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Die RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (auch als Patientenmobilitäts-Richtlinie bezeichnet) entwickelte sich als Reaktion auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zum Thema Patientenmobilität in der EU.226 Das Europäische Parlament und der Rat forderten die Kommission zu einer Regelung der Gesundheitsdienstleistungen in einer eigenen Rechtsvorschrift auf. Diese legte am 02.07.2008 einen Vorschlag für eine Richtlinie vor, welche die Ausübung der Patientenrechte auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung behandelte.227

Hauptintention der Patientenmobilitäts-Richtlinie ist die Umsetzung der ständigen Rechtsprechung des EuGH im Bereich der Patientenmobilität innerhalb der EU, ohne jedoch zu tief in die einzelnen mitgliedstaatlichen Gesundheitssysteme einzugreifen, wobei eine Ausgewogenheit mit der Dienstleistungsfreiheit der Europäischen Union gewährleistet werden soll.228 Die Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung trat am 24.04.2011 in Kraft229 und sollte von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 25.10.2013 umgesetzt werden.230

226 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 103.

227 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg.

228 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 104.

229 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung.

230 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung Art 21.

38 5.2 Ziel und Aufbau der RL 2011/24/EU

Da es trotz eingehender Beschäftigung des EuGH mit der grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung innerhalb der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung weiterhin zu Unsicherheiten seitens der Patienten und Mitarbeiter der Gesundheitsdienste kam, sollte mit der Patientenmobilitäts-Richtlinie ein transparenter Gesetzesrahmen geschaffen werden, der es den Patienten ermöglicht, kompetent über ihre Gesundheitsversorgung über die Grenzen ihres eigenen Mitgliedstaates hinaus zu verfügen.231 Weiters sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der die grenzüberschreitende innereuropäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung erleichtert.232

Im von der Kommission vorgelegten Vorschlag für die Patientenmobilitäts-Richtlinie wurden drei wichtige Themenbereiche hervorgehoben, welche durch die Richtlinie erfasst werden sollten:233

• Die Ausgestaltung bestimmter Grundsätze, welche in allen gemeinschaftlichen Gesundheitssystemen gleich sein sollen. Diese Prinzipien sollten primär das Vertrauen und die Klarheit auf dem Gebiet der Behördenzuständigkeit im Gesundheitssektor innerhalb der EU fördern.

• Die Festlegung eines klar definierten Rechtsrahmens bezüglich der Ansprüche der in ihrem Heimatstaat versicherten EU-Bürger auf dem Gebiet der medizinischen Behandlung im EU-Ausland und die Höhe der Kostenerstattung durch ihre Heimatversicherung.

• Die Errichtung eines Rechtsrahmens für eine weitläufige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Gesundheitssektor.234

231 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg 4 f.

232 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg 4 f.

233 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg 4 f.

39 Die RL 2011/24/EU ist in fünf Kapitel gegliedert, denen – gleichsam als Einleitung – vierundsechzig Erwägungsgründe vorangehen. Diese Erwägungsgründe sollen zur Auslegung der Patientenmobilitäts-Richtlinie herangezogen werden.235

Im Kapitel I stehen die allgemeinen Bestimmungen. Diese sind der Gegenstand und der Anwendungsbereich der Richtlinie, das Verhältnis der RL zu anderen Unionsvorschriften sowie einschlägige Begriffsbestimmungen.236

Im Kapitel II werden die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten bezüglich der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung behandelt. Hier liegt der erste Schwerpunkt, den die Patientenmobilitäts-Richtlinie setzen soll. Zum einen werden die Bereiche der Zuständigkeiten des Behandlungsmitgliedstaates abgesteckt, zum anderen die Zuständigkeiten des Versicherungsmitgliedstaates geklärt. Letztendlich werden im Kapitel II die Rahmenbedingungen für sogenannte Kontaktstellen geklärt, welche die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung erleichtern sollen.237

Kapitel III, welches einen weiteren Kernbereich der Patientenmobilitäts-Richtlinie behandelt, setzt einen spezifischeren Rahmen für die innereuropäische grenzüberschreitende medizinische Versorgung und behandelt primär die Kostenerstattung im Bereich der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Von besonderem Interesse sind hier das Gebiet der Vorabgenehmigungspflichten und die Verwaltungsverfahrensregeln.238

Den dritten und letzten Kernbereich behandelt Kapitel IV der Patientenmobilitäts-Richtlinie, in dem die Zusammenarbeit bei der Gesundheitsversorgung in Europa beleuchtet wird. Der Bereich der Amtshilfe und Zusammenarbeit wird hier genauso behandelt wie die gegenseitige

234 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg 4 f.

