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I. Teil

27 Plausibilitätsprüfung

27.2 Ausgewählte einzelne Fälle zur Plausibilität

anschaulich? Sind die Angaben individuell oder sind sie vielleicht deckungs-gleich mit den Angaben des Bruders oder der Schwester? Ist die Aussage stim-mig? Liegen Widersprüche vor? Schildert der Betroffene Gefühle? Lassen sich solche bei der Wiedergabe seiner Erlebnisse erkennen? Kann der Interviewte Erinnerungslücken zugeben oder hat er auf alle Fragen zum Tatgeschehen und zu den Tatumständen eine Antwort? Schildert er eher schematisch und chro-nologisch, als ob er Erlerntes nicht vergessen wollte? Ist ein Belastungseifer zu erkennen? Stellt der Betroffene vielleicht gar keinen Antrag auf eine Aner-kennungsleistung, hat er also kein finanzielles Interesse? Schildert der Be-troffene auch positive Erlebnisse im Heim, vielleicht sogar in Bezug auf den Täter? Hält der Interviewte es für möglich, dass er etwas verwechselt? Trägt er Schlussfolgerungen vor?

Dabei muss noch einmal daran erinnert werden, dass die geschilderten Ta-ten 30 bis 67 Jahren zurückliegen und viele Betroffene versucht haben, die Erlebnisse zu verdrängen. Worauf ein Richter vielleicht bei der zeitnahen Be-fragung eines Zeugen zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage Wert legen kann (typische Fragen sind „Wie war das Wetter zur Tatzeit?“, „Welche Kleidung trug der Täter?“), konnte selbstverständlich nicht mehr erinnert wer-den. Allzu viel Detailreichtum in einer Aussage hätte daher eher misstrauisch machen müssen.88

Das Ergebnis ist am Ende nicht: Die Aussage ist wahr, der Täter ist schul-dig. Das Ergebnis kann nur sein: Es spricht nichts dagegen, dass die Aussage wahr ist. Und um es nochmals deutlich zu machen: Für eine strafgerichtliche Verurteilung würde die Überprüfung nicht genügen.

27.2 Ausgewählte einzelne Fälle zur Plausibilität

Im Folgenden sollen beispielhaft Angaben von Betroffenen aufgezeigt werden, die nach Überzeugung der Aufklärerin nicht plausibel waren.

▪ Ein Pfarrer ist in der Öffentlichkeit stark in den Fokus geraten, weil die Presse ihn vorverurteilt hat. Er soll ebenfalls Kinder missbraucht haben.

Hierauf gibt es keine plausiblen Hinweise und Belege.

88 Die Bewertung wurde durch die Aufklärerin ohne Hinzuziehung eines Aussagepsychologen durchgeführt. Die Aufklärerin war über 30 Jahre als Richterin mit der Beurteilung der Glaub-haftigkeit von Zeugenaussagen betraut. Diese Beurteilung gehört zu den vornehmsten Auf-gaben eines Richters. Die Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen ist auch in gerichtlichen Verfahren nur in Ausnahmefällen angezeigt, etwa wenn Zeugen sehr junge Kinder sind, der Zeuge psychisch erkrankt ist oder durch häufiges Befragen etwa be-sorgter Eltern beeinflusst sein kann.

Ein Betroffener (050, m, 1960-1965) hat der Aufklärerin berichtet, der Pfarrer habe einen Jungen missbraucht, der heute an „der Nordsee oder der Ostsee“

wohne. Die Aufklärerin hat dann den Anruf eines Betroffenen (069, m, 1968-1971) erhalten, der tatsächlich in dieser Gegend wohnt. Er berichtete telefo-nisch beiläufig, der Pfarrer sei „übergriffig“ geworden. Diesen Begriff verbin-det man in den letzten Jahren mit sexuellen Übergriffen. Auch die Aufklärerin ging mit dieser Vorstellung in das Interview.

