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3 Sozioökonomischer Erklärungsansatz der Un- Un-ternehmensentstehung

3.1.1 Definitorische Abgrenzungen

Zur Beantwortung der Frage nach den Bestimmungsgründen handwerk-licher Existenzgründungen ist es zunächst wichtig, ein allgemeines Ver-ständnis des Prozesses der Unternehmensentstehung zu erlangen. Nach-folgend sollen verschiedene theoretische Erklärungsansätze dahingehend untersucht werden, ob sie eine theoretische Fundierung des Gründungs-entschlusses liefern können.

Zu diesen Theorien gehören der neoklassische Ansatz und der Transakti-onskostenansatz (vgl. Abschnitt 3.1.2). Weitaus befriedigendere Er-kenntnisse bezüglich des Erkenntnisobjektes "Unternehmensentstehung"

lässt jedoch der sozioökonomische Ansatz erwarten, da hier explizit die Person des Gründers mit ihren Handlungsmotiven berücksichtigt wird.

Die Diskussion dieser verschiedenen Erklärungsansätze bildet die kon-zeptionelle Basis für die empirische Untersuchung über die Bestim-mungsgründe handwerklicher Existenzgründungen (vgl. Kapitel 4).

Im Hinblick auf die zu untersuchende Fragestellung erscheint eine for-mal-juristische1 oder unter finanziellem Aspekt2 formulierte Definition des Gründungsbegriffs nicht sinnvoll. Die Gründung soll als zeitlich aus-gedehnter Prozess verstanden werden, der die konstitutiv-konzeptionel-len Voraussetzungen für den Start, den Aufbau und die Entwicklung ei-ner neuen Unternehmenseinheit bildet.3 Unter Unternehmung versteht SCHUMPETER eine „äußerlich selbständige, scheinbar autonome,

1 In diesem Fall bezieht sich die Gründungsdefinition auf die nach § 14 der Gewerbeordnung vorgeschrieben Anzeigepflicht bzw. die entsprechenden gesetzlichen Regelungen für Handwerksbetriebe (§ 1 HwO).

2 Eine unter dem finanziellen Aspekt definierte Gründung liegt erstens entweder als Bargründung durch Einlage von Geldmitteln (Personenunternehmung) oder durch den Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor. Zweitens kann sie als Sachgründung durch Einbringung von einzelnen Vermögenswerten oder von Betriebsteilen bzw. ganzen Betrieben vorgenommen werden, vgl. Wöhe, G.

(1990), S. 873f.

3 Vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 23.

sätzlich auf sich gestellte, unmittelbar nur am eigenen Lebensinteresse orientierte Einheit“.4 Als Synonym für den Begriff Unternehmung darf in der Sprache des Gesetzgebers Unternehmen verstanden werden.5 Bei einer Gründung handelt es sich um den Schaffungsprozess eines ge-genüber seiner Umwelt qualitativ abgegrenzten und vorher in der glei-chen Struktur nicht existenten Systems.6 Ist dieses System eine Unter-nehmung, so liegt eine Unternehmensgründung vor. Die Gründung soll also als Prozess verstanden werden, der zur Existenz einer Unterneh-mung führt und dabei alle relevanten Teilaspekte bis zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes umfasst.

Die Definition des Unternehmers erfolgt oftmals in Anlehnung an SCHUMPETER. Danach ist ein Unternehmer eine Person, die neue Kombi-nationen durchsetzt.7 Dies kann unter anderem sowohl die Herstellung eines neuen Gutes als auch die Einführung einer neuen Produktionsme-thode sein.8 SZYPERSKI/NATHUSIUS unterscheiden vom Unternehmer den Gründer, der neue Kombinationen durchsetzt, in dem er eine neue bzw.

in wesentlichen Komponenten bisher nicht existente Wirtschaftseinheit schafft.9 Daraus folgt, dass es sich bei einem Unternehmensgründer um eine Person handelt, die eine neue Kombination produktiver Faktoren durch die Schaffung eines gegenüber der Umwelt qualitativ abgegrenz-ten Systems durchsetzt, welches als wirtschaftlich selbständige Wirt-schaftseinheit der Fremdbedarfsdeckung dient und dabei die besondere Art des wirtschaftlichen Risikos zu tragen hat.10 Erhebliche Abgrzungsprobleme ergeben sich zu dem englisch-französischsprachigen en-trepreneur. Der Begriff entrepreneur legt, im Gegensatz zum Begriff Unternehmer, die Betonung eher auf den Unternehmensgründer.11

Tafel 3.1 zeigt, dass die Unternehmensgründung in unterschiedlicher Form stattfinden kann. Mit dem Merkmal der Selbständigkeit, personen-bezogene Grundform, lässt sich eine erste Unterscheidung treffen,

4 Schumpeter, J.A. (1928), S. 476.

5 Vgl. Wöhe, G. (1990), S. 13f.

6 Vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 25.

7 Vgl. Schumpeter, J.A. (1952), S. 116.

8 Vgl. Schumpeter, J.A. (1952), S. 100f., vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2.3.4.

9 Vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 25.

10 Vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 25.

11 Vgl. Klandt, H. (1984), S. 26.

lich die zwischen selbständigen und unselbständigen Gründungen.12 So handelt es sich bei erstgenannten um Gründungen, die durch einen Gründer erfolgen, der in einem selbständigen Arbeitsverhältnis13 steht und die Gründung zum Aufbau oder zur Sicherung einer selbständigen unternehmerischen Existenz durchsetzt. In diesem Fall liegt also eine klassische Existenzgründung vor. Dagegen erfolgen unselbständige Gründungen durch Gründer, die in abhängiger Stellung beschäftigt sind und die die Gründung als Teil ihrer Aufgabenbereiche durchführen (z.B.