235 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung.

236 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Kapitel I.

237 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Kapitel II.

238 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Kapitel III.

40 Anerkennung von Verschreibungen. Weiters werden dem Aufbau europäischer Referenznetzwerke ein gesetzlicher Rahmen gegeben und der Umgang mit seltenen Krankheiten kodifiziert. Darüber hinaus werden Leitlinien für die elektronischen Gesundheitsdienste erlassen und eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bewertung von Gesundheitstechnologien beschrieben.239

Im abschließenden Kapitel V finden sich die Durchführungs- und Schlussbestimmungen.240

5.3 Rechtsgrundlagen der RL 2011/24/EU 5.3.1 Die Art 114 und 168 AEUV

Bereits in ihrem Einleitungssatz wird klargestellt, dass sich die Patientenmobilitäts-Richtlinie auf die Artikel 114 und 168 AEUV stützt.241 Art 114 AEUV behandelt die Angleichung der Rechtsvorschriften in der Europäischen Union, um das Konstituieren und das Funktionieren des innereuropäischen Binnenmarktes zu gewährleisten.242 Art 168 AEUV setzt die Handlungsspielräume der Europäischen Union auf dem Gebiet des Gesundheitswesens fest.243

5.3.2 Problematik bei der Festlegung der Rechtsgrundlagen für die Patientenmobilitäts-Richtlinie

Über die endgültige Rechtsgrundlage herrschte sowohl im Vorfeld als auch im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Uneinigkeit. Diverse Mitglieder des Europäischen Parlaments setzten sich am 23.04.2009 in den Plenardebatten des Europäischen Parlaments für die doppelte Rechtsgrundlage, nämlich Art 114 und 168 AEUV, ein.244 Auch der Rat befürwortete in seiner ersten

239 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Kapitel IV.

240 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Kapitel V.

241 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Einleitung.

242 Vgl Art 114 AEUV.

243 Vgl Art 168 AEUV.

244 Vgl <europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=CRE&reference=20090423&secondRef=

Item-009&language=DE&ring=A6-2009-0233#4-288> (18.07.2015).

41 Lesung, dass die Patientenmobilitäts-Richtlinie auf diesen beiden Rechtsgrundlagen beruhen solle.245 Die Kommission stützte ihren Richtlinienvorschlag generell nur auf die Rechtsgrundlage gemäß Art 114 AEUV246 mit der Begründung, dass die Patientenmobilitäts-Richtlinie zur Verbesserung des Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Union beitragen solle und primär die Aufgabe habe, die Personenverkehrsfreiheit, die Warenverkehrsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sicherzustellen.247

Des Weiteren ist in den Erwägungsgründen der Patientenmobilitäts-Richtlinie erwähnt, dass ein Rückgriff des Unionsgesetzgebers auf die Rechtsgrundlage des Art 114 AEUV erfolgen könne, der im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung der Europäischen Union einen wichtigen Punkt für die getroffenen Entscheidungen darstellt.248 Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der letzte Satz des Punkt 2 der Erwägungsgründe der Patientenmobilitäts-Richtlinie, welcher feststellt, dass im Falle einer Harmonisierung die menschliche Gesundheit durch ein hohes Schutzniveau gewährleistet sein muss und dass in wissenschaftlicher Hinsicht wichtige Entwicklungen auf dem neuesten Niveau betrachtet werden müssen.249

Während Art 114 AEUV als Harmonisierungsgrundlage die Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Hemmnissen im Binnenmarkt darstellt und die Adaption nationaler Standards ermöglicht,250 nimmt Art 168 Abs 2 AEUV auf die notwendige Förderung einer Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gesundheitsdienste Bezug.251 Gemäß dem Erwägungsgrund 51 der Patientenmobilitäts-Richtlinie wird Art 168 AEUV als Rechtgrundlage damit begründet, dass die Kommission ebendiese

245 Vgl Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Dok 11038/02/2010 2.

246 Vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg.

247 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Erwägungsgrund 2.

248 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Erwägungsgrund 2.

249 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Erwägungsgrund 2.

