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2 Theoretischer Hintergrund

2.7 Berufsfeld Medienpädagogik

Die Darlegung der bedeutendsten Konzepte und Begrifflichkeiten der Medienpädagogik in den vorangegangenen Kapiteln hat verdeutlicht, dass es eine einzige zentrale, theo-retische Begründung der Medienpädagogik nicht gibt und — wie die historische Betrach-tung in Kapitel 2.2 zeigen konnte – auch zu keinem Zeitpunkt gegeben hat. Stattdessen dominieren bis heute unterschiedliche Strömungen und theoretische Bezüge aus ande-ren Disziplinen die Medienpädagogik.

Im Folgenden soll zunächst eine Betrachtung des medienpädagogischen Berufsbild so-wie der relevanten Kompetenzen und Tätigkeitsfelder anhand der Fachliteratur zum Thema erfolgen. Im Anschluss daran soll in Kapitel 3 mittels der Stellenanzeigenanalyse eine Annäherung an die Frage, was öffentliche Bibliotheken für Anforderungen an me-dienpädagogische Fachkräfte stellen, unternommen werden. Auch, wenn Bibliotheken in der medienpädagogischen Literatur nur selten explizit erwähnt werden, lassen sich

158 Vgl. Kerstin Keller-Loibl, „Zur Etablierung einer Bibliothekspädagogik: Professionalisierung der Bildungsarbeit Öffentlicher Biblitoheken.“ In Lernwelt Öffentliche Bibliothek: Dimensionen der Verortung und Konzepte, hrsg. v. Konrad Umlauf und Richard Stang, Lernwelten (Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2018), 52.

159 Vgl. Kerstin Keller-Loibl, „Bibliothekspädagogik in der Hochschullehre: Eine

Bestandsaufnahme und ein Plädoyer für die Etablierung einer Bibliothekspädagogik als Wissenschaftsdisziplin.“ BuB - Forum Bibliothek und Information 72, Nr. 06 (2020): 319.

160 Vgl. Richard Stang, „Viel Bibliothek, wenig Pädagogik: zur Kontextualisierung einer Bibliothekspädagogik.“ BuB - Forum Bibliothek und Information 72, Nr. 06 (2020): 316.

161 Ebd.

162 Vgl. ebd., 318.

bestimmte Kompetenzanforderungen und Aufgabenbereiche der Medienpädagogik auch auf dieses spezielle Handlungsfeld übertragen.

2.7.1 Berufsbild

Was Medienpädagogik als Beruf auszeichnet und, ob ein medienpädagogisches Berufs-bild überhaupt sinnvoll und notwendig ist, wird seit Ende der 1980er Jahre durchaus kontrovers diskutiert.163 Im Jahr 1988 setzte sich die GMK im Rahmen des „Bielefelder Forums“ mit der Frage auseinander, ob und inwiefern die Definition eines professionellen medienpädagogischen Berufsbildes erreicht werden könnte.164

Unter Berufsbild kann die „Formulierung eines festen und verbindlichen Bündels von Qualifikationen“165 verstanden werden. Diese Qualifikationen enthalten einerseits be-stimmte Wissensbestände und Arbeitstechniken sowie den Aspekt der Sozialkompe-tenz, aber auch bestimmte Aufgabenfelder, die diesen Qualifikationen entsprechen.166 Das Berufsbild gibt somit sowohl dem Beruf-Suchenden als auch den Arbeitgeber:innen Aufschluss darüber, welche Fähigkeiten oder Kompetenzen erwartet werden können.167 Eine Einigung auf ein solches eng definiertes Berufsbild konnte damals jedoch aus meh-reren Gründen nicht erreicht werden. Hauptsächlich wurde eine „Zersplitterung der Pä-dagogiken und der Beginn eines Verdrängungswettbewerbes“168 zwischen ausgebilde-ten Medienpädagog:innen und fachfremden Kolleg:innen, die medienpädagogisch arbei-ten, befürchtet. Eine Festschreibung des Berufsbildes und somit auch eine strengere Regelung der Zugänge zum Beruf, haben zu Folge, dass Quereinsteiger:innen weitest-gehend herausgehalten werden oder ihnen zumindest der Zugang erschwert wird.169 Die Konsequenz einer nicht geschützten Berufsbezeichnung im Gegensatz dazu ist jedoch, dass sich jede:r als Medienpädagog:in bezeichnen darf.170

Inzwischen sind die Relevanz und die gesellschaftliche Anerkennung der Medienpäda-gogik und somit auch der medienpädagogisch Handelnden deutlich gestiegen.

