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Bindungsmessungen der Phosphoformen der Abl- und Arg-SH3-Domänen an der

4. Kapitel: Ergebnisse und Diskussion

4.5 Oberflächensynthese und -analyse humaner phosphorylierter SH3-Domänen

4.5.2 Bindungsmessungen der Phosphoformen der Abl- und Arg-SH3-Domänen an der

Die 14 Phospho-SH3-Domänen sowie die zwei unphosphorylierten Domänen von Abl und Arg wurden mit FAM-markierten Peptiden hinsichtlich ihrer Bindungsaffinitäten analysiert (Schema 3.1, Seite 40). Zur Analyse der phosphorylierten Abl- und Arg-SH3-Domänen wurden vier fluoreszenzmarkierte Peptide verwendet.

Für die Abl-SH3-Domäne waren drei prolinreiche Sequenzen als Interaktionspartner bekannt. Dies waren zum einen zwei native Liganden als Partialsequenzen der Adap-terproteine 3BP1 und 3BP2,[238] sowie ein artifizielles Hochaffinitätspeptid p41[239]. Die

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Interaktionen dieser drei Peptide mit der nicht-phosphorylierten rekombinanten Abl-SH3-Domäne wurden bereits von Viguera et al. quantifiziert.[238] Es wurden die Affini-täten von KD = 34 µM für das 3BP1 Peptid und KD = 5 µM für das 3BP2 Peptid bestimmt.[238] Von Pisabarro et al. wurde durch gezielte Mutation ein artifizielles Peptid p41 mit einer Affinität von KD = 1.5 µM gefunden.[239] Panjarian et al. entdeckten, dass Phosphorylierung an der Position 7 (pY89 im Volllängenprotein) innerhalb der SH3-Domäne die Bindung zu der SH2-Kinase-Interdomäne (ID) in der Abl-Tyrosinkinase stört (vgl. Abbildung 2.2, Seite 36).[240] Bei Phosphorylierung an dieser Position wurden Kinaseaktivitäten gemessen, die einem Phänotyp entspricht bei dem die Abl-Kinase verkürzt war. In diesen Formen fehlte die SH3-Domäne oder war defekt.[190,236b] Um den Einfluss der Phosphorylierung auf die Bindung zur Interdomäne zu untersuchen, wurde daher ebenso die prolinreiche Interdomänen-Sequenz synthetisiert und analysiert.

Es wurden die folgenden vier Peptide FAM-markiert synthetisiert und mittels Ober-flächen-Fluoreszenzsättigungsanalyse in den Protein-Domänen funktionalisierten Mikrotiterplatten vermessen: Die beiden Peptide der Adapterproteine 3BP1 FAM-ßAlaßAlaAPTMPPPLPP-NH2 (203), 3BP2 FAM-ßAlaßAlaPPAYPPPPVP-NH2 (204), das artifizielle Peptid p41 FAM-ßAlaßAlaAPSYSPPPPP-NH2 (205) sowie das Interdo-mänenpeptid FAM-ßAlaßAlaPAPKRNKPTVYGVSPNY-NH2 (206).

Da für das 3BP1-Peptid (203) eine geringere Affinität erwartet wurde, schien es ratsam den Konzentrationsbereich auf 100 µM zu erweitern. Der Oberflächen-Bin-dungsassay wurde wie in Abschnitt 4.3.4 auf Seite 68 beschrieben durchgeführt. Für die Messung unterschiedlicher Binder mit den Domänen war es sehr hilfreich, dass die Domänen fest auf der Oberfläche immobilisiert waren. Somit konnte nach durchgeführ-ter Messung eines Binders mit mehreren Domänen auf der Platte, intensiv gewaschen werden und eine weitere Messung mit einem neuen Binder durchgeführt werden. Dies ist ein großer Vorteil im Vergleich zu Methoden in Lösung. In Tabelle 4.8 sind die Ergebnisse der Oberflächen-Fluoreszenzsättigungsanalyse für die unterschiedlichen Abl- und Arg-SH3-Domänen zusammengefasst. Die Interdomänensequenz des Abl-Pro-teins wurde nur mit der Abl-SH3-Domäne vermessen. Die Messpunkte sowie die über hyperbole Regression ermittelten Bindungsisothermen und zugehörigen KD-Werten sind in Kapitel 6.5 auf Seite 150 angegeben.

