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Abhängigkeit der 2 J PCH -Kopplungskonstante vom Diederwinkel in Phosphanen

Schema 93: Synthesekonzept am Beispiel eines 1,3,4-Thiazaphosphols 86.

Für die Untersuchungen des Additionsverhaltens wurden aus zweierlei Gründen die beiden chiralen Alkohole (−)-Menthol (115) und Cholesterol (116) verwendet: Zum Einen soll der Einfluss der chiralen Information des Alkohols auf die Diastereoselektivität der Additionsreaktion untersucht werden, zum Anderen stellt der chirale Alkohol eine optimale NMR-Sonde dar, da so maximal vier Diastereomere entstehen, die alle im NMR-Spektrum beobachtet werden können. Der chirale Alkohol macht so eine Zugabe von Lanthanid-Shiftreagenzien überflüssig. Die beiden Alkohole 115 und 116 sind Naturstoffe und so zu einem günstigen Preis enantiomerenrein erhältlich.

Zur Untersuchung des Additionsverhaltens von Alkoholen an die P=C- bzw. P=N-Doppelbindung werden sterisch anspruchsvolle Verbindungen gewählt um zum Einen die Selektivität der 1,2-Addition zu erhöhen und zum Anderen für Alkylalkohole eine anschließende ARBUSOV-Umlagerung der gebildeten Produkte zu vermeiden.

8.1. Abhängigkeit der

2

J

PCH

-Kopplungskonstante

Abbildung 88: Winkelabhängigkeit der 2JPCH-Kopplungskonstante.

Bei Addition von Alkoholen an eine P=C-Doppelbindung kann über die beobachtete 2JPCH-Kopplungskonstante auf den Diederwinkel und die Konformation der Bindung geschlossen werden.

8.2. Addition von Alkoholen an 2-Methyl-5-phenyl-2H-1,2,4,3-triazaphosphol (118)

Die 1,2-Addition von Alkoholen an 2-Methyl-5-phenyl-2H-1,2,4,3-triazaphosphol (118) wird unter Verwendung der beiden chiralen Alkoholen (–)-Menthol (115) und Cholesterol (116), sowie des achiralen Alkohols Adamantan-1-ol (117) untersucht (Schema 94).

Schema 94: Addition von Alkoholen an 118.

Die Addition des Alkohols an die P=N-Doppelbindung verläuft bei Raumtemperatur innerhalb weniger Stunden vollständig. Im 31

P-NMR-Spektrum (Abbildung 89) wurde die Bildung der beiden diastereomeren Additionsprodukte 119a und 120a im Verhältnis 1:1 beobachtet. Die Verbindungen wurden anhand ihrer Kopplungsmuster im protonengekoppelten 31P-NMR-Spektrum identifiziert. Die 31P-NMR-Daten der Additionsprodukte von Alkoholen an 118 sind in Tabelle 58 zusammengefasst.

Abbildung 89: Ausschnitt (93–87 ppm) des 31P-NMR-Spektrums der Umsetzung von 118 mit 115 (ca. 0.2 M in MeCN).

Neben den Kopplungen zur NH-Gruppe (30.4 bzw. 30.0 Hz) und der zur N2-Me-Gruppe (10.3 bzw. 9.9 Hz) wurde die Bindung des Menthols am Phosphor durch die 3JPOCH-Kopplung in den Menthol-Ring (10.3 bzw. 9.9 Hz) nachgewiesen.

Die Addition von Cholesterol (116) an 118 verläuft auf analoge Art. Die Additionsprodukte 119b und 120b können ebenfalls im Verhältnis von etwa 1:1 beobachtet werden.

Führt man die Additionsreaktion mit dem achiralen Alkohol Adamantan-1-ol (117) durch, so können die beiden gebildeten Enantiomere 119c und 120c im NMR nicht unterschieden werden.

Tabelle 58: 31P-NMR-Daten der Umsetzung von 118 mit den Alkoholen 115, 116 und 117; chemische Verschiebungen in ppm; Kopplungskonstanten in Hz.

