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D AS DYNAMISCHE N ETZWERKMODELL E XTENDED TRANSLATORIAL COGNITION AND ACTION

Im Modell Extended translatorial cognition and action von Risku, Windhager und Apfelthaler ist Übersetzen eine situative Tätigkeit, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Diese sind das soziale Netzwerk (mit unterschiedlichen AkteurInnen) sowie verschiedene Artefakte, Systeme (Environments), Handlungen und Kognitionen, die sich alle entlang der Zeitachse entwickeln und in ständiger Beziehung zueinander stehen (vgl. Abbildung 6). Im Modell werden jene Prozesse visualisiert, die beim Bearbeiten des Auftrags des/der Klienten/in durch den/die ÜbersetzerIn (im Modell actor 1) ablaufen. Es handelt sich dabei um „erweiterte“ (extended) Prozesse, da nicht nur die Prozesse den/die ÜbersetzerIn betreffend von Bedeutung sind, sondern auch die Interaktionen mit anderen AkteurInnen, Artefakten, Systemen und deren Auswirkungen.

Im Modell (siehe Abbildung 6) sind daher der Einfluss eines Netzwerks spezialisierter Akteure (S, rote Pfeile) und die vielfältigen Effekte der Artefakte (Ar, orange Pfeile), welche Kognition (C) und Handlung (A) auf fast allen Ebenen moderner Übersetzungsarbeit unterstützen, miteinander verwoben. Ausgangs- und Zielkultur werden in die Kognitionen miteinbezogen, Artefakte unterstützen diese. Dieses komplexe Netzwerk entwickelt sich entlang der Zeitachse (T), wobei am Anfang die Kommunikation mit dem/der Klienten/in sowie die Übermittlung des „Ausgangsartefaktes“ (source artifact) steht und am Ende die Übermittlung des „translatorischen Artefakts“

(translatorial artifact), wobei auch während des Prozesses mit dem/der Klienten/in kommuniziert werden kann (Rückfragen etc., im Modell angedeutet durch einen roten Pfeil auf der Seite des/der Klienten/in), was einen Einfluss auf die Kognition (C) hat.

Abbildung 6: Das dynamische Netzwerkmodell Extended translatorial cognition and action von Risku, Windhager und Apfelthaler (2013:162).

Der erweiterte Übersetzungsprozess wird somit „as a complex choreography of distributed operations“ (Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:163) sichtbar, die von vielen AkteurInnen und Artefakten durchgeführt werden – anders gesagt, „as a non-trivial creation and coordination activity“ (ibid.), welche die ständige Anpassung kognitiver Prozesse an die Anforderungen und Möglichkeiten der relevanten Systeme bzw. Umwelten (E, environments) erfordert. Hinzu kommen noch die Kooperation und die Interaktion mit den Artefakten sowie der Faktor Zeit:

On this level of complexity, multiple embodied minds form operating units via their interrelating social relations (S), are supported by their specific artifact environments (Ar) and pursue translatorial projects, processes and daily routines along the time axis (T).

(Ibid.)

Die einzelnen Faktoren des Modells, die zum Teil von Schweizer übernommen und adaptiert wurden, werden im Folgenden vorgestellt.

2.2.1 Kognition (C)

Zum Faktor Kognition (C), Cognition, zählen Risku, Windhager und Apfelthaler (2013:163) all jene Operationen, die auf interne oder externe Repräsentationen zurückgreifen und mit denen das Ziel verfolgt wird, translatorische Artefakte (Übersetzung) zu bilden. Beispiele hierfür sind das Heranziehen von im Gedächtnis gespeichertem Wissen über Kulturen, Sprachen, Kommunikations- und Kooperationsmethoden, außerdem bilinguale, fast-automatisierte Assoziationen, Wissen über und Erwartungen an Textsorten wie auch implizite, erfahrungsgeleitete Theorien über das Übersetzen und explizite, gelernte Übersetzungstheorien sowie Reflektionen über den Übersetzungsprozess, Übersetzungsvorschläge und Metakognitionen über das eigene translatorische Können (vgl. ibid.).

In ihrem Modell schließen Risku, Windhager und Apfelthaler (2013:164) mit dem Faktor Kognition an dessen klassische Beschreibung als Operation, die ausschließlich im Kopf passiert, an, und beschreiben dessen Zusammenspiel mit komplexen Umgebungen. Jedoch, so die AutorInnen, wird eine Unterscheidung der kognitiven Operationen in solche innerhalb und außerhalb des Gehirns dem Ziel der Extended cognition, Gehirn, Körper und die Umwelt wieder zu vereinen, nicht gerecht. Außerdem gebe es auch unzählige hybride Konstellationen zwischen Kognition und anderen Faktoren (vgl. ibid.), wie beispielsweise epistemische Handlungen (A als C), handlungsbezogene Repräsentationen (C als A),

