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Benutzergruppen und institutionelle Rahmenbedingungen

• Anleitungen - Traditionellerweise werden mit in Boxen verkauften Programmen Benut-zerhandbücher ausgeliefert. Dieses geschieht inzwischen zunehmend in elektronischer Form, was die Archivierung erleichtert. Diese Handbücher sollten Hilfestellung bei der Installation und der Benutzung des Programms bieten. Dieses wird mit zunehmendem Abstand zum Erscheinungsdatum umso wichtiger.

4.5 Benutzergruppen und institutionelle Rahmenbe-dingungen

Die Anforderungen an Emulatoren oder Virtualisierer können je nach Benutzergruppe oder Institution sehr verschieden ausfallen. Dadurch können durchaus andere Ergebnisse der Tool-Auswahl resultieren.

Während in der Gruppe der Privat- und Hobbyanwender eher persönliche Interessen und Vorlieben Archivierungsziele bestimmen, so sind die meisten Institutionen, wie kommerziel-le Unternehmungen, Behörden und Administrationen sowie Bibliotheken, Archive und For-schungseinrichtungen in Regelungswerke eingebunden. Diese teilweise in Gesetze gegossenen Vorgaben bestimmen wesentlich über die Ausrichtung des jeweiligen digitalen Langzeitarchivs mit.

So bestimmt das ”Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek” den Sammelauftrag der größten deutschen Bibliothek49und erweitert ihn um Internet-Veröffentlichungen. Einen gene-rellen Überblick zu rechtlichen Fragen im Umfeld der Langzeitarchivierung geben [Beger 2005]

oder auch [Goebel und Scheller 2004], die im Auftrag von Nestor tätig wurden.

4.5.1 Archive

Nationale und allgemeine Archive staatlicher oder öffentlicher Institutionen haben die Auf-gabe, ausgewählte oder sämtliche Objekte des Geschäftsverkehrs ihrer beauftragenden In-stitutionen für bestimmte gesetzlich befristete Zeiträume oder unbefristet aufzuheben. Bei diesem Auftrag geht es üblicherweise um ein sehr eng definiertes Feld verschiedener Daten-typen, da oft mit standardisierten Austauschverfahren innerhalb der Institutionen gearbeitet wird. Vielfach können Archive in gewissem Umfang administrativ auf ihren Input einwirken.

Der überwiegende Anteil der Daten wird aus statischem Material bestehen, welches sich für automatische Migrationsprozesse eignet oder für solche vorbereitet wurde.

Eine wichtige Aufgabe dieser Archive wird es daher sein, die Authentizität ihrer Archiv-objekte zu jedem Zeitpunkt nachweisen zu können.50

4.5.2 National-, Universitäts- und Allgemeinbibliotheken

Bibliotheken obliegt seit je her die Aufgabe eine breite Palette an Objekten des kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Schaffens, meistens in Form von Texten und Bildern,

49Siehe [DNB 2006] oder auch die Pressemitteilung zur Neufassung - http://www.ddb.de/aktuell/presse/-pressemitt_dnbg_neu.htm.

50Siehe hierzu auch die Untersuchungen von [van Diessen und van der Werf-Davelaar 2002] im Rahmen des DIAS-Projekts.

zu sammeln. Mit der digitalen Revolution werden die gedruckten Werke, die die letzten Jahr-hunderte dominierten, durch eine zunehmende Anzahl digitaler Objekte ergänzt.

Während viele Neuerscheinungen teilweise nur noch digital erfolgen oder in digitaler Form wegen des großen Recherchevorteils beschafft werden, kommen weitere Objekte hinzu, die aus der Digitalisierung bereits vorhandener Bestände stammen.51

4.5.3 Forschungseinrichtungen

Ein großer Teil der Forschung der letzten 50 Jahre fand unter Einsatz von Computern statt und wird sich in Zukunft eher noch ausweiten. Im Zuge der verschiedenen Arbeiten erfolgte eine Erhebung oder Generierung von Daten, die in später veröffentlichte Forschungsergebnisse einfließen. Jedoch wurde lange Zeit nur die Arbeit selbst, aber selten die gewonnenen wis-senschaftlichen Primärdaten archiviert. Hierdurch gingen teilweise wertvolle Daten verloren, die für spätere Forschungsprojekte hätten relevant sein können. Ebenso lassen sich einge-reichte und veröffentlichte Ergebnisse nur schwer überprüfen oder reproduzieren, wenn die Primärdaten nicht mehr vorliegen.

Nicht umsonst hat die DFG die Forderung aufgestellt, dass eine mindestens zehnjährige Frist zur Aufbewahrung von Messdaten und wissenschaftlichen Erzeugnissen gelten soll. Auf diese Weise soll nicht nur dem wissenschaftlichen Betrug vorgebeugt, sondern wertvolle Daten für eine weitere Verwendung aufbewahrt werden. Die MPG beteiligt sich zudem an einem Forschungsprojekt zur Langzeitarchivierung wissenschaftlicher Primärdaten.52

4.5.4 Computer-, Kunst- und technische Museen

Durchaus sehr andere Anforderungen als Archive und Bibliotheken haben Institutionen zur Bewahrung von Alltagskultur, Geschichte oder Kunstwerken. Sie stellen Rechnerplattformen als Dinge des täglichen Lebens aus, die in einer bestimmten Epoche relevant waren. Dabei geht es einerseits um den optischen und haptischen Eindruck der ursprünglichen Hardware, aber auch um das Aussehen und die Funktion der jeweils verwendeten Software.

