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3. Dresdner Straßenschule ist Kompetenzbildung

3.2. Building & Bonding ist Beziehungsarbeit

Der Kontaktaufbau und Vertrauen zu Sozialer Arbeit wird im besten Falle bereits im Vorfeld geleistet, bspw. über Streetworker*innen, Schulsozialarbeiter*innen oder Einzelfallhelfer*innen. Im Zusammen-hang mit den beschriebenen Adressat*innen, die als „Systemsprenger*innen“ oder „Entkoppelte“ be-zeichnet werden, sind bereits der Zugang, Kontaktherstellung und Beziehungs- und Vertrauensaufbau

eine maßgebliche sozialpädagogische Leistung und gleichzeitig ein Gradmesser für die Umsetzungs-qualität sozialpädagogischer Arbeitsprinzipien (BeziehungsUmsetzungs-qualität). Das Angebot der Straßenschule, auf den Erwerb eines Schulabschlusses vorzubereiten, knüpft an persönlichen Visionen der jungen Menschen an und stärkt (neue) erste Motivation - auch wenn in zahlreichen Fällen im Teilnahmeverlauf bzw. im Entwicklungsprozess Zielanpassungen vorgenommen werden und es im Ergebnis zu anderen bildungs- und berufsbiografischen Wünschen, Integrationszielen und Vermittlungen kommt und alter-native Übergänge gestaltet werden.

3.2.1 Erstkontakte & Zugänge

Die Zugänge zum Projekt Straßenschule sind sehr vielfältig. Zur Straßenschule wurde anfangs über die Straßensozialarbeit vermittelt. Von der Straßenschule aus wurde in arbeitsweltbezogene Angeboten, wie CoDi (Cooperation für Dich – Jugend stärken im Quartier) oder Jobbörse oder in andere Einrich-tungen und Dienste Kontakte hergestellt und Übergänge organisiert. Mittlerweile erhalten wir telefoni-sche Anfragen von Kolleg*innen, Kooperationspartner*innen, Eltern und interessierten jungen Menschen. Immer mehr spricht sich das Projekt „bei den jungen Menschen herum“, so dass auch ehe-malige Teilnehmende neue Interessent*innen motivieren sich bei der Straßenschule zu melden und so zur ersten Veränderung beitragen. Zahlreiche junge Menschen werden durch interne und externe Netz-werke, z.B. Beratungsstellen, Jugendgerichtshilfe u.a. über die Straßenschule informiert. Ein wichtiger Zugang für entkoppelte Jugendliche, erfolgt über Mitarbeiter*innen Offener und Mobiler Jugendarbeit/

Streetwork und Einzelfallhelfer*innen. Junge Menschen finden ihren Weg zur Straßenschule bspw.

über, Jugendgerichtshilfe, Job-Center, Schulsozialarbeiter*innen, Einzelfallhelfer*innen u.v.a.m.

3.2.2. Schnupperkurs und Sprechstunde Der Schnupperkurs als

Einstiegs-modul in die Straßenschule ist das Erstangebot. Es bietet den Teilneh-menden einen speziell auf ihre Le-benswelt zugeschnittenen nieder-schwelligen Lernort. Er wird schnell zum „Wohnzimmer“. Der Zugang ist freiwillig. Dies impli-ziert das Ladenlokal, der Straßen-laden, die Kontaktstelle und ist oft aus der Mobilen Jugendarbeit/

Streetwork vertraut. Wenig erinnert eben an die Institution Schule, ins-besondere beim niederschwelli-gen, durchlässigen Einstiegsmo-dul, dem Schnupperkurs. Sozialar-beiter*innen und Lernbegleiter*in-nen werden hier im besonderen Maße gefordert.

Junge Menschen beginnen, die u.U. akut in Wohnungsnot sind oder noch regelmäßig und stark legale und illegale Substanzen konsumieren oder deren Lebenslage noch sehr unstet ist. Sie kommen mit dem

Abbildung 8: Pausengespräche und Erfahrungsaustausch

ersten Ziel und Wunsches nach einem Schulabschluss. Dringende Bedarfe zeigen sich allerdings bald.

Die Sicherung existenzieller Grundbedürfnisse ist oft ein erster wichtiges Begleit-Ziel und wird u.U.

mit flankierenden Hilfen erreicht, Kontakt zur Streetwork, Einzelfallhelfer*innen, psychosoziale Bera-tung, andere Schulformen oder Jobsuche erreicht.

Vom Erstgespräch bis zum Prozess im Schnupperkurs findet soziale Bindung statt. Soziale Arbeit ist Beziehungsarbeit. Den Teilnehmenden wird die Straßenschule, die Sozialarbeiter*innen sowie die Lernbegleitenden bekannt. Vertrauen wird aufgebaut. Eine fördernde Lernatmosphäre entsteht. Dies er-reicht Soziale Arbeit mit kommunikativer Didaktik. Hierzu gehört auch die Beratung durch den So-zialarbeiter in schwierigen Lebenslagen. Somit wird regelmäßig und allen eine „Sozial-Sprechstunde“

angeboten. Ein Mal im Monat findet Rechtsberatung in der Rechtsfeldwerkstatt statt.

Der Schnupperkurs ist z.Zt. einmal pro Woche. Er ist niederschwellig konzipiert und ermöglicht jeder-zeit einen unverbindlichen Einstieg, Ausstieg oder Übergang in die Straßenschule.