163 Vgl. Johannes Fromme, Steffi Rehfeld und Josefa Much, „Medienpädagogik:

Qualifizierungsmöglichkeiten für ein heterogenes Berufsfeld.“ merz. Medien + Erziehung. 64, Nr. 2 (2020): 37.

164 Vgl. Jürgen Lauffer, „Professionalisierung in der Medienpädagogik - ohne definiertes

Berufsbild?“ In Beruf Medienpädagoge: Selbstverständnis - Ausbildung - Arbeitsfelder, hrsg.

v. Norbert Neuß (München: kopaed, 2003), 70.

165 Kai-Uwe Hugger, „Medienpädagogik als eigener Beruf.“ merz. medien + erziehung 64, Nr. 2 (2020): 24.

166 Vgl. ebd.

167 Vgl. Wolfgang Wunden, „Berufsbild "MedienpädagogIn": ein Meilenstein der

Professionalisierung des Berufs.“ In Beruf Medienpädagoge: Selbstverständnis - Ausbildung - Arbeitsfelder, hrsg. v. Norbert Neuß (München: kopaed, 2003), 32.

168 Schorb zitiert nach Jörg Dinkelaker et al., Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern: Schule, Medienpädagogik, Erwachsenenbildung (Opladen, Toronto: Verlag Barbara Budrich, 2021), 95.

169 Vgl. Jürgen Lauffer, „Professionalisierung in der Medienpädagogik - ohne definiertes Berufsbild?“ In Beruf Medienpädagoge, 70.

170 Vgl. Klaus Lutz und Eike Rösch, „Wege zum Beruf Medienpädagog*in: Editorial.“ merz.

medien + erziehung 64, Nr. 2 (2020): 7.

Medienpädagogische Arbeit wird in der Öffentlichkeit in zunehmendem Maß als nützlich angesehen.171 Diese Relevanz ist auch darauf zurückzuführen, dass der Beruf nicht ohne den Bezug zu Medien oder dem medialen Wandel zu verstehen ist und diesen gesell-schaftlichen Veränderungsprozessen momentan eine besondere Aufmerksamkeit zuteil-wird.172 Außerdem ist die Medienpädagogik eine Querschnittsaufgabe, die in einer Viel-zahl pädagogischer Berufe relevant ist. Neben den Lehrer:innen oder den Sozialpäda-gog:innen erwähnt Hugger in seiner Aufzählung von pädagogischen Berufen auch expli-zit das Berufsfeld der Bibliothekar:innen.173

Trotz der zunehmenden Bedeutung der Medienpädagogik, fehlt ihr bis heute ein festes Berufsbild oder eine einheitliche Berufsqualifizierung.174 Dieses Defizit relativiert Hugger dadurch, dass feste Berufsbilder zunehmend entwertet werden, der Zusammenhang zwischen der ursprünglich absolvierten Ausbildung und der späteren beruflichen Tätig-keit immer lockerer geworden ist und außerdem die Erwerbsarbeit heute weniger konti-nuierlich stattfindet.175 Außerdem hat faktisch schon seit längeren, auch ohne ein kon-kretes Berufsbild, eine Verberuflichung stattgefunden. Neben der zunehmenden gesell-schaftlichen Anerkennung kann dies auch daran festgemacht werden, dass sich die Berufsinhaber:innen selbst als Medienpädagog:innen definieren und sich Stellenaus-schreibungen explizit an Medienpädagog:innen richten.176 Auch in der Datenbank der Bundesagentur für Arbeit findet sich ein Eintrag für den Beruf „Medienpädagog:in“, die typischen Tätigkeiten werden dort wie folgt zusammengefasst:

Medienpädagogen und -pädagoginnen führen an den verantwortungsvollen Umgang mit Medien heran. Für verschiedene Zielgruppen und Einsatzgebiete wie Schulen, Kinder-tagesstätten oder Aus- und Weiterbildungsinstitute entwickeln sie didaktische Konzepte, stellen Lehrmaterialien und Empfehlungen zusammen und führen entsprechende Pro-jekte durch. In Kursen und Seminaren vermitteln sie beispielsweise Schülern und Eltern den Umgang mit dem Internet oder sie schulen Lehrer/innen hinsichtlich des sinnvollen Einsatzes von Computern, Filmen oder Lernsoftware im Unterricht.177

