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2. Literaturübersicht

2.2. Die Basalganglien

2.2.6. Bedeutung der Basalganglien für TLE

In zahlreichen klinischen Studien an TLE-Patienten konnte eine Beteiligung der Basalganglien bei der Weiterleitung von epileptischen Anfällen mit Fokus im limbischen System nachgewiesen werden (BOUILLERET et al. 2005; FRANCESCHI et al. 1995; JOO et al. 2005; KAIBORIBOON et al. 2005; REKTOR et al. 2002; SHIN et al. 2001; SHIN et al. 2002).

In tierexperimentellen Untersuchungen wurde bereits früh gezeigt, dass die SN neben der anfallsweiterleitenden eine anfallsmodulierende Funktion besitzt (GALE et al. 2008; IADAROLA u. GALE 1982). Zahlreiche Studien belegen zudem eine Beteiligung der Basalganglien an epilepsie-induzierter Netzwerkplastizität. Frühere Untersuchungen beschrieben eine Reduktion der Aktivität des GABA-produzierenden-Enzyms Glutaminsäure-Decarboxylase (GAD) in der SN gekindelter Ratten. Dies weist auf eine mögliche Verringerung des GABA-Turnovers und damit eine veränderte Funktion des Neurotransmitters GABA in der SN gekindelter Ratten hin (LÖSCHER u. SCHWARK 1985, 1987). In späteren Studien konnte gezeigt werden, dass eine lokale pharmakologische Hemmung der SNr sich entweder pro- oder antikonvulsiv auswirken konnte oder keinen Effekt zeigte, je nachdem ob der anteriore oder posteriore Bereich der SNr gehemmt wurde, wobei die Zuteilung der Eigenschaften zu den Subregionen unterschiedlich ausfiel (SHEHAB et al. 1996;

VELίSKOVÁ et al. 1998). Dieses Resultat weist auf eine Subregionenspezifität der SNr bei der Anfallsmodulation hin. Eine Injektion des GABAA-Rezeptor-Agonisten Muscimol in die SNr löste in Abhängigkeit von Injektionslokus, Anfallsmodell, Rattenstamm, -geschlecht und -alter entweder anikonvulsive oder prokonvulsive oder aber auch keine Effekte durch die Muscimol-Injektion aus (GERNERT u. LÖSCHER 2001; NOLTE et al. 2006; MOSHÉ et al. 1994). Diese kontroversen Ergebnisse weisen auf eine hohe funktionelle Komplexität der SNr bei der Anfallsmodulation hin.

Die Aktivität nigraler Neurone wurde in einer Studie von BONHAUS et al. (1986) mit Hilfe der in vivo-Einzelableitung untersucht. Es konnte eine Veränderung der iktalen Aktivität nigraler Neurone nachgewiesen werden. Des Weiteren zeigten GERNERT et al. (2004) mittels elektrophysiologischer Untersuchungen der SNr, dass die spontane Aktivität der GABAergen nigralen Neurone in der posterioren SNr auch

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noch 24 h nach einem generalisierten Anfall in weiblichen amygdala-gekindelten Ratten signifikant erhöht war. Veränderungen des Feuermusters der Neuronen konnten in der gesamten SN gezeigt werden. Zusätzlich wurde eine geringere Sensitivität der Neuronen in der anterioren SN auf die Hemmwirkung von systemisch verabreichter Valproinsäure im Kindling-Modell für TLE festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass die posteriore SNr bei gekindelten Ratten anfallsmodulierend wirkt, wohingegen der anteriore Teil der SNr bei Mechanismen, die Pharmakoresistenz vermitteln, mitwirken könnte (GERNERT et al. 2004).

Eine veränderte Informationsverarbeitung der SNr bei gekindelten Ratten macht sich auch in nachgeschalteten Kernen und ihren Neuronen bemerkbar. Der SC ist eine der Zielregionen, insbesondere des anterioren Teils der SNr, und gibt somit die Anfallsmodulierung der SNr an andere Hirnregionen weiter (BECKSTEAD et al.