119a/120a 119b/120b 119c/120c δ 31P 92.4 87.8 81.9 80.9 87.4

2JPNH 30.4 30.0 30.4 30.4 24.0

3JPOCH 10.3 9.9 10.1 10.1 ---

3JPNCH 10.3 9.9 10.1 10.1 11.9

Intrel 48 % 48 % 18 % 22 % 93 %

von wenigen Stunden quantitativ zu den Additionsprodukten 121–124.

Die 31P-NMR-Daten der Additionsprodukte von 115, 116 und 117 an 86b sind in Tabelle 60 zusammengefasst.

Schema 95: Addition von Alkoholen an 86b.

Im 31P-NMR-Spektrum (Abbildung 90) der Umsetzung von 86b mit dem chiralen Alkohol 115 werden im 31P-NMR der Reaktionslösung (Abbildung 90) vier Isomere im Verhältnis (3.7:3.9:1.8:1) beobachtet.

Abbildung 90: Ausschnitt (210–195 ppm) des 31P-NMR-Spektrums der Umsetzung von 86b mit 115 (ca. 0.07 M in THF).

Alle vier Isomere zeigen eine Kopplung zum Menthol-Substituenten. Für die beiden Hauptprodukte können keine weiteren PH-Kopplungen beobachtet werden, die beiden Nebenprodukte zeigen eine weitere große

2JPCH-Kopplung (s.a. Tabelle 59).

Aufgrund der beobachteten 2JPCH-Kopplungskonstante von 25–30 Hz kann auf eine ekliptische Konformation der P–C5-Bindung in den gebildeten heterocyclischen Phosphanen geschlossen werden (vgl.

Abschnitt 8.1). Die Addition der Alkoxy-Gruppe am Phosphor und des Protons am C5-Atom kann dabei von der gleichen Seite der Doppelbindung (syn-Addition; Verbindungen 121, 122) oder von unterschiedlichen Seiten (anti-Addition; Verbindungen 123, 124). Für die syn-Addition ergibt sich so ein Winkel von ca. 120° zwischen dem freien Elektronenpaar und dem Wasserstoff an C5, für die anti-Addition ergibt sich ein Winkel von 0°

(Schema 96).

Schema 96: Sägebockprojektionen der Additionsprodukte 121–124.

Aus der KARPLUS-Kurve144 (Abbildung 88) ergeben sich daher Erwartungswerte für die 2JPCH-Kopplungskonstante von ca. 5 Hz für 121 und 122 bzw. ca. 25 Hz für 123 und 124. Somit können die beiden Hauptsignale bei 208.7 und 208.4 ppm den syn-Additionsprodukten 121 und 122 und die kleineren Signale bei 198.5 bzw. 195.8 ppm den anti-Additionsprodukten 123 und 124 zugeordnet werden. Das syn/anti-Verhältnis wurde aus dem 31P-NMR-Spektrum mit 2.7:1 bestimmt.

Das Auftreten der beiden anti-Isomere zeigt, dass die 1,2-Additionsreaktion des Alkohols am 1,3,4-Thiazaphosphol – wie erwartet – nicht konzertiert abläuft. Durch die räumliche Nähe des Protons am Alkohol treten die syn-Additionsprodukte als Hauptprodukte auf.

Mit Hilfe von DFT-Rechnungen wurden die chemischen Verschiebungen und Kopplungskonstanten für die Verbindungen 121a–124a berechnet.

Die Zuordnung der Signale aus dem experimentellen 31P-NMR-Spektrum zu den vier Diastereomeren erfolgt über die relative chemische Verschiebung der einzelnen Strukturen und kann Tabelle 59 entnommen werden.

