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Die Besonderheit der Rechtsnatur der sekundären Subjekte des Völkerrechts: der

Kapitel 3. Souveränität und die Europäische Union. Verschiedene Integrationsformen

A. Die Völkerrechtspechtspersönlichkeit allgemein aus russischer Sicht

II. Die Rechtsnatur und die Rechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen

1. Die Besonderheit der Rechtsnatur der sekundären Subjekte des Völkerrechts: der

Die Rechtspersönlichkeit anderer Subjekte des Völkerrechts ist anderer Natur und deswegen nach anderen Kriterien zu erforschen. Da die anderen Rechtssubjekte nicht souverän sind, kann deren Rechtspersönlichkeit nicht von ihrer Souveränität abgeleitet werden. Die Rechts-natur anderer Subjekte des Völkerrechts ist aus den Normen des Völkerrechts herzuleiten.

Da die sekundären Subjekte des Völkerrechts nicht die souveräne Fülle besitzen, stellt sich die Frage nach dem Umfang der Rechtspersönlichkeit: Im Gegensatz zu Staaten besitzen die sekundären Subjekte des Völkerrechts die völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit nicht immer, sondern nur unter bestimmten Umständen. Die Besonderheiten oder die Bedingungen, die zum Entstehen der sekundären Subjekte des Völkerrechtes führen, werden im folgenden Abschnitt dieses Kapitels erörtert.

Da die völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit der sekundären Subjekten bedingt ist, ist der Umfang der Befugnisse und dadurch der Rechtspersönlichkeit ein entscheidender Faktor für die Behandlung dieser Rechtssubjekte und deren Rechtsnatur.

i) Der derivative Charakter

Im Unterschied zur Staaten, deren Rechtspersönlichkeit mit Entstehen des Staates zustande kommt, sind die Internationalen Organisationen sekundäre, derivative Subjekte des Völker-rechts. Das ist das Hauptmerkmal ihrer Rechtsnatur. Diese abgeleitete Eigenschaft der Rechtspersönlichkeit besteht darin, dass eine Organisation von den Mitgliedstaaten für die

Lösung bestimmter Fragen gegründet wird. Das bedeutet, dass die Organisation nur in einem bestimmten Umfang die völkerrechtliche Subjektivität besitzt. Dagegen genießen die Staaten auf Grund ihrer Souveränität den vollen Umfang von völkerrechtlichen Befugnissen.

Das konstituierende Merkmal der Rechtsnatur Internationaler Organisationen ist deren Begründung durch einen internationalen Vertrag, so Schibaeva.312 Aus der völkerrechtlichen Natur dieses Vertrages, den die Staaten als Völkerrechtssubjekte abgeschlossen haben, leitet sich auch der völkerrechtliche Charakter Internationaler Organisationen ab.

Die Rechtsnatur Internationaler Organisationen ist vom Willen der Gründungsstaaten abhängig. Diese besitzen ein Ermessen besonderer Art: Sie entscheiden nicht die Frage, ob eine Internationale Organisation Völkerrechtssubjektivität besitzen könnte, sondern ob eine bestimmte Organisation die völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit habe und in welchem Um-fang sie diese besitzen solle, betont Tschernischenko.313 Es geht also nicht darum, ob die Staa-ten die Absicht haben, Völkerrechtssubjektivität für eine Organisation zu schaffen oder nicht, da eine Internationale Organisation objektiv die Befugnisse zur Teilnahme an internationalen Beziehungen besitzt, da sie ja auf zwischenstaatlicher Basis gegründet wurde.

Die Europäische Union besitzt laut Vertrag keine ausdrückliche Bestimmung ihres Sta-tusses, deswegen muss die Frage nach der Rechtsnatur der Europäischen Union auf der Basis des Gründungsvertrages juristisch ausgelegt werden.

Während der Europäischen Union als solcher ausdrücklich keine Völkerrechtspersön-lichkeit zukommt, ist dies bei den Europäischen Gemeinschaften anders. Die drei Euro-päischen Gemeinschaften (gegründet 1951 (EGKS) und 1957 (EWG, 1993 bei Wahrung ihrer Rechtsidentität in EG unbenannt) sowie Euratom) sind selbst mit Völkerrechtspersönlichkeit ausgestattet, wie dies die Gründungsverträge belegen. Spezielle Vertragsvorschriften sind Ba-sis für die Völkerrechtssubjektivität, so Art.281 des EG-Vertrages und Art. 184 des Euratom-Vertrages. Diese Vorschriften betreffen die Rechtspersönlichkeit im externen Sinne, also die Völkerrechtspersönlichkeit, während die benachbarten Vorschriften, Art. 282 des EGW-Ver-trages und Art. 185 des Euratom-VerEGW-Ver-trages die innerstaatliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit der EG erfassen.