Der Betroffene berichtete im Gespräch plausibel, eindringlich und glaub-haft von diversen Geschehnissen während seiner Heimzeit (1968-1971), ins-besondere auch von einem sexuellen Missbrauch durch einen Angestellten, vermutlich den Hausmeister. Schließlich kam er zum Pfarrer, den er als „angst-machend“ beschrieb. Irgendwann habe er sich über seine „behäbige Art“ lustig gemacht, er sei heftig an den Ohren gezogen und in den Nebenraum befohlen worden. Dort habe der Pfarrer ihn zunächst mit der bloßen Hand auf den Po geschlagen. Da dies wegen der getragenen Lederhose nicht viel Erfolg hatte, habe er ihm die Hose heruntergezogen und ihm den (mit der Unterhose beklei-deten) Po versohlt. Sexuell sei „nichts gewesen“, da sei er falsch verstanden worden. Das Schlagen betrachte er als einen Übergriff, weshalb er diesen Be-griff verwendet habe.

Weiter hat der Betroffene 050 (m, 1960-1965) der Aufklärerin berichtet, dass er ein pädophiles Netzwerk vermute, an dem dieser Pfarrer beteiligt ge-wesen sei.

Diese Vermutung stützt er auf folgendes Erlebnis: Der Betroffene 050 ist jahrelang von dem Hausmeister sexuell missbraucht worden. Seine Konfirma-tion sollte nicht in Korntal, sondern in seinem Heimatort stattfinden. Der dor-tige Pfarrer habe gewusst, dass er Heimkind in Korntal war und habe ihn in einem Vorgespräch gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass er mit ihm „das gleiche“ mache, was er in Korntal mache. Er habe es verneint. Er müsse von dem Korntaler Pfarrer informiert worden sein, anders könne er sich dieses Wis-sen des Pfarrers in seinem Heimatort nicht vorstellen.

Diese Angaben sind nach der Überzeugung der Aufklärerin nicht plausibel.

Dies würde nämlich entweder voraussetzen, dass der Korntaler Pfarrer mit dem Hausmeister so eng befreundet war, dass dieser ihm seine sexuellen Vorlieben anvertraut hat, eine Vorstellung, die angesichts des Unterschiedes im Sozialen und im Bildungsstand zwischen beiden jedenfalls in der ersten Hälfte der 1960er Jahre äußerst unwahrscheinlich ist.

Oder beide waren tatsächlich Teil eines pädophilen Netzwerks. Dies ist ausgeschlossen: Ausweislich eines Vorstandsprotokolls (L 6 Nr. 1809) gab es im Jahr 1961 Hinweise auf „unerlaubte Beziehungen mit schulpflichtigen Kna-ben“ durch den Hausmeister. Der Verwaltungsausschuss hat diese Vorgänge ausführlich beraten89 . Der Pfarrer hat sich für eine scharfe Reaktion ausgespro-89 Vgl. dazu Berichtsteil I von Hafeneger.

chen, weil es „vor allem um den Schutz der anvertrauten Kinder“ gehe. Es wurde schließlich einstimmig beschlossen, dass der Hausmeister seine Dienst-wohnung im Neubau zu verlassen habe, im Bereich des Hofmannhauses keine Funktion mehr ausüben und mit den Heimkindern nicht mehr in unmittelbare Berührung kommen dürfe.

Wenn der Pfarrer in ein pädophiles Netzwerk mit dem Hausmeister ver-strickt gewesen wäre, hätte er kaum seinen Kumpan in der Abstimmung „im Stich gelassen“ und vor allem auf „den Schutz der anvertrauten Kinder“ ver-wiesen. Man muss sich nur vorstellen, welches Erpressungspotential darin für den Hausmeister gegen den Pfarrer bestanden hätte.

Der Aufklärerin erscheint es nach allem sehr wahrscheinlich, dass der Betr.

