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2.1 Die Elektrokardiographie

2.1.3 Das Langzeitelektrokardiogramm

Das von Holter in den 60er Jahren eingeführte Langzeit-EKG stellt eine wesentliche Bereicherung in der kardiologischen Diagnostik dar und hat die Telemetrie weitestgehend abgelöst. Als Speichermedium stehen Tonband (analoge Aufzeichnung) oder Festspeicher (Speicherung digitalisierter Daten) zur Verfügung, wobei der Digitalrekorder den Tonband-Kassettenrekorder immer mehr verdrängt. Bei den Langzeit-EKG-Systemen sind kontinuierlich aufzeichnende und diskontinuierlich aufzeichnende Systeme zu unterscheiden.

Letztere „verschlucken“ Perioden, in denen keine pathologischen Veränderungen festgestellt wurden. Der Untersuchende hat somit keinerlei Kontrolle über diese Zeitabschnitte (KLINGE 2002b; STEURER 2002).

2.1.3.1 Das Langzeitelektrokardiogramm in der Humanmedizin

Die Langzeitelektrokardiographie ist beim Mensch eine anerkannte Methode zur diagnostischen Abklärung von anfallsartig auftretenden Symptomen, die durch Herzrhythmusstörungen bedingt sein können (STEURER 2002). Indikationen für ein Langzeit-EKG beim Menschen sind Bewusstlosigkeit in Form von Adam-Stokes-Anfällen, Schwindelattacken, Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern und intermittierende Herzschmerzen. Weiterhin wird das Langzeit-EKG zur Aufdeckung von stummen Myokardischämien eingesetzt, die sich im EKG durch Veränderung der ST-Strecke zeigen (KLINGE 2002b). Außerdem eignet es sich in der ambulanten Elektrokardiographie zur Kontrolle von elektrischen oder antiarrhythmischen Therapien (STEURER 2002).

Das Langzeit-EKG wird als eine nicht-invasive Technik zur Risikostratifizierung des plötzlichen Herztodes nach Myokardinfarkt verwendet, da Patienten im Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach diesem Ereignis ein erhöhtes Risiko haben, an einem plötzlichen arrhythmiebedingten Herztod zu versterben (ALGRA et al. 1993; HOMBACH et al. 2000;

STEINBIGLER et al. 2002). So zeigen Probanden mit einer über 440 ms verlängerten oder verkürzten mittleren QT-Dauer über 24 h ein 2,3-fach höheres Risiko am plötzlichen Herztod zu sterben, als Patienten mit einer normalen QT-Dauer von 360 bis 400 ms (ALGRA et al.

1993). Auch die Spätpotentialanalyse zur Detektion verzögert erregter Herzmuskelzellen, wird langzeitelektrokardiographisch zur Feststellung des Risikos eines plötzlichen Herztodes bei Postinfarktpatienten beschrieben (STEINBIGLER et al. 2002).

Literaturübersicht

Die elektrokardiographische Langzeitüberwachung dient bei Patienten mit dauerhaftem Vorhofflimmern in der Humanmedizin unabhängig von ihrem subjektiven Zustand und den Routine-EKG-Daten, besonders zur Entscheidungsfindung für eine antiarrhythmische Therapie (NEDOSTUP et al. 1999). Ausserdem wird das 24-h-EKG zur Ermittlung der Herzfrequenzvariabilität eingesetzt (ARBOLISHVILI et al. 2006; GUNDUZ et al. 2006;

MAESTRI et al. 2007) (siehe Seite 25).

2.1.3.2 Das Langzeitelektrokardiogramm in der Kleintiermedizin

Bei Tieren mit kardiologischen Symptomen wird das Langzeit-EKG zur Diagnosestellung und Therapieentscheidung eingesetzt (GOODWIN et al. 1992; MILLER et al. 1999).

Es wird beim Kleintier zur Abklärung von Adam-Stokes-Anfällen, vor allem bei unauffälligem Ruhe-EKG, zur Überwachung von antiarrhythmischen Therapien und Herzschrittmachern, sowie zur Risikoeinschätzung bei organischen Herzerkrankungen eingesetzt (BUHL et al. 1999).

Neben der Ermittlung der Herzfrequenz und des vorherrschenden Rhythmus bei herzgesunden Kleintieren im Tagesverlauf (HALL et al. 1991; ULLOA et al. 1995; WARE 1999) gelang es, mit Hilfe des Langzeit-EKGs bei klinisch unauffälligen Patienten frühzeitig eine kardiale Erkrankung zu diagnostizieren (ULLOA et al. 1995; MEURS et al. 1999; CALVERT et al.

