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BuchWenn ich mehr Zeit hätte, dann

Als meine Umwelt von meinen Plänen, mich selbstständig zu machen erfuhr, war die Meinung einhellig: »Bist du verrückt?

Alles aufs Spiel setzen? Und das als

Schwerstbehinderter!« Ich hatte doch einen guten Job, ein sechsstelliges Gehalt und eine gewisse Sicherheit, zumal ich zwi-schenzeitlich von einem Konzern als Mar-keting- und Vertriebsdirektor abgeworben worden war. Und wieder sollte ich mich bescheiden.

Ihre Gründe waren ja berechtigt. Denn mein Leben bedeutet die zehnfache Anstrengung, und das jeden Tag. Eine Socke anziehen, bedeutet zehnmal mehr an Energie und Zeit. Ins Auto einsteigen, bedeutet zehnmal mehr an Energie und Zeit. Das gleiche gilt für Reisen, Hotelaus-wahl, Umzug et cetera. Ja, das ist brutal.

Schnell wird klar, wie sehr Zeit ein limitie-render Faktor für mich ist. Doch bei aller Enge gibt es auch einen großen Vorteil: Ich musste lernen, die Dinge zehnfach tiefer zu durchdenken. Ich war und bin dazu

genö-tigt, extrem weit und substanziell zu pla-nen. Und ich musste mich auf das Wesent-liche reduzieren lernen – kein Verzetteln, maximale Klarheit. »Weniger ist mehr«, sagt der Volksmund. Und ich musste mir über-legen, wie aus so viel weniger mehr werden kann.

Denn inzwischen hatte ich verstanden, wie es funktionierte. Das Wichtigste ist die Ehr-lichkeit sich selbst gegenüber. EhrEhr-lichkeit gepaart mit genügend Talent, Disziplin und einem Willen, der mir manchmal sogar selbst Angst macht. Mein Talent als Spea-ker, Trainer, Mentor und Coach war mir als angestellte Führungskraft bei unterschiedli-chen Gelegenheiten schon klargeworden.

Doch diese Idee des Glaubens an sich und sein Talent – und der Beweis durch bestän-dig herausragende Leistungen – wird immer wieder aufs Äußerste geprüft. Das war mir in der Konsequenz noch nicht so klar. Dass es so lange dauern sollte, bevor der große Durchbruch kam, brachte mich bis an den Rand meiner Kräfte.

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Doch auch dahinter steckt ein klares Prin-zip. Um es zu verstehen, musste ich es durchleben. Die Begeisterung für etwas Neues besteht meistens aus hohem Enga-gement und wenig Kompetenz: eine Men-ge Energie und wenig Ahnung. Mit zuneh-mender Ahnung (Kompetenz) wird das Engagement weniger. Es wird klar, welcher Preis zu zahlen ist, damit das Ganze nach-haltig wirkt. Und jetzt kommt es darauf an, wirklich und dauerhaft zu liefern. Erst dann sind hohes Engagement und hohe Kom-petenz vorhanden, und das nachhaltig.

Eine präzisere Beschreibung für die unbe-wusste Kompetenz. Wenn ich in der Bezirksliga spielen wollte, reichten Engage-ment und Kompetenz auf Bezirksliga-Niveau aus.

Wollte ich in der Champions League spie-len, brauchte ich Engagement und Kom-petenz auf Champions-League-Niveau. Ich musste verstehen lernen, was es wirklich bedeutete, beständig auf Champions-League-Niveau zu spielen. Und dann galt es, dies zu erlangen und zu liefern – bestän-dig, über Jahre.

Viele Experten überlegen, was gut ankommt, und eignen sich dann dieses Wissen an. Ob Resilienz, Schwarmintelli-genz oder Agilität – es geht vor allem um viel Wissen. Und dann versuchen sie, die Identität für dieses Wissen anzunehmen, also von außen nach innen. Sie wollen ihr Image bedienen. Sie fragen sich nicht, ob Sie Agilität oder Resilienz sind. Wer viel Kraft hat, kann darin weit kommen, ob Expertenkarriere oder jede andere Karriere.

Doch wer sein Image bedienen will, wird früher oder später ausbrennen. Deswegen schlage ich den Weg von innen nach außen vor. Nicht wer will ich sein, sondern

für was bin ich gemeint worden. Und mir war klar: Ich bin für Leadership gemeint worden.

Durch diese Erkenntnis bekam ich eine starke Identität, und ich wurde ein gefrag-ter Experte. Doch das ist zu wenig für ein ganzes Institut. Hierfür brauchte es einer eigenen Identität – eine Idee, welche grö-ßer werden kann als sein Gründer. Und wir haben diese Identität gefunden. »Das Grundl Leadership Institut erforscht und lehrt hochwertige Unterscheidungen, damit Ihr Leben zum besten Lehrer wer-den kann.«

Sie wissen natürlich schon längst: Es geht in Zukunft weniger um Lernen denn um Transformation, um menschliche Transfor-mation. Die kognitiven Verschaltungen im Gehirn werden durch Lernen enorm geför-dert. Die Ansammlung von Wissen ist Ler-nen – wie ein Mensch dieses Wissen für andere Menschen anwenden kann, ist Transformation. Wie chemische Verbindun-gen funktionieren, ist Wissen – Ideen für deren Anwendung bei Produktentwicklun-gen ist Transformation. Wie Elektronik und Mechanik funktioniert, ist Wissen – wie bei-des in Einklang kommt und Menschen das Leben erleichtern kann, ist Transformation.