050 im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte eine vielleicht (?) harmlose Frage des ortsansässigen Pfarrers zunehmend fehlinterpretiert und das Erinnerungs-gut rückwirkend (unbeabsichtigt!) verfälscht hat. Vielleicht hat der Satz, an den der Betroffene sich so genau nach dieser langen Zeit noch erinnern will, auch nur gelautet: Ob er sich vorstellen könne, dass er das gleiche mache, was er in Korntal mache –fallen die beiden Worte „mit ihm“weg, kann der Satz gleich harmloser interpretiert werden; es muss sich nicht um eine Frage im sexuellen Kontext gehandelt haben.

Schließlich hat der Betr. 085 (m, 1963-1977) den Pfarrer schwer belastet.

Seine Angaben sind nicht plausibel.

Der Betroffene hat zunächst die Behauptung wiederholt, der Pfarrer haben

„einen von der Nordsee“ missbraucht. Dies ist nachweislich falsch.Die An-gabe des Betroffenen, der Pfarrer habe ihm im kleinen Saal neben dem Bethaus die Hose heruntergezogen und an seinem Geschlechtsteil herumgespielt, was er nicht genauer beschreiben könne, ist deshalb nicht plausibel, weil niemand sonst derartige von dem Pfarrer begangene Taten beschreibt. Auch wider-spricht dies eklatant seiner scharfen Reaktion im Verwaltungsausschuss 1961.

Andere Betroffene (z.B. 067, m, 1939-1950) bestreiten ohnehin die Existenz eines solchen Raumes neben dem Bethaus. Die Aufklärerin hat leider vergeb-lich versucht, Pläne der betreffenden Zeit aufzutreiben.

Auch andere Angaben des Betroffenen zur Verstrickung des Pfarrers und anderer herausgehobener Personen der Gemeinde sind zu bezweifeln: So hat er angegeben, er sei sich hundertprozentig sicher, dass der Pfarrer und diese benannten Personen sowie andere, u.a. eine Erzieherin, in die sexuellen Miss-handlungen in einer bestimmten Kindergruppe eingeweiht gewesen seien, denn diese Personen seien ständig in der Gruppe gewesen.

Dies berichtet kein anderer Betroffener aus dieser Gruppe, aus der die Auf-klärerin viele Betroffene interviewen konnte. Im Gegenteil: Die Betroffenen berichten überwiegend, dass sie in der Gruppe abgeschottet gelebt haben. Die Aufklärerin hat nach dem Gespräch mit dem Betroffenen 085 diverse früher Interviewte aus der Gruppe angeschrieben und nachgefragt, ob in der Gruppe häufig Besuch und, wenn ja, von wem, gewesen sei. Dies wurde von allen

neint. Auf die Nachfrage, ob der Pfarrer öfter in der Gruppe gewesen sei, haben einige Betroffene sogar gesagt, sie könnten sich gar nicht an ihn erinnern, einer setzte hinzu: „aber der hat mich wohl konfirmiert“. Ein Betroffener erklärte, es habe schon einmal der Heimleiter vorbeigesehen – was ja auch seine Auf-gabe ist. Auch dass die Erzieherin eingeweiht gewesen wäre, ist nicht plausi-bel. So hat der Betroffene 010 (m, 1963-1974), gleiche Gruppe, berichtet, der Täter, der Hausmeister, habe ihn im Hinblick auf den Missbrauch gewarnt:

„Sag nichts der Erzieherin, sonst darfst Du nicht mehr Bulldog fahren“. Dies wäre völlig überflüssig gewesen, wenn die Erzieherin eingeweiht gewesen wäre.

Hinsichtlich des Pfarrers ist abschließend aber festzustellen, dass er sehr strenge Erziehungsvorstellungen hatte, die er auch mit physischer Gewalt und psychischem Druck durchzusetzen versuchte, wenn es um die Vermittlung von Religion und Glauben ging. Er verweigerte die Konfirmation, bis die Ge-schwister getauft waren (056, w, 1970-1974), er war streng und angstmachend (067, m, 1939-1950 und 069, m, 1968-1971), er gab Kopfnüsse, wenn die Kin-der die Kirche verließen (071, w, 1959-1970), er war eine „Angstperson“ (063, w, 1970-1984).