250 Vgl Leidenmühler, Europarecht (2013) 145.

251 Vgl Art 168 AEUV.

42 Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Gesundheitssektor fördern soll. Die Kommission soll die massivsten Hemmnisse für diese Kooperation im medizinischen Bereich erkennen und nach Möglichkeit beseitigen.252 Zu beachten ist, dass es nicht möglich ist, Art 168 AEUV gemäß Art 168 Abs 1 AEUV als selbstständige Grundlage für eine Kompetenz der Europäischen Union auf dem Gesundheitssektor abzuleiten.253

Somit ist festzustellen, dass die Kompetenzen der Europäischen Union auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes sehr eingeschränkt sind und die Bereiche der medizinischen Versorgung in der EU prinzipiell bei den Mitgliedstaaten liegen.254 Eine direkte Kompetenz der Europäischen Union auf dem Gesundheitssektor ist nur aus Art 168 Abs 4 lit a, b und c AEUV herauszulesen, wobei gemäß Art 168 Abs 5 AEUV eine Harmonisierung auf diesem Sektor untersagt ist.255 Durch den Vertrag von Lissabon wurden lediglich die Koordinierungsbefugnisse bekräftigt, welche die Kommission innehat.256

5.3.3 Ergebnis zur Festlegung der Rechtsgrundlagen für die Patientenmobilitäts-Richtlinie

Grundtenor der Patientenmobilitäts-Richtlinie soll die weitgehende Vermeidung von Beschränkungen des freien Binnenmarktes innerhalb der EU auf dem Gesundheitssektor sein. Diese Beschränkungen ergeben sich aus verschiedenen nationalen Vorschriften, welche die Inanspruchnahme grenzüberschreitender medizinischer Versorgung regeln. Die fehlende Transparenz dieser Vorschriften stellt für die Patienten ein weiteres erschwerendes Hemmnis dar.257 Basierend auf Art 114 Abs 3 AEUV und

252 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Erwägungsgrund 5.

253 Vgl Art 168 AEUV.

254 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 45.

255 Vgl Art 168 AEUV.

256 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 45.

257 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 116.

43 Art 168 Abs 1 AEUV sollten diese Probleme beseitigt und ein allgemein hohes Niveau im Gesundheitsschutz in der EU gewährleistet werden.258

Gemäß Erwägungsgrund 64 der Patientenmobilitäts-Richtlinie ist das Ziel dieser Richtlinie, welches eine rechtssichere und transparente Patientenmobilität innerhalb der Europäischen Union darstellt, unerreichbar, wenn es ausschließlich auf Ebene der Mitgliedstaaten verfolgt wird. Die Union kann aufgrund des Subsidiaritätsprinzips tätig werden.259 Das Subsidiaritätsprinzip gemäß Art 5 Abs 3 EUV besagt, dass die größere Einheit, in diesem Fall die Europäische Union, nur jene Anforderungen übernehmen sollte, welche von der kleineren Einheit, in diesem Fall die einzelnen Staaten, nicht ausreichend erledigt werden können.260, 261

258 Vgl Soytürk, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung und der Patientenrichtlinie (2012) 116.

259 Vgl RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, Erwägungsgrund (64).

260 Vgl Art 5 EUV.

261 Vgl Leidenmühler, Europarecht (2013) 39.

44 6 Würdigung: Probleme und positive Aspekte in der Anwendung der RL 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung

Die Grundintention der Richtlinie 2011/24/EU ist, dass es jedem EU-Bürger gestattet ist, im gesamten EU-Gebiet Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Allerdings wird nur jener Geldbetrag von der Versicherung im Herkunftsstaat erstattet, der für dieselbe Leistung in seinem Heimatstaat gezahlt wird.262 Probleme hinsichtlich der Verwaltung und der Finanzierung im Rahmen dieser Richtlinie sind somit vorprogrammiert, insbesondere wenn ein unterschiedliches Einkommensniveau zwischen dem Herkunftsstaat und dem Behandlungsstaat besteht.263

Die Gesundheitsausgaben variieren in den jeweiligen EU-Staaten stark.264 Anhand der Grafik in Abbildung 1 soll dies verdeutlicht werden.265

Abbildung 1: Gesundheitsausgaben in den europäischen Ländern im Jahr 2011 (gemessen in Prozent am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt)266

262 Vgl Fleßa, Wirtschaftliche Grundlagen der grenzüberschreitenden Versorgung, in Zygmunt ea (Hg), Sektoren- und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (2013) 11.

263 Vgl Fleßa, Wirtschaftliche Grundlagen der grenzüberschreitenden Versorgung, in Zygmunt ea (Hg), Sektoren- und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (2013) 11 f.

264 Vgl Fleßa, Wirtschaftliche Grundlagen der grenzüberschreitenden Versorgung, in Zygmunt ea (Hg), Sektoren- und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (2013) 12.

