusammen mit Turku Kulturhauptstadt 2011 ist, präsentiert sich mit dem Slogan

„Everlasting Fairytale“273.

Die meisten Kulturhauptstädte der vergangenen Jahre benötigten für die Programmerstellung etwa drei Jahre, schrieben zu Beginn einen Wettbewerb zur Vorlage

266 Vgl. Aufischer, Stadtkultur. Kulturstadt Europas. Ein persönlicher Bericht (1999) 14f.

267 Vgl. Aufischer, Stadtkultur 15.

268 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 16,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

269 Aufischer, Stadtkultur 15.

270 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 16,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

271 Vgl. Palmer RAE/Associates, Study 66,

http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc437_de.htm (29.9.2009).

272 Vgl. http://www.stavanger2008.no/?event=about.index (1.10.2009).

273 Vgl. http://www.tallinn2011.ee/eng/flash/index.php (1.10.2009).

53 von Programmideen aus und wählten aus den eingesandten Vorschlägen in etwa 500 Projekte aus verschiedensten Kulturbereichen aus. Im Durchschnitt lagen die Ausgaben für das Kulturprogramm bei 63 Prozent der Gesamtkosten des Kulturhauptstadtjahres.274

5.5 Finanzierung Europäischer Kulturhauptstädte

Obwohl die EG zu jenem Zeitpunkt noch über keine kulturpolitischen Kompetenzen verfügte, beteiligte sie sich von Beginn des Programms Kulturstadt Europas im Jahr 1985 an dessen Finanzierung. Im Rahmen des Kulturförderprogramms Kaleidoskop erhielten die Kulturstädte durchschnittlich je 600.000 Euro, eine Summe die sich nach Ernennung der Kulturhauptstadt Europas zur Gemeinschaftsaktion (1999) nicht wesentlich erhöhen sollte.275 Seit dem Jahr 2000 ist die Förderung der Kulturhauptstädte ein wesentlicher Bestandteil der Programme „Kultur 2000“ und „Kultur 2007“, die Aktion wird als Sondermaßnahme im Rahmen des 1. Aktionsbereiches des Programmes „Kultur 2007“

unterstützt.276

Der Betriebsaufwand277 variierte seit dem Jahr 1985 von 0,6 Millionen bis 73,7 Millionen

Der Betriebsaufwand277 variierte seit dem Jahr 1985 von 0,6 Millionen bis 73,7 Millionen