Aber auch Positives wird geschildert: „Pfarrer [Name] sagte im Konfir-mandenunterricht, ich solle zu ihm kommen, wenn ich Probleme hätte“ (034, w, 1973-1979), „Pfarrer[Name] war okay“ (064, m, 1976-1982).

▪ Auch den Missbrauch durch ein anderes, bekannteres Gemeindemitglied halten die Aufklärer für nicht plausibel. Der Betroffene 085 schildert, dass dieses Gemeindemitglied die Gottesdienste „für die alten Leute“ auf Band aufgenommen und dann die Bänder mit ihm an die Personen verteilt habe, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Gottesdienst kommen konn-ten. Dieser Mann habe ihn bei diesen Anlässen missbraucht, als er 6- 8 Jahre alt gewesen sei. Das wäre dann 1967-1969 gewesen.

Diese Angaben sind deshalb nicht plausibel, weil der Betroffene 036 (m, 1960-1973) Entscheidendes plausibel anders schildert, ohne dazu irgendeinen An-lass gehabt zu haben:

„Dem Messner habe ich bei der Aufnahme des Gottesdienstes geholfen, dann half ich ihm, die Tonbänder bei den alten Leuten zu verteilen und wieder einzusammeln. Er war sehr lieb, zu dem konnte man immer gehen.“

Dies ist schon deshalb nachvollziehbar, weil die Aufnahme des Gottes-dienstes und Verteilung der Bänder eher zu den Aufgaben eines Messners ge-hört und, wenn ein solcher in der Gemeinde tätig ist, nicht von einem Gemein-demitglied übernommen werden muss.

Besagtes Gemeindemitglied soll nach Angaben des Betroffenen 085 meh-rere Kinder missbraucht haben. Niemand anderes hat dies geschildert, auch nicht der Betroffene 082 (m, 1965-1979), von dem dies 085 behauptet, und mit

dem die Aufklärerin sogar zwei Gespräche geführt hat. Die zwei weiteren Be-troffenen, die nach Angaben von 085 von ihm missbraucht worden sein sollen, sind verstorben.

Andere Hinweise konnten sich nicht finden lassen: Dieses von 085 beschul-digte Gemeindemitglied war auffällig, weil der Mann extrem ungepflegt war, nach Angaben unbeteiligter Außenstehender wirkte er geradezu verwahrlost und „roch“. Kein Betroffener hat Erinnerungen an einen Täter, der diese Merk-male hatte. Und diese Besonderheiten sind etwas, das man sich als Opfer merkt und in der Erinnerung behält.

Nach allem konnten die Aufklärer nur zu dem Ergebnis kommen, dass der Betroffene 085 mehrere Personen, deren Verstrickung in sexuellen Missbrauch für die Kirche als Heimträger besonders „unerfreulich“ wäre, „mit ins Boot nehmen wollte“.

▪ Dass die Angaben des Betroffenen 085 mit einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen wurden, liegt auch an der überzeugenden Schilderung der Betroffenen 079 (w, 1970-1978). Diese hat erklärt:

„Ich war mit[085] befreundet, er war in der gleichen Klasse wie meine Schwester. Wir ver-brachten viel Zeit miteinander, ich glaube, er war in mich verliebt damals. Für mich war er wie ein großer Bruder. Er hat auch. […] Ich hätte gedacht, dass ich so einen guten Draht zu ihm habe, dass er etwas hätte sagen können. Er wirkte auch nie verstört.“

Die Betroffene 079 hat auch durchaus ihre Heimzeit nicht nur positiv geschil-dert. Andererseits befindet sie sich nicht in „Konkurrenz“ zu Betroffenen, die wie 085 einen Antrag auf eine Anerkennungsleistung gestellt haben, sie hat nämlich für sich keinen Antrag gestellt. Das weckt doch erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage von 085.