2000a; CALVERT u. WALL 2001). So konnte das Langzeit-EKG beispielsweise bei klinisch unauffälligen Beagles einen höheren Prozentsatz an Hunden mit ventrikulären Extrasystolen, AV-Blöcken 2. Grades und Vorhofextrasystolen als das Ruhe-EKG aufdecken (ULLOA et al.

1995). Weiterhin gelang es mittels 24h-EKG eine akute Kardiomyopathie bei herzgesund erscheinenden Dobermännern zu identifizieren. Die Schwere der ventrikulären Arrhythmie korrelierte bei diesen Hunden mit der kontraktilen Dysfunktion des Myokards (CALVERT et al. 2000a) Bei einer weiteren Untersuchung dieser Hunderasse mit unklaren echokardiographischen Befunden, im Sinne einer dilatativen Kardiomyopathie, zeigte ein hoher Prozentsatz dieser Tiere ventrikuläre Extrasystolen bei der Untersuchung mit dem 24h-EKG. Diese Tiere entwickelten später größtenteils echokardiographische Abnormalitäten, die für eine Kardiomyopathie sprachen (CALVERT u. WALL 2001). Die Fragestellung, ob beim Boxer eine familiäre Heritabilität für ventrikuläre Arrhythmien besteht, wurde ebenfalls mittels Langzeit-EKG untersucht und erbrachte im Zusammenhang mit genetischen Untersuchungen, dass diese Arrhythmie bei einigen Boxern autosomal dominant vererbt wird (MEURS et al. 1999).

Bei Hunden wurde der diagnostische Wert des Langzeit-EKGs u. a. beim Auftreten von Synkopen ermittelt. Bei 42 % der untersuchten Tiere war das Langzeit-EKG bei der Diagnosefindung entscheidend. Bei 30 % der Tiere mit Synkopen wurden Arrhythmien als ursächlich angesehen. Das Ergebnis des Langzeit-EKGs führte in 38 % der Fälle zu einer Umstellung der Therapie (MILLER et al. 1999). Bei einer Katze mit intermittierndem Kollaps und Dyspnoe bei unauffälligem Ruhe-EKG konnte eine schwere ventrikuläre Arrhythmie (ventrikuläre Extrasystolen, ventrikulärer Bigeminus und paroxysmale ventrikuläre Tachykardie) mittels Langzeit-EKG diagnostiziert werden (GOODWIN et al. 1992).

Das 24h-EKG ermöglicht ausserdem, verschiedene antiarrhythmische Behandlungskonzepte in der Kleintiermedizin zu vergleichen (HERTEL 1998; BUHL 2001). So konnte durch eine Überwachung von Hunden mit Magendilatation oder -torsion mit dem Langzeit-EKG in den ersten 24 Stunden post operationem kein signifikanter Unterschied der Arrhythmieunterdrückung durch unterschiedliche Behandlungskonzepte (Metildigoxin und Verapamil versus Metildigoxin, Verapamil und Propafenon) festgestellt werden (HERTEL 1998). Des Weiteren wurde mittels Langzeit-EKG das Auftreten von postnarkotischen Arrhythmien beim Hund nach Durchführung verschiedener Narkoseprotokolle untersucht und erbrachte im Vergleich keine gehäufte Arrhythmieinduktion. Zusätzlich deckte diese Studie das Unvermögen eines dreiminütigen Standard-EKGs intermittierende Arrhythmien aufzudecken auf (BUHL 2001).

Der Einsatz von humanmedizinischer Software zur Langzeit-EKG-Analyse ist in der Kleintiermedizin teilweise eingeschränkt (HERTEL et al. 1999). So ergab eine Studie erhebliche Unterschiede im Vergleich zwischen der visuellen Auswertung und der für den Menschen entwickelten computergestützten Analyse. Bei der Identifizierung von supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen waren signifikante Abweichungen im Sinne einer Fehlklassifizierung von respiratorischen Sinusarrhythmien und Bewegungsartefakten zu verzeichnen (HERTEL et al. 1999).

2.1.3.3 Das Langzeitelektrokardiogramm beim Pferd

Die Indikationen für ein Langzeit-EKG beim Pferd sind ähnlich denen der Human- und Kleintiermedizin. Indiziert ist es bei intermittierenden oder paroxysmalen Arrhythmien, wie z.

