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Bewertung der Anwendungscharakteristika kleiner PACs

Im Dokument Kleine Enzyme mit großer Perspektive (Seite 93-96)

Trp-91Met-93

3.1 Bewertung der Anwendungscharakteristika kleiner PACs

Ein optimales cAMP-manipulierendes Werkzeug wäre eine PAC, die man wie einen mo-lekularen Lichtschalter beliebig und ohne Zeitverzug an- und ausschalten kann. Idea-lerweise besäße die PAC im inaktiven Zustand keine, im aktivierten Zustand eine mög-lichst große und einstellbare Aktivität. Aus thermodynamischer Sicht kann man sich die Funktion von Photorezeptoren durch das Verschieben des Gleichgewichts zwischen einem weniger aktiven und einem stärker aktiven Rezeptorzustand vorstellen. Während im Dunkeln das Gleichgewicht zu Gunsten des weniger aktiven Zustandes verschoben ist, bewirkt Licht eine Zunahme der aktiven Population. Tatsächlich sind Photorezepto-ren häufig bereits im inaktiven Zustand mit einer Basalaktivität behaftet, die in einem charakteristischen Verhältnis zur Lichtaktivität steht. Die zyklische Natur ihrer photo-chemischen Abläufe definiert die Kinetik von Enzymaktivierung und -inaktivierung. Die Zeitkonstanten dieser Prozesse bestimmen die Schaltgeschwindigkeit, die Enzymaktivi-tät und die Größe der Lichteffekte in optogenetischen Anwendungen. DunkelaktiviEnzymaktivi-tät zwingt die Zelle zur Adaptation an ein chronisch erhöhtes cAMP-Niveau. Potenzielle Werkzeuge müssen an diesen Aspekten gemessen werden.

Mit den kleinen BLUF-Zyklasen bPAC, nPAC76, nPAC35 und nPAC75 wurden vier neue Kandidaten für die optische Kontrolle zytosolischer cAMP-Spiegel gefunden und zunächst deren Funktion als lichtaktivierbare Adenylatzyklasen in E. coli, in Xenopus-Oozyten und in Säugerzellen indirekt nachgewiesen. Um ausreichende Mengen an re-kombinantem Protein herzustellen, wurde die geringe Löslichkeit der Proteine inE. coli sukzessive unter Verwendung verschiedener Promotersysteme, in Verbindung mit dem SUMO-Fusionsprotein und später durch die Verwendung des Chaperon-koexprimieren-den Stammes verbessert. Die Reinigungen erbrachten zwischen 1 und 20 mg lösliches, nahezu reines Protein (>80%) aus 3 Litern Kultur. Die Experimente mit präpariertem Protein und die Ergebnisse der Funktionsassays zeigen, dass die vier PACs unterschied-liche photochemische und enzymatische Eigenschaften aufweisen. Diese Eigenschaften spiegeln sich im Verlauf und in der Stärke der lichtinduzierten Effekte wider. Tabelle 3.1 fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

3 Diskussion

nPAC35 nPAC76 nPAC75 bPAC

Aktivität in vitro[nmol cAMP/mg·min]

im Dunkeln/ im Licht, Zeit zum max. Strom/ Effektdauer

n.d.1:5

Abbildung 3.1: Vergleich der Aktivitäten kleiner PACs in vitro und in vivo Die Tabelle fasst die Ergebnisse der zellfreien und zellbasierten Aktivitätsbestimmung kleiner PACs zusammen. Angegeben sind spezifische Dunkel- und Lichtaktivität, der Faktor der Licht-aktivierung, die Zeitkonstante der Dunkelrelaxation und die Aktivitäten in den Funktionsassays unter den entsprechenden Bedingungen. n.d.: nicht detektiert.

