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Allergien bei Mensch und Pferd

2. Literaturübersicht

2.1 Allergien bei Mensch und Pferd

2.1.1 Die verschiedenen Allergietypen

Im Laufe der Zeit ist man dazu übergegangen die humanmedizinische Einteilung in vier Allergietypen (GELL und COOMBS, 1968) auch in der Veterinärmedizin zu übernehmen.

Bei der Typ I Allergie, welche auch als die „klassische“ Allergie bezeichnet wird, handelt es sich um die Hypersensibilität vom Soforttyp. Hierbei kommt es schon sehr schnell nach Allergenkontakt (wenige Minuten oder nach 20-40 Minuten) zum Auftreten von Symptomen.

Eine Typ I Allergie wird besonders effizient durch die Bindung von IgE-Antikörpern an die Oberfläche von basophilen Granulozyten und Mastzellen ausgelöst. Führt ein passendes Allergen zur Kreuzvernetzung der gebundenen Antikörper, kommt es zur Degranulation der Zellen und damit zur Freisetzung der in der Granula gespeicherten Mediatoren (Histamin, Heparin, u.a.). Außerdem werden weitere Entzündungsmediatoren gebildet (z.B. Leukotrien), welche zur verzögerten Form der Typ I Allergie führen. Dieser Wirkmechanismus ist für den Menschen nachgewiesen und führt bei ihm zu Symptomen wie Heuschnupfen, Asthma, u.a..

Antikörperabhängige, zytotoxische Hypersensibilitätsreaktionen werden als Typ II Allergien bezeichnet. Hierbei binden IgM- oder IgG-Antikörper an Antigene auf Zellen und Gewebe. Ihr besonders reagibler Fc-Teil aktiviert dann die Komplementkaskade oder Fcg- bzw. C3b-Rezeptor tragende Zellen. Diese Mechanismen führen zur Zerstörung von Zielzellen und Geweben. Medikamentenallergien und autoimmunhämolytische Anämien sind typische Beispiele für Typ II Allergien.

Bei den Typ III Allergien handelt es sich um Immunkomplex-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen. Bei diesen Erkrankungen werden primär Immunkomplexe von löslichen Antigenen und Antikörpern gebildet, welche sich im Gewebe und in Gefäßwänden ablagern. Durch die Aktivierung von Granulozyten, Mastzellen und des Komplementsystems kommt es zu Entzündungsreaktionen. Je nach Entstehungsort der Immunkomplexe entstehen entweder lokale Entzündungen, welche als Arthus-Reaktionen bezeichnet werden, oder systemische Erkrankungen (Serum-Krankheit).

Verzögerte Überempfindlichkeitsreaktionen werden als Typ IV Allergien bezeichnet. Diese werden nicht wie Typ I-III durch Antikörper ausgelöst. Hierbei handelt es sich um eine alleinige Reaktion durch Zellen, insbesondere um T-Lymphozyten, Monozyten und Makrophagen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Tuberkulin-Reaktion, bei der antigenspezifische T-Gedächtniszellen gegen die in den Makrophagen eingeschlossenen Mykobakterien gebildet werden. Diese T-Zellen lösen bei erneutem Kontakt mit dem Antigen eine infiltrative Entzündung aus. Die Kontaktallergien werden ebenfalls zu den Typ IV Allergien gerechnet (KLEIN, 1991; JANEWAY und TRAVERS, 1997; ROITT et al., 1987).

Als weiteren Allergie Typ und damit als Typ V Allergien werden solche Überempfindlichkeitsreaktionen diskutiert, welche nur durch Bindung der Antikörper an das Antigen vermittelt werden, ohne daß sekundär weitere Immunmechanismen eingeschaltet werden. Hierbei sind körpereigene Strukturen (z.B. Rezeptoren von Transportproteinen) die Ziele der Antikörper. Die Krankheitssymptome entstehen hierbei nicht durch Antikörper vermittelte Effektorfunktionen des Immunsystems (z.B. Zytotoxizität), sondern durch Beeinflussung der Funktionen der durch die Antikörper gebundenen Strukturen (z.B.

Rezeptorblokade). Beispiele für solche Erkrankungen sind Myasthenia gravis, perniziöse Anämie und die Hashimoto Thyreoiditis (LEIBOLD, 1994).

