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Die Berücksichtigung von Verlusten in der Steuerpraxis ausge- ausge-wählter Länder

V.1 Die steuerliche Behandlung von Verlusten

V.1.1 Die Berücksichtigung von Verlusten in der Steuerpraxis ausge- ausge-wählter Länder

Betrachtet man die deutschen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Einkommensermittlung, so läßt sich festhalten, daß ein Steuerpflichtiger nur dann eine Steuererstattung im Falle erzielter Verluste erhält, wenn es ihm möglich ist, einen Verlustrücktrag nach § 10 d EStG vorzunehmen. Der Verlust darf nur von den positiven Einkünften des Vorjahres abgezogen werden.

Neben der zeitlichen Begrenzung gilt auch eine Begrenzung der Höhe nach.

Seit dem 01. Januar 2001 dürfen Verluste nur bis zu einer Höhe von 1 Mio. DM in das Vorjahr rückgetragen werden.

Erzielt ein Steuerpflichtiger im Ermittlungszeitraum neben dem Verlust aus einem Investitionsprojekt weitere positive Ergebnisse der gleichen Einkunftsart oder andere positive Einkünfte, so ist die grundsätzlich erlaubte Verlust-verrechnung äquivalent zu einer Steuererstattung. Das deutsche Einkommen-steuerrecht kennt den Ausschluß der Verlustverrechnung bei bestimmten aus-ländischen Verlusten, Verlusten aus gewerblicher Tierzucht und Verluste von Kommanditisten, die das Haftungskapital übersteigen. Darüber hinaus schrän-ken die sehr komplizierten Regelungen des § 2 Abs. 3 EStG seit dem 01.

Januar 1999 die Verrechenbarkeit von Verlusten unabhängig von ihrer Ein-kommensquelle über Einkunftsgrenzen hinweg ein.

Verluste, die weder im laufenden Ermittlungszeitraum verrechnet noch rückge-tragen werden konnten, sind gemäß § 10 d EStG vorzurückge-tragen. Allerdings be-treffen die Regelungen des § 2 Abs. 3 EStG auch den Einkunftsgrenzen über-schreitenden Abzug von Verlusten nach § 10 d EStG. Und schließlich sind

Verluste, die ein Steuerpflichtiger nicht verrechnen oder abziehen kann, nicht handelbar.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Problemkreis unterlag in den letzten Jahrzehnten einer Wandlung, die dadurch kennzeichnet ist, daß es dem Gesetzgeber erschwert wurde, verlustausgleichsbeschrän-kende Regelungen in das Steuerrecht einzufügen. So stellte es 1978 fest, daß der Gesetzgeber verfassungswegen nicht verpflichtet sei, einen Verlustabzug zuzulassen. Es begründete dies damit, daß eine strikte Abschnittsbesteuerung dem Prinzip der Rechtssicherheit Rechnung tragen würde. Im Jahre 1991 attestierte das BverfG allerdings, daß die Abzugsfähigkeit von Verlusten sich durch das Nettoprinzip der Einkommensbesteuerung rechtfertigen ließe. Es interpretierte das Nettoprinzip im Sinne eines abschnittsübergreifenden Netto-prinzips. Darüber hinaus stellte es 1998 fest, daß der periodenübergreifende Verlustabzug dazu geeignet sei, die einkommensteuerliche Gleichbehandlung zu gewährleisten. Jede Beschränkung ist deshalb zu begründen.141 Eine solche Einschränkung der Gleichbehandlung ließe sich etwa dadurch rechtfertigen, daß die Einkünfte einer bestimmten Erwerbsgrundlage typischerweise zu uner-wünschter Steuergestaltung genutzt werden. Diese Ansicht ist allerdings stark umstritten. So lehnen Arndt/Jenzen diese Begründung verlustausgleichsbe-schränkender Regelungen ab. Vielmehr fordern sie eine Bereinigung des Steuerrechts von Subventionstatbeständen. In diesen sehen sie die Ursache von Steuergestaltung. Dem Gesetzgeber stehe es vor dem Hintergrund des in der Verfassung verankerten Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht frei, die durch selbstgeschaffene Subventionstatbestände reduzierte Steuerbelastung durch verlustausgleichsbeschränkende Regelungen wieder aufzuheben.142

Ein Blick in das europäische Ausland zeigt, daß auch dort in der Praxis der Besteuerung verlustverrechnungs- und abzugsbeschränkende Normen die Regel sind:

£ So beschränkt Frankreich die Verrechnung nicht gewerblicher Verluste grundsätzlich, während die Verrechnung gewerblicher Verluste starken Be-schränkungen unterliegt. Eine Verrechnung dieser Verluste kommt nur in

142Vgl. ebenda, S. 1821-1822.

