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Akteurskonstellationen, deren Internationalisie- Internationalisie-rung und die Frage alternativer Praxen

Im Dokument Die Linken und die Krisen (Seite 48-51)

Die Feststellung des Papiers des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung28, dass es keine An-zeichen eines Politikwechsels gibt, ist zentral für aktuelle Konstellation. Die neo-liberalen Kräfte bestimmen derzeit die Formen der staatlichen Krisenintervention und das aktuelle Problem für emanzipato-rische Kräfte liegt darin, dass es zwar viel-fältige mögliche Alternativen gibt, die ge-sellschaftlichen Träger jedoch eher schwach sind. Ein großes Problem linker Kräfte ist – neben der Krisenregulierung von oben innerhalb einer weiterhin von neoliberalen Kräften dominierten Konstel-lation – die Fähigkeit eben jener Kräfte, Krisenintervention und Staatsintervention gleichzusetzen und das gesellschaftlich plausibel zu machen. Die Gewerkschaften wie auch die Linkspartei lassen sich auf das „Markt-Staat“-Dispositiv ein, ob aus der Hoffnung auf staatliche Umverteilungs-und Regulierungspolitik, aus Schwäche oder Phantasielosigkeit sei dahingestellt.

Linke Kräfte und Orientierungen bleiben so lange schwach wie sie lediglich die ak-tuellen Krisenregulierungen eines traditio-nellen Keynesianismus affirmieren (und etwas weitertreiben wollen) und damit die Perspektiven einer solidarischen Gesell-schaft noch nicht einmal andenken. Das Terrain der erwartbar zunehmenden ge-sellschaftlichen Konflikte, insbesondere um die Verteilung der Kosten der Krisenin-terventionen, ist damit auf eine gewisse Art vorstrukturiert.

Insofern ist die Frage nach den Akteuren und sind die damit verbundenen Unterfra-gen ganz entscheidend für die Frage e-manzipatorischer Handlungsfähigkeit, um

28Institut für Gesellschaftsanalyse: Die Krise des Finanzmarkt-Kapitalismus – Herausforde-rung für die Linke. Kontrovers 1/2009 (http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=1851 4).

den „Hauptaufgaben einer erneuerten Lin-ken“ (S. 18f.) gerecht zu werden. Damit hängen alternative Kriseninterpretationen, das Leitbild einer solidarischen Gesell-schaft; die Frage der Verfügung über Ei-gentum, eine Energiewende und Ein-stiegsprojekte zusammen, die im Papier ausgeführt werden. Und nur damit werden Alternativen jenseits eines mehr oder we-niger restabilisierten postneoliberalen und wahrscheinlich recht autoritären Kapita-lismus, der für vielem Menschen ein De-saster bedeutet, möglich.

Ich möchte die Frage nach den Akteuren jedoch in drei Richtungen variieren, um zur Diskussion der Akteure beizutragen.

1. Zum einen sind es nicht nur Akteure, sondern die dominanten und als plausibel wahrgenommenen gesellschaftspoliti-schen Orientierungen und Akteurskonstel-lationen, welche die Handlungsräume und Optionen einzelner Akteure bestimmen.

Deutlich wird das am strukturellen Konser-vatismus und Keynesianismus der Ge-werkschaften und der Linkspartei, die of-fenbar nicht in der Lage und nicht Willens sind, Alternativen jenseits von kapitalisti-schen Märkten und kapitalistischem Staat zu entwickeln. Die Kräfte wie die Grünen und viele Umweltverbände, die nun einen sozial-ökologischen Umbau in Richtung

„grünem New Deal“ vorantreiben wollen, bleiben im Paradigma einer ökologischen Modernisierung. Über technologische und institutionelle Innovationen soll die sozial-ökologische Krise bearbeitet werden. Dies geht de facto einher mit der Aufrechterhal-tung der imperialen Lebensweise. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, das ist die implizite Losung. Das hat große Implikationen für emanzipatorische Projek-te, denn die dominanten linken Kräfte-konstellationen und Orientierungen sind schon problematisch.

