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2 Begriffe der Tierschutzgesetzgebung sowie ethologische

3.4 Ethogramm

3.4.9 Sozialverhalten

3.4.9.1 Agonistisches Verhalten

Erste Elemente agonistischer Verhaltensweisen können bei Ratten im Rahmen des Spielverhaltens beobachtet werden (siehe Abschnitt 3.4.9.4 und Anlage I).

Insbesondere MEANEY und STEWART (1981b) beschäftigten sich mit der Ent-wicklung des Sozialverhaltens von jungen Ratten vom 21. bis 55. Lebenstag. Den Autoren zufolge traten die sog. Kampfspiele zwischen zwei sich in unmittelbarer Nähe zueinander befindlichen Tieren während der ersten fünf Tage spontan auf, schienen also von keinem der beteiligten Individuen initiiert worden zu sein.

Zwischen dem 26. und 30. Tag resultierten die meisten Kampfspiele daraus, dass eine Ratte sich der anderen annäherte und diese angriff. Daraus entwickelte sich ein

"Ringkampf" und manchmal auch ein "Boxkampf", die damit endeten, dass schließlich ein Tier die "obere Stellung" und ein Tier die "untere Stellung" einnahm (MEANEY u. STEWART 1981a).

Eine weitere frühe Veränderung im Spielgeschehen war die zeitliche Abnahme der Verhaltensweise "Ringkampf". In der Periode vom 36. bis 40. Lebenstag nahm der

"Ringkampf" weiter ab und war zum Zeitpunkt der Geschlechtsreife kaum noch vorhanden.

Zwischen jüngeren Ratten (21. bis 30. Lebenstag) wurden die Kampfspiele den Autoren zufolge physisch ausgetragen und waren eher spontane Ereignisse, während sie bei den älteren Tieren von einem Tier initiiert wurden. Das Tier, welches angegriffen wurde, wurde in den meisten Fällen auch sehr schnell dominiert. Als die Ratten geschlechtsreif wurden, erhöhte sich der Anteil des "Seitlichen Imponierens"

drastisch.

Bei adulten Tieren wird dieses Verhalten als Versuch gedeutet, das defensive Tier in die Rückenregion zu beißen und wird dann "Seitlicher Angriff" genannt (BLANCHARD u. BLANCHARD 1977).

Auch PELLIS und PELLIS (1997) beschrieben das Sozialverhalten von gemischt-geschlechtlichen Rattengruppen im Alter von 15 bis 30 Tagen:

Sie zeigten, dass die dominante Form sozialer Interaktionen bis zum 16. Lebenstag das "Soziale Putzen" war, während es um den 20. Lebenstag gegen den Nacken gerichtete spielerische Attacken waren.

Während der juvenilen Phase besteht die Verteidigung des Nackenbereiches den Autoren zufolge meist darin, dass sich die angegriffene Ratte um ihre Längsachse dreht und auf dem Rücken zu liegen kommt. Aus dieser Rückenlage heraus benutzt die sich verteidigende Ratte ihre Beine, um den Gegner auf Abstand zu halten ("Untere Stellung mit Treten"). Diese jugendliche Verteidigungsstrategie entwickelte sich bis zum 25. bis 30. Lebenstag und unterschied sich im Verhaltensmuster nicht zwischen den Geschlechtern.

Das adulte Verhalten hingegen beinhaltet nur eine partielle Rotation um die Längsachse, so dass die Hinterextremitäten stets Bodenkontakt behalten. In dieser Position ist der Verteidiger in der Lage, sich zur aufrechten Defensivhaltung (GRANT u. MACKINTOSH 1963: "Upright defence") emporzuschwingen oder mit den Hüften in den Gegner hineinzurennen (PELLIS u. PELLIS 1997).

Verschiedenen Autoren zufolge zeigen Rattenböcke mit Eintritt der Geschlechtsreife vor allem adulte Muster im Kampfverhalten, während bei weiblichen Tieren weiterhin eher jugendliche Muster im Aggressionsverhalten vorherrschen (MEANEY u.