265 Vgl <indexmundi.com/map/?t=0&v=2225&r=eu&l=de> (19.07.2015).

266 Quelle Abbildung 1: <indexmundi.com/map/?t=0&v=2225&r=eu&l=de> (19.07.2015).

45 Je dunkler die Schattierung des Farbtones der Länder in Abbildung 1, desto höher waren im jeweiligen Land die Gesundheitsausgaben im Jahr 2011, gemessen in Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes. An der Spitze stehen die Niederlande mit einem Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 12 %. Österreich befindet sich mit 11 % vom Bruttoinlandsprodukt ebenfalls im oberen Bereich. Im mittleren Feld bewegt sich zum Beispiel Ungarn mit einem Anteil von 8 % am Bruttoinlandsprodukt für Gesundheitsausgaben, im unteren Feld ist Rumänien zu finden, dessen Gesundheitsausgaben 4 % vom Bruttoinlandsprodukt ausmachen.267

Bestehen zwischen dem Versicherungsstaat des Patienten und dem Behandlungsstaat große Unterschiede auf dem Gebiet der Gesundheitsausgaben, kann es zu Problemen bei der finanziellen Abwicklung der Behandlung kommen und erst recht ein Problem bei der Ausübung des Binnenmarktes darstellen.268 Die Bereitschaft, ob ein Patient für eine Behandlung ins Ausland gehen würde, ist je nach EU-Mitgliedstaat unterschiedlich. Es gibt verschiedene Gründe, die für, und andere, die gegen eine Behandlung im Ausland sprechen. Dies wird anhand der nachfolgenden Grafiken veranschaulicht. Die Befragungen für diese statistischen Darstellungen fanden im Mai 2007 statt, der Report (Flash Eurobarometer) wurde im Juni 2007 erstellt.269

Abbildung 2 behandelt die Frage, ob die Bürger eines EU-Mitgliedstaates grundsätzlich bereit wären, medizinische Versorgung in einem anderen EU-Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen.270

267 Vgl <indexmundi.com/map/?t=0&v=2225&r=eu&l=de> (19.07.2015).

268 Vgl Fleßa, Wirtschaftliche Grundlagen der grenzüberschreitenden Versorgung, in Zygmunt ea (Hg), Sektoren- und grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (2013) 12.

269 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007).

270 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 6.

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Abbildung 2: Grundsätzliche Bereitschaft der EU-Staatsbürger, medizinische Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen271

Es zeigt sich, dass Patienten prinzipiell eine Gesundheitsversorgung in ihrer Heimat gegenüber einer medizinischen Dienstleistung in einem anderen EU-Mitgliedstaat bevorzugen.272 Wie man aber anhand dieser Grafik gut sehen kann, sind 53 % aller befragten EU-Bürger einer Behandlung im Ausland grundsätzlich nicht abgeneigt.273

Die Grafik in Abbildung 3 beschreibt die Gründe, die für eine Inanspruchnahme einer Gesundheitsdienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat als dem eigenen sprechen.274

271 Quelle Abbildung 2: Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 6.

272 Vgl Frischhut, Neues zur passiven Dienstleistungsfreiheit am Beispiel der Patientenmobilität, in Leidenmühler/Eder/Leingartner/Winkler (Hg), Grundfreiheiten, Grundrechte, Europäisches Haftungsrecht – Beiträge zum 11. Österreichischen Europarechtstag 2011 in Linz (2012) 159.

273 Frischhut/Stein, Patientenmobilität (2011) 22.

274 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 11.

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Abbildung 3: Gründe für eine grenzüberschreitende medizinische Behandlung275

Der Hauptgrund für eine grenzüberschreitende medizinische Behandlung ist demzufolge, dass die erforderliche Behandlung nicht im Heimatland verfügbar ist. Weitere Gründe sind eine höhere Behandlungsqualität als im Heimatstaat, eine Behandlung durch einen anerkannten Spezialisten, eine raschere oder eine kostengünstigere Behandlung als in der Heimat.276

Besonders der Fall der rascheren Behandlung in einem anderen als dem eigenen Versicherungsmitgliedstaat hat den EuGH vor der Patientenmobilitäts-Richtlinie einige Male beschäftigt277 (wie in Kapitel 4.5 dieser Arbeit im Fall Watts278 beschrieben).