2.1.2 Mechanismen der Typ I Allergien

Der Mechanismus der Typ I Allergie ist bisher bei Mensch und Maus am besten untersucht.

Es kommt dann zur Ausprägung einer Typ I Allergie, wenn ein Organismus Antikörper gegen normalerweise harmlose Antigene, auch Allergene genannt, bildet. Es handelt sich um Antikörper des IgE- oder IgG4-Isotyps. Der sogenannte Isotypenswitch von IgM- bzw. IgG-Antikörpern zu IgE-IgG-Antikörpern wird durch CD4+T-Helferzellen (TH2-Zellen) unter Einwirkung von Interleukin-4 (IL-4) bewirkt (DEL PRETE et al., 1988; FINKELMANN et al., 1988; PLAUT, 1990). IL-4 begünstigt beim Menschen ebenfalls die Bildung von IgG4 -Isotypen (JANEWAY und TRAVERS, 1997). IgE-Antikörper können im Gegensatz zu anderen Antikörpern an den hochaffinen Fce-Rezeptor I (FceRI) binden, ohne zuvor ein Antigen gebunden zu haben. Dieser Rezeptor wird vor allem von den basophilen Granulozyten und den Mastzellen auf der Oberfläche exprimiert. Sie sind die Haupteffektorzellen der Typ I Allergie. Das vom Organismus gebildete IgE liegt überwiegend in gebundener Form vor und ist nur in sehr geringen Konzentrationen frei im Blutplasma zu finden.

Bei einem erneuten Allergenkontakt bindet dies nun direkt an den gebundenen Antikörper, wodurch es zu einer Kreuzvernetzung dem sogenannten bridging der IgE-Moleküle kommt. Dies führt zu einer Zusammenlagerung der FceI-Rezeptoren und damit zu einer Aktivierung der basophilen Granulozyten bzw. der Mastzellen. Die Aktivierung äußert sich zum einen in einer Degranulation und somit einer Ausschüttung präformierter Mediatoren und zum anderen in einer Neubildung von Mediatoren. Zu den präformierten Mediatoren gehören z.B. Histamin, Heparin, verschiedene Enzyme und Zytokine. Alle diese Mediatoren werden in der Granula gespeichert.

Zu den neugebildeten Mediatoren zählen die Leukotriene, Prostaglandine und Thromboxane.

Am besten untersucht ist der vasoaktive Mediator Histamin: Er führt u.a. zur Vasodilatation, erhöhter Kapillarpermeabilität und Bronchokonstriktion. Zusammen mit den übrigen präformierten Mediatoren löst das Histamin eine sofortige Entzündungsreaktion aus, welche dann durch Enzyme und die neugebildeten Leukotriene aufrechterhalten wird. Die spätere Phase der Entzündung wird durch chemotaktische Zytokine und Mediatoren eingeleitet, welche die zelluläre Infiltration durch neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten sowie mononukleäre Zellen induzieren.

Die drastischste Verlaufsform der Typ I Allergie ist der anaphylaktische Schock, der meist dann ausgelöst wird, wenn das passende Allergen z.B. durch Injektion direkt in die Blutbahn gelangt und dort eine systemische Reaktion der basophilen Granulozyten und vieler Mastzellen des vaskulären Bindegewebes auslöst. Die systemische Aktivierung dieser Zellen verursacht Gefäßerweiterungen, die zu einem starken Blutdruckabfall und so zu einem Kreislaufkollaps führen können. Eine starke Bronchokonstriktion und das Anschwellen der Schleimhäute der Atemwege können zum Erstickungstod führen.

Von der Typ I Allergie abzugrenzen sind anaphylaktoide Reaktionen. Sie führen ebenfalls zur Aktivierung und nachfolgenden Degranulation von basophilen Granulozyten und Mastzellen.

Im Gegensatz zu den anaphylaktischen Reaktionen der Typ I Allergie ist die Aktivierung der Zellen aber nicht durch Antikörper vermittelt. Anaphylaktoide Reaktionen treten schon beim ersten Kontakt mit der auslösenden Substanz auf. Diese Reaktionen können die Komplementfaktoren C3a und C5a (auch als Anaphylatoxine bezeichnet), Calcium-Ionophore, verschiedene Peptide (wie z.B. Mellitin und ACTH) und Medikamente (HAPKE, 1981) auslösen.