STEWART 1981b; TAKAHASHI u. LORE 1983; PELLIS u. PELLIS 1987, 1997;

PELLIS et al. 1994).

TAYLOR (1980a) beobachtete männliche Ratten während der Jugendentwicklung und nachdem sie die Geschlechtsreife erreicht hatten. Er fand klar zu unter-scheidende Differenzen bezüglich der Intensität und Frequenz der Kampfspiele zwischen den Individuen, welche während der Jugendentwicklung relativ stabil waren und vom 30. bis 50. Lebenstag an Deutlichkeit zunahmen.

Diese individuellen Differenzen bezüglich der Intensität und Frequenz der Kampfspiele wurden während der postpubertären Kämpfe beibehalten, d.h. das aktivste Rattenjunge wurde später die aggressivste Ratte.

Die gleiche Kontinuität im Verhalten männlicher Ratten wurde auch von TAKAHASHI und LORE (1983) beschrieben.

Es wird daher allgemein angenommen, dass sich während der Spielsequenzen innerhalb von Rattengruppen stabile Dominanzhierarchien entwickeln (TAYLOR 1980a; PANKSEPP 1981; MEANEY u. STEWART 1981b; TAKAHASHI u. LORE 1983; SMITH et al. 1996), die auch nach der Geschlechtsreife zumindest bei männlichen Ratten unverändert beibehalten werden (TAYLOR 1980a; TAKAHASHI u. LORE 1983).

PEIJS (1977) zeigte in seiner Arbeit über die Entwicklung des Sozialverhaltens bei Ratten, dass männliche Ratten im Alter von drei Monaten bereits das komplette agonistische Repertoire adulter Ratten zeigen.

Vor dieser Zeit traten agonistische Elemente vor allem im Rahmen von Kampfspielen auf.

Dem Autor zufolge ist diese innerartliche Aggressivität ein Anzeichen des sich entwickelnden Territorialverhaltens bei jungen Rattenböcken.

Auch CALHOUN (1962) berichtet, dass Wildratten bis zu einem Alter von 85 Tagen ausschließlich spielerisches antagonistisches Verhalten zeigen, während dessen fast alle Elemente adulter Tiere zu beobachten sind, aber keine Verletzungen auftreten.

Das Alter, in dem ernsthafte Kämpfe erstmals auftreten, wird auch von SCOTT (1966) auf ca. 12 Wochen geschätzt.

Zusammenfassend scheint es, dass sowohl männliche als auch weibliche Ratten bereits im Alter von ca. 30 Tagen ein reichhaltiges Verhaltensrepertoire mit Ele-menten antagonistischer Verhaltensweisen besitzen.

Ernsthafte Auseinandersetzungen werden bei in Gruppen gehaltenen Ratten bis zur Geschlechtsreife nur selten beobachtet, wenngleich Isolationsstudien gezeigt haben, dass einzeln gehaltene Ratten bereits lange vor der Geschlechtsreife in der Lage sind, sich während kämpferischer Auseinandersetzungen Bisswunden zuzufügen (PEIJS 1977).

Territorialverhalten

Dringen unbekannte männliche Artgenossen in das Revier eines Wildrattenrudels (Rattus norvegicus und Rattus rattus) ein, werden sie oft angegriffen und getötet (EIBL-EIBESFELDT 1961; TELLE 1966; GALEF 1970; ALBERTS u. GALEF 1973;

BARNETT 1975; BLANCHARD u. BLANCHARD 1977; TAKAHASHI u.

BLANCHARD 1982).

Ebensolches Verhalten wird auch von Laborratten etablierter, gemischt-geschlechtlicher Kolonien gezeigt. Auch von ihnen werden unbekannte Artgenossen angegriffen und bisweilen getötet, wenngleich sie gegenüber Rudelmitgliedern, welche aus der Kolonie entfernt und später wieder eingefügt ("reintroduced") werden, nur sehr geringes Aggressionsverhalten zeigen (BLANCHARD et al. 1975, 1977a, b, 1988; LUCIANO u. LORE 1975; THOR u. FLANELLY 1976a; LORE u.

