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Das Chemokinsystem umfasst eine Familie kleiner Proteine, die über Rezeptorbindung Chemotaxis vermitteln können. Sie können Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems selektiv anhand eines Konzentrationsgefälles, dem sog. Chemokingradienten, rekrutieren (CALLEWAERE et al. 2007). Chemokine sind beteiligt an der Angiogenese, an der Reifung von Leukozyten sowie deren Transport zu Lymphorganen, an der Entwicklung des neuronalen Systems und an der Bildung von Lymphorganen (MOORE et al. 1998;

CUPEDO u. MEBIUS 2003; ONO et al. 2003; RANSOHOFF 2009). Sie beeinflussen die Anzahl und den Aktivierungszustand von Integrinen auf der Oberfläche von Endothelzellen und können so Migration vermitteln (SPRINGER 1994). Chemokine bestehen aus 60 bis 100 Aminosäuren mit vier konservierten Cysteinen, die zwei essenzielle Disulfidbrücken bilden (Cys1 – Cys3 und Cys2 – Cys4). Beim Menschen ist das Chemokinsystem bereits sehr gut erforscht, es beinhaltet etwa 50 verschiedene Chemokine, welche mithilfe der Reihenfolge und Anzahl aufeinander folgender Cysteine am N-Terminus in vier Kategorien eingeteilt werden: CXC, CC, CX3C und XC. Außerdem beinhalten Chemokine drei unterschiedliche Domänen: die flexible N-terminale Domäne, die große Schleife und die α-Helix.

Rezeptorbindung und -aktivierung wird beispielsweise vor allem durch die N-terminale Domäne vermittelt (CLARKLEWIS et al. 1991).

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Chemokine einer Kategorie binden nur an spezialisierte Rezeptoren auf der Zelloberfläche, welche derselben Kategorie angehören (LEONARD u. YOSHIMURA 1990). Bei Chemokinrezeptoren handelt es sich um G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR), deren Aktivierung rasch die Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration (BAGGIOLINI 1998) und eine Veränderung der Zellgestalt (shape change) durch Neuformation und Retraktion von Lamellipodien zur Folge hat.

Chemokine und ihre Rezeptoren zeichnet i. d. R. eine Promiskuität aus. So können mehrere Chemokine an denselben Rezeptor und ein Chemokin meist mehrere verschiedene Rezeptoren binden. Zudem ist das Chemokinsystem redundant. Das heißt, verschiedene Chemokine und Chemokinrezeptoren können dieselbe Funktion erfüllen. Der Ausfall eines Chemokins oder Rezeptors kann also durch ein anderes Chemokin oder einen anderen Rezeptor kompensiert werden (MANTOVANI 1999). Neuere Studien gehen davon aus, dass alle Chemokine durch Duplikation aus einem gemeinsamen Vorläufer hervorgegangen sind und dieser Prozess noch weiter andauert (DEVRIES et al. 2006; NOMIYAMA et al. 2010). Sowohl das humane als auch das murine Chemokinsystem sind mittlerweile gut ergründet, jedoch ist über das bovine System bisher nur wenig bekannt. I. d. R. orientiert man sich bei der funktionellen Einordnung boviner Chemokine und ihrer Rezeptoren an Aminosäure-Homologien zum humanen System. Diese Vorgehensweise ist jedoch riskant und kann zu Fehleinschätzungen führen. NOMIYAMA et al. (2010) versuchten einen initialen Vergleich des bovinen Chemokinsystems mit dem anderer Vertebraten. Es wurde festgestellt, dass zahlreiche Chemokine und Chemokinrezeptoren durch Tandemgenduplikation auf sog. Cluster-Regionen der Chromosomen lokalisiert sind. Diese Cluster-Chemokine zeigen oft speziesspezifische Unterschiede, was vermutlich auf die unterschiedliche Pathogenexposition verschiedener Spezies zurückzuführen ist.