141Vgl. Arndt, H.-W./Jenzen, H.(1998), S. 1819-1820.

den Fällen in Frage, in denen der Steuerpflichtige persönlich die gewerb-liche Tätigkeit ausübt. Der Verlustvortrag ist auf fünf Jahre beschränkt.143 Auch im Rahmen der französischen Körperschaftsteuer sind Verluste zeitlich beschränkt vor und rücktragsfähig: Verluste können nur in die drei vor -angegangenen Jahre rückgetragen werden, während ein Vortrag in die fünf folgenden Wirtschaftsjahre möglich ist.144

£ Auch in Großbritannien ist die Verrechnung von Verlusten mit positiven Einkünften nur begrenzt möglich, wobei gewerbliche Verluste unbegrenzt vortragsfähig sind, allerdings dann auch nur von Gewinnen aus der gleichen Quelle abgezogen werden dürfen. Das großbritannische Einkommensteuerrecht erlaubt einen Rücktrag von gewerblichen Verlusten in das Vorjahr.145 Ähnliche Regelungen gelten für die Verluste körperschaft-steuerpflichtiger Unternehmer.146

£ In Österreich ist die Verrechenbarkeit von Verlusten über Einkunftsgrenzen eingeschränkt, wodurch eine Mindestbesteuerung hergestellt wird. Das österreichische Einkommensteuerrecht erlaubt keinen Verlustrücktrag, jedoch einen der Höhe nach begrenzten, aber zeitlich unbegrenzten Vor-trag.147

Offensichtlich bestehen große Vorbehalte gegen eine symmetrische Behand-lung von Gewinnen und Verlusten. Verlustverrechnungs- und abzugsbeschrän-kende Normen können rein fiskalisch motiviert sein, indem sie etwa wie in Deutschland oder Österreich eine Mindestbesteuerung herstellen. Daneben läßt sich zur Rechtfertigung von verlustverrechnungs- und abzugsbeschrän-kenden Regelungen anführen, daß hierdurch die Durchführung von betriebs-und volkswirtschaftlich unsinnigen Investitionsprojekten durch sogenannte Ver-lustzuweisungsgesellschaften unattraktiv wird. Inwiefern hier von einer uner-wünschten Steuergestaltung zu sprechen ist, ist noch zu klären.

Desweiteren dürfen nur solche Verluste steuerlich berücksichtigt werden, die im Rahmen einer Tätigkeit erzielt wurden, die mit Gewinnerzielungsabsicht

147Vgl. Mennel, A./Förster, J., 43. Lieferung, Österreich, Rdn. 37-41.

146Vgl. ebenda, England, Rdn. 213.

145Vgl. Mennel, A./Förster, J., 43. Lieferung, England, Rdn. 41-43.

144Vgl. Mennel, A./Förster, J., 43. Lieferung, Frankreich, Rdn. 237 -243.

143Vgl. Mennel, A./Förster, J., 43. Lieferung, Frankreich, Rdn. 50-54.

aufgenommen wurde. Im anderen Falle ist die Tätigkeit als Liebhaberei zu qualifizieren und steuerlich irrelevant. Die Vielzahl der in Deutschland gesprochenen Gerichtsentscheidungen zum Thema der Liebhaberei belegen, daß die Qualifizierung vieler Tätigkeiten in der steuerlichen Praxis ein nicht triviales Problem ist. Eine Beschränkung der Verrechen- und Abziehbarkeit von Verlusten aus schwer zu qualifizierenden Tätigkeiten stellt einen administrativ effizienten Weg zur Entschärfung dieses Problems dar. Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit in Rumänien und BiH zeigte sich, daß die Steuer-verwaltungen dieser Länder des Übergangs nicht zu entkräftende Vorbehalte gegen eine unbeschränkte Abzugsfähigkeit von Verlusten haben. Hierbei wurde immer auf das Problem der mangelnden Kontrollierbarkeit verwiesen.

Dieser kurze Blick in die Praxis der Besteuerung legt den Schluß nahe, daß die steuerreformpolitische Forderung nach symmetrischer Behandlung von Ge-winnen und Verlusten nur geringe Akzeptanz erfahren wird. Auch im Rahmen eines zinsbereinigten Systems der Kapitaleinkommensbesteuerung führen solche Beschränkungen zu einer Verzerrung der Investitionsentscheidung.

V.1.2 Die Wirkung einer zinsbereinigten Kapitaleinkommensteuer mit

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