Ähnliches schildert die Betroffene (052, w, 1970-1975):

„Ich habe viel mitgekriegt von[085], von sexueller Gewalt weiß ich aber nichts. Aber die physische Gewalt in dieser Gruppe. […] Die Kinder waren völlig verschreckt.“

So auch der Betroffene 083 (m, 1972 und danach):

„Ich kenne 085 noch aus Korntal. Ich habe nie etwas von dem bemerkt, was er sagt“.

Auch 009 (m, 1963-1973) relativiert die Schilderung von 085 und berichtet, er sei in der Gruppe neben der Gruppe gewesen, zu der 085 gehörte.

„Uns haben nur zwei Glastüren getrennt. Ich war die Vertrauensperson für die in meinem Alter. Wir hätten das mitgekriegt.“

Schließlich gibt es andere Zweifel an den Darstellungen des Betr. 085. Er schil-dert den Hausmeister als sadistischen Sexualtäter, der nie in ihn eingedrungen sei, sondern der diverse Gegenstände in ihn eingeführt und dabei masturbiert habe. Eine solche Schilderung hat keiner der zahlreichen anderen Betroffenen gegeben, die Übergriffe dieses Täters plausibel berichtet haben. Von aus-nahmslos allen wird er als rein pädophiler Täter dargestellt, der, wenn die

Übergriffe mit Eindringen (abgesehen von Fingern) verbunden waren, Anal-verkehr ausgeübt hat. Nur ein Betroffener (082, m, 1965-1979) schildert, dass der Täter einen Gegenstand –ein Holzstück - versucht habe einzuführen, dies aber auch nur als Vorbereitung für den beabsichtigten Analverkehr, um den After zu weiten.

▪ Als nicht plausibel wurden bezüglich der Person der Täter auch Aussagen eingeschätzt, mit denen ein Täter lediglich wegen einer Tat von einem ein-zelnen Betroffenen belastet wurde. Dabei kann es schon aufgrund des Zei-tablaufs leicht zu Namensverwechselungen kommen. Ein Beispiel möge der Betroffene 107 sein, der glaubhaft berichtete, ein „Jörg“ habe ihn auf dem Dachboden missbraucht. In keinem der vorigen Interviews war ein

„Jörg“ als Täter vorgekommen. Ein zweites Gespräch mit dem Betroffenen ergab, dass dieser sich inzwischen an den Nachnamen M… erinnerte und an eine körperliche Behinderung. Als die Aufklärerin ihn daraufhin fragte, ob der Vorname vielleicht R… gewesen sei –ein Täter R.M. mit einer kör-perlichen Behinderung war aus mehreren anderen Interviews bekannt -, be-stätigte der Betroffene 107 dies.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Aufklärerin geht nicht davon aus, dass der Betroffene etwa gelogen hat, vielmehr ist die falsche Namensangabe schlicht mit der inzwischen vergangenen Zeit zu erklären.

▪ Nicht plausibel war etwa auch die Angabe des Betroffenen 061 (m, 1960-1979), soweit sie sich auf den Hausmeister beziehen. Dieser hat angegeben:

„Negativ erinnere ich mich an [Name] Wenn irgendwas war, hat er geschlagen. Ich erinnere mich an viele Situationen, wo wir halb in den Knien stehen mussten mit ausgestreckten Ar-men, da mussten wir stehen, solange wir es aushielten. Von ihm gab es manchmal auch Tat-zen“.

Zwar ist die Darstellung der Taten glaubhaft, aber es liegt mit Sicherheit eine Verwechselung der Person des Täters vor. Der Hausmeister ist von zahlreichen Interviewten als Sexualtäter geschildert worden, im Übrigen war er – das machte seine Taten auch so einfach durchführbar –freundlich und nett zu den Kindern. Als Schläger hat ihn kein anderer Betroffener geschildert.

▪ Gleiches gilt für die Angaben des Betroffenen 099 (m, 1958-1965) zu ei-nem Sexualtäter, mit dem er „alles erlebt habe, was Sie sich vorstellen kön-nen“. Dies soll nach seinen Angaben der Heimleiter gewesen sein. Diese Person ist aber von allen als Täter physischer und nicht sexualisierter Ge-walt geschildert worden, weshalb es sich auch hier nach Überzeugung der Aufklärer um eine Personenverwechslung handelt, die angesichts der in-zwischen vergangenen 60 Jahre (!) verständlich ist.