Die CC-Liganden CCL2, CCL4 und CCL5 werden als Chemoattraktoren für Monozyten beschrieben (SOZZANI et al. 1993). Zusätzlich wird auch CCL3 als Vermittler der Chemotaxis von Monozyten erwähnt (DAVID 2000). Diese Liganden binden an diverse Chemokinrezeptoren auf Monozyten. Dabei sind vor allem CCR1, CCR2, CCR5 und CXCR4 von Bedeutung (SAMSON et al. 1996; SU et al. 1996; BLEUL et al. 1997; FRADE et al.

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1997; XU et al. 2000). Genannt werden allerdings auch die Rezeptoren CCR7, CCR8, CXCR1, CXCR2 und CX3CR1(WIDDISON u. COFFEY 2011).

2.7.1 CCL2

Humanes CCL2 (Monocyte Chemoattractant Protein 1 = MCP-1) besteht aus 76 Aminosäuren und besitzt ein Molekulargewicht von 13 kDa (VAN COILLIE et al. 1999). CCL2 bindet an den Chemokinrezeptor CCR2 und ist in der Lage, mononukleäre Zellen zu aktivieren und rekrutieren. Insbesondere Monozyten werden nach CCL2-Freisetzung an den Ort akuter entzündlicher Prozesse gelockt (AJUEBOR et al. 1998). Es konnte gezeigt werden, dass CCL2- und CCR2-Knockout-Mäuse eine gestörte Rekrutierung von Monozyten sowie eine dysregulierte Zytokinproduktion aufwiesen (LU et al. 1998). Weiterhin kann CCL2 den Phänotyp von Fibroblasten und Endothelzellen modulieren und spielt möglicherweise eine große Rolle in der Wundheilung. Zum überwiegenden Teil wird CCL2 von Monozyten und Makrophagen gebildet (YOSHIMURA et al. 1989a; YOSHIMURA et al. 1989b). Aber auch Endothelzellen, Fibroblasten, Epithelzellen, glatte Muskelzellen, Mesangiozyten, Astrozyten und Mikrogliazellen sind in der Lage dieses Chemokin zu produzieren (CUSHING et al.

1990; STANDIFORD et al. 1991; BROWN et al. 1992; BARNA et al. 1994). Dabei erfolgt die Freisetzung aus den genannten Zellen entweder konstitutiv oder nach Induktion durch oxidativen Stress, Zytokine oder Wachstumsfaktoren. Im Zuge einer Th2-Antwort wird die CCL2-Expression hochreguliert (CHENSUE et al. 1995; HANDEL u. DOMAILLE 1996).

Außerdem stimuliert es verstärkt die IL-4-Ausschüttung aus T-Zellen (KARPUS et al. 1997).

Darüber hinaus konnte bei diversen Th2-vermittelten Immunerkrankungen wie Asthma (GONZALO et al. 1998) eine vermehrte Expression von CCL2 festgestellt werden. Auch konnte ein Zusammenhang zwischen der verstärkten Expression von CCL2 und einigen Herz- und Gefäßerkrankungen wie der Atherosklerose via Rekrutierung von Monozyten in das Subendothel gezeigt werden (DAWSON et al. 1999). Daneben wurde eine starke Expression von CCL2 in Tumorgeweben nachgewiesen, was i. d. R. mit der Infiltration Tumor-assoziierter Makrophagen, der Angiogenese und einer schlechten Überlebensrate bei Brustkrebs assoziiert war (VALKOVIC et al. 2002). ZACHARIAE et al. (1990) zeigten jedoch, dass CCL2 auch anti-tumorale Eigenschaften aufweist, da es die zytostatische Aktivität von Makrophagen gegen Tumorzellen in der Gewebekultur erhöhte und die

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Apoptose von Zellen durch Expression von Fas-Liganden induzierte. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass CCL2 eine wichtige Rolle im Entzündungsgeschehen spielt, da es Monozyten und andere Immunzellen ins Gewebe rekrutiert und sowohl deren Zytokinproduktion als auch -sekretion steuert. CCL2 beeinflusst somit entscheidend den Fortgang entzündlicher Reaktionen.