Die nachfolgende Grafik (Abbildung 4) ergänzt die vorhergehende Grafik über die Gründe einer medizinischen Behandlung im Ausland dahin gehend, dass sie anzeigt, in welchen Ländern die Einwohner in einen anderen EU-Mitgliedstaat gehen würden, um eine raschere Behandlung als im Heimatstaat zu bekommen.279

275 Quelle Abbildung 3: Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 11.

276 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007)

27711. Vgl Frischhut/Stein, Patientenmobilität (2011) 56.

278 Vgl EuGH 16.05.2006, Rs C-372/04, Watts.

279 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 15.

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Abbildung 4: Anteil der Befragten der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten in Prozent, die wegen einer rascheren Behandlung in einen anderen EU-Mitgliedstaat gehen würden280

Generell sind, wie in der vorherigen Abbildung ersichtlich, 64 % der EU-Bürger bereit, sich aus Gründen einer rascheren Behandlung im EU-Ausland medizinisch versorgen zu lassen.281 Sieht man sich das auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten verteilt genauer an, so sind in erster Linie die Dänen, Iren und Briten zu einer Auslandsbehandlung aus diesem Grund bereit. In Ungarn und Litauen wäre eine raschere Behandlung für weniger als ein Drittel als Argument für eine Auslandsbehandlung ausschlaggebend.282

Die letzte Grafik (Abbildung 5) in diesem Kontext stellt die Gründe dar, welche gegen eine Gesundheitsdienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat als dem eigenen sprechen.283

280 Quelle Abbildung 4: Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 15.

281 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007)

28211. Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007)

28315. Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 18.

49

Abbildung 5: Gründe gegen eine grenzüberschreitende medizinische Behandlung284

Die Gründe, die gegen eine grenzüberschreitende medizinische Behandlung sprechen, sind primär, dass es für den Patienten generell angenehmer ist, sich in der Nähe seines Wohnortes behandeln zu lassen. Weiters sind 83 % aller befragten EU-Bürger mit der Gesundheitsversorgung in ihrem Heimatland zufrieden. 61 % geben an, aus mangelnder Information heraus keine Gesundheitsdienste eines anderen EU-Mitgliedstaates in Anspruch zu nehmen.

Weitere Gründe, die gegen eine medizinische Behandlung im Ausland sprechen, sind sprachliche Verständigungsprobleme und die höheren Kosten, die eine Behandlung im Ausland mit sich bringen würde.285

Herauszustreichen ist hier der Zufriedenheitsgrad der Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung im eigenen Land, die 83 % der Befragten als Grund angaben, sich nicht im Ausland behandeln zu lassen.286 Die nächste Grafik (Abbildung 6) stellt die Zufriedenheit der Einwohner mit der Gesundheitsversorgung im eigenen Land in Prozent dar.287

284 Quelle Abbildung 5: Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 18.

285 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007)

28618. Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007)

28718. Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 20.

50

Abbildung 6: Anteil der Befragten, die in ihrem Heimatstaat mit der Gesundheitsversorgung zufrieden sind und nicht zur medizinischen Behandlung in einen anderen EU-Mitgliedstaat gehen würden288

Sehr zufrieden mit der medizinischen Versorgung sind die Einwohner von Frankreich, Österreich und Belgien. Für sie ist die gute Gesundheitsversorgung in ihrem Heimatstaat ein Gegenargument zu einer Behandlung im EU-Ausland.

Für die Ungarn, Bulgaren und Rumänen spricht die Qualität der Gesundheitsversorgung in ihrem Heimatstaat nicht gegen eine Behandlung in einem anderen EU-Mitgliedstaat.289

288 Quelle Abbildung 6: Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 20.

289 Vgl Flash Eurobarometer, Cross-border health services in the EU – Analytical Report (2007) 20.

51 7 Zusammenfassung und Ausblick

Die Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung stellt einen Meilenstein für die gesamteuropäische Gesundheitspolitik dar, welche stets im Brennfeuer des Interesses stand und nicht unumstritten war.290 Sie wurde, basierend auf der Rechtsprechung des EuGH, vom Rat und dem Europäischen Parlament am 09.03.2011 verabschiedet und stellte einen ersten Schritt zu einer europäischen Zusammenarbeit auf dem Gesundheitssektor dar.291, 292

Den zweiten Schritt bildete die Umsetzung der Richtlinie, die gemäß Artikel 21 der Patientenmobilitäts-Richtlinie bis spätestens 25.10.2013 zu erfolgen hatte.293 Österreich hat diese Richtlinie mit leichter Verspätung mit dem EU-Patientenmobilitätsgesetz am 24.04.2014 umgesetzt.294

Die Richtlinie 2011/24/EU eignet sich gut dazu, dem Patienten mehr Einblick

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