LUCIANO 1977; GARCIA-BRULL et al. 1993).

Obwohl es meist der dominante Rattenbock ist, welcher fremde Artgenossen angreift und vertreibt, wird territoriales Verhalten auch von laktierenden Weibchen im Rahmen des Aufzuchtverhaltens gezeigt.

Diese mütterliche Aggression (Nestverteidigung) wird von Wildratten (CALHOUN 1962; BARNETT 1975) sowie Laborratten (FERREIRA u. HANSEN 1986; LORE u.

LUCIANO 1977; FLANELLY u. FLANELLY 1987; ALBERT u. WALSH 1995) gleichermaßen (PRICE u. BELANGER 1977) gezeigt, tritt während der zweiten Hälfte der Gravidität erstmals auf, hat ihren Höhepunkt zum Zeitpunkt der Geburt und fällt im Verlauf der Laktation wieder ab (MAYER u. ROSENBLATT 1984;

FLANELLY u. FLANELLY 1987; ALBERT et al. 1988, 1992; ALBERT u. WALSH 1995).

Beschreibung des Aggressionsverhaltens

Detaillierte Beschreibungen des agonistischen Repertoires wurden von BARNETT (1958, 1960) für Rattus rattus und Rattus norvegicus in künstlich zusammen-gestellten Kolonien, von EIBL-EIBESFELDT (1961) für in Kolonien gehaltene Wanderratten und von EWER (1971) für wilde Hausratten in seminatürlicher Umge-bung gegeben.

Speziell der seitliche Angriff wurde von allen drei Autoren beschrieben. Während EWER (1971) diese Position als "Breitseite" ("Broadsiding") bezeichnet, welche für das angreifende Tier typisch ist, beschreibt EIBL-EIBESFELDT (1961) ein Verhalten mit aufgekrümmten Rücken und dem Präsentieren der Flanke. BARNETT (1958) schließlich bezeichnet diese Angriffsposition als "Lateral display".

Das defensive Boxen wird von BARNETT (1958) und EWER (1971) als "Boxen" oder

"Standing on hindlegs push with forelegs" (EIBL-EIBESFELDT 1961) bezeichnet. Die Unterlegenheitsstellung wird von BARNETT (1958) als "Submission posture" und von EIBL-EIBESFELDT (1961) mit "Forced to his back" beschrieben.

Die Analyse von offensiven und defensiven Verhaltensweisen hat gezeigt, dass Laborratten nahezu über das gleiche agonistische Repertoire wie ihre wilden Artgenossen verfügen (BLANCHARD et al. 1975; TAKAHASHI u. BLANCHARD 1982; BLANCHARD u. BLANCHARD 1977; TIMMERMANS 1978).

Insbesondere BLANCHARD und BLANCHARD (1977) sowie BLANCHARD et al.

(1975, 1977a, b, 1985, 1988, 1993) beschäftigten sich ausführlich mit dem Terri-torialverhalten gemischtgeschlechtlicher Gruppen von Laborratten. Anhand von Filmanalysen der typischen "Colony-Intruder-Situation" ergibt sich etwa folgendes Bild:

Werden fremde Rattenböcke in bestehende Kolonien von Laborratten eingebracht, werden sie von den Käfiginhabern angegriffen (BLANCHARD et al. 1975, 1977a;

LUCIANO u. LORE 1975), wobei die Aggression in den meisten Fällen von einem einzigen Rattenbock (dem dominanten- oder Alpha-Bock) ausgeht (BLANCHARD u.

BLANCHARD 1977). Gemessen an der Intensität der Aggressionen sind die Attacken des Alpha-Bockes mit 65% Mortalität der Eindringlinge nach drei Tagen (BLANCHARD et al. 1975) vergleichbar mit denen von Wildratten.