2.1.3 Überblick über Typ I Allergien beim Pferd

Aufgrund der bisher schwer zu interpretierenden Diagnoseverfahren (2.2) wird die Einordnung der verschiedenen Erkrankungen des Pferdes als Typ I Allergie hauptsächlich aufgrund der klinischen Erscheinungen sowie aufgrund der Reaktion der Patienten auf

diagnostische Injektionen mit Glukokortikoiden vorgenommen. Die Mechanismen der Typ I Allergie, welche für den Menschen untersucht sind, werden bisher für das Pferd übernommen, obwohl sie noch nicht nachgewiesen sind.

Als Erkrankungen, welche zu den Typ I Allergien zählen, werden bisher der anaphylaktische Schock, das Sommerekzem und die chronisch obstruktive Bronchitis (COB) angesehen. Bei verschiedenen Formen der Urticaria, Durchfallerkrankungen u.a. wird eine allergische Genese als mögliche Ursache diskutiert.

2.1.4 Das Sommerekzem als Typ I Allergie

Schon in sehr früher Zeit wurden von verschiedenen Autoren in zahlreichen Ländern Symptome einer saisonal auftretenden Hauterkrankung bei Equiden beschrieben. Es wird auch schon sehr früh die maßgebliche Beteiligung von Insekten an der Entstehung der Ursache diskutiert. HENRY und BORY veröffentlichten 1937 den Inhalt des Berichtes von LECOQ (1840), indem von einer 6 jährigen Stute berichtet wird, die an einer stark juckenden Hauterkrankung litt. In dem Bericht wurden die Bindung der Symptome an die Sommermonate, die Hautwunden an den typischen Lokalisationen und das jährliche Wiederkehren der Symptome beschrieben.

Auch heute ist das Sommerekzem des Pferdes als eine saisonale Dermatitis, die insbesondere an Mähne, Schweifansatz und Bauchnaht lokalisiert ist, anzusehen. Zu Beginn der Erkrankung treten gerötete Papeln und Pusteln auf, die stark jucken und damit die Pferde veranlassen sich zu scheuern. Dies führt erst zu Haarverlust, dann zu Hautläsionen und zu bakteriellen Infektionen (ANDERSON et al., 1996).

Nachdem lange über die Ursache diskutiert wurde, stellten MELLOR und MC CAIG bereits 1974 Untersuchungen dazu an und zeigten, daß aufgrund der Lokalisationen der Erkrankung und der Verbreitung von verschiedenen Culicoidesarten und Microfilarien (Onchocercen) an den verschiedenen Körperregionen, Culicoides pulicaris der wahrscheinliche Auslöser des Sommerekzems in England ist.

BAKER und QUINN zeigten 1978, daß alle 7 an Sommerekzem erkrankten Pferde auf intradermal applizierte Culicoides-Extrakte reagierten, während auf Stomoxys calcitrans nur 3 und auf Tabaniden keines der Pferde reagierte. Beim Sommerekzem sind im histologischen Präparat typischerweise ein subepidermales Ödem, eine begrenzte Eosinophilie und dilatierte Blutgefäße zu finden. Die intradermalen Injektionen mit Culicoiden-Extrakten führten ebenfalls zu ähnlichen Bildern.

Weitere in den darauffolgenden Jahren durchgeführte Untersuchungen bestätigten, daß Mücken der Gattung Culicoides für die Ausprägung des Sommerekzems hauptverantwortlich

sind (QUINN et al., 1983; FADOK und GREINER, 1990). Weiter zeigten QUINN et al.

(1983) sogar, daß die Fähigkeit der Haut auf Culicoides-Extrakte zu reagieren von erkrankten auf gesunde Tiere zu übertragen ist. Diese Tatsache bestärkt den Verdacht, daß es sich beim Sommerekzem um eine Typ I Allergie handelt.