Zusätzlich wurden die Bindungsaffinitäten in Lösung mittels Fluorszenzpolarisation (Abschnitt 4.6.2, Seite 97) und Tryptophan-Emission (Abschnitt 4.6.3, Seite 98) über-prüft. So wurde die Affinität zu dem 3BP1-Peptid 203 zu KD = 40 ± 20 µM bestimmt,

203 204 205 206

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wobei Viguera et al.[238] mit Hilfe von Tryptophan Emission einen Wert von KD = 34 µM ermittelte.

Tabelle 4.8: Bindungsaffinitäten (ermittelt als KD in µM)[a] der phosphorylierten und nicht-phosphorylierten huma-nen SH3-Domähuma-nen von Abl und Arg für prolinreichen Peptide.

Phosphoform[f] Abl-SH3-Domäne Arg-SH3-Domäne

Y7 Y30 Y52 3BP1(203) 3BP2(204) p41 (205) ID (206) 3BP1 3BP2 p41

[a] bestimmt durch Fluoreszenzsättigungs-Bindungsmessung auf der Oberfläche, die angegebene Messunsicher-heit ist die Standardabweichung der hyperbolen Regression. [b] bestimmt durch Viguera et al.[238] [c] bestimmt durch Pisabarro et al.[239] [d] bestimmt durch Fluoreszenzpolarisation in Lösung (Abschnitt 4.6.2). [e] bestimmt durch Trp-Emission in Lösung (4.6.3) [f] Nummerierung bezieht sich auf die Position in der SH3-Domäne und nicht im Protein; kAb = keine Affinität bestimmbar.

Für die 3BP2 Sequenz 204 wurde auf der Oberfläche ein Wert von KD = 4.4 ± 0.8 µM bestimmt, im Vergleich zu 5 µM[238]. Für das artifizielle Peptid 205 wurde ein KD = 1.6

± 0.8 µM bestimmt. Pisabarro et al. haben diese Affinität ebenfalls mittels Tryptophan Emission Titration zu KD = 1.5 ± 0.1 µM bestimmt.[239] Eher unerwartete Ergebnisse wurden bei der Messung der phosphorylierten SH3-Domänen erhalten. Monophospho-rylierung der Abl-SH3-Domäne führte zu einer zwei bis sechsfachen Erhöhung der Af-finität für den 3BP1-Ligand (203). Zu beachten ist, dass Doppelphosphorylierung von Y30 und Y52 die höchste Affinitätssteigerung (um eine Größenordnung) induzierte (KD

= 3.0 µM von pY30pY52 gegenüber KD = 40 µM für die unphosphorylierte Abl-SH3-Domäne). Im Gegensatz dazu hob die gleichzeitige Phosphorylierung von Y7 und Y52 die Wechselwirkung mit jedem der getesteten Liganden auf. Bei der Interaktion mit dem 3BP2-Liganden führte die Doppelphosphorylierung zu bemerkenswerten Effekten.

Während Y7, Y30-Phosphorylierung die Bindung verbesserte, bewirkte die Phosphory-lierung von Y30 und Y52 eine Abschwächung der 3BP2-Erkennung. Dies ist aus

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schem Blickwinkel interessant. Im nicht-phosphorylierten Zustand wird die SH3-Do-mäne den 3BP2-Liganden affiner binden als den 3BP1-Liganden. Gleichzeitige Phos-phorylierung von Y30 und Y52 schaltet die Präferenz zu 3BP1, während Y7Y52 -Doppelp-hosphorylierung die Erkennung prolinreicher Sequenzen abschaltet. Der nachteilige Effekt des letztgenannten Phosphorylierungsmodus wurde auch für das designte p41 Peptid beobachtet. Wie bereits bei 3BP1 verzeichnet, wurde p41 durch das pY30pY52 Protein stärker gebunden - im submikromolaren Bereich - als durch das unphosphory-lierte Protein. Die einfache Phosphorylierung von Y7 erniedrigte allerdings die Affinität fast um eine Größenordnung von 1.6 µM auf 12 µM. Dies ist wiederum interessant, da die Phosphorylierung scheinbar erneut eine Feinauswahl an Bindungspartnern einstellt.