▪ Entsetzliches erlebt hat zweifelsfrei auch die Betroffene 051 (w, 1975-1982). Dennoch sind ihre Angaben teilweise nicht plausibel. So hat sie

schildert, sie sei nachts von der Erzieherin, von der sie meine, dass sie Kin-der gegen sexuelle Dienste verkauft habe, in einen Raum gebracht und dort von mehreren Männern vergewaltigt worden. Das sei mehrfach passiert.

Anschließend habe sie von der Erzieherin einen Schlaftrunk erhalten und habe sich in einem weißen Nachthemd in einen anderen Raum legen müs-sen, in dem schon mehrere Mädchen in gleicher Weise „wie aufgebahrt“

gelegen hätten.

Kein anderer Betroffener hat etwas Derartiges geschildert. Wenn dies aber mehrere Kinder betraf, wäre es zu erwarten gewesen. Die Betroffene 051 hat während der Erzählung auch angegeben: „Ich kannte das von meinem Va-ter“. Die Aufklärer halten es für denkbar, dass diese Erinnerungen Scheiner-innerungen sind, in denen sich Erlebtes und Befürchtetes mischen. Zweifellos ist ihr sexuelle Gewalt angetan worden, aber die Ausgestaltung des Geschehens stimmt nicht. Die rituelle Darstellung dient nach der Überzeugung der Aufklä-rer der Abwehr des Geschehens und der Erinnerung daran. Möglicherweise hat die Betroffene Erlebnisse mit ihrem Vater übertragen.

Die Betroffenen 081 (w, 1965-1976) und 077 (w, 1953-1970) haben zwar auch Vergewaltigungen durch mehrere Männer geschildert, diese Schilderun-gen unterscheiden sich aber gravierend in den Umständen von der Schilderung der Betroffenen 051. Ohnehin waren 051 und 081 kaum zur gleichen Zeit im Heim. Bei der Schilderung von 081 fällt auf, dass sie die sexuellen Übergriffe ihrer Beraterin in der Anlaufstelle Heimerziehung nicht berichtet hat. Das ver-wundert, mag aber den Grund haben, dass sie zu dieser –früheren –Zeit noch nicht bereit war, sich soweit zu offenbaren. Nach ihren Angaben waren andere Mädchen ebenfalls Opfer, die Namen zu nennen war sie aber nicht bereit. Wei-tere Überprüfungen waren daher nicht möglich.

▪ Nicht plausibel ist insgesamt die Menge der Übergriffe durch den Haus-meister. Nimmt man alle Schilderungen zusammen, so ist dies wegen der Anzahl der Taten rein zeitlich kaum möglich, immerhin hat der Täter ja daneben zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers seine Aufgaben ver-richtet. Darauf kommt es aber nicht an. Dass der Hausmeister regelmäßig übergriffig geworden ist, kann nicht bezweifelt werden. Es ist auch nach-vollziehbar, wenn die schlimmen Übergriffe auf die Kinder in der Erinne-rung viel häufiger stattfanden als dies tatsächlich der Fall war. Dies gilt zum Beispiel für die Darstellung der Betroffenen 050 (m, 1960-1965) oder 082 (m, 1965-1979).

Hinzukommt, dass sich z.B. die Schilderungen des Betr. 082, er sei im Alter von ca. 6-9 Jahren monatlich zwei- dreimal vom Hausmeister missbraucht worden, etwa mit der Angabe des Betr. Nr. 106 (m, 1970-1975) nicht in Ein-klang bringen lässt:

„Ich kannte082 sehr gut. Er war für uns ein Vorbild. Er war immer so locker und munter.

Da merkte man gar nichts“.

28 Positive Wahrnehmungen der ehemaligen