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4.2 Verhaltensstudien

5.1.5 Ausblick

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das hier durchgeführte in vitro-Intervall mit der Transfektion ungeeignet ist. In Zukunft müssen weitere Kombinationen von Proliferations- und Differenzierungsphasen auf ihre Eignung

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untersucht werde. Zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Zellen wäre zum Beispiel eine weitere Supplementierung mit Wachstumsfaktoren in vitro denkbar:

eine Kombination aus FGF-2, FGF-8 und Shh (Sonic-hedgehog-factor) hat beispielsweise zu einer verbesserten TH-Expression bei mit Lipofektion transfizierten Progenitorzellen in vitro geführt (PARISH et al., 2008). Auch in vivo konnten TH-positive Zellen nachgewiesen werden. Die Menge an zugesetztem FGF-2 braucht allerdings nicht erhöht zu werden, auch 40 oder 80ng/ml bringen keinen Vorteil gegenüber 20ng/ml (JENSEN et al., 2007). Auch eine Veränderung des Sauerstoffgehalts in der Zellkultur (STUDER et al., 2000; JENSEN et al., 2011) könnte als weitere Möglichkeit in Betracht gezogen werden.

Bereits TIMMER et al. haben festgestellt, dass das Ablösen der Zellen einen sehr kritischen Teil der in vitro Phase darstellt und versucht werden muss, den dadurch entstehenden Schaden geringer zu halten. (TIMMER et al., 2006).

Basierend auf den in der vorliegenden Arbeit erzielten Erkenntnissen wurde am Institut für Neuroanatomie das in vitro Protokoll weiterentwickelt, was zu sehr guten in vivo Befunden nach Transplantation führte (RATZKA et al., 2011).

Desweiteren muss die Darstellbarkeit der transplantierten Zellen in vivo erreicht werden, um den Ursprung und damit die Bedeutung der vorhandenen Zelltypen besser bewerten zu können. Als Alternative zu flag könnte beispielsweise GFP (grünes fluoreszierendes Protein) gewählt werden, welches auch bei CESNULEVICIUS et al zum Einsatz kam.

In der auf dieser Arbeit basierenden Folgestudie konnten die transplantierten Zellen auf Grund ihres fluoreszierenden Transkripts sehr effizient dargestellt werden (RATZKA et al., 2011).

5.2 Verhaltensstudien

Der zweite Fragestellung, die mit dieser Arbeit verfolgt werden sollte, ist die Evaluierung des 6-OHDA Modells hinsichtlich explorativen und Angst-assoziierten Verhaltens: Da neben motorischen auch nicht-motorische Symptome in den Komplex des M. Parkinson fallen, wollten wir darstellen, ob das hier angewandte Modell

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diesbezüglich Informationen bietet und wie diese im Zusammenhang mit regenerativen Therapieansätzen von Nutzen sein können.

Dafür wurden naive, Sham-lädierte und 6-OHDA-lädierte Tiere im Offenfeld und im Elevated Plus-Maze beobachtet und ihr exploratives und Angst-assoziiertes Verhalten untersucht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Läsion mit 6-OHDA sowohl das explorative als auch das Angst-assoziierte Verhalten beeinflusst und zwar dahingehend, dass das explorative vermindert und das Angst-assoziierte Verhalten aber vermehrt gezeigt wird.

Im OF wird das explorative Verhalten sowie das Angst-assoziierte Verhalten der Versuchstiere, in unserem Fall Ratten, untersucht:

Der alleinige Aufenthalt in der Versuchsanordnung sowie die Agarophobie der Ratte (natürliche Angst vor offenen Arealen) triggern Angst-assoziiertes Verhalten per se (PRUT und BELZUNG, 2003) und es sollte hier untersucht werden, ob die Läsion mit 6-OHDA anxiolytische oder anxiogene Effekte hat.

Zum einen legten die lädierten Tiere eine kürzere Wegstrecke zurück als die naiven und die Sham-lädierten Tiere – die horizontale Aktivität ist also reduziert. Zudem ist das vertikale Verhalten – also das Aufrichtungsverhalten – im Vergleich zu den naiven Tieren im inneren sowie im äußeren Bereich reduziert. Die gesamte Aufenthaltsdauer in den einzelnen Zonen ist jedoch in den verschiedenen Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Hieraus lässt sich ableiten, dass das explorative Verhalten der lädierten Ratten reduziert ist, möglicherweise aufgrund von erhöhter Angst oder aber aufgrund von Apathie.