In Anwesenheit eines fremden Rattenbockes reagiert der Alpha-Bock initial mit Annäherungsverhalten und erkundendem Schnüffeln, das sehr schnell (innerhalb von ca. 30 sec.) von gesträubtem Fell begleitet wird. Ist die neu hinzugefügte Ratte allerdings ein Mitglied derselben Kolonie, so zeigt der dominante Bock weder gesträubtes Fell noch Angriffsverhalten.

Das Sträuben des Felles ist insofern bemerkenswert, als dass es bei der angreifenden Ratte immer vor der eigentlichen Attacke auftritt, aber nie bei dem angegriffenen, defensiven Tier (BLANCHARD u. BLANCHARD 1977).

Darüber hinaus haben Untersuchungen von BLANCHARD et al. (1975) gezeigt, dass gesträubtes Fell bei dominanten Ratten unmittelbar nach der Erkundung sowohl bei anästhetisierten als auch bei aktiven Fremdratten auftritt.

Somit scheint es eher eine Reaktion auf den Geruch fremder Ratten zu sein als auf deren spezifische Verhaltensweisen.

Die genaue Analyse von Filmaufnahmen (BLANCHARD u. BLANCHARD 1977;

BLANCHARD et al. 1977a) der eigentlichen Auseinandersetzungen legt eine sehr enge Verbindung zwischen spezifischen defensiven Verhaltensweisen des Verteidi-gers nach dem Angriff und dem offensiven Verhalten des Alpha-Bocks nahe:

Das offensive Aggressionsverhalten besteht bei Ratten aus dem Erkunden des Kontrahenten, welches von gegen den Rücken gerichteten Attacken gefolgt wird.

Diese Attacken bestehen aus dem seitlichen Angriff sowie dem Unterdrücken und Verfolgen des Gegners und treten in enger Verbindung mit den dazugehörigen defensiven Verhaltensweisen auf.

Die defensiven Strategien der unterlegenen Ratte beinhalten die Flucht (welche typischerweise die Verfolgung durch den Alpha-Bock hervorruft), das defensive Boxen (meist mit dem seitlichen Angriff des Gegners assoziiert) und die Unterlegen-heitsstellung, welche in Verbindung mit der "On top“-Position des Angreifers steht.

Die defensiven Verhaltensweisen scheinen demnach Strategien zu sein, das bevorzugte Angriffsziel vor den Attacken des Gegners zu schützen, während die offensiven Muster dazu dienen, die Verteidigung zu vereiteln und den Biss in den Rücken zu ermöglichen.

Zusammengefasst hat die Untersuchung des Territorialverhaltens bei Ratten erheb-liche Unterschiede zwischen offensivem und defensivem agonistischen Verhalten ergeben (ADAMS 1979; BLANCHARD u. BLANCHARD 1977; BLANCHARD et al.

1977a, 1984), welche besonders deutlich bei Versuchen zu Tage treten, bei denen Fremdratten in bestehende Kolonien eingebracht werden.

In diesem Fall gehen so gut wie alle Attacken vom dominanten Rattenbock (Revierbesitzer), welcher kaum defensive Verhaltensweisen zeigt, aus, während die Aktionen des Eindringlings (Fremdratte) meist rein defensiv sind (BLANCHARD et al.

1975, 1977a, b; BLANCHARD u. BLANCHARD 1977; FLANELLY u. LORE 1977a).

Beißen scheint dabei allerdings eine Ausnahme dieser Generalisation, da es zwar charakteristisch für die angreifende Ratte ist, aber auch bei der sich verteidigenden (defensiven) Ratte auftritt, speziell, wenn das Tier gerade gebissen wurde oder auf andere Weise Schmerzen erlitten hat (BLANCHARD et al. 1977a).

Allerdings können offensive und defensive Bisse anhand ihrer Zieltopographie relativ gut voneinander unterschieden werden, da die Bisse der angreifenden Ratte gegen den Rücken des Gegners gerichtet sind, während alle Bisse des Verteidigers gegen den Kopf und das Maul gerichtet sind (BLANCHARD et al. 1977a; TIMMERMANS 1978; PELLIS u. PELLIS 1987).