Die Resultate zeigen, dass die Aktivitäten in vitro nicht direkt mit den Aktivitäten in den Funktionstests korreliert werden können. nPAC35, die eine 20-fache Steigerung der Aktivität bei allgemein geringem Substratumsatz kennzeichnet, zeigt Zyklase-Aktivität im bakteriellen Test, führt aber in Verbindung mit CNG-Kanälen nur zu einer schwachen Aktivierung. Vergleichbare Resultate in den Funktionstests wurden auch für nPAC75 erhalten, für die sich in vitro bei einer größeren spezifischen Lichtaktivität ei-ne deutliche Steigerungsrate von 160 ergibt. nPAC76 besitzt eiei-ne zu nPAC75 ähnliche Lichtaktivität und zeigt eine 80-fache Zyklaseaktivierung im Licht. In den Anwendung-en erzielt es ausgeprägte CNG-vermittelte Effekte, bewirkt aber keine Initiierung der cAMP-abhängigen Transkription inE. coli. Allgemein besitzen alle drei nPACs eine ver-gleichsweise geringe cAMP-manipulierende Wirkung. Zum Nachweis ihrer lichtinduzier-ten Aktivität erfordern sie eine starke Proteinexpression bzw. eine inlichtinduzier-tensive Anregung.

Besonders der fehlende Nachweis der Aktivität von nPAC76 auf MacConkey-Agar ist unerwartet und lässt sich aus den an nPAC76 bestimmten Enzymeigenschaften (Licht-und Dunkelaktivität) nicht erklären. Ebenso unklar bleibt, warum nPAC75 mit guter Lichtaktivierbarkeit in denin vivo-Tests nur mittelmäßige Ergebnisse erzielt. Ausschlag-gebend für die effektive Aktivität sind über die gemessenen Enzymeigenschaften hinaus auch photochemische und photodynamische Rezeptoreigenschaften, die unter den jeweili-gen experimentellen Bedingunjeweili-gen das photodynamische Gleichgewicht bestimmen. Dazu

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3.1 Bewertung der Anwendungscharakteristika kleiner PACs

zählen neben den unterschiedlichen Relaxationszeiten der vier PACs auch die Quanten-ausbeute des Signalzustandes und die Intensität des Anregungslichtes. Da die zellbasier-ten Tests das cAMP-Level nur indirekt anzeigen, wird in den in vivo Aktivitäten der Einfluss weiterer Faktoren deutlich. So wirkt sich auch die räumliche Distanz zwischen dem Bildungs- und Wirkungsort, die Proteinlöslichkeit oder die Aktivität endogener Phosphodiesterasen auf die scheinbare Aktivität aus. Sich daraus ergebende Unterschie-de können auch für potenzielle Anwendungen von Interesse sein.

Die Aktivität von bPAC wurde ebenso von Ryu und Kollegen auf MacConkey-Agar untersucht [142]. Die Ergebnisse decken sich, indem sie die Fähigkeit bPACs zur Akti-vierung der cAMP-abhängigen Genregulation in E. coli belegen. Darüber hinaus gelang Ryu der Nachweis der Lichtaktivierbarkeit bPACs. Bezüglich den verwendeten Materia-lien unterscheiden sich die Assays in mehreren Punkten: Während wir für den Assay einen BTH-Stamm in Kombination mit einem T7-induzierbaren Expressionsplasmid und einem Pepton-haltigem MacConkey-Medium nutzten, führten Ryu und Kollegen den Assay mit einem Zyklase-defizienten BL21(DE3) Stamm unter Verwendung eines Arabinose-induzierbaren Promoter-Systems auf Minimalmedium durch. Einerseits unter-stützt wahrscheinlich die über einen breiteren Bereich einstellbare Regulierbarkeit des Ara-Promoters die Umsetzung des geeigneten Expressionslevels. Da aber die Verwen-dung von Minimalmedium das Wachstum von E. coli unter cAMP-Mangel vollständig verhindert, trägt andererseits auch diese stärkere Selektion zur verbesserten Differenzie-rung der Licht- und Dunkelaktivitäten bei.

Von den vier PACs zeigt nur bPAC auf MacConkey-Agar in E. coli und in Verbin-dung mit CNG-Kanälen in Xenopus-Oozyten und CHO-Zellen signifikante Aktivität und besitzt somit das größte Anwendungspotenzial. bPAC ist mit einer Lichtaktivität von 2922 nmol cAMP·min−1·mg−1und einer 240-fachen Lichtaktvierung die Zyklase mit dem besten Licht-zu-Dunkelaktivitätsverhältnis (Tab. 3.1); demzufolge erzielt es auch bei geringer Expression große Effekte. Die Stärke der Lichteffekte kann durch Abschwä-chen der Lichtintensität reduziert oder deren Dauer durch Mehrfachanregung ausgedehnt werden (Abb. 2.3). Vorteilhaft ist außerdem die vergleichsweise kurze Photozyklus-Dauer von ca. 15 s. Die weitere Diskussion von bPAC wird in den folgenden Abschnitten vor-genommen.

