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7. Bewertung der Funktion „Pflanzenstandort“

7.1 Biotopfunktion .1 Inhalt der Funktion

7.1.2. Bewertung der Biotopfunktion

Auf Grund der vorangegangenen Darlegungen wird zur Bewertung der Biotopfunktion in Sachsen-Anhalt die PNV herangezogen. Alle Formen der natürlichen Vegetation, ebenso wie alle Böden oder sonstigen natürlichen Gegebenheiten sind grundsätzlich schützenswert. Wie in Kapitel 6 erläutert, müssen sie aber in mehr oder weniger schützenswerte Kategorien ein-geteilt werden, um bei einer Abwägung mit anderen Interessen berücksichtigt werden zu können.

Die Schutzwürdigkeit eines Standorts hinsichtlich der PNV ergibt sich daraus, wie bedeutend die PNV an diesem Standort im großräumigen Vergleich ist. Diesbezüglich wurden die im Landschaftsprogramm Sachsen-Anhalts (MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATUR-SCHUTZ DES LANDES SACHSEN-ANHALT 1994c) enthaltenen PNV-Typen in 7 Katego-rien eingestuft. Diese werden nach ihrer Bedeutung unterschieden in „landesweit und natio-nal“, „landesweit bis nationatio-nal“, „landesweit“, „regional und landesweit“, „lokal und regionatio-nal“,

„vorwiegend lokal und regional“ sowie „lokal“. Die Vegetationseinheiten, welche den einzel-nen Kategorien zugeordnet werden sind im Landschaftsprogramm Sachsen-Anhalts (MINIS-TERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DES LANDES SACHSEN-ANHALT 1994c) aufgelistet. In dieser Liste sind noch nicht alle in Sachsen-Anhalt vorkommenden

PNV-Typen enthalten. Eine vollständige und überarbeitete Liste wurde vor kurzem vom Lan-desamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt fertiggestellt. Darin werden die Vegetationsgesell-schaften hoch eingestuft, die eine große Artenvielfalt oder Seltenheit aufweisen. Zur Bewer-tung der Biotopfunktion des Bodens werden die oben genannten 7 Kategorien zusammenge-faßt (Tabelle 5).

Tabelle 5: Bewertung der Biotopfunktion des Bodens aus der PNV-Kartierung für Sach-sen-Anhalt.

Kategorie Bedeutung der PNV 1 landesweit und national

oder

landesweit bis national

2 landesweit oder

regional bis landesweit

3 lokal und regional

4 vorwiegend lokal und regional

5 lokal

Wie sich die im Kapitel zuvor diskutierten Extremstandorte beurteilen lassen wird durch das nachfolgend vorgestellte Verfahren gezeigt.

Wie im vorigen Kapitel ausgeführt, deckt der Beitrag einer isolierten Bewertung des Standort-faktors Boden nur ein geringeres Spektrum der Biotopfunktion ab. Die Merkmale der Arten-vielfalt und Naturnähe können dadurch nicht beurteilt werden. Es können damit aber Extrem-standorte ausgewiesen und damit hinsichtlich ihrer Fähigkeit charakterisiert werden, als Grundlage für die Entwicklung von schützenswerter Vegetation zu dienen. Damit wird die Teilfunktion der Seltenheit beurteilt. Eine Methode hierfür wird im folgenden vorgestellt.

Standorte lassen sich in Extrem-, Sonder- und Normalstandorte einteilen. Eine auf den bis-lang erschienenen Arbeiten beruhende und allgemein anwendbare Definition dieser Stand-ortklassen ist in UMLANDVERBAND FRANKFURT (1994) aufgeführt. Extremstandorte sind darin so definiert, „daß mindestens einer der Faktoren Feuchtestufe und Nährstoffversorgung einschließlich der Bodenreaktion im Extrem liegt, also der Standort z.B. besonders trocken, feucht, nährstoffarm oder sauer ist.“ Extremstandorte im Sinne dieser Definition

haben ein ausgeprägtes Potential für die Entwicklung spezialisierter Lebensgemeinschaften und sind daher besonders schutzwürdig.

Als Normalstandorte werden Standorte bezeichnet, an die in der Regel keine spezialisierten Vegetationsgesellschaften angepaßt sind. Hierzu gehören die landwirtschaftlich genutzten Böden mit mittlerer bis hoher natürlicher Nährstoffversorgung.