Im EPM wird vor allem das Angst-assoziierte Verhalten der Ratten untersucht.

Normalerweise meiden Ratten die offenen Arme des EPM: der offene Raum und die nicht vorhandene Möglichkeit zur Thigmotaxis (Orientierung aufgrund von Tastreizen an den Wänden) auf den offenen Armen sind die anxiogenen Stimuli und anxiolytische Medikation führt zu einer längeren Aufenthaltsdauer der Tiere auf den offenen Armen (TREIT et al., 1993). Die Frequenz der Eintritte in die offenen Arme sowie die gesamte dort verbrachte Zeit gilt als Maß für Angst, während die totale Anzahl der Eintritte in die verschiedenen Zonen eher ein Maß für die Aktivität der

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Tiere darstellt. In unseren Experimenten konnte eine Steigerung der Angst vor den offenen Armen bei den lädierten Tieren beobachtet werden, und zwar vor allem anhand der signifikant selteneren und kürzeren Aufenthalte dieser Tiere in den offenen Armen im Vergleich mit den anderen Gruppen. Komfortverhalten – also Putzen – wurde von den lädierten Tieren in den geschlossenen Armen öfter gezeigt, Aufrichtungsverhalten im Zentrum des EPM dagegen seltener. Auch die sogenannten Head-Dips als Zeichen für geringeres Angst-Niveau wurden von den lädierten Tieren signifikant seltener gezeigt. Insgesamt zeigten die lädierten Tiere also auch im EPM ein deutlicheres Angst-assoziiertes Verhalten als nicht oder Sham-lädierte Tiere.

Bei an M. Parkinson erkrankten Menschen ist das Auftreten nicht-motorischer Symptome immer vor dem Einsetzen motorischer Defizite zu beobachten. Die Prodromalphase wird mit bis zu 7 Jahren angenommen, in denen sich bereits Symptome wie Apathie, Depressionen, Angstzustände und Schlafstörungen zeigen können (WOLTERS, 2008, RODRIGUEZ-OROZ et al., 2009). Dies kann auch histopathologisch dargestellt werden durch das Auftreten von Lewy-Körperchen in Arealen, die mit diesen Verhaltensdefiziten in Verbindung stehen: So können Lewy-Körperchen zuerst nachgewiesen werden im Tuberculum olfactorium, dem Nucleus olfactorius anterior, der Medulla oblongata und dem Tegmentum pontis. Erst danach treten sie in der Sn, der VTA und dem Nucleus basalis auf. Zum Schluss dann im Neocortex (WOLTERS, 2007). Unter den zuerst betroffenen Strukturen befinden sich auch die serotonergen Raphekerne sowie der noradrenerge Locus ceruleus (FULCERI et al., 2006; AARSLAND et al., 2009). Eine Desintegration dieser beiden Gebiete, die als Teil des Brain stem sensory relay center für die Modulation von Gemütszustand und Affektion zuständig sind, führt zum Auftreten von Depression und Angst beim Menschen (WOLTERS; 2007, WALSH und BEENNETT, 2001).

Bezüglich des Auftretens von Angst und Depression beim an M. Parkinson erkrankten Menschen wurde außerdem festgestellt, dass sich hinsichtlich der Schädigung der Untergruppen der DA Neurone Unterschiede darstellen lassen im Vergleich mit Erkrankten ohne diese Symptome: Bei Menschen mit Angst und Depression sind neben den A9 Neuronen in der S.n. vermehrt auch die A10 Neurone

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der VTA (s.u.) betroffen, was bei Erkrankten ohne diese Symptome weniger der Fall ist (WOLTERS und FRANCOT, 1998).

Für das Auftreten von Angstzuständen beim Menschen wird zudem auch immer der psychosoziale Stress der Erkrankung an sich in Betracht gezogen (WALSH und BENNETT, 2001) - dies lässt sich jedoch auf das Modell nicht übertragen.