Für topographische Unterschiede von aggressiven und defensiven Bissen sprechen auch Untersuchungen von BLANCHARD et al. (1978), die Ratten Elektroschocks zu-fügten und ihnen gleichzeitig die Schnauze, den Rücken und die Gliedmaßen anästhetisierter Artgenossen präsentierten. Die Autoren zeigten, dass die Bisse der geschockten (defensiven) Ratte ausschließlich gegen den Kopf der anderen Ratten gerichtet waren.

Bei der Untersuchung des Aggressionsverhaltens können Verhaltensmessungen (wie beispielsweise die Kampflatenz und -dauer) durch physische Kampfanzeichen und biochemische Untersuchungen (wie beispielsweise der Plasmakortikosteroid-konzentration) komplettiert werden, da insbesondere die physische Kondition des unterlegenen Tieres (z.B. Körpergewichtsverlust und Anzahl sowie Verteilung von Bisswunden) direkt nach einer Auseinandersetzung oft einen sensitiveren Messwert der Aggressivität darstellt als Verhaltensmessungen (LUCIANO u. LORE 1975;

THOR u. FLANELLY 1976a; NIKOLETSEAS u. LORE 1981; ADAMS u. BOICE 1983; LORE et al. 1984; RAAB et al. 1986; ALBONETTI u. FARABOLLINI 1994;

BLANCHARD et al. 1995).

Bereits die Konfrontation mit einer unbekannten Umgebung ruft bei Mäusen (HENNESSY et al. 1977a; HENNESSY u. LEVINE 1978), Meerschweinchen (HAEMISCH 1990), Hamstern (WEINBERG u. WONG 1983, 1986) und Ratten (HENNESSY et al. 1979; PFISTER 1979; ARMARIO et al. 1986; MUIR u. PFISTER 1986, 1987) eine erhöhte Aktivität der Nebennierenrinde hervor.

Ebenso zeigen Ratten nach aggressiven Auseinandersetzungen erhöhte Plasma-kortikoidkonzentrationen (SCHUURMAN 1980; HALLER et al. 1995, 1996), wobei der Anstieg der Plasmakortikoidkonzentration bei der unterlegenen Ratte deutlicher ausgeprägt ist und länger anhält als beim dominanten Rattenbock (SCHUURMAN 1980; RAAB et al. 1986), da dieser aufgrund einer schnelleren "Recoverperiode"

(SCHUURMAN 1980; HALLER et al. 1996) eher zu den Ausgangswerten zurück-kehrt.

Nach Untersuchungen von STEFANSKI (1998) sowie STEFANSKI und ENGLER (1998) zeigen unterlegene Ratten außerdem eine ausgeprägte Granulozytose und eine ausgeprägte Lymphocytopenie.

Einflussfaktoren auf die Ausprägung und Intensität des Aggressions-verhaltens

Die Ausprägung und Intensität des Aggressionsverhaltens von Ratten gegenüber Artgenossen ist von einer Reihe von Einflussfaktoren wie beispielsweise der Stammeszugehörigkeit (BILLINGSELA 1941; BARNETT 1960; UYENO 1960;

GALEF 1970; GOTTIER 1972; TIMMERMANS 1978; van der POLL et al. 1982a, b), dem Alter und Geschlecht (CALHOUN 1962; ADAMS u. BOICE 1983; THOR u.

FLANELLY 1976b; BLANCHARD et al. 1988), dem Hormonstatus (BARFIELD et al.

1972; THOR u. FLANELLY 1976a; CHRISTIE u. BARFIELD 1979a, b; KOOLHAAS et al. 1980; SCHUURMAN 1980; van der POLL et al. 1982a), der Gruppenzusam-mensetzung (BARNETT 1958; BARNETT et al. 1968; THOR 1976; LORE u.

