• Keine Ergebnisse gefunden

Bedeutung der normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsver- Arbeitsver-tragsordnungen

Im Dokument Der Dritte Weg auf dem Prüfstand (Seite 92-95)

IV. Anpassungsnotwendigkeit für die Zuordnung zur Kirche

6. Bedeutung der normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsver- Arbeitsver-tragsordnungen

den für Tarifverträgen geltenden Maßstäben:42 „Nach st. Rspr. des BAG handelt es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht um Tarifverträge i. S. des Tarifvertragsgesetzes, weil sie nicht nach dessen Maßgabe zu Stande gekommen sind43. Ob die inhaltliche Kontrolle von Arbeitsrechtsregelungen durch staatliche Gerichte deshalb als eine - eingeschränkte – Billigkeitskontrolle nach §§ 317, 319 BGB vorzunehmen ist44 oder ob sie sich gleichwohl – wie bei Tarifverträgen – auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken hat45, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Arbeitsrechtsregelung [...] hält nach beiden Maßstäben der rechtlichen Prüfung stand.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die BAG-Rechtsprechung, wenn auch mit wechselnden Begründungen, zwar in die Richtung einer normativen Rechts-wirkung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen tendiert, wenn diese kirchen-rechtlich angeordnet wurde, diese Tendenz aber als äußerst unsicher einzustufen ist, zum einen weil sie der eigenen Rechtsprechung widerspricht, zum anderen weil sie die Trennung zwischen kirchlichem und staatlichem Rechtskreis und damit die verfassungsrechtliche Trennung von Kirche und Staat (Art. 140 GG i.

V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV) durchbrechen würde.

6. Bedeutung der normativen Wirkung kirchlicher

unmittelbar aus dem Tarifvertragsgesetz ergeben würde. Offenbar fürchten sie jedoch, sich dadurch säkularen Einwirkungen auf ihr Selbstverständnis in Glaubens- und Gewissensfragen sowie ihre Kirchenautonomie auszusetzen mit der Folge, dass die kirchliche Dienstgemeinschaft gefährdet würde. Dass dem indessen nicht so ist, zeigen bereits die zahlreichen bestehenden Tarifverträge mit Kirchen und ihren Einrichtungen. Denn sog. kirchengemäße Tarifverträge zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie das Kirchliche Proprium, die Dienst-gemeinschaft, respektieren. Im übrigen sind sie nicht gezwungen Tarifregelungen zuzustimmen, die das nicht tun. Ihre Möglichkeit, auf den Dritten Weg auszu-weichen, bleibt ihnen sowohl kirchenrechtlich als auch verfassungsrechtlich (Art.

140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV), d.h. durch säkulares Recht garantiert.

Auch ihr Plädoyer für Mitbestimmung durch Tarifverträge im säkularen Bereich wäre glaubwürdiger, wenn sie sich in ihren eigenen Angelegenheiten dazu bekennen würden. Deshalb noch einmal: Warum dieser ganze rechtliche Aufwand um die normative Wirkung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen, wenn mit kirchengemäßen Tarifverträgen bei ungleich geringerem Aufwand das Gleiche zu erreichen wäre?

Die Gründe sind relativ einfach:46 Nur die normative Wirkung kirchlicher vertragsordnungen kann deren gleichmäßige Geltung für alle kirchlichen Arbeits-verhältnisse garantieren. Diese aber wiederum ist Voraussetzung für die Bewälti-gung des wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels, dem namentlich kirchli-che Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens ausgesetzt sind. Anderer-seits ist die Furcht der Kirchen durchaus verständlich, der Abschluss von kirchen-gemäßen Tarifverträgen könnte den Dritten Weg ein für alle Mal irreversibel versperren. Denn sie wissen aus eigener Erfahrung am besten, dass Glaubens-wahrheiten für gläubige Menschen unverrückbare Gewissheiten darstellen, von Nicht- oder Andersgläubigen aber jederzeit in Frage gestellt werden können. Ob dies indessen tatsächlich so sein muss, ist zu prüfen. Zunächst aber zur Bedeutung der normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen und dann erst zur Frage, wie den Kirchen und ihren Einrichtungen hinsichtlich der Bewahrung ihrer kirchlichen Eigenart auch durch Tarifverträge Gewissheit gegeben werden kann.