Die mittels DFT-Methoden ermittelten chemischen Verschiebungen sind in verhältnismäßig guter Übereinstimmung mit den Messwerten, wodurch eine relativ gesicherte Zuordnung der Signale möglich ist. Die berechneten JPH-Kopplungen liegen, soweit im Experiment bestimmt, in der Größenordnung der gemessenen Werte. Eine detailliertere Analyse wird hier nicht durchgeführt, da die Größe eine starke Abhängigkeit von geometrischen und elektronischen Strukturparametern zeigt, die auf dem

exp. < ∆½ < ∆½ 29.5 24.8

2JPCH

theo.1 9.8 9.1 38.2 39.0

exp. 8.3 7.5 8.5 < ∆½

3JPOCH

theo.1 9.2 9.0 9.5 6.9

Intrel 33 % 35 % 16 % 9 %

δ 31P(86b)exp. = 302.4; δ 31P(86b)theo. = 292.2;

31P)rel 31P(86b) – δ 31P

1: DFT/B3LYP mit aug-cc-pVQZ-Basis an S und P, aug-cc-pVDZ-Basis an O, N, C-2, C-5 und C=O, sonst cc-pVDZ; Standard: PH3 mit aug-cc-pVQZ-Basis an P und cc-pVDZ-aug-cc-pVQZ-Basis an H

Die Addition von Menthol an die P=C-Doppelbindung verläuft nicht stereoselektiv. Bei den gebildeten Produkten wird am Phosphor zu 49 % die (R)- und zu 44 % die (S)-Konfiguration erhalten.

Für die Reaktion von 86b mit 116 kann im Reaktionsspektrum eine vergleichbare Produktverteilung erhalten werden. Die Signale können analog zur oben beschriebenen Umsetzung mit (–)-Menthol zugeordnet werden. Die Reaktion verläuft auch hier nicht stereoselektiv. Das syn/anti-Verhältnis beträgt 2.4:1.

Bei der Umsetzung von 86b mit dem achiralen Alkohol 117 bilden sich ebenfalls die heterocyclischen Phosphane 121c–124c mit einem syn/anti-Verhältnis von 2:1. Die gebildeten Phosphane wurden durch Zugabe von Schwefel bzw. Selen in situ oxidiert und NMR-spektroskopisch charakterisiert.

Die Addition von Triphenylmethanol (125) an 86b verläuft nicht eindeutig zu den entsprechenden Phosphanen 121d–124d. Neben den zahlreichen Ringöffnungsprodukten kann eine Reihe von Verbindungen mit einer P-gebundenen Methylgruppe identifiziert werden, was nur durch eine Umesterungsreaktion der Esterfunktion am Thiazaphosphol 86b und anschließender Addition von Methanol an die P=C-Doppelbindung erklärt werden kann. Durch Zugabe von Schwefel wurden die gebildeten Phosphane in situ oxidiert und so weitere Folgereaktionen unterdrückt. Die gebildeten Produkte wurden isoliert und NMR-spektroskopisch charakterisiert.

145 M. Kaupp, M. Bühl, V. G. Malkin, Calculation of NMR and EPR Parameters – Theory and Applications, Wiley-VCH, Weinheim, 2004.

Der sterische Anspruch von 2,4,6-Tris(tert-butyl)-phenol (126) ist zu groß, so dass auch bei Zugabe von Oxidationsmitteln keine Addition an die P=C-Doppelbindung beobachtet werden kann.

Tabelle 60: 31P-NMR-Daten der Umsetzung von 86b mit den Alkoholen 115, 116 und 117; chemische Verschiebungen in ppm; Kopplungskonstanten in Hz.

δ 31P 2JPCH 3JPOCH Intrel 121a 208.7 n. b. 8.3 33 % 122a 208.4 n. b. 7.5 35 % 123a 195.8 24.8 n. b. 9 % 124a 198.5 29.5 8.5 16 % 121b 202.1 n. b. n. b. 31 % 122b 202.0 n. b. n. b. 31 % 123b 191.0 29.3 7.3 15 % 124b 191.9 29.3 7.3 16 % 121c

122c 195.2 n. b. --- 16 % 123c

124c 182.1 30.5 --- 8 % 121ca

122ca 119.5 15.0 --- n. b.