LUCIANO 1977; FLANELLY u. LORE 1977b; TAYLOR 1980b; TAYLOR u. WEISS 1983; TAYLOR et al. 1987), früheren sozialen Erfahrungen (GOTTIER 1972;

JOHNSON et al. 1972; LUCIANO u. LORE 1975; LORE et al. 1976; BLANCHARD et al. 1977b; FLANELLY u. THOR 1978; PRICE 1978; van der POLL et al. 1982b;

LORE u. STIPO-FLAHERTY 1984; HEYNE 1998) sowie den Haltungsbedingungen (THOR 1976; BOICE 1977; NIKOLETSEAS u. LORE 1981; ADAMS u. BOICE 1983, 1989; ADAMS 1985; BLANCHARD et al. 1985, 1988) abhängig.

Eine Reihe von Studien impliziert, dass die Ausprägung und Intensität des Territorialverhaltens vor allem durch Androgene beeinflusst wird.

Parallel zu einem steilen Anstieg der Plasmatestosteronkonzentration, welcher nach RESKO et al. (1968), GROTA (1971) sowie MOGER (1977) um den 40. bis 60.

Lebenstag erfolgt, kann bei Rattenböcken der Beginn agonistischer Ausei-nandersetzungen beobachtet werden (CALHOUN 1962; BARNETT 1975; PEIJS 1977), deren Intensität mit steigendem Lebensalter zunimmt (BLANCHARD et al.

1988).

Untersuchungen von BARFIELD et al. (1972), CHRISTIE und BARFIELD (1979a, b) sowie SCHUURMAN (1980) haben gezeigt, dass die Intensität des Aggressionsverhaltens durch Kastration sowohl in unbekannter Umgebung als auch in der typischen "Home cage Intruder" Situation erheblich reduziert wird.

Während die kastrierten Rattenböcke in unbekannter Umgebung ihr offensives Aggressionsverhalten fast komplett einstellten (SCHUURMAN 1980), zeigten sie in ihren Käfigen ("Home cage") noch für längere Zeit ausreichendes Aggressions-potential, um Fremdratten zu dominieren (BARFIELD et al. 1972; CHRISTIE u.

BARFIELD 1979a, b; SCHUURMAN 1980). Auch KOOLHAAS et al. (1980) zeigten, dass ein verminderter Plasmatestosterongehalt, welcher durch eine Niederlage in einer vorangegangenen agonistischen Auseinandersetzung induziert worden war, zu einem Rückgang des offensiven Aggressionsverhaltens in unbekannter Umgebung, aber nicht im "Home cage" führte.

Rattenböcke scheinen demnach auch nach einer Kastration oder Niederlage in der Lage zu sein, ihr angestammtes Revier zu verteidigen, während sie andererseits außerhalb ihres Territoriums kein offensives Aggressionsverhalten zeigen und somit risikoreichen Auseinandersetzungen aus dem Wege gehen.

Umgekehrt beeinflusst auch das Alter (und somit der Plasmatestosterongehalt) der männlichen Fremdratte die Ausprägung und Intensität des Aggressionsverhaltens gegen den Eindringling, da nur geschlechtsreife Tiere angegriffen werden (PEIJS 1977; LORE et al. 1984). Bei Untersuchungen von THOR und FLANELLY (1976b) zeigte sich, dass junge Rattenböcke im Alter von 21 bis 40 Tagen nur sehr selten angegriffen wurden, während ältere Ratten (im Alter von 61 bis 80 Tagen) von denselben Böcken schwer verwundet und zu einem großen Teil getötet wurden.

Das Aggressionsverhalten von Rattenböcken wird außerdem durch die Gruppen-zusammensetzung beeinflusst, wobei die meisten Autoren von gesteigerter Aggressivität in gemischtgeschlechtlichen Gruppen berichten (BARNETT et al. 1968;

THOR 1976; LORE u. LUCIANO 1977; TAYLOR u. WEISS 1983; TAYLOR et al.

