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Ein weiterer Mechanismus, durch den sowohl phagozytierte als auch Noxen außerhalb des Granulozyten geschädigt werden, ist die Bildung reaktiver Sauerstoffmetaboliten (reactive oxygen species, ROS).

Bereits die Anheftung opsonisierter Antigene an die Zelloberflächenrezeptoren der PMN verursacht Membranveränderungen und induziert damit biochemische Reaktionen. Diese führen u.a. zur Bildung einer Reihe mikrobizider Substanzen, die den PMN zur Infektionsabwehr zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird das phagozytierte Material in den Phagolysosomen zersetzt. Zu den angesprochenen Substanzen gehören antimikrobielle

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Proteine (u.a. Defensine), Enzyme (z.B. Lysozym), Kompetitoren (z.B. Laktoferrin), Stickstoffoxide (NOx) und reaktive Sauerstoffmetaboliten (H2O2, O2˙¯ etc). Die Bildung der reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) erfolgt nach entsprechender Stimulation in einer explosionsartigen Kaskade, dem sogenannten „respiratory burst“ (auch „metabolic burst“,

„oxidative burst“). Dabei kommt es zu einer erhöhten Aktivität der membranständigen NADPH-Oxidase, dem Schlüsselenzym der Sauerstoffradikalbildung von Granulozyten (KWON 1987, TILL u. TIELMANN 1989). Diese Flavinoxidase katalysiert die Reduktion von molekularem Sauerstoff (O2) zum Superoxidanion (O2˙¯). Es führt dann weiter durch Radikal-Kettenreaktionen zur Produktion anderer ROS. Spontan (z.B. unter Einwirkung des sauren Milieus) oder durch Enzyme katalysiert (Superoxid-Dismutase) wird dieses schwach toxische Superoxidanion (O2˙¯) in Hydroxylradikale (OH˙), Peroxid-Anionen (OH¯) (jeweils hochreaktive Radikale), atomaren oder Singulet-Sauerstoff (1O2) (potentes Oxidationsmittel) sowie in Wasserstoffperoxid (H2O2) überführt (KWON 1987, ROITT 1988, TILL u. THIELMANN 1989). Es handelt sich bei diesen um hochreaktive, keimtötende Agenzien, die Enzyme oder Membranbestandteile oxidieren und somit funktionell inaktivieren können (KLEBANOFF 1980, KWON 1987).

Unter Einfluss der lysosomalen Myeloperoxidase bilden H2O2 und Halogenionen wie Cl-, J -oder Br- ein stark antimikrobiell wirkendes Halogenierungssystem. Die entstehenden Halogensäuren führen zu einer Halogenierung und damit zur Schädigung der Membranen des aufgenommenen Materials. Außerdem katalysiert die Myeloperoxidase durch H2O2

induzierte oxidative Decarboxylierung und Abspaltung membranständiger Aminosäuren und Peptide (KWON 1987, TILL u. THIELMANN 1989). Die entstehenden O2 -Metaboliten haben alle stark zytotoxisches Potential.

Die respiratorische Entladung kann aber auch unabhängig von der Phagozytose durch andere Wechselwirkungen der Zelle mit Stimulanzien ausgelöst werden. Die Bindung von Antikörpern an den Fcγ-Rezeptoren der PMN (JANEWAY und TRAVERS 1997) sowie von komplementopsonisierten Bakterien an den Komplementrezeptoren oder die Ankopplung anderer Zellen über die Adhäsionsmoleküle CD11b/18 kann ebenso zu einer ROS-Ausschüttung führen (GOODMAN et al. 1995, RUIZ et al. 1995), wie der Kontakt mit Entzündungsmediatoren (z.B. TNFα, JANEWAY et al. 2002). Neben PMN können

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mit geringerer Kapazität auch eosinophile Granulozyten, Monozyten sowie Makrophagen ROS bilden (GEMSA et al. 1991).

Oft kommt es durch systemische Erkrankungen des Organismus zu sekundär bedingten Störungen der Granulozytenfunktion. Primäre Störungen der Granulozyten sind äußerst selten (STICKLE 1996). Bei der myeloischen Leukämie des Menschen z.B. zeigen die Tumorzellen einen verminderten Gehalt an NADPH-Oxidase (TAICHMAN 1994), dem wohl wichtigsten Enzym bei der ROS-Bildung. Eine verminderte Bildung von Sauerstoffradikalen zeigen ebenfalls die PMN HIV infizierter Patienten (LAFRADO et al.

1989). Auch therapeutische Behandlung mit Glukokortikoiden oder längerbestehende, stressbedingte Ausschüttung von Cortisol kann zu einer gestörten Funktion der PMN führen. Einen hemmenden Einfluss auf die reaktiven Sauerstoffradikale haben Glukokortikoide (FUKUSHIMA et al. 1990, SALAK et al. 1993, HOEBEN et al. 1998).

Neben den Glukokortikoiden zeigen vereinzelt Vertreter der Antibiotika, wie Ceftiofur oder Oxytetracyclin, über eine Interaktion mit dem Myeloperoxidase-Komplex einen hemmenden Einfluss auf die bakterizide Wirkung der reaktiven Sauerstoffspezies (HOEBEN et al. 1997a, HOEBEN et al. 1997b).