Für Depressionen und Apathie beim Parkinson Patienten wird also angenommen, dass sie u.a. in Verbindung stehen mit dopaminerger Denervation des ventralen Striatums und des mesolimbischen Sytems (Rodriguez-Oroz et al., 2009). Dies wird erhärtet durch die Tatsache, dass diese Symptome sich mit dopaminerger Therapie verbessern lassen können.

Bezüglich der Frage nach Verhaltensaspekten im hier angewandten Modell sind folglich die DA Neurone und ihre Projektionen genauer zu betrachten. Diese werden im Folgenden klassifiziert als das mesostriatale und das mesolimbocorticale System (SCHWARTING und HUSTON, 1996). Ersteres stellt die Verbindung zwischen den mesencephalen dopaminergen Neuronen der S.n. (A9 Neurone) zum dorsalen Striatum (dorsaler Teil) und der VTA (A10 Neurone) zum ventralen Striatum (ventraler Teil), welches u.a. den Ncl. accumbens einschließt. Zweiteres verbindet die VTA (und die mediale S.n.) mit limbischen und corticalen Systemen, u.a. die Amygdala und den präfrontalen Cortex.

Die Verbindungen zwischen den mesencephalen Zellen und ihren Zielgebieten stellen den nigrostriatalen Pfad und das MFB dar.

Das mesostriatale System hat vornehmlich, aber nicht ausschließlich, Bedeutung für motorische Abläufe, wohingegen das mesolimbocorticale System durch seine Verbindungen zu limbischen Strukturen bedeutsam für Verhaltensaspekte ist.

Für das Auftreten von Angst-assoziiertem Verhalten im hier angewendeten 6-OHDA-Modell der Ratte gibt es also– wie auch für das Auftreten von Angststörung beim an M. Parkinson erkrankten Menschen – verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Im Modell wird, wie bereits erwähnt, das Toxin 6-OHDA in das MFB injiziert. Mit der Injektion ins MFB können die besten Ergebnisse bezüglich einer kompletten Denervation des Striatums erzielt werden (SCHWARTING und HUSTON, 1996).

Jedoch werden bei dieser Methode auch die DA Neurone der VTA (A10) erreicht und

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werden in dieser Region ebenfalls zerstört, da die von der VTA kommenden Axone im MFB mit wandern. Dies hat wiederum zur Folge, dass das der ventrale Teil des mesostriatalen und das mesolimbocorticale System mit beeinträchtig werden.

Aufgrund dieser Tatsache kann sich erklären, dass in dem von uns angewandten Modell nicht nur motorische Symptome auszulösen sind, sondern auch Symptome, die emotionale und Verhaltensänderungen beinhalten.

Das vermehrte Angst-assoziierte Verhalten kann also zum einen durch ein Dopamin-Defizit selbst hervorgerufen werden:

Werden bei der Läsion im hier angewandten Modell die dopaminergen Neurone der VTA mit betroffen, verändert sich (u.a.) deren Einfluß auf den L.c., ein noradrenerges Kerngebiet in der Formatio reticularis: Ein Teil der Afferenzen des L.c., die von der VTA kommen, sind dopaminerg (ORNSTEIN et al., 1987), und wirken über D2-artige Rezeptoren am L.c. (YOKOYAMA et al., 1994). Bei einer selektiven Läsion der VTA konnte nachgewiesen werden, dass die Aufhebung des inhibitorischen Einflusses der VTA auf den L.c. dessen Aktivität um 33% steigert (GUIARD et al., 2008). Der L.c., der auch in Verbindung zum limbischen System steht, ist als eine Art Alarmsystem bei Stresssituationen gesteigert aktiv und führt zu Angstempfinden und auch Tachykardie. Wird also im hier angewandten Modell die Feuerrate des L.c. erhöht, lässt sich hierdurch das vermehrte Angst-assoziierte Verhalten erklären. Diese Erklärung deckt sich mit Beobachtungen, die beim Menschen gemacht wurden: Bei M. Parkinson kommt es – wie bereits erwähnt schon im frühen Stadium der Erkrankung und vor dem Auftreten motorischer Symptome – ebenfalls zu einem Dopamindefizit im Lc, und damit möglicherweise zum vermehrten Auftreten von Angstgefühlen (WALSH und BENNETT, 2001). Ebenfalls passend ist die bereits erwähnte Beobachtung, dass bei Patienten mit Angst und Depressionen die A10 Neurone der VTA vermehrt betroffen sind (WOLTERS und FRANCOT, 1998).