Kapitalismuskritische Positionen sind rar bzw. der linke Mainstream denunziert die-se mit dem Verweis, es gehe halt nur mit den bestehenden Institutionen. Die Märkte sind eigentlich ganz okay, sie sind nur et-was über die Stränge geschlagen und müssen nun ordnungspolitisch in die rich-tige Richtung gelenkt werden. Insofern er-leben wir heute, dass das neoliberale TI-NA-Prinzip – es gebe keine grundlegen-den Alternativen – tief in grundlegen-den linken Denk-formen, gesellschaftlichen Praxen und als erfolgreich eingeschätzten Strategien ver-ankert ist. Insofern kann auch nicht von

„der Linken“ gesprochen werden, denn es handelt sich um ein plurales, insgesamt recht schwaches, keineswegs per se de-mokratisierend und emanzipatorisch aus-gerichtetes Spektrum. Es geht insgesamt um eine Stärkung, bei Anerkennung von Differenz aber auch um Verschiebungen zu herrschaftskritischen Positionen. Hier ist der Gedanke des „strategischen Drei-ecks“ als Kombination von Lernprozessen, Bündnispolitik und der Veränderung der Macht- und Kräfteverhältnisse wichtig.

Genauso wichtig ist jedoch eine präzise Analyse der jeweiligen Kräftekonstellatio-nen.

2. Der allgemeine Anspruch linker, die Gesellschaft tiefgreifend verändernde Poli-tik ist im Papier des Instituts für Gesell-schaftsanalyse klar formuliert: „Durch Pro-test, Kritik und Aufklärung, Kampf um die Deutungen der Krise und Entwicklung so-lidarischer Bearbeitungsformen sowie durch Eingreifen in Entscheidungsprozes-se und praktische Gestaltung.“ (S. 2, 19) Gleichwohl liegt ein Hauptproblem eman-zipatorischer Politik darin, dass wir zwar eine Funktions- und Legitimationskrise neoliberaler Politik erleben, dennoch die Alltagsorientierungen und Lebensweisen weiterhin tief verankert sind. Daher droht zweitens in der aktuellen Diskussion un-terschätzt zu werden, dass grundlegende Veränderungen nicht nur von Akteuren kommen müssen (linke Kräfte in Parteien und Gewerkschaften, soziale Bewegungen, die dann in der Lage sind, die herrschen-den Projekte zu stoppen und sogar eigene Projekte gesellschaftlich voranzureiben), sondern dass sich auch in bestehenden

gesellschaftlichen Organisationen – Ge-werkschaften und Parteien auch die Staatsapparate, Unternehmen – und in All-tagspraxen die Handlungsorientierungen und Kräfteverhältnisse verschieben müs-sen.

Entsprechend droht mit der Frage nach (alternativen) Akteuren jene nach (alterna-tiven) Praxen unterlaufen zu werden. Na-türlich sind öffentliche Debatten, veränder-te rechtliche Regulierungen, andere Ei-gentumsverhältnisse, offene Konflikte und klare gesellschaftspolitische Alternativen notwendig. Dennoch scheint mir diese Perspektive das ausschließend, was sozi-ale Bewegungen und linke Kräfte in Par-teien immer ausgezeichnet hat: Neben den öffentlichen Debatten und offenen Konflikten geht es darum, auch alltägliche und institutionelle Praxen zu verschieben (angedeutet auf S. 20, allerdings mit dem Fokus auf Projekte, die wichtig sind, worin sich aber emanzipatorische Verschiebun-gen nicht erschöpfen).

Dies spielt bislang kaum eine Rolle. Wenn es aber um die Entwicklung von Formen solidarischer Ökonomie und insgesamt um einen Umbau der Produktions- und Le-bensweise im Weltmaßstab geht, dann kann gerade dieser Bereich nicht vernach-lässigt werden.

Das neoliberale Projekt – manche nennen es den Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft – hat sich nicht nur durch entscheidende politische Verände-rungen wie die Liberalisierung der Fi-nanzmärkte oder die Veränderung der Ar-beits- und Sozialgesetzgebung durchge-setzt, sondern auch kapillar in den Poren von Institutionen und nicht-institutionellen Praxen. Eine kritische Analyse müsste in den Blick nehmen, was hier stabil bleibt im Sinne von passiven Konsensen und wo etwas aufbricht, d. h. Menschen nicht nur unzufrieden sind, sondern sich daran ma-chen, Alternativen zu entwickeln. Hier ist der Gedanke der Einstiegsprojekte wichtig.