Gründung einer Filiale).

Das Merkmal der Strukturexistenz, unternehmensbezogene Grundform, erlaubt eine Differenzierung nach originären und derivativen Gründun-gen. Eine originäre Gründung ist gekennzeichnet durch den völligen Neuaufbau einer betriebswirtschaftlichen Einheit, ohne dass dabei auf eventuell vorhandene Unternehmensteile eines bestehenden Betriebes zurückgegriffen wird. Von einer derivativen Gründung wird dann ge-sprochen, wenn eine bereits bestehende Wirtschaftseinheit durch Um-gründung, Übernahme oder Vorgänge, die wesentliche Strukturmerk-male ändern, in eine andere Unternehmenseinheit transferiert wird und dabei erhebliche Teile der vorherigen Identität verloren gehen.

Tafel 3.1: Gründungsformen

Quelle: in Anlehnung an Szyperski/Nathusius (1977), S. 27

12 Für die nachfolgenden Ausführungen vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 26ff.

13 Vgl. Szyperski, N./Nahusius, K. (1977), S. 26.

Originäre Gründungen Derivative Gründungen

Selbständige Gründungen

Unselbständige Gründungen

Unternehmensgründungen Existenzgründung

Unternehmensgründung durch

Betriebsübernahme Existenzgründung

Betriebsgründung Fusion/Umgründung

Bei der selbständig-originären Gründung entsteht ein neues Unterneh-men. Hierbei ist das Potenzial des Gründers von besonderer Bedeutung, da weder auf Leistungsdaten einer vorhandenen Einheit noch auf die ei-ner Muttergesellschaft zurückgegriffen werden kann. Bei der selbstän-dig-derivativen Gründung tritt der Gründer als selbständiger Gewerbe-treibender auf, der sich mit der Übernahme einer bereits bestehenden Wirtschaftseinheit eine eigene unternehmerische Existenz aufbauen möchte. Hier spricht man von Existenzgründung durch Übernahme, da die berufliche Veränderung des Gründers im Vordergrund steht. Ein ty-pisches Beispiel für eine selbständig-derivative Unternehmensgründung ist die Übernahme eines Handwerksbetriebes, wobei auch hier unter-schiedliche Ausprägungen möglich sind. So kann die Übernahme ohne große Änderungen der Betriebsausstattung erfolgen, die Strukturände-rung ergibt sich dann ausschließlich aus dem Wechsel der Person des Handwerksmeisters. Andererseits ist eine weitgehende Neuausstattung des Betriebes mit Maschinen und Personal denkbar, so dass der Über-nahmegegenstand im Wesentlichen der Firmenmantel ist und alle ande-ren Variablen mehr oder weniger der freien Gestaltung unterliegen.

Eine unselbständig-originäre Gründung liegt dann vor, wenn eine neue abgrenzbare Wirtschaftseinheit durch eine bestehende Unternehmung geschaffen wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn im Rahmen einer Diversifikationsstrategie neue Märkte und/oder Produkte erschlossen werden sollen und dafür die Gründung eines Zweigbetriebes erfolgt. Es wird also eine gänzlich neue Organisation aufgebaut, die aber als neuge-schaffene Einheit ein abhängiger Teil einer größeren Unternehmung ist.

Durch dieses Merkmal der Abhängigkeit entspricht die Betriebseinheit nicht der Definition einer Unternehmung (selbständige Wirtschaftsein-heit).

Bei der unselbständig-derivativen Gründung liegt eine Gründungsform vor, die SZYPERSKI/NATHUSIUS als unechte Gründung bezeichnen.14 Im Extremfall ändert sich nur der Kapitalgeber, während die ursprüngliche Identität der Wirtschaftseinheit erhalten bleibt. Je weniger sich die Un-ternehmensstruktur ändert, desto schwieriger wird es, noch von einer Gründung zu sprechen. Die in diesem Falle auftretenden Phänomene werden im Allgemeinen als Fusions- und Umwandlungsprobleme be-handelt und unterscheiden sich in erheblichem Maße von den spezifi-schen Problemen einer typispezifi-schen Unternehmensgründung.

14 Vgl. Szyperski, N./Nathusius, K. (1977), S. 27.

In dieser Arbeit werden unselbständige Gründungen ausgeschlossen und das Augenmerk wird sowohl auf selbständig-originäre als auch auf selb-ständig-derivative Gründungen gelegt, da gemäß der Aufgabenstellung die Aufnahme einer selbständigen unternehmerischen Existenz von zent-ralem Interesse ist. Beide Gründungsformen lassen sich unter dem Ober-begriff Existenzgründung subsumieren, der die personenbezogene Grundform der Gründung in den Vordergrund stellt und damit die Selb-ständigkeit zwecks Vollerwerbs als notwendige Bedingung voraussetzt.15

3.1.2 Die Sozioökonomie im Spektrum grundsätzlicher