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2 Theoretischer Hintergrund

4.6 Auswertung

4.7.8 Anforderungen und Erwartungen

Welche Anforderungen öffentliche Bibliotheken an medienpädagogische Fachkräfte stel-len und welche Aufgaben diese übernehmen solstel-len, stellt eine zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit dar. Da über diese Frage nur die Leitungen der Bibliotheken Auskunft geben können, werden im Folgenden ausschließlich die Aussagen der Exper-tinnen E und F berücksichtigt. Die Informationen zu den Anforderungen wurden durch den Leitfaden an verschiedenen Stellen im Interview erfragt, zunächst musste jedoch die Personalsituation in der Bibliothek der Befragten geklärt werden, um festzustellen, ob Medienpädagog:innen aktuell dort beschäftigt sind und welche Mitarbeitenden bzw.

Berufsgruppen medienpädagogische Aufgaben übernehmen.

Personalsituation in der Bibliothek

In der Bibliothek von Expertin E sind zurzeit Bibliothekar:innen und Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste sowie eine Buchhändlerin angestellt. Studierte Medi-enpädagog:innen sind aktuell nicht dort beschäftigt. Als Pädagogin mit Erfahrung in

292 Transkript D, Z. 273

293 Ebd., Z. 278

294 Vgl. Transkript F, Z. 170-171

295 Vgl. ebd. Z. 83-88

verschiedenen Bereichen übernimmt Expertin E medienpädagogische Aufgaben und Angebote in der Bibliothek überwiegend selbst. Um ihre praktischen Erfahrungen auch theoretisch zu untermauern, absolviert sie zurzeit ein Masterstudium mit dem Schwer-punkt Medienpädagogik.296 Expertin E betont aber auch, dass in ihrer Einrichtung keine strenge Aufgabenteilung zwischen den Mitarbeitenden vorherrscht, sondern „viele vie-les“297 machen. Besonderer Wert wird auch darauf gelegt, dass die Auszubildenden in alle Angebote der Bibliothek miteingebunden werden und auch selbstständig Veranstal-tungen konzipieren und durchführen, da sie dies am Ende ihrer Ausbildung können soll-ten.298

In der Stadtbibliothek, die Expertin F seit drei Jahren leitet, wird die medienpädagogische Arbeit als eine geteilte Aufgabe wahrgenommen. Es gibt folglich niemanden „der sich ausschließlich nur mit Medienpädagogik befasst.“299 Expertin F hat in ihrer Zeit als Lei-terin bereits mehrere Neueinstellungen auch im Bereich der Medienpädagogik durchge-führt und weist daraufhin, dass sich ihr Personal auch momentan noch in einem Trans-formationsprozess befindet. Für den gesamten Bereich Jugend sowie die Organisation und Koordination medienpädagogischer Angebote im Rahmen einer neu eingerichteten Medienwerkstatt in der Bibliothek, ist eine Literaturwissenschaftlerin verantwortlich. Me-dienpädagogische Angebote oder Workshops führt eine ehemalige Studienrätin durch.

Für den Bereich der Digitalen Dienste und der Erwachsenenbildung wurde zusätzlich eine Absolventin des Studiengangs „Medien- und Bildungsmanagement“ einer Pädago-gischen Hochschule eingestellt.300 Alle drei Mitarbeiter:innen sind laut Expertin F medi-enpädagogisch aktiv in der Bibliothek. Außerdem übernehmen auch Bibliothekar:innen und Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste weitere medienpädagogische Tätigkeiten. Diese Aufgabenteilung bringt den Vorteil mit sich, dass die Bibliothek mit Personalausfällen besser umgehen kann und die Mitarbeitenden unterschiedliche Kom-petenzen in die medienpädagogische Arbeit einbringen können.301

Zum Zeitpunkt der Interviews waren demnach für die Durchführung medienpädagogi-scher Angebote und Aufgaben verschiedene Berufsgruppen beschäftigt. Welche Anfor-derungen die Bibliotheksleitungen an medienpädagogische Fachkräfte hinsichtlich der Kompetenzen und der formalen Qualifikation haben, wurde in den Interviews ebenso angesprochen, wie die Erwartung, ob Medienpädagog:innen auch bibliothekarische Auf-gaben in der Bibliothek übernehmen sollten.

