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Die Sequenzen der DCX-mRNA von Mensch, Maus und Ratte kodieren ein stark hydrophiles, basisches Protein von rund 360 AS, beim Menschen eventuell N-terminal verlängert um 42 AS (s. Kap. 1.5.). Der isoelektrische Punkt liegt bei 10. Rechnerisch ergibt sich aus der AS-Sequenz eine Größe von 40 kD für das Protein, im Western Blot stellt es sich bei 45 bis 55 kD dar. Datenbank-Zugangscodes und weitere Informationen für das DCX-Protein bezüglich der Spezies Mensch, Maus und Ratte sind in Tabelle 1.2. zusammengefasst.

Man hatte Doublecortin-Mutationen in Fällen neuronaler Migrationsstörungen beobachtet und so schließlich auch das Gen kartiert. Die offenkundige Bedeutung für die Wanderung neuronaler Vorläuferzellen ließ Spekulationen über die Funktion des Proteins zu; man vermutete einen Zusammenhang mit dem Zytoskelett. Tatsächlich fand man Kolokalisation von Doublecortin und dem MT-Netzwerk in kultivierten kortikalen Neuronen – eine Wechselwirkung, die zerstört werden konnte, sobald man das MT-Netzwerk mittels Colchicin depolymerisierte (Gleeson, 1999a). Dass es sich

hierbei um echte Wechselwirkung zwischen Doublecortin und MT und nicht nur um Kolokalisation handelte, konnte an zytosolischen Extrakten aus Gehirn-Gewebe gezeigt werden (Gleeson, 1999a). Doublecortin sedimentierte aus diesen Extrakten gemeinsam mit MT-Fraktionen. Doublecortin war darüber hinaus in der Lage, als rekombinant hergestelltes, aufgereinigtes Protein in vitro MT zu bündeln und zu stabilisieren, und zwar in direkter Wechselwirkung ohne zusätzliche Bindungspartner (Francis, 1999). Auch DCX-Mutanten können MT bündeln, was auf eine breitere Bedeutung des DCX-Proteins für die neuronale Migration über das MT-Bindeverhalten hinaus verwies (Horesh, 1999; Taylor, 2000a; Yoshiura, 2000).

Doublecortin wurde zunächst den MT-assoziierten Proteinen (MAPs) zugeordnet. Allerdings ergab die Protein-Sequenz keine Homologie zu anderen MAPs, man fand stattdessen eine neuartige Bindestelle für MT: Doublecortin besitzt zwei dieser „DCX-Domäne“ genannten MT-Bindestellen, die als Tandem zwischen den AS-Resten 47 bis 135 sowie 174 bis 259 angeordnet sind (Kim, 2003). Die beiden je ca. 90 AS langen Domänen sind in ihrer AS-Zusammensetzung zu 27% identisch und zu 47%

konserviert (Taylor, 2000a). Die überwiegende Zahl der bei Patienten gefundenen Mutationen auf dem DCX-Gen liegen im Bereich dieser MT-Bindedomänen (Sapir, 2000; Taylor, 2000a). Neben dem 30 kD großen N-terminus mit den beiden je 11 kD großen MT-Bindedomänen besitzt DCX noch einen Serin-Prolin-reichen C-Terminus, der für das Binden an MT nicht benötigt wird, jedoch mit Clathrin-assoziierten Proteinen sowie mit verschiedenen Protein-Kinasen interagiert (Friocourt, 2001;

Gdalyahu, 2004; Tanaka, 2004).

Struktur-Untersuchungen an rekombinant hergestelltem Protein führten zu der Entdeckung, dass DCX-Domänen große Struktur-Verwandtschaft mit den GTPase-bindenden Ubiquitinen haben. Die N-terminale Domäne des DCX-Proteins beispielsweise setzt sich zusammen aus einem gemischten β-Blatt bestehend aus fünf β-Strängen sowie einer grossen α-Helix, die in die konkave Öffnung des β-Blatts eingefügt ist. Begrenzt wird die Struktur durch zwei weitere 310-Helices (Abb. 1.6) (Kim, 2003). Vergleichbare Faltungsmuster finden sich bei Ubiquitinen wie z.B. der Ras-Bindedomäne von RalGDS (Huang, 1998). Da zwischen Mitgliedern der DCX-Familie und der Ubiquitin-DCX-Familie keine signifikante Übereinstimmung in der Protein-Sequenz besteht, ist ein gemeinsamer Ursprung der beiden Familien unwahrscheinlich.