Digitale Objekte von Interesse sind für diese Institutionen Applikationen und Betriebssys-teme, aber nicht so sehr die üblichen Primärobjekte der bibliothekarischen Langzeitarchive.

Trotzdem kann es auch für Museen Aufgabe oder Verpflichtung sein, bei der ”Archäologie”

unbekannter digitaler Objekte zu helfen und diese wieder sichtbar zu machen.

Vielfach lebt das Interesse an einem Museum oder die Begeisterung für eine Ausstellung vom Mitmachfaktor. Emulatoren der ausgestellten Computer sollten deshalb über einfach zu bedienende Benutzer-Interfaces verfügen.

Da zu den Computern eine ganze Reihe verschiedener Peripherie dazugehört, besteht sicherlich teilweise das Bedürfnis, diese auch an aktueller Hardware betreiben zu können.

Dann sind serielle, parallele oder USB-Schnittstellen eines Emulators zum Host-System von Interesse. Jedoch gilt auch hier, dass sich aktuelle Hardware und Museumsstücke immer weiter auseinanderbewegen werden und dann irgendwann auch keine geeigneten gemeinsamen

51Siehe hierzu auch Abschnitt 3.1.2.

52PARSE.Insight - Permanent Access to the Records of Science [APA 2008], Mitglied sind beispielsweise die Deutsche Nationalbibliothek [DNB 2008] und die Max Planck Gesellschaft (MPG).

4.5. BENUTZERGRUPPEN UND INSTITUTIONELLE RAHMENBEDINGUNGEN 95

Schnittstellen mehr besitzen. Ebenso gilt dieses für den Ausfall der Hardware, der im Fall der Rechner selbst durch den Einsatz von Emulatoren ausgeglichen werden kann. Dieses ist für Peripherie wenig realistisch.

Durch den Verzicht darauf, ein großes Hardwaremuseum permanent betriebsfähig zu hal-ten, lassen sich mithilfe des Emulatoreinsatzes Kosten reduzieren. Diese könnten mit anwach-sendem Museumsbestand irgendwann weder personell noch finanziell geleistet werden.53

4.5.5 Unternehmen und Organisationen

Für Unternehmen und diverse Institutionen gelten für alle Geschäftsvorgänge Aufbewahrungs-richtlinien unterschiedlicher Zeitdauer. Sie sind verpflichtet, von wichtigen Vorgängen, Do-kumenten, Geschäfts- und anderen Berichten sowie Korrespondenzen die Originaldokumente oder Kopien aufzubewahren und geeignet abzulegen. Teilweise heben Firmen ihre geschäfts-kritischen Daten auch deutlich länger als die gesetzlich vorgeschriebene Periode auf. Wegen der im Verhältnis zu anderen Nutzern beschränkten Zeithorizonte genügen in vielen Fällen sicherlich einfachere Langzeitarchivierungsstrategien. So könnte es bereits ausreichen, mit den derzeitigen Virtualisierungstechniken die Historie der hauptsächlich eingesetzten X86-Architektur auf einem einzigen Host-System mit Linux beziehungsweise Windows XP oder Vista zusammenzufassen.

Abbildung 4.4: DOS-Spiel (Doom von ID-Games) mit funktionierender Soundausgabe aus dem Jahr 1993 in der DOSBOX unter Linux/X11 mit einem 2.6er Kernel.

53Vgl. hierzu den Abschnitt 2.5 und [Rothenberg 2002], S. 12.

4.5.6 Privatpersonen

Für Privatpersonen stellt sich die Lage der Langzeitbewahrung digitaler Objekte noch einmal anders dar: Sie stehen vor dem wachsenden Problem, wie sie ihre digital aufgenommenen Bilder und Filme, sowie ihr privates Medienarchiv aus kommerziellen Inhalten langfristig zu-greifbar halten können. Hierzu zählen Fotos, private und gekaufte Videos, CD- oder MP3-Sammlungen. Daneben existieren in vielen Haushalten Sammlungen privater Emails oder Textdokumente. Viele Computernutzer möchten zudem Computerspiele ihrer früheren Sys-teme (Abb. 4.4, S. 95) oder Game-Konsolen weiterhin verwenden können. Dabei sollte der spätere Zugriff auf den größten Teil dieser Objekte auch für weniger technik-affine Personen-gruppen möglich sein.

Während für die persönlichen Daten privater Computernutzer keine Aufbewahrungsricht-linien bestehen, sieht dieses im Feld der elektronischen Kommunikation anders aus. So werden inzwischen viele Rechnungen von diversen Dienstleistungsanbietern nur noch in elektronischer Form verschickt. Verwaltungsakte, wie die Abgabe der eigenen Steuererklärung, sind zuneh-mend in elektronischer Form erwünscht. In diesem Bereich ergeben sich neue Problem- und Fragestellungen.