296 Vgl. Transkript E, Z. 58-69

297 Ebd., Z. 162

298 Vgl. ebd. E, Z. 409-415

299 Transkript F, Z. 71-72

300 Vgl. ebd., Z. 92-98

301 Vgl. ebd., Z. 103-108

Anforderungen Aufgaben

[…] man kann von einem Medienpädagogen nicht erwarten, dass er komplett die Aufgaben eines Bibliothekars in der Bibliothek erfüllt.302

[…] die Formel heißt nicht Bibliothekarin gleich Medienpädagogin. Das ist nicht so. Das ist schon unterschiedlich. Ich muss mir vorher bewusst machen, was der für Aufgaben in der Bibliothek erledigt.303

Diese beiden Zitate von Expertin E beziehen sich auf die häufig verwendete Formulie-rung „Medienpädagoge oder Bibliothekar (m/w/d) gesucht“ in Stellenanzeigen von Bibli-otheken. Die beiden exemplarischen Aussagen verdeutlichen, dass sie bei einem Medi-enpädagogen oder einer Medienpädagogin, die sich in ihrer Bibliothek bewirbt, die Über-nahme bibliothekarischer Aufgaben neben der medienpädagogischen Tätigkeit nicht un-bedingt voraussetzen würde. Ob bestimmte Tätigkeitsbereiche, wie die Lektoratsarbeit, die Bestandspräsentation oder auch die Beratung von Lehrkräften und Schulklassen übernommen werden können, würde sie im individuellen Fall entscheiden, jedoch kei-nesfalls explizit in der Stellenausschreibung fordern.304

Auch Expertin F würde nicht unbedingt erwarten, dass ein:e Medienpädagog:in auch bibliothekarische Aufgaben übernehmen soll:

Man muss einfach schauen, wer ist da im Team, was bringt der eben für eine Expertise mit und wie passt es mit der Stellenbeschreibung zusammen und ich kann mir auch vorstellen, dass am Ende dieses Prozesses, dass wir jemanden haben, der ausschließlich 100 Prozent eben als Medienpädagoge beschäftigt ist […].305

Die erwähnten Mitarbeitenden für medienpädagogische Aufgaben in der Bibliothek von Expertin F übernehmen teilweise zusätzlich noch Lektoratstätigkeiten. Da sich ihre Bib-liothek gerade in einem Transformationsprozess befindet, was das Personal betrifft, könnte sie sich aber auch vorstellen, dass hier jemand in Zukunft ausschließlich für die neue Medienwerkstatt und die Angebote zur Medienkompetenzförderung verantwortlich ist.306

Anforderungen Kompetenzen

Bei der Frage nach den Kompetenzanforderungen, die sie an medienpädagogische Fachkräfte stellen, wurden ähnlich wie bereits von den medienpädagogischen Fachkräf-ten, auch von den Leitungen neben den methodisch-fachlichen Kompetenzen zahlreiche personale Kompetenzen genannt.

302 Transkript E, Z. 135-137

303 Ebd., Z. 147-150

304 Vgl. Transkript E, Z. 116-118

305 Transkript F, Z. 113-117

306 Vgl. ebd., Z. 119-123

Für Expertin E, die sich hier auch auf die eigene medienpädagogische Arbeit in ihrer Bibliothek bezieht, ist eine wichtige persönliche Voraussetzung, dass man gerne mit Menschen arbeitet.307 Da außerdem die Zusammenarbeit mit Schulklassen und Lehr-kräften ein zentrales Aufgabenfeld darstellt, sind hier didaktische Fähigkeiten und Kennt-nisse besonders gefragt. Ohne solche weitreichenden didaktischen Informationen oder Fähigkeiten wird nicht nur die Entwicklung von medienpädagogischen Angeboten er-schwert, sondern auch der Aufbau einer dauerhaften „Bindung“ zur Institution Schule.

Eine weitere wichtige Voraussetzung, die die Bewerber:innen mitbringen sollten, ist die Fähigkeit zur Konzeption, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen.308 Ge-rade Bibliothekar:innen täten sich bei dieser Konzeptentwicklung schwer, wenn sie nicht schon lange in der Veranstaltungsarbeit tätig gewesen sind.309

Expertin F nimmt bei der Frage nach den geforderten Kompetenzen Bezug auf die letzte Stellenanzeige, die sie selbst im medienpädagogischen Bereich ausgeschrieben hat.