Desweiteren wird im Modell über die Depletion der DA Neurone der VTA und dem damit einhergehenden DA Defizit deren Verbindung zum Nucl. acc. beeinflusst, bzw.

auch im Ncl. acc. selbst werden die DA Neurone beeinflusst: Der Ncl. acc., der zum ventralen Striatum gezählt wird, kann auch schon als Teil des limbischen Systems betrachtet werden und steht in Verbindung zu weiteren Regionen, die zum

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limbischen System gezählt werden (KANDEL et al., 2000). Er spielt demnach eine Rolle bei Emotionen und bei der Umsetzung von Motivation in Aktion bzw. Emotion in Lokomotion (TREPEL, 2008). Hierüber ließe sich also nicht nur das Auftreten von Angst-assoziiertem Verhalten erklären, auch die verminderte Lokomotion (ausgedrückt durch eine kürzere zurückgelegte Wegstrecke im OF durch die lädierten Ratten) und die verminderte vertikale Aktivität (Aufrichtungsverhalten) scheint hierdurch erklärbar, sei es, dass die Motivation zur Aktion herabgesetzt ist oder dass die veränderte Emotion das Lokomotionsverhalten verändert.

Zudem stellt sich die Frage, welche außer dopaminerger Zellen durch das Toxin im hier angewandten Modell noch beeinflusst werden können.

In 6-OHDA Modellen können – je nach genauer Ausführung - Veränderungen in verschiedensten Transmittersystemen festgestellt werden: Noradrenalin wird in vielen Regionen reduziert (aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der Catecholamine können noradrenerge Zellen 6-OHDA ebenfalls aufnehmen) (FULCERI, 2006), die GABA-ergen Mechanismen werden in der zur Läsion ipsilateralen Hälfte eher gesteigert, in der contralateralen herabgesetzt. Auch der Serotonin- und der ACh-Stoffwechsel wird zum Teil beeinflusst (SCHWARTING und HUSTON, 1996). Diese Beobachtungen passen zu denen bei an M. Parkinson erkrankten Menschen: im PET-Scan ist ein Verlust in noradrenergen, serotonergen und cholinergen Transmittersystemen nachzuweisen (WOLTERS, 2007).

In der hier ausgeführten Art des Modells mit Injektion des Toxins in das MFB werden das dopaminerge und das noradrenerge System in jedem Fall beeinflusst (SCHWARTING und HUSTON, 1996), eine Beeinflussung der anderen Systeme ist anzunehmen. Diese unspezifischen Schäden am serotonergen und noradrenergen System können ebenfalls für gesteigertes Angst-assoziiertes Verhalten verantwortlich sein.

Die herabgesetzte motorische Aktivität im OF ist einerseits durch die oben genannten Mechanismen zu erklären. Ein weiterer Punkt, den es diesbezüglich zu vergleichen gilt ist die beim Menschen zu beobachtende Apathie (RODRIGUEZ-OROZ, 2009): Sie ist eins der initialen Symptome bei M. Parkinson und wird bei 27%

der Patienten beobachtet. So kann man annehmen, dass auch im Modell eine

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gewisse Apathie gezeigt wird, möglicherweise in verminderter Bewegung und Exploration der Umgebung. Die als Gründe für Depression und Apathie von RODRIGUEZ-OROZ et al., 2009 angeführten Veränderungen sind ventrale striatale und mesolimbische Denervation, Veränderungen im noradrenergen Stoffwechsel sowie striatale Dopamindefizite. Da diese Veränderungen auch in unserem Modell anzutreffen sind erscheint das Auftreten von Apathie also durch solche Veränderungen möglich. Der mögliche Einfluß des Ncl. acc. wurde ja bereits im vorherigen Abschnitt erläutert.

Vergleicht man die hier erzielten Ergebnisse mit denen anderer Gruppen, die ähnliche Fragestellungen bearbeitet haben, so lassen sich Unterschiede feststellen, die sich überwiegend mit unterschiedlicher Methodik erklären lassen.