Ubiquitine sind GTPase bindende Proteine, und auch Tubulin besitzt GTPase-Eigenschaften, woraus sich vermutlich die strukturelle Verwandtschaft zwischen DCX-Domänen und Ubiquitinen erklärt (Kim, 2003).

Abb. 1.6. Sekundär-Struktur der

humanen N-terminalen DCX-Domäne.

grün: β-Blatt, violett: α-Helix., Erläuterungen s. Text. aus Kim et al., 2003

Die Interaktion von Doublecortin mit Tubulin wurde an aufgereinigten Proteinen in vitro studiert (Moores, 2004). Elektronenmikroskopie zur Protein-Protein-Wechselwirkung ergab, dass DCX spezifisch an die natürlicherweise in Zellen vorkommenden, aus 13 Protofilamenten (PF) bestehenden MT-Fasern bindet und darüber hinaus die Entstehung eben dieser 13-PF-Fasern initiieren kann; der Serin-Prolin-reiche C-Terminus trägt wohl zur Spezifität der Bindung an genau diese Tertiärstruktur des Tubulins bei (Moores, 2004). Die Autoren konnten nachweisen, dass DCX – vermutlich mit der N-terminalen MT-Bindedomäne – in der Grube zwischen den einzelnen PFs an die MT-Fasern andockt und sie dadurch optimal stabilisiert. Hierbei handelt es sich um eine neuartige Interaktion mit MT, die bisher so für MAPs nicht beschrieben ist. Die C-terminale MT-Bindedomäne scheint nicht so eng an MT-Filamente gebunden und spielt wohl – dank ihrer Affinität zu Tubulin-Heterodimeren (Kim, 2003; Taylor, 2000a) – eine Rolle bei der Nukleation von MT-Fasern aus Tubulin-Untereinheiten.

DCX-Domänen, also die zuerst für das Doublecortin-Protein beschriebenen MT-Bindedomänen, fanden sich – charakteristischerweise im Tandem – auch auf anderen ZNS-spezifischen Genen (Abb. 1.7) wie der Doublecortin like kinase (DCLK oder

DCAMKL1) (Lin, 2000), auf dem Retinitis Pigmentosa (RP1)-Gen (Sullivan, 1999) sowie auf dem Doublecortin-domain-containing-Gen-1 (DCDC1) (Zeng, 2003).

DCLK ist ein stark konserviertes Gen, das während der Embryonalentwicklung des humanen Gehirns exprimiert ist. Es besitzt neben der MT-Bindedomäne eine Serin-Threonin-Kinase-Domäne; die genaue Funktion des Gens beim Menschen ist unbekannt (Burgess, 1999). Für das zu DCLK homologe Protein in Caenorhabditis elegans, ZYG-8, ist allerdings gezeigt, dass es während der Embryonalentwicklung MT bündeln und stabilisieren kann (Gonczy, 2001). Das RP1-Gen besitzt ebenfalls zwei DCX-Domänen und ist in 5 bis 10% der Fälle autosomal dominanter Retinopathien mutiert, einer Erkrankung, die zunächst zu Nachtblindheit, später zu völliger Erblindung führen kann (Sullivan, 1999). Kürzlich beschrieben wurde DCDC1, ein Protein das hauptsächlich im Hoden-Gewebe von Säugern aber auch im Gehirn anzutreffen ist, wobei die Expression im fötalen Gehirn stärker ist als im adulten (Zeng, 2003).

Abb. 1.7. Vorkommen von DCX-Domänen auf einigen eukaryonten Proteinen. Erläuterungen s. Text.

1.7. Doublecortin und dessen vermutete Rolle für die