1987). Nach BARNETT (1955, 1958) kämpfen geschlechtsreife Wildratten in heterosexuellen Gruppen intensiv und mit oft tödlichen Folgen, während die Böcke in monosexuellen Gruppen untereinander sehr viel weniger Aggressivität zeigen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen FLANELLY und LORE (1977b) bei der Untersuchung von Laborratten. Die Autoren beschäftigten sich mit dem Verhalten männlicher Laborratten gegenüber einem fremden Rattenbock nach einwöchiger Gruppenhaltung entweder mit zwei intakten Weibchen, zwei kastrierten Weibchen oder zwei nicht kastrierten Böcken und zeigten, dass nur das Zusammenleben mit intakten Weibchen das Aggressionsverhalten steigerte.

Auch die Aufzuchtbedingungen und sozialen Erfahrungen der Kontrahenten spielen in der Ausprägung und Intensität territorialer Auseinandersetzungen eine wesent-liche Rolle:

Während EIBL-EIBESFELDT (1961) zeigte, dass die Elemente des agonistischen Verhaltens sich bei isoliert- und in Gruppen aufgezogenen Ratten nicht voneinander unterscheiden, herrscht in der Literatur Übereinstimmung, dass soziale Isolation die Intensität des Aggressionsverhaltens fördert (ADAMS 1976; PEIJS 1977;

TIMMERMANS 1978; WOLFFGRAMM 1990; HEYNE 1998).

Nach LUCIANO und LORE (1975) sowie FLANELLY und THOR (1978) attackieren sozial erfahrene Rattenkolonien Fremdratten aus Isolationshaltung heftiger als solche aus Gruppenhaltung.

Entscheidend scheint dabei auch die Kampferfahrung des fremden Rattenbockes zu sein, denn LORE et al. (1976) verbrachten das gleiche Tier im Abstand von einer Woche in den Käfig von zwei verschiedenen Revierbesitzern und zeigten, dass der Eindringling während des ersten Versuches vom Kontrahenten angegriffen und besiegt wurde, wohingegen beim zweiten Versuch keine ernsthaften Auseinandersetzungen auftraten. Den Autoren zufolge versetzt bereits eine einzige Niederlage während eines Kampfes den unterlegenen Rattenbock in die Lage, sein Verhalten dahingehend zu ändern, dass ernsthafte, gegen ihn gerichtete Attacken bei weiteren Versuchen ausbleiben.

Im Gegensatz dazu wird die Aggressivität einer etablierten Rattenkolonie durch zunehmende Erfahrung mit agonistischen Auseinandersetzungen eher erhöht.

BLANCHARD et al. (1977b) verbrachten einzelne Rattenböcke einmal wöchentlich in Rattenkolonien, welche bereits für eine bzw. zehn Wochen bestanden und zeigten (abhängig von der Bestandsdauer der Kolonie sowie zunehmender Kampferfahrung) einen progressiven Anstieg der Aggressivität gegen die Fremdratten. Dabei ist anzunehmen, dass das gleichzeitig zunehmende Alter der Kolonietiere zumindest für einen Teil der gesteigerten Aggressivität verantwortlich sein könnte (LORE et al.

1984).

Nach BOICE (1977) verwildern in seminatürlicher Umgebung aufgezogene Labor-ratten zusehends und zeigen ein größeres Aggressionspotential als ihre Art-genossen aus typischen Laborkäfigen (ADAMS u. BOICE 1983, 1989; ADAMS 1985;

BLANCHARD et al. 1985).

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass ein spezieller Aspekt der Haltungsumwelt, nämlich die Möglichkeit, einen Erdbau zu errichten und zu bewohnen, einen deutlichen Effekt auf die Ausprägung des Aggressionsverhaltens hat.

