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2 Theoretische Grundlagen

2.3 Zelladhäsionsmoleküle im Fokus der Metastasierung

2.4.3 Cyr61

Der zuerst beschriebene Vertreter der gesamten Familie war bereits im Jahre 1985 das Cyr61. Fibroblasten der Maus wurden mittels Nährmedium,

bzw. Wachstumsfaktoren wie bFGF, PDGF oder TGF-β stimuliert und die Expression von Proteinen daraufhin untersucht195,196. Man fand ein Protein, welches sehr schnell aktiviert wurde und dessen cDNA den Namen 3CH61 trägt. Später wurde dieses Protein als Cyr61 betitelt und die Bezeichnung

„immediate-early gene“ geprägt197.

In dieser Arbeit werden die Begriffe Cyr61 oder CCN1 verwendet, obgleich es eine ganze Reihe von Bezeichnungen für dieses Protein gibt.

Tabelle 2.3: Synonyme für CCN1.

Synonyme

CCN1 Cyr61, IGFBP-rP4, IGFBP-10, CTGF-2, CEF10

2.4.3.1 Physiologische und pathologische Funktionen

Cyr61 nimmt vielfältige physiologische Funktionen wahr, die sehr stark vom jeweiligen Gewebe abhängig sind. Beispielsweise wird in einigen Geweben durch CCN1 die Integrin-vermittelte Proliferation, Migration und Adhäsion angeregt198. Auch eine gerichtete Zellbewegung, die Chemotaxis, kann durch Cyr61 als „Chemoattractant“ indirekt bewirkt werden199,200. Eine große Rolle wird Cyr61 während der Vaskularisierung in der Embryonalge-nese, bei Angiogenese und Wundheilung, aber auch Skelettbildung und Entstehung des neuronalen Systems zuteil191,201,202.

Bei Umgestaltungsprozessen der EZM ist es ebenfalls von Bedeutung.

Eine indirekte Wirkung wird über die Cyr61-abhängige Regulierung von angiogenetischen Faktoren wie VEGF, bFGF, aber auch MMPs oder Gewe-beinhibitoren der MMPs ausgeübt203.

In der Wundheilung und bei Entzündungsereignissen wirkt Cyr61 vermit-telnd auf die EZM-Bildung durch Fibroblasten oder bei der durch TNF-

induzierten Apoptose204,205.

Die breite Beteiligung an den genannten Prozessen zeigt die Bedeutung des weit verbreiteten, matrizellulären Proteins auf.

Bei den pathologischen Funktionen soll besonders die Wirkungen im Zusammenhang mit malignen Neoplasien fokussiert werden. Die durch Cyr61 bewirkten Effekte im Tumorgewebe sind auch hier stark von der jeweiligen Gewebeart und dem Stadium der Erkrankung abhängig, sodass keine allgemeine Aussage bzgl. Expression und Wirkung getroffen werden kann. Die nachfolgende Tabelle soll einen beispielhaften Überblick geben.

Tabelle 2.4: Wirkungen einer Cyr61 Überexpression bei verschiedenen Tumorentitäten.

Tumorentität/Referenz Wirkung/Effekt

Prostatakarzinom206 verstärktes Tumorwachstum, Migrationszu-nahme, gesteigerte Metastasierung

Mammakarzinom207 vermehrte Vaskularisierung der Tumore, gestei-gerte Zellproliferation, Migrationszunahme, allg.

Steigerung der Tumorgenität

Gliom208 gesteigerte Zellproliferation, Migrationszunahme über ILK

Plattenepithelkarzinom209 verstärktes Tumorwachstum, Zunahme des Tumorstadium

Pankreaskarzinom210 Bildung peritoneale Metastasen, schlechte Prognose

NSCLC211 Verlangsamung der Zellproliferation, weniger Metastasen, bessere Prognose

Endometriumkarzinom212 Verlangsamung der Zellproliferation, gesteigerte Apoptose

Ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Cyr61-Überexpression und Stadium des Krebses, Tumorgröße, Lymphknotenbefall und schlechter Überlebensprognose kann also für Krebsarten wie Brustkrebs, Gliom und Plattenepithelkarzinom festgestellt werden207,209,213,214. Eine Cyr61 Expression kann aber auch in verschiedenen Krebsarten zu einer geringeren Tumorge-nität und Prognosenverbesserung führen211,215.