Eine Berufsbilddiskussion erscheint aufgrund der faktischen Verberuflichung heute we-niger dringlich, stattdessen gewinnt die Formulierung von Kernkompetenzen an Bedeu-tung.178 Ein professioneller pädagogischer Beruf wird heute vor allem daran gemessen,

171 Vgl. Dinkelaker et al., Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern, 112.

172 Vgl. ebd.

173 Vgl. Kai-Uwe Hugger, „Berufsbild und Arbeitsmarkt für Medienpädagogen.“ In Handbuch Medienpädagogik, hrsg. v. Uwe Sander, Kai-Uwe Hugger und Friederike von Gross, 1. Aufl.

(Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008), 565.

174 Vgl. Fromme, Rehfeld und Much, „Medienpädagogik,“ 37.

175 Vgl. Hugger, „Medienpädagogik als eigener Beruf,“ 25.

176 Vgl. Kai-Uwe Hugger, „Berufsbild und Arbeitsmarkt für Medienpädagogen.“ In Handbuch Medienpädagogik, 565.

177 Bundesagentur für Arbeit, „Medienpädagoge/-pädagogin.“ Zuletzt geprüft am 15.06.2021, https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null/kurzbeschreibung/taetig keitsinhalte&dkz=59502.

178 Vgl. Hugger, „Medienpädagogik als eigener Beruf,“ 25.

„wie er es versteht zwischen Wissenschaft einerseits und Lebenspraxis andererseits zu vermitteln.“179 Dabei kommt es besonders auf die Formulierung der zentralen Kompe-tenzen und Aufgabenbereiche an, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

2.7.2 Kompetenzen und Tätigkeitsfelder

Anforderungen an die Kompetenzen von Personen, die medienpädagogisch tätig sind, sowie die Aufgaben, die sie übernehmen sollen, werden vor allem von wissenschaftli-cher, berufspraktischer oder bildungspolitischer Seite geäußert und sind teilweise mit hohen Erwartungen verbunden.180 Die Bildungspolitik hat dabei naturgemäß das Hand-lungsfeld Schule und die dort benötigten Kompetenzen der pädagogisch Tätigen im Blick. In der medienpädagogischen Forschung hingegen ist man sich einig, dass alle Handelnden in der Medienpädagogik – unabhängig von ihrem Wirkungsfeld – selbst Me-dienkompetenz und medienpädagogische Kompetenz besitzen sollten.181 Medienpäda-gogische Kompetenz setzt Medienkompetenz voraus und ist definiert als „das Wissen und Können, welches für pädagogisch Tätige – verbunden mit einer berufsethischen Haltung — notwendig ist, um potentiellen Zielgruppen den Erwerb von Medienkompe-tenz zu ermöglichen.“182

Zentrale Kompetenzerwartungen an medienpädagogische Fachkräfte bestehen außer-dem in spezifischem medienpädagogischem Wissen und Können. Das Wissen umfasst dabei Kenntnisse der Persönlichkeitsentwicklung, der Mediensozialisation, des Jugend-schutzes sowie des Bildungspotenzials verschiedener Medien. Medienpädagogisches Können besteht aus bestimmten Handlungsfähigkeiten, ohne die eine erfolgreiche För-derung der Medienkompetenz nicht gelingen kann. Hierzu gehören einerseits kommuni-kative Fähigkeiten, aber auch mediengestalterische und medienästhetische Fähigkeiten, die vor allem für die handlungsorientierte medienpädagogische Arbeit, z.B. im Rahmen von Medienproduktionen, relevant sind.183 Außerdem gilt es paradoxe Handlungsanfor-derungen bzw. Widersprüche bei der Förderung der Medienkompetenz zu erkennen und zu bewältigen. Ein solcher Widerspruch in der medienpädagogischen Arbeit kann bei-spielsweise darin liegen, dass die Medienkompetenz einerseits strukturiert und gefördert werden soll, aber gleichzeitig auch individuelle und selbstgesteuerte Aneignungspro-zesse zugelassen werden müssen.184

Die genannten Kompetenzen kommen medienpädagogisch Handelnden in einem Be-rufsfeld zugute, dass sich sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsfelder und

179 Dinkelaker et al., Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern, 114.

180 Vgl. ebd., 90.

181 Vgl. ebd., 102.

182 Thomas Knaus, Dorothee Meister und Kristin Narr, Hrsg., Futurelab Medienpädagogik:

Qualitätsentwicklung - Professionalisierung - Standards, Schriften zur Medienpädagogik 54 (München: kopaed, 2018), 29.