BRANCHI et al. haben 2008 das Modell wiederholt über 12 Wochen nach der Läsion in Verhaltensversuchen untersucht. Jedoch handelte es sich hier um ein 6-OHDA Modell für die frühe Phase von M. Parkinson, bei dem die Läsion bilateral in das dorsale Striatum erfolgte. Fünf Wochen nach Läsion hielten die lädierten Tiere sich länger auf den offenen Armen des EPM auf als die Sham-lädierten. Außerdem zeigten sie mehr Head-Dips. Im Gegensatz zu unserem Experiment, bei dem nur vollständig lädierte Tiere einbezogen wurden und wo wie bereits diskutiert nicht nur dopaminerge Zellen von der Läsion betroffen sind, waren bei BRANCHI et al. nur dopaminerge Neurone und von diesen auch nicht alle zerstört. Das Modell spiegelt daher auch nur den motorischen Aspekt der frühen Veränderungen des M. Parkinson wieder.

Kuan et al. haben 2008 mit einem Modell für Levodopa induzierte Dyskinesien (LID) gearbeitet: Diese Tiere wurden unilateral in das MFB lädiert und anschließend mit L-Dopa behandelt um LIDs zu induzieren. Für diese Tiere wurde bereits vor der Läsion ein Angst-Grundwert ermittelt, der dann zur Gruppeneinteilung führte: Wie in unseren Versuchen war die Aufenthaltsdauer im Zentrum sowie die Latenz zum Eintritt in einen der offenen Arme durch die Läsion nicht beeinflusst. Die hier als Gruppe mit hohem Angst-Niveau geführten Tiere hielten sich signifikant kürzer in den offenen Armen auf als in den geschlossenen. Beachten muss man im Vergleich jedoch hier, dass die Gruppe der als mit niedrigem Angst-Niveau eingestuften Tiere sich etwas

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anders darstellt: zwar verbrachten diese Tiere signifikant mehr Zeit in den geschlossenen Armen als vor der Läsion, jedoch war die Aufenthaltsdauer in den offenen Armen zu beiden Zeitpunkten nicht signifikant verschieden. Die Tatsache, dass es Tiere mit höheren bzw. niedrigerem Angst-Niveau gibt deckt sich mit der Tatsache, dass auch bei an M. Parkinson erkrankten Menschen nur 40% der Patienten manifeste Angst-Symptome aufweisen (WALSH und BENNETT, 2001).

Hier sind jedoch unterschiedliche Ausprägungen und Stadien der Erkrankung als Ursache anzunehmen, wohingegen im Modell, wo alle Tiere gleich geschädigt sein sollten, diese Erklärung nicht ausreichend erscheint. Es muss also hier eine bereits vor der Erstellung des Modells vorliegende Diskrepanz auch nach der Läsion einen Unterschied bewirken.

Anders als bei unseren Versuchen konnten KUAN et al. für das OF keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Es wurde allerdings auch der von uns differenziert betrachtete Parameter des Aufrichtens nicht für die einzelnen Zonen erfasst, so dass ein direkter Vergleich nicht möglich ist. Auch die insgesamt zurückgelegte Wegstrecke, die für die lädierten Tiere in unserem Versuch kürzer war, wurde nicht dokumentiert. Eine weitere Studie, die auch mit einer unvollständigen, bilateralen 6-OHDA Läsion gearbeitet hat, hat wie wir eine verminderte Eintrittshäufigkeit und –dauer in den offenen Armen festgestellt (TADAIESKY et al., 2008). Die Läsion wurde hier im ventralen Striatum gesetzt und führte zu einer unvollständigen Läsion der striatalen dopaminergen Neurone (55%).

Dies lässt (in Deckung mit bereits oben beschrieben Zuständen) darauf schließen, dass das ventrale Striatum für das Auslösen verstärkten Angst-assoziierten Verhaltens eine Rolle spielt, da auch schon die partielle Läsion zu Unterschieden führt: Das ventrale Striatum erhält seine Afferenzen aus dem dorsalen Teil der Sn und der VTA, und deren weitere Projektionen gehören zum mesocorticolimbischen System (SCHWARTING und HUSTON, 1996, WOLTERS und FRANCOT, 1998, JOEL und WEINER, 2000). Es lässt sich also folgern, dass in der Tat wie bereits diskutiert dieser Teil des Systems für derartige Verhaltensveränderungen verantwortlich zeichnet.