„ausgelagertes Gedächtnis“ (Ar als C), interne Gedächtnishilfen wie Eselsbrücken (C als Ar) und sogar kollektive Intelligenz (S als C), welche diese klare Trennung in Frage stellen. Risku, Windhager und Apfelthaler begründen dies damit, dass die Abgrenzungen zwischen den Faktoren nur aus analytischen und methodischen Gründen vorgenommen werden und dass

[…] setting and advocating analytical boundaries while arguing for a hybrid conception of extended cognition helps to model the interaction between the internal and external entities relevant to the extended cognitive process of translation. (Ibid.; Hervorhebung im Original) Die klare Abgrenzung der Faktoren im Modell hat somit den Zweck, die Interaktionen zwischen internen und externen Einheiten modellieren zu können.

2.2.2 Handlung (A)

Mit dem Faktor Handlung (A), Action, werden alle physischen translatorischen Aktivitäten bezeichnet. Dazu gehören aufgabengeleitete Operationen und Handlungen,

Übersetzungsmanagement, translatorische Aktivität sowie beobachtbare Übersetzungsstile und -routinen als Verhaltensmuster (vgl. Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:163).

2.2.3 Soziales Netzwerk (S)

Im Faktor Soziales Netzwerk (S), Social network, sind alle Akteure/innen mit ihren spezifischen Translations- und Kommunikationsrollen im Produktionsnetzwerk vertreten.

Außerdem werden in der Struktur des sozialen Netzwerkes starke und schwache Beziehungen, formale und informale Verantwortungen sowie typische Arbeitsabläufe, die zu Übersetzungsteams und geschäftlichen und/oder informellen Beziehungen führen, abgebildet (vgl. Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:163).

2.2.4 Artefakte (Ar)

Zum Faktor der relevanten Artefakte (Ar), Artifacts, gehören die unzähligen Objekte, die für die Übersetzung und Kommunikation herangezogen werden. Diese können sowohl materiell als auch immateriell sein: mentale wie auch physische Checklisten, im Gedächtnis gespeicherte Richtlinien, aber auch verschiedenste Texte, die für die Übersetzung herangezogen werden, wie verschiedene Versionen von AT, ZT, Parallel- und Referenztexten, weiters Online- und Offline-(Wörter-)Bücher, Computersysteme, Datenbanken, CAT-Tools, Terminologiemanagement-Systeme, Internet, Übersetzungs-portale sowie formelle und informelle Online-Netzwerke etc. Zu den Artefakten zählen auch Objekte, die nicht primär mit Übersetzung verknüpft werden, aber im Laufe eines Übersetzungsauftrages von Bedeutung sind, wie beispielsweise Notizzettel, Tischkalender, Scanner oder Buchhaltungssoftware (vgl. Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:163).

Der technologische Bereich der Artefakte entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit;

ein Beispiel dafür ist die externe Informationsverarbeitung sowie das Weitergeben und Verbreiten von Information, welches die kognitiven und handlungsbezogenen Fähigkeiten stark beeinflusst (vgl. ibid.:166).

2.2.5 Umwelt (E)

Mit dem Faktor Umwelt bzw. System (E), Environment, werden die verschiedenen Systeme bezeichnet, die im Laufe eines Übersetzungsauftrages von Bedeutung sind. Dazu gehören das System der Ausgangskultur und der Zielkultur (aus Perspektive der ÜbersetzerInnen) sowie das des Auftraggebers/der Auftraggeberin und jenes, in dem die

ÜbersetzerInnen aktiv sind (Translatorial Cognition and Action im Überblicksmodell, siehe Abbildung 5). Die beiden Letzteren decken sich meist mit dem System der Ausgangs- oder Zielkultur (vgl. Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:164). Die Systeme (Environments) bilden den Rahmen für die Handlungen (A): „They form the ecological, physical, geographic, economic, political, demographic and social boundary conditions of action“ (ibid.).

2.2.6 Time (T)

Mit dem Faktor Zeit (T), Time, werden die Veränderungen und Entwicklungen der anderen Faktoren, die ihrer Beziehungen untereinander und jene der Gesamtsituation bezeichnet.

Beispiele hierfür sind der Aufbau und Verlust von Wissen, Änderungen bei Verhaltensroutinen, aber auch die Dynamik sozialer Netzwerke (sowohl Änderungen in der Gesamtstruktur als auch bei bestimmten Mitgliedern und Verbindungen) und das Verwenden neuer Geräte, neuer Software oder neuer Arbeitsräume. Außerdem umfasst dieser Faktor auch subtile Veränderungen politischer, sozialer und kultureller Werte wie auch Entwicklungen des legalen und finanziellen Rahmens der Arbeitsbedingungen und Handlungen (vgl. Risku/Windhager/Apfelthaler 2013:164).

2.3 Eigenschaften des dynamischen Netzwerkmodells Extended translatorial