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A5 Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen

Im Dokument 13. Menschenrechtsbericht (Seite 84-98)

Para Leichtathletik-EM 2018 in Berlin © Joerg Farys/picture alliance

Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen

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Zielbestimmend für die Politik der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen ist die Verwirklichung von Selbstbestimmung und Teilhabe. Dieser Ansatz ist be-stimmend für das „Neunte Buch Sozialgesetzbuch“, das „Behindertengleichstellungs-gesetz“ und das „Allgemeine Gleichbehandlungs„Behindertengleichstellungs-gesetz“.

Inklusion – und damit gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben, Chancengleichheit in der Bildung, beruf-liche Integration und die Aufgabe, allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit für einen selbstbestimmten Platz in einer barrierefreien Gesellschaft zu geben – ist der Leitgedanke des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen („Convention on the Rights of Persons with Disabilities“ – CRPD, auch: „VN-Behindertenrechtskonvention“ – VN-BRK), das Deutschland im Februar 2009 ratifiziert hat. Seit dem 26. März 2009 ist die VN-BRK im Rang eines einfachen Bundesgesetzes nationales Recht.

Staatliche Anlauf- und Kontaktstelle für die Durchführung des Übereinkommens nach Art. 33 Abs. 1 VN-BRK (sogenannter „Focal Point“) ist das BMAS.

Die bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen angesiedelte staatliche Koordinierungsstelle bindet Menschen mit Behinderungen sowie die breite Zivilgesellschaft aktiv in den Umsetzungsprozess der VN-BRK ein. Sie fungiert mithin als Schnittstelle zwischen staatlicher und zivil-gesellschaftlicher Ebene. Zur langfristigen und strategischen Begleitung der Um-setzung der VN-BRK wurde ein Inklusionsbeirat eingerichtet.

Die in Art. 33 Abs. 2 VN-BRK vorgesehene Aufgabe einer Monitoring-Stelle zur innerstaatlichen Durchführung und Überwachung des Übereinkommens wird vom

„Deutschen Institut für Menschenrechte“ (DIMR) wahrgenommen. Das DIMR gibt z. B. Empfehlungen und macht Vorschläge zur Durchführung des Übereinkommens und berät unter anderem die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag und andere Organisationen zu Fragen zum Übereinkommen.

Nationaler Aktionsplan der Bundesregierung zur VN- Behindertenrechtskonvention (BRK)

Der zweite, von der Bundesregierung am 28. Juni 2016 verabschiedete, weiterentwickelte Nationale Aktionsplan (NAP 2.0) baut auf das umfangreiche, über 200 Maßnahmen starke Maßnahmenbündel des ersten Aktionsplans der Bundesregierung zur VN-BRK mit 175 weiteren Maßnahmen auf. Als neues Handlungsfeld wurde das Thema Bewusst-seinsbildung, als Ausfluss der „Empfehlung 20“ der „Abschließenden Bemerkungen des VN-Ausschusses“, aufgenommen. Mittlerweile sind bereits 96 Prozent aller Maßnahmen gestartet, erfolgreich abgeschlossen oder umgesetzt.

Wie schon der NAP 2.0 wird auch dessen Fortschreibung aktuelle Weiterentwicklungen, die Ergebnisse der jährlich stattfindenden Statusabfrage – die letzte erfolgte im Juni 2018 mit Kabinetttermin am 24. Oktober 2018 –, der erneuten deutschen Staatenprüfung durch den VN-Ausschuss und die Erkenntnisse des 2017 veröffentlichten Teilhabeberichtes der Bundesregierung berücksichtigen. Der NAP 2.0 ist, wie bereits der seit 2011 geltende NAP, das Ergebnis eines intensiven Dialogs mit allen relevanten Akteuren, insbesondere auch der Menschen mit Behinderungen und ihren Interessen-vertretungen. Mit dem NAP 2.0 ist es gelungen, den politikfeldübergreifenden Ansatz noch weiter zu stärken. Zum NAP 2.0 haben erstmalig alle Bundesressorts Maßnahmen beigesteuert. Auch auf Basis des Koalitionsvertrages für die 19. Legislaturperiode wird bei der Fortschreibung ein Schwerpunkt auf das Thema “Digitalisierung und Inklusion“ gelegt werden.

Der Stärkung der Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung trägt die Bundesregierung im NAP 2.0 insbesondere durch das „Bundesteilhabegesetz“ (BTHG) Rechnung. Ein wesentliches Ziel der Reform ist in Abkehr von der institutionszentrierten Leistungserbringung die personenzentrierte Erbringung der Leistung: Die notwendige Unterstützung soll sich ausschließlich am notwendigen individuellen Bedarf orientieren und nicht (mehr) an einer bestimmten Wohnform. Weitere auch für Menschen mit Behinderungen wichtige rechtliche Änderungen im Bereich der Gesundheitsversorgung und der Sozialen Pflege-versicherung enthalten das „GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“ und das „Erste und Zweite Pflegestärkungsgesetz“, die dazu beitragen sollen, dass Menschen mit Behinderungen zukünftig noch zielgerichteter die ihren Bedürfnissen entsprechenden Gesundheits- und Pflegeleistungen erhalten können.

