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2. Literaturübersicht

2.3 Die chronische Herzinsuffizienz

2.3.2 Der plötzliche Herztod

Die Definition des plötzlichen Herztodes ist umstritten, da es nur selten gelingt, mittels EKG ein solches kardiologisches Ereignis zu verifizieren, und ohne eine solche Aufzeichnung bleibt der zugrunde liegende Vorgang meist unklar.

Dennoch wird der plötzliche Herztod vielfach als unerwarteter Tod infolge eines irreversiblen Herz-Kreislauf-Stillstandes definiert, der innerhalb von 1h nach Auftreten von klinischen Beschwerden eintritt [114]. Dabei wird der plötzliche Herztod selten durch einzelne Faktoren hervorgerufen, sondern ist vielmehr als multifaktorielles Geschehen aufzufassen. Die Komplexität der Auslösemechanismen erschwert die Identifizierung von Hochrisiko-Kollektiven im Allgemeinen und macht die zeitliche Vorhersagbarkeit eines solchen Ereignisses beim individuellen Patienten unmöglich [115].

Die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes ist schwer zu ermitteln, da die Angaben mehr Schätzungen als genaue Zahlen sind. Man geht jedoch davon aus, dass der plötzliche Herztod beim Erwachsenen mit einer jährlichen Inzidenz von 0,1-0,2 % auftritt. Das entspricht in Deutschland zwischen 70.000 und 100.000 Menschen, in den USA sogar 450.000 Patienten, die einem plötzlichen Herztod erliegen [114]. Dies ist etwa die Hälfte der kardial bedingten Todesfälle in den USA [116, 117].

Bei einer Großzahl der verstorbenen Personen liegen ursächlich eine strukturelle Herzerkrankung, wie beispielsweise eine koronare Herzerkrankung oder eine dilatative Kardiomyopathie vor, die tachykarde Herzrhythmusstörungen verursachen.

Bei der Herzinsuffizienz und der Herzhypertrophie treten adaptive Veränderungen der Genexpression und Proteinfunktion auf, die arrhythmogene Folgen haben.

Solche Veränderungen sind zunächst nicht primär als Verlängerung des Aktionspotentials oder des QT-Intervalls in Ruhe zu erkennen. Vielmehr führen die subtilen Veränderungen der repolarisierenden Ionenströme vorerst nur zu einer verminderten „Repolarisationsreserve“, also einem kleineren zellulären Puffer, der Schwankungen in den repolarisierenden Strömen des Aktionspotentials auffangen kann [116]. Unter dem Begriff der Repolarisationsreserve subsummiert man also verschiedene teils überlappende und redunante Mechanismen der myokardialen Repolarisation, die eine elektrophysiologische Stabilität gewährleisten und zunächst eine exzessive QT-Verlängerung durch äußere Einflüsse verhindern [118]. Roden [118] stellte das Konzept der „Repolarisationsreserve“ auf und konnte zeigen, dass der Funktionsverlust der an der Repolarisation beteiligten Mechanismen (z.B.

herunterregulierter IKr-Ionenstrom) nicht automatisch zu klinischen Konsequenzen führt, solange nicht zusätzliche Faktoren wie z.B. subklinische Mutationen von Ionenkanälen, anderen Genen, Herzinsuffizienz oder Linksherzhypertrophie vorliegen [119]. Die myokardiale Repolarisationsreserve wird zum Beispiel durch Bradykardie, Hypokaliämie oder aber auch durch ein weibliches Geschlecht (verlängertes QT-Intervall im Vergleich zu Männern) [74] reduziert.

Bei Überstrapazierung myokardialer Kompensationsmechanismen durch verschiedene gleichzeitig auftretende Faktoren kann die Repolarisationsreserve soweit reduziert werden, dass neben einer QT-Verlängerung polymorphe ventrikuläre

Tachykardien resultieren. Diese terminieren zwar meist spontan, können aber auch in Kammerflimmern degenerieren und somit zum plötzlichen Herztod führen [121].

Durch die vermehrte Arbeitsbelastung der Myozyten bei Herzinsuffizienz wird ein verändertes genetisches Programm abgerufen, welches sonst nur in fetalen Kardiomyozyten abläuft. Dieser Prozess verursacht schließlich auch potentiell arrhythmogene elektrophysiologische Veränderungen und strukturelle Umbauprozesse, insbesondere eine vermehrte fokale Fibrose [116].

Die Analyse der Todesfälle herzinsuffizienter Patienten zeigte, dass etwa die Hälfte an myokardialem Pumpversagen verstarb, die andere Hälfte am plötzlichen, arrhythmiebedingten Herztod. In der MERIT-HF Studie konnte gezeigt werden, dass je ausgeprägter der klinische Schweregrad der Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III-IV), desto größer die Todesrate durch Pumpversagen ist, während der Anteil plötzlicher Todesfälle steigt, je niedriger der Herzinsuffizienzgrad (NYHA-Klasse I-II) ist [114].

Etwa 5–10 % der plötzlichen Herztodesfälle betreffen allerdings strukturell völlig herzgesunde Personen. Der Anteil jüngerer Menschen (< 40 Lebensjahre) beträgt in dieser Gruppe sogar 10–20 % [122]. Bei älteren Personen sind koronare Herzerkrankung und dilatative Kardiomyopathie für den überwiegenden Teil der plötzlichen Herztodesfälle verantwortlich. Bei diesen Menschen beginnt die tödliche Kaskade in aller Regel mit einer ventrikulären Tachykardie, die in Kammerflimmern übergeht [123]. Die Ergebnisse zahlreicher Studien zu einer Korrelation zwischen nicht-anhaltenden VT und dem plötzlichen Herztod sind widersprüchlich, so dass diesbezüglich keine eindeutige Aussage getroffen werden kann [99]. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz führt die ventrikuläre Tachykardie unabhängig von der Herzfrequenz schnell zu Synkopen, weil es wesentlich schneller zu einer hämodynamisch relevanten Abnahme des Herzzeitvolumens kommt. Patienten mit hämodynamisch tolerierter VT haben jedoch im Vergleich zu Patienten, bei denen bereits die initiale Episode zu einer Synkope oder einem Herzstillstand führte, ein geringeres Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu versterben [124].

Bei jüngeren Patienten sind neben strukturellen Erkrankungen des Herzmuskels primär elektrische Erkrankungen des Herzens als wesentliche Differentialdiagnose in Betracht zu ziehen. Angeborene genetische Veränderungen von kardialen

Ionenkanälen, Proteinen des kontraktilen Apparats, der intrazellulären Kalziumspeicher oder von Zell-Struktur-Proteinen können angeborene arrhythmogene Erkrankungen verursachen [116]. Dazu gehören das lange QT-Syndrom, das kurze QT-QT-Syndrom, das Brugada-Syndrom und die katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie [122]. Diese Erkrankungen unterscheiden sich elektrokardiographisch, teilweise durch spezifische klinische Trigger der Arrhythmieentstehung, in der invasiven Diagnostik und im therapeutischen Vorgehen. Molekulargenetische Untersuchungen konnten bei einem Teil der jeweiligen Erkrankungen Mutationen spezifischer Ionenkanäle aufdecken [122].

Durch die zunehmenden Kenntnisse im Rahmen molekulargenetischer Untersuchungen mit Aufdeckung sowohl der zugrunde liegenden spezifischen Ionenkanaldefekte, als auch der Mechanismen der Arrhythmogenese, gewinnt eine medikamentöse Genotyp-spezifische Therapie an Bedeutung und gibt für die betroffenen Patienten zukünftig Hoffnung [122].