In Landschaftsrahmenplänen werden in diesem Kontext zur Verbesserung der Le-bensbedingungen schutzwürdiger Arten und Lebensgemeinschaften Böden mit besonderen bzw. extremen Standorteigenschaften ausgewiesen. Dies geschieht mit dem Ziel, der all-gemeinen Tendenz der Nivellierung von Standortbedingungen zu nährstoffreichen Stand-orten mit mittlerer Feuchte und damit einem Verlust der Landschaft an Vielfalt und Diffe-renziertheit entgegenzuwirken. Hierzu werden in Abhängigkeit von der naturräumlichen Aus-stattung des Untersuchungsgebiets beispielsweise feuchte und grundwasserbeeinflußte, stark trockene und nährstoffarme oder flachgründige und carbonathaltige Böden herangezo-gen. Als Grundlage für solche Darstellungen werden vorhandene Bodenkarten ausgewertet (LANDKREIS PEINE 1991). Dieses Vorgehen entspricht einer in bezug auf die Ertragsfähig-keit der Böden negativen Kriterienauswahl. Es werden letztlich die Böden mit einer für Nutz-pflanzen geringen Produktivität dargestellt. Diese Methode erscheint im Hinblick auf die Er-haltung oder Wiederherstellung der Artenvielfalt praktikabel.

In UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (1994) wurde zur Bewertung der Bo-denfunktion "Standort für die natürliche Vegetation" die Bodenschätzung herangezogen. Die Bewertungsmethode wird in Tabelle 6 wiedergegeben.

Tabelle 6: Bewertung der Bodenfunktion "Standort für die natürliche Vegetation" mit den Daten der Bodenschätzung nach UMWELTMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (1994).

Kategorie 1 2 3 4 5

Acker- bzw.

Grünlandzahl

< 20 21 - 30 31 - 45 46 - 75 > 75

Nach der Klassifizierung in Tabelle 6 sind Böden mit einer Bodenwertzahl < 20 als Extrem- und solche mit einem Wert von 21 - 30 als Sonderstandorte zu bezeichnen. Alle anderen sind Normalstandorte.

Für ein weiteres Naturschutzziel, nämlich der Erhaltung der natürlichen Vegetation, die in einer Landschaft typisch ist, gewährleistet dieses Vorgehen jedoch keine Annäherung. In der baden-württembergischen Methode werden gemäß Tabelle 6 die Extremstandorte am am besten bewertet. Die Gleichsetzung mit dem Standort für die natürliche Vegetation ist jedoch nicht richtig, da auch Normalstandorte wertvoll sein können. Z.B. sind Auenböden als Nor-malstandorte gleichermaßen für die Landwirtschaft als auch als Standort für die natürliche Vegetation von Bedeutung (vgl. Kap. 7.3).

Im Schätzungsrahmen der Bodenschätzung finden sich Extremstandorte im Bereich der schlechtesten Zustandsstufe 7 und der Bodenarten Sand, anlehmiger Sand und Moore. Die Böden der Zustandsstufe 7 sind durch die geringste Bodenentwicklung oder größte Verar-mung gekennzeichnet. Die sandigen Bodenarten der ungünstigen Zustandsstufen und des entsprechenden geologischen Alters zeichnen sich durch ihren schlechten Wasserhaushalt und ihre Nährstoffarmut aus.

Bei der Einstufung der Moorböden werden in erster Linie die Eigenschaften der organischen Substanz und der Grundwasserstand berücksichtigt (ROTHKEGEL 1950). Die so klassifizier-ten Extremstandorte werden z.B. durch eine geringe Tiefe des Wurzelraums, durch schlech-te Wasserversorgung wegen einer zu sandigen Bodenart, durch zu hohe Grundwasserstän-de und durch Nährstoffarmut als Folge Grundwasserstän-der BoGrundwasserstän-denentwicklung charakterisiert.

Für die Sonderstandorte trifft all das oben gesagte in abgeschwächter Form zu.

In HARRACH (1987) werden Pflanzenformationen genannt, die auf Extremstandorten vor-kommen, z. B. Moore, Feuchtwiesen, Zwergstrauchheiden und Borstgrasrasen. Der Autor griff dazu auf Untersuchungen zurück, in denen Arten der Roten Liste auf Böden mit extre-men ökologischen Feuchtegraden („sehr trocken“ und „sehr naß“) häufig angetroffen wurden, auf landwirtschaftlich günstiger einzustufenden Böden mit frischen Feuchtegraden dagegen nicht. Die Schlußfolgerung hieraus ist, daß, auch unter Berücksichtigung der Be-wirtschaftungsintensität, für den Artenschutz die landwirtschaftlich geringwertigen Böden wichtig sind. „Der landwirtschaftliche Wert des Standortes steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner Eignung für die Ziele des Naturschutzes“ (HARRACH 1987: 188). Zusammen-fassend wird der Bodenwasserhaushalt als entscheidendes Kriterium angegeben. Extrem-standorte, die vor allem für den Naturschutz wertvoll sind, werden definiert als Trocken-standorte und als vernäßte Böden, die landwirtschaftlich wenig gelten.