In einer Mischung aus 3BP1 und p41 würde nun das 3BP1-Peptid selektiv von der pY7 -Domäne erkannt werden, die unphosphorylierte -Domäne hat allerding eine viel höhere Affinität zu p41.

Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Minderung bzw. Auflösung der Bindungsfähigkeit nach Phosphorylierung, welche gemäß Literaturberichten erwartet wurde, bei fünf der sieben getesteten Phosphoformen ausblieb. Lediglich die N- und C-terminal phosphorylierte Domäne, sowie die perphosphorylierte SH3-Domänen von Abl und Arg, zeigten keinerlei messbare Affinitäten zu den getesteten Liganden. Die beiden Tyrosinreste befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bindungsregion (Abbil-dung 4.19). Gleichzeitige Phosphorylierung von Y7 und Y52 könnte somit die Protein-Liganden-Erkennung hemmen. Zwei pY-Gruppen in enger Nachbarschaft könnten durch erhöhte Coulomb-Abstoßung von mindestens zwei negativen Ladungen (zweiter pKs ~ 6.7)[241] die Bindungstasche deformieren oder ganz die Faltung der SH3-Domäne stören. Hinweise, die letztgenanntes unterstützen sind in Abschnitt 4.7 ab Seite 102 zu finden. Eine andere Möglichkeit, wäre die starke Erhöhung lokaler Polarität. Die Tyro-sin-Phosphorylierung verwandelt einen relativ hydrophoben Rest in eine polare negativ geladene Gruppe, dies kann zur Abschirmung hydrophober Bindungsstellen führen.

Beispielsweise wird der letzte Aktivierungsschritt der Hck-Tyrosin-Kinase laut Schind-ler et al. durch eine solche Polaritätsveränderung ausgelöst.[242] Die katalytische Tasche dieser Kinase der Src-Familie ist in der inaktiven Form durch Try416 blockiert (ebenso bei Abl, vgl. Abbildung 2.2, Seite 36). Diese Tyrosinblockade wird durch π−π-Interak-tion mit einem Phe-Rest sowie durch hydrophobe Wechselwirkung mit einem anderen Phe- und Ile-Rest in Position gehalten. Nach der Phosphorylierung dreht sich der pTyr-Rest heraus und gibt den katalytischen Bereich frei.

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Abbildung 4.19: Röntgenkristallstruktur von Abl-SH3-Domänen (rot) im Komplex mit verschiedenen Bindern (blau).

Die Seitenketten der entsprechenden Tyrosinreste und interagierender Aminosäuren sind gezeigt sowie gefundene Wasserstoffbrückenbindungen (gelb). A: (PDB: 1BBZ)[239] Die SH3-Domäne mit dem p41 Peptid B: (PDB: 2FO0)[243]

die c-Abl-Tyrosinkinase. In der inaktiven Abl-Kinase-Form interagiert die SH3-Domäne (rot) mit der SH2/Kinase-Interdomäne (blau). (Y89 entspricht Y7 in der SH3 Numerierung, Y112 entspricht Y30 und Y134 entspricht Y52).

Die Analyse wurde mit der Arg-SH3-Domäne ebenfalls durchgeführt und das Bin-dungsverhalten analysiert. Wiederum störte die Doppelphosphorylierung von Y7 und Y52 die Interaktion mit den getesteten Peptidliganden. Die Arg-SH3-Domäne tolerierte andere Phosphorylierungsmoden und Phosphorylierung von Y52 erhöhte die Affinität für 3BP1 um das 4-fache. Die Phosphorylierung von Y7 führt bei der Erkennung von p41 allerdings nicht zu signifikanten Affinitätserniedrigung.

Von Chen et al. wurde für die Abl-SH3-Domäne beschrieben, dass Y7 Phosphorylie-rung die Interaktion mit der SH2-Kinase-Interdomäne hemmt. Daher wurde ebenfalls die Bindung zu dem Interdomänenpeptid ID 206 analysiert. In der Kristallstruktur von c-Abl belegt dieses Peptid die SH3-Bindungsfurche (Abbildung 4.19 B).[243] Die nicht-phosphorylierte Abl-SH3-Domäne erkannte das Interdomänenpeptid ID in trans mit einem KD = 6 ± 1.5 µM. Interessanterweise war keine der Phospho-SH3-Domänen in der Lage das ID-Peptid 206 zu binden.