Neben der Kenntnis von Angeboten zur Medienbildung und Fähigkeiten im Umgang mit digitaler Informationstechnologie sind auch didaktische Fähigkeiten für die medienpäda-gogische Arbeit in der Bibliothek besonders von Bedeutung. In der erwähnten Stellen-anzeige wurden neben einer ausgesprochenen Kundenorientierung auch Flexibilität und Eigeninitiative als personale Kompetenzanforderungen genannt. Expertin F legt darüber hinaus im Bereich der persönlichen und sozialen Kompetenzen auch Wert auf „eine aus-gesprochene Kreativität, eine große Neugierde [und] ein Organisationstalent.“310 Wie in Kapitel 6.3 bereits deutlich wurde, stellen Kinder und Jugendlichen die Hauptzielgruppe der medienpädagogischen Arbeit in den befragten öffentlichen Bibliotheken dar, weshalb Erfahrung und Freude im Umgang mit der jüngeren Zielgruppe unabdingbar sind.

Anforderungen Ausbildung

Expertin E glaubt nicht, dass die Eignung für die medienpädagogische Arbeit in der Bib-liothek allein am Abschluss festgemacht werden kann. Es gibt verschiedene Studien-gänge und Weiterbildungen, mit denen man sich für eine medienpädagogische Tätigkeit qualifizieren kann. Solche Weiterbildungen müssen jedoch über einen längeren Zeit-raum absolviert werden, da „ein Fortbildungstag nicht ausreicht, um medienpädagogisch zu arbeiten.“311 Zwar werden ihrer Einschätzung nach in Zukunft deutlich mehr Fach-kräfte aus dem Studiengang der Medienpädagogik in öffentlichen Bibliotheken einen Ar-beitsplatz finden, dennoch wäre es wünschenswert, wenn die pädagogischen und me-dienpädagogischen Anteile im bibliothekarischen Studium, aber auch in der Ausbildung von Fachangestellten für Medien und Informationsdienste zukünftig noch einen größeren Stellenwert einnehmen würden. Expertin E betont dies an mehreren Stellen im Interview:

307 Vgl. Transkript E, Z. 169

308 Vgl. ebd., Z. 170-171

309 Vgl. ebd., Z. 171-173

310 Transkript F, Z. 216-218

311 Transkript E, Z. 123-124

Entweder ändert man die Studienordnung und macht den pädagogischen Teil mit als Schwerpunkt noch dabei, dass die Bibliothekare [das] lernen oder mitbekom-men, diese pädagogischen Geschichten, wie konzipiere ich das? Und, dass diese pädagogischen Angebote noch ein bisschen mehr sind als nur eine Aktion, ich lese was vor und zeige denen, wo die Bücher sind, […] im Bereich Leseförderung oder Klassenführungen.312

Was ich für durchaus angebracht halte, ist die Ausbildung und das Studium, in dem Bereich umzustellen und dann nochmal hinzugucken, dass da auch ein Schwerpunkt Medienbildung oder pädagogische Angebote kommt. Zum Teil ist das erfolgt. […] und das wird sicherlich noch mehr werden, dass man da umstellt oder digitale Services, das fehlt auch noch ein bisschen und da denke ich auch in der Ausbildung der Fachangestellten.313

Auch Expertin F berichtet, dass sie gerne eine:n Bibliothekar:in mit einer medienpäda-gogischen Zusatzqualifikation oder einem medienpädamedienpäda-gogischen Hintergrund eingestellt hätte, sich diese Möglichkeit aber aufgrund der aktuellen Bewerberlage nicht ergeben hat, weshalb auf andere Berufsgruppen zurückgegriffen wurde. Eine Motivation, für me-dienpädagogische Aufgaben eine Person mit bibliothekarischer Vorbildung einzustellen ist, den eigenen Berufsstand zu unterstützen, aber auch die Vermeidung möglicher Schwierigkeiten, die sich bei der Einarbeitung von Fachfremden in das „Prinzip Biblio-thek“314 ergeben können. Besonders am Anfang brauchen Fachfremde in der Regel mehr Zeit, um sich mit den Abläufen einer Bibliothek vertraut zu machen und es bedarf hierbei auch mehr Unterstützung als bei Personen mit bibliothekarischer Vorbildung.

Dennoch ist Expertin F, die eine zunehmende Diversifizierung von Studiengängen in Deutschland beobachtet, bei der Besetzung von Stellen in ihrer Bibliothek offen für Quer-einsteiger:innen.315

Insgesamt geht aus den Interviews hervor, dass beide Bibliotheksleitungen bei der Be-setzung medienpädagogischer Stellen in ihren Einrichtungen nicht auf eine spezielle Ausbildung als formale Qualifikation fixiert sind, eine Affinität zu Medien und Technik sowie pädagogische Erfahrung jedoch unbedingt gegeben sein sollten.