Dagegen werden in BRAHMS et al. (1989) bei der Charakterisierung von Böden mit extre-men Eigenschaften die Kennwerte nicht nur des Wasser- sondern auch des Nährstoffhaus-

halts herangezogen. Die Standortbeurteilung zur Einstufung des Potentials für die Entwick-lung von Biotopen wird an einem „Ökogramm“, einer Matrix aus Bodenwasserhaushalt und Nährstoffversorgung vorgenommen. Die Grundannahme ist hierbei, daß bei zwei Faktoren im Extrem ein Potential für "höchst spezialisierte" und bei einem Faktor im Extrem ein Po-tential für "stark spezialisierte" Vegetation vorliegt.

Mit den Ergebnissen der Bodenschätzung werden letztlich die Wasser- und Nährstoffversor-gung an einem Standort bewertet, indem diese Parameter die Acker- und Grünlandzahlen maßgeblich bestimmen. Daher sind diese Standortseigenschaften in der in Tabelle 6 wieder-gegebenen Klassifikation subsumiert.

Abgesehen von leichten Differenzen in den Grenzen der Acker- und Grünlandzahlen, sind die Kategorien in Tabelle 6 genau umgekehrt wie in der noch zu besprechenden Tabelle 8, in der die Ertragsfähigkeit eines Bodens für Kulturpflanzen bewertet wird. Das entspricht dem in HARRACH (1987) formulierten Grundsatz, daß landwirtschaftlich geringwertige Böden für den Naturschutz besonders wertvoll sind.

Das Bewertungsschema in Tabelle 6 könnte im Prinzip auch für Sachsen-Anhalt verwendet werden. Um eine Übereinstimmung mit den hier vorgeschlagenen Bewertungsgrenzen für das später im Text vorgestellte Ertragspotential zu erzielen (Tabelle 11) und damit die An-wendung des Bewertungsschemas insgesamt zu erleichtern, werden für die Bewertung der Biotopfunktion des Bodens die gleichen Grenzen aber die umgekehrte Reihenfolge wie für die Bewertung der Biomassefunktion herangezogen (vgl. Tab. 11, Kap. 7.2.2). Damit ergibt sich das Schema in Tabelle 7. Als Äquivalent zu den Bodenzahlen der Bodenschätzung werden darin für forstwirtschaftlich genutzte Böden die Stammfruchtbarkeitsziffern von KOPP

& SCHWANECKE (1994) verwendet, die in Kapitel 7.2 noch ausführlicher vorgestellt wer-den.

Tabelle 7: Bewertung der Bodenfunktion "Standort für natürliche Vegetation" für Sach-sen-Anhalt mit den Bodenzahlen der Bodenschätzung und den Stammfrucht-barkeitsziffern aus KOPP & SCHWANECKE (1994).

Kategorie Bodenzahl Stammfrucht-

barkeitsziffer Standortklasse

1 < 20 < 25 Extemstandorte

2 21 - 40 26 - 45 Sonderstandorte

3 41 - 60 46 - 56

4 61 - 80 57 - 65 Normalstandorte

5 81 - 100 > 65

Diese Einteilung deckt sich weitgehend mit KOPP & SCHWANECKE (1994: 109), die im Zu-sammenhang mit der Standortsproduktivität diejenigen Waldböden als extrem bezeichnen, deren Fruchtbarkeitsziffer < 20 ist.

Abschließend werden noch Aussagen zum Kriterium der Naturnähe gemacht, das bisher noch nicht angesprochen wurde. Ein verbreitetes Maß, mit dem der Wert eines Bodens für die Biotopfunktion bewertet wird, ist der Grad seiner Natürlichkeit bzw. Naturnähe, die Heme-robie (z.B. GRÖNGROFT et al. 1999). Hiernach erfüllt ein Boden diese Funktion um so bes-ser, je weniger er durch anthropogene Einflüsse verändert ist. Diesem Gedanken liegt zu Grunde, daß alle natürlichen Böden für eine Artengemeinschaft einen Lebensraum darstellen und alle Artengemeinschaften einen Anspruch auf ihren Lebensraum haben. Dabei kann es vorkommen, daß ein Boden hoch eingestuft wird, den nur weit verbreitete Arten besiedeln und der daher aus der Sicht des klassischen Natur- bzw. Artenschutzes unbedeutend ist.

Der umgekehrte Fall ist hingegen auch möglich. Damit dient die Hemerobie nicht zur Beurtei-lung der Biotopfunktion in dem umfassenden Sinn, der in diesem Kapitel beschrieben wurde und es wird in dieser Arbeit auf deren Bewertung verzichtet. Ein weiterer Grund um auf die Beurteilung der Hemerobie in Sachsen-Anhalt zu verzichten liegt darin, daß dies an Hand der Ergebnisse der Bodenschätzung nur schlecht möglich ist. Es wäre hierzu notwendig, großmaßstäbige Bodenkarten mit Angabe der Bodenform oder eigene Kartierergebnisse zu verwenden. Diese Unterlagen liegen in Sachsen-Anhalt jedoch nicht vor.