312 Schibaeva, E. A.., Potochnyj M., Prawowyje woprosy struktury i dejateljnosti meudunarodnah organisazij (Die rechtlichen Fragen der Struktur und der Tätigkeit Internationaler Organisationen). MGU. Moskau 1988.

S. 18

313 Tschetnischenko, S. V., Litchnostj i mezdunarodnoje prawo (Die Persönlichkeit und das Völkerrecht).

Moskau 1974. S. 47f

Indirekt kommt der Wille der Gründungsstaaten, den Europäischen Gemeinschaften Völkerrechtssubjektivität zu verschaffen, dadurch zum Ausdruck, dass den Gemeinschaften im Gründungsvertrag ausdrückliche Kompetenzen zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge eingeräumt wurden. Sollen sie diese Befugnisse besitzen, muss ihnen Völkerrechtssubjektivi-tät, wenn auch nur in bestimmten begrenzten Bereichen, zukommen. Damit sind dies Bestim-mungen zur indirekten Begründung von Völkerrechtssubjektivität.314

ii) Der funktionale Charakter

Jede Internationale Organisation wird von den Mitgliedstaaten für die Lösung bestimmter Aufgaben geschaffen, sie hat bestimmte Ziele und dementsprechend werden ihr bestimmte Kompetenzen und Funktionen zugeteilt. Das bedeutet, dass die Rechtsfähigkeit einer Interna-tionalen Organisation einen funkInterna-tionalen Charakter hat und der Umfang ihrer Kompetenzen von ihren Aufgaben abgeleitet und bestimmt wird. Wie Jellinek schrieb, dienen die Staaten-verbindungen entweder einem innerstaatlichen Ziel (wie der Postverband) oder führen Tätig-keiten aus, die ein einzelner Staat nicht selbst verwirklichen kann, z. B. die Europäische Don-aukommission, der Weltpostverein oder die internationale Seeschifffahrtorganisation.315

Mehrere russische Autoren betonen die besondere Rechtsstellung und völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen im Gegensatz zu Staaten. Schibaeva er-kennt am Beispiel der UNO die völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit Internationaler Organi-sationen an, betont aber ihre Sonderqualität. Der Unterschied Internationaler OrganiOrgani-sationen zu den Hauptsubjekten des Völkerrechts liegt in der Rechtsnatur ihrer Kompetenzen. Die Rechte einer Internationalen Organisation sind das Ergebnis der im Gründungsvertrag festge-legten Willensabstimmung aller Mitgliedstaaten. Die Rechte einer Organisation sind abgelei-tet von den Rechten der Mitgliedstaaten.316 Talalaev ebenso unterscheidet zwischen primären und sekundären Subjekten des Völkerrechts und betont, dass Organisationen keine Souveräni-tät besitzen, und dass der Umfang ihrer Rechtspersönlichkeit im Gründungsvertrag festgelegt werde und von den konkreten Kompetenzen der Organisation abgeleitet sei.317

314 Vergleiche: Arnold, R.,. Außenhandelsrecht der EG. Grundfragen. in: Dauses, EG-Wirtschaftsrecht, Ab-schnitt KI, Randnummer 24

315 Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen/ Neudruck der Ausgabe Wien 1882. 1968. S. 8f

316 Schibaeva, E. A., Mezdunarodnaja rwavosujektnostj/ Nekotoryje teoretitcheskije woprosy (Die völkerrechtli-che Rechtspersönlichkeit/ Einige theoretisvölkerrechtli-che Fragen). Moskau 1971. S. 96f

317 Talalaev, A. N., Prawo dogoworow. Dogowory s utchastiem mezdunarodnyh organisazij (Das Recht der

Ver-EU

Der funktionale Charakter des EG/EU-Rechtes ist in den Gründungsverträgen eindeutig fest-gelegt: Das EU-Recht hat einen bestimmten Effekt innerhalb der Rechtsordnungen der Mit-gliedstaaten zum Ziel, und zwar die Schaffung eines Binnenmarktes. Weiter wird durch die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch die Errichtung einer Wirtschafts- und Sozialunion die Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen angestrebt.