Auch kirchliche Einrichtungen sind, zumal unter dem Diktat leerer Staatskassen, das die Kostenträger zu massiven Einsparungen zwingt, dem freien Wettbewerb ausgesetzt, der kirchliche wie säkulare Arbeitgeber zur „Tarifflucht“, in diesem Fall aus der Geltung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen, verleitet. Die damit verbundene Zersplitterung der Arbeitsbedingungen wirkt indessen nicht nur gegenüber der kirchlichen Dienstgemeinschaft, sondern auch gegenüber notwen-digen Produktivitätssteigerungen durch Organisations-, Personal- und Kosten-entwicklung kontraproduktiv. Nicht Sparen schlechthin, d.h. um jeden, auch den Preis von Personalabbau, Entgelt- oder Leistungskürzungen, ist angesagt, sondern

46 Vgl. dazu auch o. Abschn. 1.

„intelligentes Sparen“ durch Verbesserung der Organisation, Optimierung von Prozessen und Weiterqualifizierung des Personals.47 Kirchliche Einrichtungen, die auf lineare Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen, namentlich Kürzungen der Arbeitsentgelte, ausweichen, verlieren gegenüber Einrichtungen, die das aufgrund ihrer Tarifbindung nicht können, automatisch an Wettbewerbsfähigkeit.

Vergleichsweise schlechtere Arbeitsbedingungen mögen bei drohendem Arbeits-platzverlust gegenüber den Beschäftigten durchsetzbar sein. Sie vermindern aber die Wettbewerbsfähigkeit schon im Hinblick auf die Rekrutierung qualifizierten Personals, von dem die Dienstleistungsqualität und damit die Qualität der Leistungen gerade bei sozialen Einrichtungen maßgeblich abhängt. Dadurch können kirchliche Einrichtungen schnell in einen Teufelskreis geraten, der vorhandene Wettbewerbsnachteile bis zur unvermeidbaren Insolvenz verschärft, wenn nicht rechtzeitig betriebswirtschaftlich gegengesteuert wird. Einrichtungen, die verminderte Einnahmen oder erhöhte Ausgaben durch lineare Verschlechte-rungen der Arbeitsbedingungen kompensieren, bewahren im Vergleich zu ihren Wettbewerbern unproduktive (Organisations-, Personal- und Kosten-)Strukturen.

Das rächt sich spätestens bei der nächsten Einnahmenkürzung oder Ausgaben-erhöhung, dann allerdings mit der zusätzlichen Belastung eines zwischenzeitlich, im Vergleich zur Konkurrenz, die sich der Mühsal eines komplexen Organisati-ons-, Personal- und Kostenentwicklungsprozesse unterzogen hat, gewachsenen und kaum mehr einholbaren Produktivitätsrückstands. Deshalb ist es für kirch-liche Einrichtungen von herausragender Bedeutung, dass sie sich, ebenso wie säkulare Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, betriebswirtschaftlich aufstellen. Dazu muss ihnen aber der bequeme Weg in die lineare Kürzung des größten Ausgabenpostens, den die Personalkosten mit 60% bis 80% der Gesamt-kosten nun einmal ausmachen, versperrt sein. Dies ist nur durch gleiche Arbeits-bedingungen und Arbeitsentgelte aller kirchlichen Einrichtungen zu erreichen, die durch eine gleichmäßige normative Geltung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen in allen Einrichtungen mindestens auf dem Niveau säkularer Organisationen garantiert werden. Die Annäherung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen an Tarifverträge hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen stellt so gesehen eine unabding-bare betriebswirtschaftliche Notwendigkeit dar.

47 Vgl. dazu Dagmar Deckstein, Die Porsche-Therapie. Operation Krankenhaus: „Heute nach einem halben Jahr machen wir alles besser“. Wie Unternehmensberater des Autoherstellers und von McKinsey den Pulsschlag in der Freiburger Herzchirurgie erhöhten – ein Lehrstück für intelligentes Sparen, Süddeutsche Zeitung Nr. 47 v. 25./26. 02. 2006, S. 36.

7. Das Integrierte Kommissions- und Tarifmodell als Lösung

Im Dokument Der Dritte Weg auf dem Prüfstand (Seite 92-95)