Das Papier hat dennoch den Ton, dass in einer wirklich ernsten Krise nun große Po-litik gemacht werden muss. Es ist die linke Perspektive der „Auswirkungen auf…“, die kaum Subjekte, ihre Ansprüche und Wi-dersprüche wahrnimmt und damit

tenden-ziell homogenisierend wird (wie schon im Begriff „die Linke“ angelegt). Kein syste-matisches Wort erfolgt zu den Erfahrun-gen und Kämpfen feministischer Bewe-gungen oder zu MigrantInnen (außer den politisch korrekten Erwähnungen). Viel-leicht liegen aber dort neue Stabilitätsre-serven des autoritären Neoliberalismus der Kontrollgesellschaft: Aspekte der Krise werden in der patriarchalen Kleinfamilie abgefangen, die rassistische Strukturie-rung der Gesellschaft und der Welt er-zeugt einen passiven Konsens bei der Mehrheitsgesellschaft („es könnte einem ja noch schlechter gehen…“).

Mit diesen Bemerkungen soll die Frage der politisch organisierten Akteure, ihre In-terventionsfähigkeit in öffentliche Debatten und Kräfteverhältnisse, nicht gering ge-schätzt werden. Mit scheint jedoch ein Teil der Schwäche der Linken zu sein, dass zu sehr darauf geblickt wird. Dann bleibt nur, die konservative Haltung der Linkspartei und der Gewerkschaften zu kritisieren und hier für Veränderungen einzutreten. Die institutionelle wie nicht-institutionelle All-täglichkeit des neoliberalen Kapitalismus gerade in der Krise wird unterschätzt.

3. Schließlich liegt deutliche Schwäche der Überlegungen des IFG – und damit stell-vertretend für die aktuelle linke Diskussion – liegt m.E. in der impliziten oder an man-chen Stellen gar expliziten Bezugnahme auf die bundesdeutschen Verhältnisse.

Kräftekonstellationen haben sich in den letzten dreißig Jahren jedoch transformiert, indem sie sich internationalisiert haben.

Obwohl die Kriseninterventionen in den kapitalistischen Zentren sehr stark von na-tionalen Staaten erfolgen, haben sich ins-besondere die herrschenden Klassen ent-lang von neuen Interessenachsen interna-tionalisiert und waren (und sind!) in der Lage, ihre Interessen zu staatlicher Politik werden zu lassen. Der Zuwachs der struk-turellen Macht des Kapitals und der damit verbundenen neoliberalen Kräfte liegt e-ben in der Internationalisierung, in den er-folgreichen politics of scale hin zur Institu-tionalisierung sozialer Verhältnisse auf anderen Ebenen, im „Sachzwang Welt-markt“, in der Transformation des Staates zu einem „internationalisierten nationalen

Wettbewerbsstaat“ (Joachim Hirsch). Die gegenwärtig nationalstaatliche Krisenrhe-torik und die vermeintliche Orientierung an nationalstaatlich-keynesianischen (Klas-sen-)Bündnissen zur Rettung von Banken und Betrieben überdeckt diese veränderte Konstellation. Es scheint so, als wenn lin-ke Kräfte „nur“ in den einzelnen National-staaten die Kräfteverhältnisse verschieben müssten. Das ist eine politisch wahr-scheinlich zu kurz greifende Annahme.

Zudem wäre angesichts der Internationali-sierung der Machtblöcke und insbesonde-re der herrschenden Klassen eine Per-spektive verkürzt, es gehe zunächst um nationalstaatliche Verschiebungen und dann um die internationale Ebene. Das negiert zudem viele kritische Analysen der letzten Jahre.

Eine Bemerkung zum Schluss. Den im Papier genannten Krisendimensionen ist noch eine hinzufügen, die für linke Politik wichtiger werden könnte. Der autoritäre Etatismus des Neoliberalismus hat zu ei-ner Krise politischer Repräsentation ge-führt, die zunehmend von rechten und rechtsradikalen Parteien und anderen Kräften bearbeitet wird. Dieser Aspekt scheint mir in den linken Diskussionen un-terschätzt zu werden. Es wird auch hier die erwähnte Markt-Staat-Dichotomie re-produziert. Die Formen von Politik selbst, nämlich der autoritären Staatsintervention und ihrer Begründung, müssten jedoch kri-tisiert und verändert werden. Hier sieht es für linke Kräfte besonders düster aus, da die Linkspartei überhaupt keine Anstalten macht, sich dieser Frage zu stellen. Sie ist nicht nur inhaltlich traditions-keynesianisch und damit ziemlich einfallslos, sondern scheint alle progressiven zivilgesellschaft-lichen Akteure weitgehend zu ignorieren.

Im Dokument Die Linken und die Krisen (Seite 48-51)