Die zweijährige Projektlaufzeit bietet die Möglichkeit, diesen häufiger anzubieten und im Nachmittags-bereich anzubieten. Denn: Der Ausblick auf eine Zukunft mit Abschluss, ist die erste Verändungsres-source, es lohnt sich, somit die Selbstklärungsphase der Interessent*innen und den Übergang von un-verbindlichen Kontakt- in verbindlichere Teilnahmestrukturen individuell anzupassen. Wir arbeiten mit Zwischen- und Teilzielen und intensivieren viel Zeit in die Kompetenzklärung, vor allem sollen Defizi-te in Deutsch und Mathe sowie im GruppenkooperationsverhalDefizi-ten, frühere Erfahrungen aufgearbeiDefizi-tet bzw. soziales Verhalten trainiert werden.

Als erstes werden Regeln abgestimmt und implementiert. In dieser Erst-Gruppe geht es primär ums Kennenlernen, Stabilisieren und Ankoppeln. Schwerpunkte des Bonding sind:

➢ Tagesstrukturierung

➢ Sicherung existenzieller Grundbedürfnisse und Stabilisierung der Lebenswelt

➢ Aufbau verlässlicher Beziehungen

➢ positive Identifikation mit den Sozialpädagog*innen, Lern-Begleitenden und Teilnehmenden

➢ Gestaltung bedarfsorientierter Gruppenangebote (spielerisch, kreativ, handwerklich musikalisch, sportlich) in Profilmodulen

➢ Schlüsselkompetenztraining oder Zielplanung in Basismodulen

➢ Vermittlung von Unterstützungsleistungen, in weiterführende Angebote bzw. in Beruf bzw. Aus-bildung

Die Verweildauer im Schnupper-Kurs orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der Teilneh-menden. Hier wird ausprobiert, ob die Straßenschule das geeignete Veränderungsmodell ist, ob Regel-mäßigkeit zur Lebensrealität passt und ob die Gruppe hilfreich sein kann. Mit dem regelmäßigen Be-such des Schnupperkurses qualifiziert sich der/die Teilnehmende in Fächern in denen bisher große De-fizite vorhanden waren, für einen Wechsel in eine weiterführende Lerngruppe und zum ersten Über-gang in die Lernwerkstätten.

Übergänge zu gestalten wird früh trainiert und der Ablauf – da flexibel und offen – ist nicht immer li-near. Genau dies unterscheidet das Angebot der Straßenschule von anderen Bildungsangeboten, die mit festen Gruppen, im Gruppenprozess und mit klaren Sanktionen agieren. Manche kommen über ver-schiedene Jahre im Schnupperkurs an. Ihnen gelingt u.U. ein Einstieg später oder bei anderen Angebo-ten. Manche verlängern den Schnupperkurs, auch nach begonnenem Einstieg geänderten Zielorientie-rungen und mit gestärkter Motivation in die Fach-Gruppen bzw. Lern- und Prozess-Module. Wir arbei-ten mit Rückschritarbei-ten, um Fortschritte weiter zu verfolgen und mit der Mitarbeit der (jungen) Men-schen. Straßenschule ist keine Alternative zur Regelschule oder zu anderen Bildungsmaßnahmen, son-dern zielt in ihrer Grundstruktur bereits auf die Ressource von Eigen-Sinn-Stiftung und

Eigen-Motiva-tion, auf die Stärkung personaler und sozialer Kompetenzen, auf die Befähigung zu Teilhabe und Ver-antwortung.

3.2.3. Kompetenzscan & Lernstand

Jede/r Einzelne wird individuell, bedürfnisorientiert gefördert. Vor Beginn des Schnupperkurses wird in einem Erstgespräch mit dem/r Sozialpädagog*in ein standardisierter Kompetenzscan durch- geführt.

Es werden personenbezogene Teilnehmerdaten erhoben und Stärken, Interessen und Visionen heraus-gearbeitet. In diesem Kontext werden die aktuelle Lebenssituation, die bisherige persönliche und schu-lische Entwicklung, individuelle Fähigkeiten, Neigungen, Stärken, Bedürfnisse, Erwartungen, - z.T.

auch einschneidene Erlebnisse – vor allem bisherige Ressourcen und Unterstützer*innen (Personen und Organisationen), sowie die persönlichen Ziele und Berufswünsche erfasst bzw. aufgenommen. Ziele und Zwischenziele werden formuliert.

Darüber hinaus erfolgt nach 4 bis 6 Wochen eine Lernstandserhebung, welche Lernstände, Lern-Wis-sen, Fähigkeiten in diversen Bereichen ermittelt. Dies erfolgt einerseits durch eine Selbsteinschätzung der Teilnehmenden sowie andererseits über teilstandardisierte Tests und die „Beurteilung“ bzw. trans-parente Einschätzung der Lernbegleiter*innen. Die Lernstandserhebung ermittelt den aktuellen Stand bezogen auf die zentralen Prüfungsfächer Deutsch (D), Mathe (M) und Englisch (E). Die für die Schul-fremdenprüfung, sowohl schriftlich als auch mündlich, beherrscht werden müssen. Im Anschluss an Kompetenzscan und Lernstandserhebung wird die weitere Förderung und Zielplanung individuell mit dem Teilnehmenden geplant. Building und Bonding werden im Workshop abgeschlossen und sind wei-terhin Beziehungs-Prozessarbeit.