1981; GERFEN et al. 1982; GARANT u. GALE 1987). Die posteriore SNr sendet aber auch zahlreiche Projektionen zum PPN (LEE et al. 2000). In einer Studie von NOLTE et al. (2006) konnte gezeigt werden, dass PPN-Neurone gekindelter Tiere 24 h nach einem Anfall eine verringerte Entladungsrate gegenüber Kontrolltieren aufwiesen. Das Entladungsmuster dieser Neurone war unregelmäßig und burst-artig.

Diese Resultate werden vermutlich durch eine verstärkte Inhibition des PPN durch die SNr gekindelter Ratten hervorgerufen, was möglicherweise zu einer erleichterten Ausbreitung der epileptischen Aktivität im Gehirn beitragen könnte.

Die gestörte Aktivität der SNr lässt sich über veränderte afferente Eingänge modulieren. Exzitatorische glutamaterge Eingänge erhält die Struktur vom STN.

Frühere Studien zeigten, dass bilaterale Injektionen eines GABA-Agonisten in den STN oder eine hochfrequente Stimulation die Aktivität nigraler Neurone senkt (BENAZZOUZ et al. 1995; FÉGER et al. 1992). Beide Wege, die glutamaterge Übertragung zu senken, führen zu einer Unterdrückung epileptischer Anfälle in verschiedenen Epilepsie-Modellen einschliesslich dem Amygdala-Kindling-Modell der TLE (DEPAULIS et al. 1994; DERANSART et al. 1996; DERANSART et al. 1998;

DYBDAL u. GALE 2000; VELίSKOVÁ et al. 1996).

Im Einklang mit diesen Resultaten wurde nachgewiesen, dass subthalamische glutamaterge Neurone gekindelter Ratten 24 h nach einem generalisierten Anfall

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vermehrt burst-artig feuern (FEDROWITZ et al. 2002). Der STN spielt deshalb bei der Erforschung der Netzwerkveränderungen bei der TLE eine bedeutende Rolle.

Das Striatum übt ebenfalls einen großen Einfluss über den direkten, als auch über den indirekten Weg auf die SNr aus (DELONG u. WICHMANN 2007; PARENT u.

HAZRATI 1995a). Immunhistochemische Untersuchungen belegten eine Reduktion der GAD-Aktivität und des GABA-Levels im Striatum gekindelter Ratten eine Woche nach dem letzten generalisierten Anfall (LÖSCHER u. SCHWARK 1987). Dabei wurden die Ergebnisse beider Hirnhemisphären gepoolt ausgewertet, so dass keine Unterscheidung in ipsi- oder kontralateral zur Kindlingelektrode erfolgte. Eine reduzierte Neuronendichte im Striatum konnte mittels GABA-Immunhistochemie in gekindelten Ratten allerdings nicht gezeigt werden (LÖSCHER et al. 2006a).

Hingegen konnte eine erhöhte Dichte GAD67-exprimierender Neurone im anterioren Striatum kontralateral zur Kindlingelektrode detektiert werden. Tatsächlich gibt es sowohl durch Untersuchungen an epileptischen Patienten als auch gekindelten Tieren Hinweise, die für eine bilaterale Beteiligung epilepsie-induzierter Netzwerkveränderungen sprechen (JOO et al. 2006; KÜCKER et al. 2010). KÜCKER et al. (2010) konnten eine veränderte Aktivität der Projektionsneurone im anterioren Striatum gekindelter Ratten 24 h nach einem generalisierten Anfall zeigen. In dieser Studie wiesen die Projektionsneurone des anterioren Striatums ipsilateral zur Kindlingelektrode vermehrt unregelmäßige Entladungen auf, wohingegen die Projektionsneurone kontralateral zur Elektrode erhöhte spontane Entladungsraten zeigten (KÜCKER et al. 2010).

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