Nicht weniger wichtige Ziele sind die Behauptung der Identität der Organisation; die Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und die Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes durch die im Vertrag einge-führte Politik und Formen der Zusammenarbeit.318

Die Europäischen Gemeinschaften funktionieren im Rahmen ihrer Ziele und im Rahmen der in den Gründungsverträgen festgelegten Kompetenzen (Art. 5A, Abs. 1 A des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Die EG-Organe wirken ent-sprechend der Ziele und Bedingungen des Vertrages (Art. 249A, Abs.1 des EG-Vertrages; Art.

161, Abs. 1 des Euratom-Vertrages; Art. 14, Abs. 1 EGKS; Art. 2A und 5A des Vertrages über die Europäische Union). Das bedeutet, dass die Tätigkeit der EG/ EU-Organe ein Ziel ver-folgen muss und einen rechtlichen Grund haben muss, das sogenannte «Prinzip der begrenz-ten Ermächtigung» (principe des pouvoirs d’action limités). Dieses Prinzip unterscheidet die Tätigkeit der Europäischenr Gemeinschaften von der gesetzgeberischen Tätigkeit eines Staates.

iii) Der historische Charakter

In Bezug auf die Internationalen Organisationen ist die Rechtspersönlichkeit eine historische Kategorie, d. h., dass die Organisationen im Gegensatz zu Staaten die Rechtspersönlichkeit nicht auf Grund ihrer «natürlichen Eigenschaften als solche» haben, so Schibaeva,319 nämlich auf Grund der Souveränität, sondern je nach der objektiven historischen Situation besitzen.

Die Staaten gründen eine Internationale oder auch eine supranationale Organisation für die

träge. Die Verträge mit Internationalen Organisationen). Moskau 1989. S. 56ff

318 EU-Vertrag, Art. 2

319 Schibaeva, E. A., Prawosubjektnostj mezdunarodnyh organisazijj/ Mezdunarodnaja prawosubjektnostj. Ne-kotoryje teoretitcheskije woprosy Die Rechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen/ Die völkerrechtli-che Rechtspersönlichkeit. Einige theoretisvölkerrechtli-che Fragen. 1971. S. 83

Lösung bestimmter Fragen, die vorher unmittelbar zwischenstaatlich geregelt waren ohne die Institutionen einer Organisation.

Diese Fragen, festgelegt im Gründungsvertrag, werden zur sachlichen Kompetenz der Organisation.320 Je nach der historischen Situation werden verschiedene Fragen zur sachlichen Kompetenz einer Organisation bestimmt. So wird die Rechtsnatur der Organisation und der Umfang ihrer Rechtspersönlichkeit historisch unterschiedlich aufgefasst. Die Aufgabenge-biete Internationaler Organisationen umfassen die Sicherung des Weltfriedens und die Ko-ordinierung unterschiedlicher wirtschaftlicher und sozialer Fragen (wie im Falle der UNO und ihrer Spezialorganisationen) oder, wie etwa bei regionalen Organisationen der Fall, verteidigungspolitische, wirtschaftliche, kulturelle und andere Fragen, sowie die Sicherung der Menschenrechte (z. B. Europarat).

Für die Durchführung der Aufgaben bekommen die Internationalen Organisationen un-terschiedliche Machtbefugnisse, die auch durch die historische Situation bestimmt sind. Die Notwendigkeit, eine weitere Koordinierung in den internationalen Beziehungen zu erreichen, führte zum Entstehen von zuerst temporären, später dauerhaften Internationalen Organisa-tionen mit Empfehlungsbefugnissen. Noch später entstanden universelle Internationale Organisationen. Die Befugnisse der Organisationen haben sich auch erweitert. Sowohl durch den Umfang der Befugnisse, wie auch durch die Machtfülle der Kompetenzen wird die Rechtspersönlichkeit jeder Internationalen Organisationen durch die Mitgliedstaaten im Gründungsvertrag bestimmt - somit hat ihre Rechtsnatur einen historischen Charakter.

Die Rechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen unterscheidet sich insofern grundsätzlich von der staatlichen Rechtspersönlichkeit. Sie ist historisch (je nach den konkre-ten Bedürfnissen in den internationalen Beziehungen) und systematisch (entsprechend der Spezifik der völkerrechtlichen Rechtsordnung und dem gesetzgeberischen Prozess im Völker-recht) bedingt.

320 Schibaeva, E. A., Potoschnij M. Prawowyje woprosy struktury i dejateljnosti mezdunarodnyh organisazij.

Die rechtlichen Fragen der Struktur und Tätigkeiten Internationaler Organisationen. MGU. 1988. S. 45f