Daß es sich in den verschiedenen Regionen der Erde um unterschiedliche Culicoides Arten handelt, belegen zahlreiche Untersuchungen. So zeigten z.B. MELLOR und MC CAIG 1974, daß Culicoides pulicaris in England verantwortlich für das Auftreten von Sommerekzem ist, während in Kanada Culicoides variipennis (ANDERSON et al., 1988; ANDERSON et al., 1993) eine Hauptursache für die Erkrankung ist.

Über das Vorkommen von Culicoiden in Island, wo das Sommerekzem nicht auftritt, sind keine sicheren Angaben zu machen.

Eine Umfrage, die ANDERSON et al. 1988 bei Tierärzten und Pferdebesitzern durchführten, ergab keinen Einfluß von Geschlecht, Farbe, Rasse oder Größe der Pferde auf die Ausprägung eines Sommerekzemes. Es wurde aber deutlich, daß einige Zuchtlinien stärker betroffen waren, so daß sie eine erbliche Komponente in der Ätiologie diskutierten. Auch STROTHMANN konnte 1982 in einer genetischen Studie das gehäufte Auftreten in der Nachkommenschaft bestimmter Stuten und Hengste demonstrieren. MARTI et al. beschreiben 1992 auch bei schweizerischen Warmblütern eine eindeutige Häufung des Auftretens von Sommerekzem in bestimmten Hengstlinien. Sie gehen davon aus, daß das Sommerekzem eine multifaktorielle Erkrankung ist, die sowohl heriditäre als auch Umweltfaktoren beinhaltet.

2.1.5 Der anaphylaktische Schock

Der anaphylaktische Schock ist die vom praktischen Tierarzt gefürchtete Reaktion, welche in der Regel auf die Behandlung mit Injektionen eintreten kann. Sie wird ausgelöst, wenn dem Pferd eine Substanz injiziert wird, gegen die das Pferd bereits sensibilisiert ist. Meist handelt es sich vor allem um Seren, Impfstoffe und Antibiotika (ERYE und HANNA, 1980), aber auch Antiphlogistika und „Stoffwechsel“-Präparate lösen häufig anaphylaktische Reaktionen aus (DEEGEN und BRANDT, 1997). Die klinischen Symptome kommen durch starken Blutdruckabfall zustande (ERYE und HANNA, 1980). Sie äußern sich vor allem in Schwanken, Zittern, Schwitzen, Niederstürzen, Dyspnoe und Exzitationen (DEEGEN und BRANDT, 1997). Pferde, die das akute Schockgeschehen überleben, können eine hypermotile Kolik, ein Lungenemphysem und/oder –ödem, Urticaria, Hufrehe oder Haut- und Schleimhautblutungen ausprägen (ERYE und HANNA, 1980).

DEEGEN und BRANDT haben 1997 durch eine Umfrage bei Tierärzten festgestellt, daß tödliche anaphylaktische Reaktionen besonders häufig bei

Trimethoprim-Sulfonamid-Präparaten, aber auch bei anderen Antibiotika und antiinfektiven Chemotherapeutika auftreten.

2.1.6 Chronisch obstruktive Bronchitis (COB)

COB ist eine Erkrankung, die vor allem durch chronischen Husten, Leistungsminderung, Nasenausfluß und expiratorische Dyspnoe charakterisiert ist (DERKSEN, 1993). Die Stärke der Symptome hängt dabei stark von der Erkrankungsdauer und der aktuellen Umweltbelastung ab. Entzündung und Konstriktion der Bronchien führen zu den Symptomen und können bis zur Obstruktion der Atemwege bis hin zum alveolären Emphysem führen (ROBINSON und SORENSEN, 1978; DERKSEN, 1991). Nach EVANS et al. (1992) erkranken wesentlich mehr Pferde, die in staubigen, schlecht belüfteten Ställen gehalten werden, als solche, die in Weidehaltung gehalten werden.

Nach zahlreichen durchgeführten Intrakutan- (SCHATZMANN und GERBER, 1972;

HALLIWELL et al., 1979; EVANS et al., 1992; MC GORUM et al., 1993a) und Inhalationsprovokationstests (MC GORUM et al., 1993b; MC GORUM et al., 1993c; KLEIN und DEEGEN, 1986) wird heute bei den meisten Pferden eine allergische Genese der COB vermutet.