183 Vgl. Dinkelaker et al., Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern, 103.

184 Vgl. ebd.

Institutionen als auch der Adressat:innen, sehr heterogen gestaltet. Die medienpädago-gischen Tätigkeitsbereiche können laut Hugger in einen Kernbereich und zwei Randbe-reiche unterteilt werden. Der medienpädagogische Kernbereich beinhaltet den gesam-ten Bildungs- und Erziehungsbereich, hierzu gehören insbesondere Schulen, Hochschu-len, aber auch die außerschulische Jugendarbeit oder Kindertagesbetreuung. Hier sind öffentliche Träger vorherrschend und der Fokus der medienpädagogischen Arbeit liegt auf der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen. Neben der Förderung der Medienkom-petenz gehört hier auch die Planung und Verwaltung zu den zentralen Aufgabenberei-chen. Im ersten Randbereich finden sich Institutionen, die Projekte zur Medienkompe-tenzförderung durchführen wollen und hierbei medienpädagogische Beratung, Unter-stützung oder Fortbildung benötigen, auch die außeruniversitäre Medienforschung fällt in diesen Bereich. Der zweite Randbereich umfasst aufgabentechnisch die Gestaltung und Produktion von Medieninhalten für die Medienkompetenzförderung. Arbeitgeber:in-nen sind hier hauptsächlich Unternehmen der Medien- und Kommunikationswirtschaft, wie Verlage, Rundfunksender oder Agenturen.185

Öffentliche Bibliotheken finden in der Skizzierung der medienpädagogischen Tätigkeits-felder Huggers keine explizite Erwähnung. Als außerschulische Akteure in der Medien-kompetenzförderung stellen sie keine primären, sondern sekundäre Bildungsträger dar186 und können somit am ehesten dem ersten Randbereich zugeordnet werden. Be-reits 1988 wurden Bibliotheken jedoch von der GMK als Tätigkeitsfelder für medienpä-dagogische Fachkräfte benannt, als zentrale Aufgaben wurden damals das Lektorat, die Beratung, die Veranstaltungsarbeit, die theoretische und technische Fortbildung, Eigen-produktionen und der Verleih beschrieben.187 Einen Einblick in die Aufgaben, für welche medienpädagogische Fachkräfte aktuell in öffentlichen Bibliotheken vorgesehen sind und die geforderten Kompetenzen, soll im folgenden Kapitel durch die Stellenanzeigen-analyse gegeben werden.

185 Vgl. Dinkelaker et al., Professionalität und Professionalisierung in pädagogischen Handlungsfeldern, 86.

186 Vgl. Holger Schultka, „Bibliothekspädagogik und die Arbeit der AG Benutzerschulung des Landesverbandes Thüringen im DBV.“ Zuletzt geprüft am 07.07.2021, https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00007021/schultka.pdf, 2.

187 Vgl. Wolfgang Wunden, „Berufsbild "MedienpädagogIn".“ In Beruf Medienpädagoge, 34.

3 Stellenanzeigenanalyse

Im ersten Untersuchungsteil der Arbeit wurde zunächst eine Inhaltsanalyse von Stellen-anzeigen durchgeführt. Ziel war dabei nicht die abschließende Klärung der Forschungs-fragen, sondern es sollte hierdurch ein erster Eindruck der geforderten Kompetenzen und der Aufgabenbereiche von Fachkräften im Bereich der Medienpädagogik an öffent-lichen Bibliotheken gewonnen werden. Dieses Kapitel gibt Einsicht in die methodische Vorgehensweise bei der Analyse. Die Stellenanzeigenanalyse zählt zu den Methoden der empirischen Qualifikationsforschung. Mithilfe der Auswertung von Stellenanzeigen ist es möglich, die berufs- und branchenspezifischen Anforderungen und Kompetenzen sowie den aktuellen Bedarf der Arbeitgeber:innen abzuleiten. Durch die Erhebung und Analyse von Stellenanzeigen kann somit ein Einblick in den derzeitigen Arbeitsmarkt gewonnen werden.188 Es muss bei der Analyse von Stellenausschreibungen jedoch be-achtet werden, dass diese häufig idealtypisch formuliert sind und somit nicht zwangsläu-fig die tatsächlichen Anforderungen und benötigten Kompetenzen in der Praxis wieder-geben.189