Google kommuniziert ganz offen, dass sei-ne besten Mitarbeiter nicht die Absolven-ten der TopuniversitäAbsolven-ten sind, sondern Menschen, welche einen großen Verlust in Ihrem Leben verkraftet haben und diesen in geistiges Wachstum verwandeln konn-ten, also transformiert haben. Nach einer Transformation ist der Blick auf die Welt ein anderer. Durch Lernen können wir hervor-ragend erkennen, was wir sehen, und das durch Fachwissen beschreiben – eine tolle

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und wichtige Fähigkeit. Bei Transformation ist uns bewusst, von wo wir und andere etwas anschauen, also mit welcher Grund-haltung oder Weltsicht wir auf etwas bli-cken. Und beides ist wichtig! Betrachten wir zum Beispiel ein Meeting: Sehr viel her-vorragende Fachkompetenz ist da (Wis-sensniveau), doch das Level an Selbstbestä-tigung der Experten ist eher gering (Trans-formationsniveau). Was denken Sie: Wer-den in dem Meeting die Kompetenz für beste Lösungen addiert und dadurch mehr? Oder eher subtrahiert, weil jemand rechthaben will oder gegen Konkurrenten kämpft?

Dieser Konflikt lässt sich anhand zweier Unterscheidungen noch besser erfassen und durch Training transformieren: Person und Kompetenz. Stellen sie sich eine x- und eine y-Achse vor. Auf der waagrechten x-Achse steht Kompetenz und auf der senkrechten y-Achse Person. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen: Menschen, die innerlich mehr Wert auf die Person legen, wirken eher sympathisch und nah. Men-schen, die mehr Wert auf die Sache legen, wirken eher distanziert und kühl. Bilden Sie jetzt ein Quadrat mit hoher Sympathie und hoher Kompetenz. An der Schnittstelle steht dann eine »nachhaltig wirkende« Per-sönlichkeit. Das sollte das Ziel jeder Füh-rungskraft sein: der passende Mix aus Sym-pathie und Kompetenz – menschlich warm und konsequent in der Sache. Das Thema ist transformiert, das Bewusstsein ein ande-res.

Oft ist zu lesen, dass Transformation entwe-der durch eine »nicht zu lösende Zwick-mühle« (Krise) ausgelöst wird oder durch eine »länger andauernde Sinnerfahrung«

(tiefe Einsicht). Beides ist nicht einfach,

doch noch nie war menschliche Transfor-mation wichtiger als heute. Also laden Sie sich selbst mit möglichst viel Sinn auf, und lassen Sie andere konstant daran teilhaben.

Warten Sie nicht, bis Krisen den Zwang für eine Transformation auslösen, ob als Per-son, Familie oder Firma. Werden Sie weni-ger ein Lehrer denn ein Transformator für andere. Und gestatten Sie mir zum

Abschluss eine Frage: Wo stehen Sie in die-sem Quadrat, und wohin sollten Sie sich bewegen?

Sie sehen: Es geht immer weiter. Für die Idee des Institutes musste ich völlig anders denken lernen. Zuerst waren da nur die Seminare, doch die Teilnehmer setzten mir zu wenig in die Praxis um – zu wenig echte Transformation. Dann kamen Coachings, das heißt Umsetzungshilfen, dazu, das war schon besser. Daraus wurde ein sehr profes-sioneller Transferprozess. Tolle Mitstreiter kamen hinzu – manche gingen wieder, andere blieben. Wir wachsen solide und konstant, die Namen unserer Kunden wur-den immer repräsentativer. Doch das war ein langer Weg – und er ist noch nicht zu Ende. Irgendetwas in mir sagt: Boris, du fängst gerade erst an. Sei vorsichtig damit, dem Leben ständig zu sagen, du hättest zu wenig Zeit, auch wenn es alle anderen tun.

Es wird dir recht geben wollen, und du wirst dich permanent getrieben und überfordert fühlen. Frage dich lieber stets, wie du die dir zur Verfügung stehende Zeit optimal nutzen lernst? Worauf musst du dich geis-tig reduzieren? Was lernen und vor allem was verlernen? Was musst du loslassen? In der größten Verdichtung findest du die Antwort auf die Frage: Für was bin ich gemeint worden? Es ist nicht wichtig, ob du je die Antwort findest. Wichtig ist, dass du ständig auf dem Weg zur Antwort bist.

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