Bei einigen Krebsarten gibt es aber auch konträre Erkenntnisse, so konnten bei Gebärmutterkrebs unterschiedliche Gruppen bei einer Überex-pression sowohl ein gesteigertes, als auch verlangsamtes Zellwachstum mit

der entsprechend einhergehenden Prognose feststellen212,216. Bei Magenkrebs verhielt es sich ähnlich. Einige Wissenschaftler konnten hier eine vermin-derte Expression des Cyr61 im fortgeschrittenen Stadium des Krebses fest-stellen, während bei anderen eine höhere Expression von MMP-7 und der damit trotzdem verstärkten Tumorgenität korreliert. Auf der anderen Seite wurde eine Überexpression mit einer vermehrten Tumorzellinvasion über einen neu beschriebenen HIF-1- und PAI-1-Weg beschrieben217,218. Es lässt sich also keine allgemeine Aussage über die Zusammenhänge einer Cyr61-Expression und die resultierenden Wirkungen treffen. Vielmehr ist es von entscheidender Bedeutung den genauen Subtyp der Zellen auf das Ansprechen des CCN1 zu kennen, bzw. weiter zu charakterisieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Regulation der CCN1 Genexpression. Auffällig sind Cyr61-vermittelte Effekte insbesondere bei hormonabhängigen Tumoren. Hier konnte ein Zusammenhang zwischen der Existenz von Estrogen-Rezeptoren und CCN1-Expression in unabhängigen Studien festgestellt werden. Dabei bindet Estrogen an seinen Rezeptor und induziert über eine Signalkaskade die Cyr61 Proteinbiosynthese207,219.

Ähnliche Effekte rufen auch Vitamin D3, Cortisol, Dexamethason, die bereits erwähnten Wachstumsfaktoren, HIF-1, Zytokine wie IL-1, IL-2, IL-6, aber auch UV-Licht hervor220.

2.4.3.2 Struktur und potentielle Bindungspartner

Der mosaikartige Aufbau der CCN-Familienmitglieder ist bereits in Kapitel 2.4.2 gezeigt, hier sollen nun am Cyr61-Molekül potentielle Bindungsstellen für andere Moleküle oder Substanzen aufgezeigt werden.

Aufgrund der umfangreichen Beteiligung des Cyr61 an Vorgängen des allgemeinen Zellzyklus', Zell-Zell- und Zell-Matrix-Kontakten soll hier nur eine Auswahl der Bindungspartner und die jeweilige Bindungsregion im Molekül aufgezeigt werden.

Die IGFBP-Domäne spielt eine wichtige Rolle in den CCN-Vertretern, zumal sie auch alle als IGFBP eingeordnet werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in dieser Domäne des Cyr61 auch entsprechend IGF gebunden wird.

Die Von-Willebrand Faktor C-Domäne ist in über 500 EZM-Bestandteilen enthalten221. Es ist ein weit verbreitetes und sehr bekanntes Motiv und findet sich in vielen Molekülen mit den unterschiedlichsten Funktionen wieder, wie z.B. in Prokollagen, Kollagen, dem als Trägerprotein des Hämostasefak-tors VIII fungierenden Von-Willebrand-Faktor sowie in Integrinen. Diese Domäne zeigt eine hohe Bindung an andere Strukturen, wodurch scheinbar auch CCN1 seine Wirkungen vermitteln kann.

Ebenfalls weit verbreitet ist das TSP-1 Motiv, welches sich in der gleichna-migen Domäne wiederfindet. Hier binden Proteine wie Fibronektin, Kollagen V, TGF-β, aber auch Heparin und Heparansulfat-Proteoglykane.

Die Haupt-Heparinbindestelle ist allerdings auf der CT-Domäne von Aminosäure 279 bis 315 detektiert worden. Die gesamte CT-Domäne ist ebenfalls in anderen Proteinen, insbesondere EZM-Proteinen vertreten. Auch hier ist es aufgrund der engen strukturellen Verwandtschaft zu anderen EZM-Proteinen eine breite Integrin-Bindefähigkeit nicht verwunderlich. Die gesamte Domäne wird auch als „Cystein-Knoten“ bezeichnet, da sie struktu-rell sechs Cysteine in Folge aufweist und diese Stelle als Knotenpunkt zur Dimerisierung genutzt wird. In Studien zum matrizellulären Liganden NOV konnte sogar eine Heterodimerisierung beobachtet werden222.

Abbildung 12: Struktur des Cyr61 und ausgewiesene Bindungsstellen für bekannte Bindungspartner. Abbildung nach[255,273]

Cyr61 wird von den Zellen rasch nach der Expression sekretiert, ist aber trotzdem auch nach Stimulation in vitro im Nährmedium nicht in größeren Mengen nachzuweisen. Dies kann sowohl auf die baldige Inaktivierung durch Proteinasen zurückgeführt werden, als auch auf die Tatsache, dass es größtenteils an zelloberflächliche Strukturen oder EZM-Bestandteile gebunden wird198,223. Es kann sich seine Heparin-bindende Eigenschaft zunutze machen, um beispielsweise an Heparansulfat-Proteoglykane zu adhärieren224. Dabei ist insbesondere Syndekan-4 beteiligt, welches quasi als Rezeptor und Reservoir für extrazelluläres Cyr61 angesehen werden kann225,226.