Auch zu diesen Schlussfolgerungen passend ist, dass TADAIESKY et al., 2008 im

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Gegensatz zu uns keine Veränderungen im OF feststellen konnten. Der Einfluss der Läsion auf das motorische System war offenbar noch nicht so weitreichend, dass sich dies im Maß der lokomotorischen Aktivität im OF widerspiegeln hätte können.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass all diese Studien verdeutlichen, dass die Entstehung von Angst-assoziiertem Verhalten und Veränderungen im lokomotorischen und explorativen Verhalten ein komplexes Geschehen ist, welches durch die verschiedenen Unterregionen im Bereich des Striatums und der anderen BG beeinflusst wird und alle in dieser Region vorhandenen Zelltypen und die durch die Erkrankung / das Modell hervorgerufenen Veränderungen in ihren Abstufungen von Bedeutung sind. Bedacht werden muss in jedem Fall immer, dass dieses Modell zwar den pathologischen Zustand gut darstellen kann, aber immer nur eine Momentaufnahme der eigentlich progressiven Erkrankung M. Parkinson erfasst werden kann, und zwar eine im fortgeschrittenen Stadium. Außerdem ist zu beachten, dass beim Menschen das Auftreten von Angst nicht korreliert mit der Schwere der motorischen Symptome (WALSH und BENNETT, 2001), sondern wie gesagt mit der Beteiligung der verschieden Neuronengruppen (WOLTERS und FRANCOT, 1998).

Die Frage also, inwieweit das hier eingesetzte 6-OHDA- Ratten-Modell (v. a. bzgl.

der Platzierung des Toxins) das Richtige ist, bzw. inwiefern es unter Berücksichtigung der nicht-motorischen Aspekte für Transplantationsversuche sinnvoll eingesetzt werden kann, hängt einmal mehr von der Fragestellung ab:

solange sich die Versuche wie in diesem Fall vornehmlich auf qualitative Aspekte der Transplantation beziehen, also zunächst kurzfristig das Überleben und die morphologische Integration der genetisch modifizierten Zellen betrachtet werden soll um die effektivste Methode der Kultivierung und Differenzierung herauszuarbeiten, ist dieses Modell durchaus sinnvoll. Vor allem vor dem Hintergrund, dass so die beste Denervierung erzielt werden kann im Vergleich zu den anderen Platzierungen (z.B. in der Sn selbst, SCHWARTING und HUSTON, 1996), und dies für den Erfolg der Transplantation von Bedeutung ist. Zudem ist die Applikation des Toxins in das MFB routinemäßig eine zuverlässige Methode.

Wenn für die morphologische Integration das richtige Protokoll erarbeitet wurde und

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die funktionelle Integration anhand von Verhaltensversuchen untersucht werden soll, so muss differenziert werden, ob rein der motorische Aspekt oder auch der emotionale Aspekt betrachtet werden soll.

Möchte man lediglich die motorischen Aspekte der Erkrankung studieren erscheint es sinnvoller, ein Modell zu wählen, welches möglichst selektiv die A9 Neurone der Sn zerstört und die A10 Zellen der VTA intakt lässt, so dass lediglich der nigrostriatale Weg betroffen ist. Idealerweise erfolgt dann auch eine weitere Spezifizierung des Modells durch den Einsatz von DMI: Eine zusätzliche Behandlung mit Desmethylimipramin (DMI) bei der Erstellung des Modells schont die noradrenergen Zellen, da dies bei einer Infusion von 2µl 6-OHDA eine selektive Blockade der noradrenergen Zellen bewirkt. Zu bedenken ist hierbei, dass bei der von uns gewählten, größeren Menge an Toxin dieser Schutz jedoch vermutlich nicht effektiv wäre und dies entsprechend angepasst werden müsste (FULCERI, 2006).

Sollen hingegen die Veränderungen im mesocorticolimbischen System (wie sie auch im M. Parkinson entstehen) mit betrachtet werden, so erscheint es durchaus sinnvoll, das hier untersuchte Modell zu wählen, da bei diesem auch Strukturen wie die VTA und somit u. a. zum Beispiel auch der Ncl. acc. und der L.c. direkt oder indirekt mit geschädigt werden.

Zusammenfassung

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Nina Schulze, geb. Halfer

Nina Schulze, geb. Halfer

Im Dokument Das Tiermodell des Morbus Parkinson (Seite 89-137)