NIKOLETSEAS und LORE (1981) zogen Ratten individuell vom 28. Lebenstag an entweder in großen, teilweise mit Erde gefüllten Boxen oder in Laborkäfigen vergleichbarer Größe auf. Im Alter von 92 Tagen wurden Fremdratten in die verschiedenen Behältnisse eingebracht, und es zeigte sich bei den unterlegenen Ratten in den Erdboxen ein größerer Körpergewichtsverlust sowie eine größere Anzahl von Bisswunden als bei den Vergleichstieren, welche von den Ratten aus der Käfighaltung attackiert worden waren.

Auch BLANCHARD et al. (1985) berichten von einer gesteigerten Aggressivität von Ratten aus ihrer "Visible burrow" Haltung.

Nach THOR (1976) scheint die Käfiggröße, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, bei Ratten kaum Einfluss auf die Intensität des Aggressionsverhaltens zu haben.

Dem Autor zufolge werden Fremdratten in kleinen Käfigen mit der gleichen Intensität attackiert wie in größeren Käfigen, da das Aggressionsverhalten weniger vom Platzangebot an sich, sondern vielmehr davon abhängt, ob es der Ratte möglich ist, ihr Revier zu errichten und zu etablieren.

Die augenscheinliche Hyperaggressivität der Wildratten im Vergleich zu Labor-stämmen beruht nach PRICE (1978) sowie LORE und FLANELLY (1981) nicht gänzlich auf genetischen Unterschieden zwischen Wild- und Laborstämmen, sondern wird eher durch die limitierten sozialen und physikalischen Umwelt-bedingungen in der typischen Laborsituation hervorgerufen.

Die Standard-Laborsituation ermöglicht es den Autoren zufolge nicht, den Tieren während ihrer Individualentwicklung das Maß an Erfahrungen und Reizen zu bieten, welche für die volle Ausprägung des Aggressionspotentials der domestizierten Tiere nötig wären.

Dominanzhierarchien

Mit Ausnahme von tragenden Weibchen, die zur Zeit des Wurftermins ausgeprägtes Nestverteidigungsverhalten zeigen (MAYER u. ROSENBLATT 1984; FLANELLY u.

FLANELLY 1987; ALBERT et al. 1988, 1992; ALBERT u. WALSH 1995), wird offensives Aggressionsverhalten innerhalb etablierter Rattenkolonien nur sehr selten beobachtet (EIBL-EIBESFELDT 1961; GALEF 1970; BARNETT 1975; LORE u.

STIPO-FLAHERTY 1984; BLANCHARD et al. 1988, 1995).

Bei Tieren, die in sozialen Gemeinschaften leben, bilden sich in sehr vielen Fällen Rangordnungen heraus, welche die innere Ordnung einer Population regulieren.

Bei Auseinandersetzungen innerhalb dieser stabilen Sozietäten genügt meist ein kurzer Kommentkampf, wobei das dominante Tier den unterlegenen Artgenossen nur durch ein Drohen in seine "Schranken" weist, wodurch ernsthafte Verletzungen der Tiere vermieden werden.

Als erster beobachtete SCHJELDERUP-EBBE (1922) eine "Hackordnung" bei Haus-hühnern:

Es zeigte sich, dass Hühner eine lineare Rangordnung aufbauen, welche sich durch eine große Stabilität auszeichnet. Die Stabilität wird darauf zurückgeführt, dass Hühner den einmal angenommenen Rangplatz akzeptieren und keine erneuten Rangkämpfe stattfinden. Die "Hackordnung der Hühner" stellt somit den Idealfall einer Rangordnung dar.

Bei Ratten ist dies nicht der Fall, da stabile Rangordnungen bei Ratten nur bis zu einer gewissen Gruppengröße ausgebildet werden und diese Rangordnung nach BAENNINGER (1966) immer wieder neu ausgefochten wird, wobei auch unterlegene

Bei Ratten ist dies nicht der Fall, da stabile Rangordnungen bei Ratten nur bis zu einer gewissen Gruppengröße ausgebildet werden und diese Rangordnung nach BAENNINGER (1966) immer wieder neu ausgefochten wird, wobei auch unterlegene