4.5.3 Diskussion und Fazit

In diesem Unterkapitel wurde die im Abschnitt 4.3 beschriebene Methodik gezielt genutzt, um die Phosphoregulierung der Abl- und Arg-SH3-Domänen zu untersuchen.

Dabei wurde überraschendes entdeckt. Entgegen bisheriger Literaturmeinung scheinen fünf von sieben möglichen Phosphoformen der beiden Domänen in der Lage zu sein,

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prolinreiche Liganden zu binden. Es wurden sogar Affinitätssteigerungen beobachtet, sechsmal bei der Abl- und viermal bei der Arg-Domäne. Insgesamt wurden 56 Interak-tionen zu prolinreichen Bindern mit den beiden Domänen gemessen, 53 waren vorher unbekannt. Die Literatur-bekannten Affinitäten der Abl-SH3-Domäne konnten mit der Oberflächenmessung bestätigt werden.

Für die Abl-SH3-Domäne wurde zusätzlich die vorher unbekannte Affinität zu der SH2-Kinase-Interdomäne bestimmt. Interessanterweise hatte die Interdomänen keiner-lei Affinität für die sieben phosphorylierten Domänen. Dies bestätigt auf der einen Seite die vorherige Meinung, dass Phosphorylierung der SH3-Domäne die intramolekulare Erkennung der Interdomäne stört. Auf der anderen Seite wird die Bindung zu prolin-reichen Segmenten nicht generell durch Phosphorylierung der Domäne behindert. Phos-phorylierte Abl-SH3-Domänen bleiben funktional und verändern darüber hinaus das Erkennungsrepertoire dahingehend, dass andere prolinreiche Proteinsegmente (wie z.B.

3BP1) bevorzugt in trans gebunden werden. Die Bindungsaffinität für die Peptide p41, 3BP1 und 3BP2 (203-205) wird durch Phosphorylierung nur geringfügig geändert (ma-ximal eine Größenordnung, außer bei pY7pY52 und pY7pY30pY52). Mit dem Interdomä-nen-Peptid 206 findet keine messbare Erkennung durch die Phospho-Domänen mehr statt. Der molekulare Ursprung dieser drastischen Affinitätsunterschiede zu den phos-phorylierten Domänen bleibt ungelöst. Eine mögliche Erklärung ist in dem Bindungs-modus zu finden. Aus den Rötgenkristallstrukturen der Abl-SH3-Domäne mit p41 sowie der Struktur der volllängen Abl-Tyrosinkinase mit Bindung der Interdomäne in cis (Abbildung 4.19) ist zu erkennen, dass das p41-Peptid ein Klasse-I-Binder ist (C→N Orientierung von oben nach unten in Abbildung 4.19). Hingegen wird die Interdomäne in der Klasse-II-Orientierung (N→C) gebunden. Es sind ebenso Kristallstrukturen von Abl-SH3 mit 3BP1[244] und der SH3-Domäne der Fyn-Tyrosinkinase mit 3BP2 bekannt.

Überlagerungen dieser Kristallstrukturen mit der in Abbildung 4.19 A zeigen, dass die Liganden den gleichen Bindungsmodus in derselben Orientierung einnehmen.[239] Die Interdomäne hingegen bildet keine typische PPII-Helix aus und bindet in der für die Abl-SH3-Domäne untypischen Klasse-II-Orientierung. Darüber hinaus sind die Sequen-zen der drei Binder (203-205) sehr ähnlich, die Sequenz der Interdomäne weicht stark ab. So ist dort z.B. kein klassisches PXXP-Motiv zu finden. Es scheint daher erklärlich, dass Phosphorylierung die Affinität für die SH3-Binder in einer für den Bindungstyp spezifischen Weise beeinflusst. Um strukturelle Hinweise auf den molekularen Ursprung der Phosphoregulierung zu erhalten, wurden die Abl-SH3-(phospho)-Domänen außer-dem mit Hilfe der NMR-Spektroskopie analysiert (Unterkapitel 4.7, Seite 102).

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