123ca

124ca 114.3 11.3 --- n. b.

121cb

122cb 110.0 9.3 --- 59%

123cb

124cb 116.3 14.2 --- 30%

8.4. Addition von Alkoholen an 2,5-Dimethyl-2H-1,2,3-diazaphosphol (79a)

Die 1,2-Additionsreaktion von sterisch anspruchsvollen Alkoholen an 2,5-Dimethyl-2H-1,2,3-diazaphosphol (79a) verläuft überraschend (Schema 97). Nach Einstellung des Reaktionsgleichgewichts kann nur eine minimale Umsetzung des Diazaphosphols beobachtet werden.

Durch Zugabe von grauem Selen können die gebildeten Phosphane 128 und 129 irreversibel oxidiert und das Gleichgewicht so auf die rechte Seite gezogen werden. Die selenierten Produkte werden im 31P-NMR (Abbildung 91) anhand der 77Se-Satelliten identifiziert. Die 31P-NMR-Daten der Additionsprodukte 128 und 129 sind in Tabelle 61 zusammengefasst.

Schema 97: Addition von 115 an 79a.

Trotz Zugabe des Oxidationsmittels Selen wird nur eine 76 %-ige Umsetzung von 79a im 31P-NMR-Spektrum beobachtet. Die Additionsreaktion verläuft auch hier nicht stereoselektiv. Die (R)- und (S)-Isomere 128ca bzw. 129ca werden im Verhältnis 1.2:1 gebildet. Im 31 P-NMR-Spektrum zeigen die Verbindungen 128ca bzw. 129ac eine Aufspaltung zum Sextett.

Abbildung 91: Ausschnitt (85–87 ppm) des 31P-NMR-Spektrums der Umsetzung von 79a mit 115 (ca. 0.2 M in THF).

Die Kopplungen zum Menthyl-Rest, zur N2-Me-Gruppe und die Kopplung zu einem der beiden Protonen am C4-Atom sind zufällig im Rahmen der Messgenauigkeit gleich groß und so erscheint das ausgebildete Dublett aus Dubletts aus Quartetts im Rahmen der Linienbreite als Sextett.

Bei der Umsetzung von 79a mit 116 in Anwesenheit von grauem Selen wird lediglich eine 39 %-ige Umsetzung zu den selenierten Verbindungen 128bb bzw. 129bb beobachtet. Die 31P-NMR-Verschiebungen von 128bb und 129bb liegen zu nahe zusammen, so dass im Rahmen der Linienbreite (∆½ ≈ 33.6 Hz) nur ein Signal beobachtet wird.

Bei der 1,2- Additionsreaktion von 79a mit 117 können trotz Zugabe von Selen die selenierten Enantiomere 128cb und 129bc nur in Spuren (1 %) im 31P-NMR-Spektrum nachgewiesen werden. Auch durch die Verwendung des stärkeren Oxidationsmittels Schwefel kann nicht mehr Umsatz erhalten werden.

Tabelle 61: 31P-NMR-Daten der Umsetzung von 79a mit den Alkoholen 115, 116 und 117 in Anwesenheit von Selen;

chemische Verschiebungen in ppm; Kopplungskonstanten in Hz.

128ab/129ab 128bb/129bb 128cb/129cb

δ 31P 91.6 90.7 87.4 73.9

2JPCH 10.2 10.0 10.5 10.5

3JPOCH 10.2 10.0 10.5 ---

3JPNCH 10.2 10.0 10.5 10.5

1JSeP 875.7 880.0 883.0 n. b.

Intrel 35 % 41 % 38 % 1 %

Bei der Umsetzung von 74d und 74e mit den sterisch anspruchsvollen Alkoholen Triphenylmethanol (125), 2,4,6-Tris(tert-butyl)-phenol (126) und 2,4,6-Trimethylphenol (127) wurde keine Umsetzung beobachtet.

Auch bei Zugabe von Schwefel und Selen können die entsprechenden Additionsprodukte nur in Spuren beobachtet werden.