Die drei nPACs sind funktionelle, photoaktivierbare Adenylatzyklasen, die alle aus dem-selben Organismus stammen und trotz vergleichsweise geringer Zyklaseaktivität für die Erforschung derNaegleria-Physiologie von großem Interesse sind. Dabei stellt sich spezi-ell die Frage, welche Bedeutung das Vorkommen mehrerer unterschiedlich aktiver BLUF-Zyklasen für den Organismus hat, und in welchem Zusammenhang die Genaktivität der

3 Diskussion

PACs mit den verschiedenen Lebensstadien steht.Naegleria gruberiist ein weit verbreite-ter, mikrobieller Eukaryot, dessen Genom im Jahr 2010 vollständig entschlüsselt werden konnte [30]. Die Genomanalyse zeigt die KapazitätNaeglerias für einen vielseitigen Meta-bolismus und zahlreiche Signaltransduktionskaskaden auf.Naegleriabesitzen mindestens 108 Gene für Adenylat- oder Guanylatzyklasen, davon etwa 21 lösliche Isoformen. Etwa die Hälfte der Zyklasen kommen in Verbindung mit PAS-Domänen vor; vier davon sind photoaktivierbare Adenylatzyklasen. Die physiologische Bedeutung von photoaktivier-ten Adenylatzyklasen ist bislang ausschließlich in einer GruppeEuglenoiden untersucht;

speziell inEuglena graciliswurde PAC-vermittelte Phototaxis und photophobe Reaktio-nen nachgewiesen [120]. Die Tatsache, dassEuglenoidenwie phasenweise auchNaegleria Flagellen besitzen, und darüber hinaus in dem Flagellaten Chlamydomonasein Zusam-menhang zwischen intrazellulärem cAMP und der Flagellenmotilität hergestellt werden konnte [51], lässt einen physiologischen Bezug zur lichtgesteuerten Flagellenbewegung inNaegleria vermuten. Ein weiterer Aspekt mit möglicher physiologischer Relevanz für Naegleria ist der nachweisliche Einfluss von cAMP auf die Differenzierung von parasi-tären Protisten und den Transformationsprozess ihrer Lebensstadien [6, 72].

Hinsichtlich einer möglichen physiologischen Funktion von bPAC in Beggiatoa besteht Zweideutigkeit in der Literatur: Die großen, filmentartigen, farblosen Schwefelbakterien kommen weltweit vor und sind in der Lage, Sauerstoff oder intern gespeichertes Nitrat als Elektronenakzeptor für die Sulfid-Oxidation zu nutzen [106]. Beggiatoas Habitat, die Sulfid- und Sauerstoffreichen Grenzschichten an Gewässergründen, sind dynamische Übergangszonen, deren Lage sich in täglich wiederkehrenden und vom Tageslicht ab-hängigen Rhythmen verändert. Um diesen zu folgen, führtBeggiatoavertikale, gleitende Bewegungen aus. In einigenBeggiatoa-Arten konnte tatsächlich eine photophobe Licht-reaktion nachgewiesen werden [111]. Das Aktionsspektrum legt ein Pigment mit Absorp-tion im Blauen (450 nm) nahe. Damit käme bPAC als Photorezeptor in Frage; weitere Photorezeptoren ausBeggiatoa sind in der Literatur bislang nicht beschrieben. Anderer-seits zeigen Messungen an anderenBeggiatoa-Arten keine lichtabhängigen Bewegungen [57]. Vielmehr scheint Licht die Verteilung Beggiatoas nur indirekt zu beeinflussen, da Licht dieser Wellenlänge nicht in tiefere Schichten der bis zu 10 mm dicken Bakterien-matten vordringen kann.

Im Dokument Kleine Enzyme mit großer Perspektive (Seite 93-96)