2.7.2 CCL4

CCL4 (MIP-1β, macrophage inflammatory protein 1-β) ist wenig erforscht. Dieses Monozyten-aktivierende CC-Chemokin besteht aus 69 Aminosäuren (7,6 kDa) und bindet an den Chemokinrezeptor CCR5. CCL4 vermittelt die Chemotaxis von NK-Zellen, Monozyten und einer Vielzahl anderer Zellen (BYSTRY et al. 2001). Weiterhin aktiviert es neutrophile, basophile und eosinophile Granulozyten und induziert die Synthese und Freisetzung proinflammatorischer Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α aus Makrophagen und Fibroblasten (COLOBRAN 2007). Produziert wird es von Makrophagen, welche zuvor mit Endotoxinen stimuliert wurden. Ferner vermittelt es die Migration von Monozyten und IL-2-stimulierten T-Zellen durch Bindung an CCR5 (BAGGIOLINI 1998).

2.7.3 CCL5

CCL5 (RANTES = Regulated upon Activation Normal T cell Expressed and Secreted) setzt sich aus 68 Aminosäuren zusammen und hat ein Molekulargewicht von 7 kDa (APPAY u.

ROWLAND-JONES 2001). Es bindet die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren CCR1, CCR3, CCR4 und CCR5, wobei CCR1 und CCR5 auf Monozyten exprimiert werden (SAMSON et al. 1996) und induziert die Migration von Leukozyten wie T-Zellen und Monozyten, aber auch basophilen und eosinophilen Granulozyten, NK-Zellen, dendritischen Zellen und Mastzellen (SCHALL 1991). Die Hauptproduktion von CCL5 erfolgt durch CD8+ T-Zellen, es kann aber auch von Epithelzellen, Fibroblasten und Thrombozyten gebildet werden. CCL5 gilt als proinflammatorisches Chemokin und kann durch Induktion der NO-Produktion in Makrophagen antimikrobielle Eigenschaften aufweisen (VILLALTA et al. 1998). Aufgrund seiner proinflammatorischen Natur kann die Expression von CCL5 auch schädigend wirken, wie es für allogene Transplantatabstoßungen, Atherosklerose, Arthritis, atopische Dermatitis, Asthma, Überempfindlichkeitsreaktionen vom verzögerten Typ, Glomerulonephritis,

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Endometriose, Morbus Alzheimer und verschiedene Tumorerkrankungen gezeigt wurde (ROSSI u. ZLOTNIK 2000; APPAY u. ROWLAND-JONES 2001). CCL5 soll zudem in der frühen Phase für die Induktion und Promotion eines Tumors und in der späten Phase für die Stimulation der Angiogenese und Metastasierung verantwortlich sein (APPAY u.

ROWLAND-JONES 2001). Manche Autoren sprechen CCL5 einen antiviralen Effekt zu (MCKENZIE et al. 1996; ZANUSSI et al. 1996; POLO et al. 1999). Beispielsweise wird CCL5 verstärkt von Epithelzellen der Lunge sezerniert, wenn diese mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) befallen sind, was zur Rekrutierung der gewünschten Zellen und der Freisetzung antiviraler Zytokine führt (CULLEY et al. 2006). Dennoch wurde in anderen Studien auch eine Förderung von viralen Infektionen wie der HIV-Infektion beschrieben (SCHMIDTMAYEROVA et al. 1996; KINTER et al. 1998; YE et al. 2004). So waren Menschen mit einer Mutation des CCR5-Gens, welche die CCR5-Rezeptorexpression an der Zelloberfläche unterdrückte, trotz mehrfacher Exposition resistent gegen eine Infektion mit HIV (BERGER et al. 1999). Zusammenfassend spielt CCL5 eine entscheidende Rolle für die Entzündungskaskade, da es die Fähigkeit besitzt, Leukozyten an den Ort des Geschehens zu rekrutieren und sowohl pro- als auch antiinflammatorisch wirken kann.