B. atrialen oder ventrikulären Tachykardien und paroxysmalem Vorhoflimmern (PATTESON

Literaturübersicht

In der Pferdemedizin besteht ebenfalls das Problem, dass das Standard-EKG nur über eine sehr kurze Zeitspanne aufgezeichnet wird, wodurch eine klinisch bedeutsame Arrhythmie unentdeckt bleiben kann. Außerdem können sich der Herzrhythmus und die Herzfrequenz bei Tieren die sich unbeobachtet in Ruhe befinden anders darstellen, als bei Tieren, bei denen der Untersuchende während der EKG-Aufzeichnung dauerhaft anwesend ist. Aufgrund dieser Tatsache werden vagal bedingte Bradykardien und Arrhythmien beim Pferd öfter im 24h-EKG als im Standard-24h-EKG aufgedeckt (REEF 1989; RAEKALLIO 1992; PATTESON 1996c).

So wurden AV-Blöcke 2. Grades bei 44 von 100 herzgesunden Pferden im 24h-EKG beschrieben. Dagegen zeigten nur 15-18 % dieser Pferde im Standard-EKG gleichartige Befunde. Zusätzlich fielen die untersuchten Pferde durch gelegentliche atriale oder ventrikuläre Extrasystolen auf, wobei Vorhofextrasystolen öfter auftraten als ventrikuläre Extrasystolen (REEF 1989). In einer weiteren Studie zur Erfassung der Variation der Herzfrequenz und des Herzrhythmus wurde das 24h-EKG ebenfalls bei klinisch gesunden Pferden eingesetzt. Dabei wurden Sinusbradykardien, Sinustachykardien, Perioden von Sinusarrhythmien, AV-Blöcke 2. Grades und vereinzelte Vorhofextrasystolen aufgedeckt. Die Herzfrequenz zeigte minimale Werte von 15-32 und maximale Werte von 27-88 Schlägen pro Minute. Es besteht folglich die Notwendigkeit ein EKG über Nacht und in Abwesenheit des Untersuchenden aufzuzeichnen, um den tatsächlichen Herzrhythmus und die Ruhefrequenz des Pferdes ermitteln zu können (RAEKALLIO 1992).

Eine Methode zur Aufzeichnung eines Langzeit-EKGs in Ruhe und während der Belastung wurde bei fünf klinisch gesunden Pferden mit Hilfe von zwei bipolaren Ableitungen bewertet.

Die aufgezeichneten EKGs wurden sowohl manuell, als auch computergestützt ausgewertet.

Ableitung 1 (Xiphoid, linker Widerrist) zeigte sich für die Belastung am sinnvollsten, wohingegen Ableitung 2 (linker ventraler Thorax, linker dorsaler Thorax) in Ruhe bessere Ergebnisse erbrachte. Die Herzfrequenz dieser gesunden Pferde variierte in Ruhe zwischen 31

± 2 und 138 ± 11 Schlägen pro Minute und während der Belastung zwischen 79 ± 8 und 177 ± 12 Schlägen pro Minute. Alle untersuchten Tiere zeigten ebenfalls Sinusarrhythmien, Sinustachykardien und AV-Blöcke 2. Grades. Ein Pferd entwickelte einen ventrikulären Ersatzrhythmus (SCHEFFER et al. 1995).

Auch bei der Therapie von Pferden mit Vorhofflimmern wird eine kontinuierliche EKG-Überwachung während der gesamten Therapie durchgeführt, um Herzfrequenz und eventuelle Komplikationen zu überwachen, sowie eine erfolgte Kardioversion zu überprüfen und

eventuell medikamentös zu unterstützen (REEF u. MARR 1993; SCHWARZWALD et al.

2005; DE CLERCQ et al. 2006). Das Auftreten und die Häufigkeit von atrialen Arrhythmien bei Pferden, die vom Vorhofflimmern zum Sinusrhythmus kardiovertierten kann ein Anzeichen für eine Myokardschädigung sein. Diese Pferde sind prädispositioniert, ein Rezidiv zu entwickeln. Bei der Untersuchung von kardiovertiertem paroxysmalem oder chronischem Vorhofflimmern mittels 24h-EKG konnten mehrere Tiere mit Vorhofextrasystolen oder anfallsweiser atrialer Tachykardie aufgedeckt werden. Bei diesen Tieren ist eine Therapie indiziert, die derartige Arrhythmien eliminiert oder reduziert, um die Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens des Vorhofflimmerns zu minimieren (REEF u.

MARR 1993)