2.1.3.3.1 Die in-vitro-Beurteilung der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies

Für die Bestimmung der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) wurden verschiedene Verfahren, wie die Erfassung der Lichtemission über Photonenverstärker oder die photometrische Darstellung von oxidativen Reaktionsprodukten eingesetzt.

Bei dem erstgenannten Verfahren wird entweder direkte (low level) Chemilumineszenz durch Singulett-Sauerstoff erfasst (ALLEN 1977) oder PMN werden nach Stimulation zur nativen Chemilumineszenz angeregt. Diese wird durch Indikatoren wie Luminol oder Lucigenin verstärkt und damit messbar (MÜLLER-PEDDINGHAUS 1984). Dabei ist die Chemilumineszenz ein Maß für die Menge an gebildetem Wasserstoffperoxid (H2O2), kenntlich gemacht durch Luminol, bzw. für die Menge an Superoxidanion (O2˙¯), verstärkt durch Lucigenin (KWON 1987).

Für die photometrische Bestimmung von Superoxidanion (SCHLOBACH 1988, CHACIN et al. 1990) oder Wasserstoffperoxid (ROTH und KAEBERLE 1981) ist der sogenannte

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Nitroblau-Tetrazolium-(NBT)-Reduktions-Test sehr bekannt. Das Prinzip beruht darauf, dass NBT vom gelben Redoxfarbstoff bei der Aufnahme in aktive PMN zu blauem Formazan reduziert wird. Dieses kann durch organische Lösungsmittel gelöst und dann photometrisch quantifiziert werden.

In jüngster Zeit kommen zunehmend durchflusszytometrische Messverfahren zur Anwendung (BASS et al.1983, MÜLLER-PEDDINGHAUS 1987, ROTHE et al.1988, SZEJDA et al.1984, TRINKLE et al.1987). Dabei beruhen alle auf demselben Prinzip. Ein nicht fluoreszierendes Substrat wird in aktivierten Zellen unter Einfluss der dort gebildeten reaktiven Sauerstoffmetaboliten zu einem fluoreszierenden Farbstoff umgewandelt (EICKHOFF 2002). Die entstehende Fluoreszenz kann im Durchflusszytometer quantitativ gemessen werden. Dabei kann sowohl der Prozentanteil der fluoreszierenden und damit ROS-bildenden Zellen, als auch die mittlere Fluoreszenzintensität der einzelnen Zellen ermittelt werden. Als erstes mögliches Substrat wurde 2`,7`-dihydrochlorofluoreszindiacetat (DCFHDA) verwendet (BASS et al. 1983) und ist auch bei neueren Untersuchungen noch häufig im Gebrauch (SZEJDA et al. 1984, RYAN et al. 1990, VUORTE et al. 1996, SMITS et al. 1997, RAIDAL et al. 1998). Das stabile, nichtfluoreszierende, unpolare DCFHDA kann durch die Plasmamembran der PMN diffundieren. Im Inneren der Zellen kommt es durch Esterasen zur Abspaltung der Acetylgruppe (RYAN et al. 1990). Das entstehende Dichlorofluoreszin (DCFH) ist jetzt polar und kann die Zelle nicht mehr verlassen. Bei Anwesenheit von reaktiven Sauerstoffprodukten wird das nicht fluoreszierende DCFH schnell zum grünfluoreszierenden Dichlorofluoreszein (DCF) oxidiert (SZEJDA et al. 1984).

Vereinzelt wird als Substrat Dihydroethidium (DHE) verwendet. Durch Oxidation entsteht das rotfluoreszierende Ethidiumbromid (EB) (PERTICARARI et al. 1991, LEHMANN et al. 1998).

Die praktikabelste durchflusszytometrische Methode zur Bestimmung intrazellulärer ROS-Bildung wurde von EMMENDÖRFFER et al. (1990) entwickelt. ZERBE et al. (1996) etablierte diese Methode für bovine PMN. Dabei wird der Gehalt an Wasserstoffperoxyd in einer Zellsuspension als Maß für die ROS-Bildung mittels einer Myeloperoxidase-abhängigen Oxidation von nichtfluoreszierenden Dihydrorhodamin 123 (DHR 123) zum grünfluoreszierenden Metaboliten Rhodamin 123 durchflusszytometrisch erfasst. Rhodamin

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123 emittiert nach Anregung durch den Argon-Ionen-Laser (488 nm) Licht im grünen Bereich von 534 nm. Dihydrorhodamin 123 stellt im Vergleich zu DHE und DCFHDA ein viel sensitiveres Substrat dar und wird deshalb öfter eingesetzt (ROTHE et al. 1988, VOWELLS et al. 1995, SMITS et al. 1997, LEHMANN et al. 1998).

2.1.3.4 Zytotoxizität

Unter der zellvermittelten Zytotoxizität versteht man die Zerstörung von Zielzellen (z.B.

körperfremde Zellen, infizierte und körpereigene entartete Zellen) durch Effektorzellen, wie zytotoxische T-Zellen und NK-Zellen. Auch PMN können zytotoxische Effekte ausüben, indem sie zytolytische Enzyme und reaktive Sauerstoffmetabolite ihrer Granula extrazellulär freisetzen. Dadurch werden die Zielzellen geschädigt. Dieser als zellvermittelte Zytotoxizität bezeichnete Prozess kann unter Vermittlung von Antikörpern (ADCC, antibody dependent cellular cytotoxicity), aber auch ohne diese (AICC, antibody independent cellular cytotoxicity) stattfinden.