Die Ermöglichung eines selbstbestimmten und gemeinschaftlichen Lebens aller Menschen hat auch die „InitiativeSozialraumInklusiv“ (ISI) zum Thema. Die Auftaktver-anstaltung fand am 11. Juli 2018 in Essen statt. Die Initiative soll Bewusstsein schaffen

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für die Entwicklungspotentiale eines inklusiven Sozialraums in der gesamten Stadt- und Regionalentwicklung. Es sollen Bund, Länder und Kommunen sowie weitere staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure zusammengebracht werden.

Da im Zuge der älter werdenden Gesellschaft auch der Anteil von Menschen mit im Laufe des Lebens erworbenen Behinderungen ansteigt, beschreibt der NAP 2.0 zahlreiche Maß-nahmen, die z. B. die Teilhabe gehörloser und hörbehinderter Menschen im Alter und die Teilhabe der Menschen, die an Demenzerkrankungen leiden, fördern.

Auch im Bereich der inklusiven Bildung setzt die Bundesregierung durch Maßnahmen zur Förderung von inklusiver Bildung deutliche Akzente. Das Handlungsfeld Bildung des NAP 2.0 bezieht sich vor allem auf den Artikel 24 der VN-BRK, in dem die Vertrags-staaten das Recht der Menschen mit Behinderungen auf Bildung anerkennen. Ziel des Handlungsfeldes ist die Umsetzung des inklusiven Lernens in Deutschland. Da die Länder hauptsächlich für die Bildung zuständig sind, verfolgen die Maßnahmen des Bundes in diesem Handlungsfeld größtenteils die drei Instrumentalziele des NAP 2.0 Sensibilisierung, Verbesserung der Datengrundlage und Vernetzung verschiedener Akteure.

Die Förderung von Barrierefreiheit ist auch im NAP 2.0 ein zentrales Thema in den verschiedenen Handlungsfeldern und Maßnahmen. Dabei reicht das Thema von der Förderung des Abbaus von Barrieren im privaten Wohnraum, z. B. mit dem KfW-Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ über das 3. Programm der Deutschen Bahn AG zur Verbesserung der Barrierefreiheit im Bahnverkehr bis hin zur Einführung eines einheitlichen Kennzeichnungssystems im Tourismussektor.

Nach Abschluss der beiden im NAP 2.0 verankerten Forschungsvorhaben, die die recht-liche Betreuung untersuchten, und im Hinblick auf die „Abschließende Bemerkung 26“

über den ersten Staatenbericht hat die Bundesregierung einen interdisziplinären und partizipativen Diskussionsprozess zur Reform des Betreuungsrechtes gestartet. Ziel ist es, das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen noch mehr zu stärken.

Als bewusstseinsfördernde Maßnahme führte das DIMR von 2016 bis 2018 mit Förder-mitteln des Bundes Fachtage für Richterinnen und Richter der Sozialgerichtsbarkeit zum Thema „VN-BRK“ durch. Ziel ist die Entwicklung, Erprobung und Praxiseinführung von Modulen und Schulungsmaterialien für die Zielgruppe Richterschaft, um deren Kennt-nisse in Bezug auf den Inhalt und die Reichweite der VN-BRK zu vertiefen.

Vor dem Hintergrund, dass Inklusion insbesondere die Möglichkeit beinhaltet, den Lebensunterhalt durch frei gewählte Arbeit verdienen zu können, legt die Bundesregierung auch im NAP 2.0 wieder einen besonderen Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Förderung

der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie setzt dabei diesmal stärker auf gesetzliche Änderungen, die die recht-lichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass noch mehr Menschen mit Behinderungen Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden können. Zentrales Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderungen ihren Wünschen und ihrem Leistungsvermögen entsprechend neue berufliche Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnet werden. In den Jahren 2011 bis 2018 werden z. B. rund 140 Mio. Euro aus dem „Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben“

zur Verfügung gestellt, um im Rahmen der „Initiative Inklusion“ folgende Schwerpunkt-aktivitäten zu unterstützen:

. Berufsorientierung zur Vorbereitung auf das Berufsleben von schwerbehinderten Schülern; Berufsorientierung für junge Menschen mit Behinderungen wurde darüber hinaus als Regelinstrument der Arbeitsförderung verankert; zudem nehmen Jugend-liche mit Behinderungen in ihrem Klassenverband an Maßnahmen des Berufs-orientierungsprogramms des BMBF (s.u.) teil;

. Betriebliche Ausbildung schwerbehinderter Jugendlicher in anerkannten Aus-bildungsberufen durch Schaffung von 1.300 neuen betrieblichen Ausbildungsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt;

. Schaffung von 4.000 neuen Arbeitsplätzen für ältere (über 50-jährige) arbeitslose oder arbeitsuchende schwerbehinderte Menschen;

. Aufbau von Inklusionskompetenz bei den Kammern (Industrie- und Handels-kammern, HandwerksHandels-kammern, Landwirtschaftskammern) durch die Stärkung der Beratung von Mitgliedsunternehmen. Ziel ist die Schaffung von mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, um deren Zugang zum all-gemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern.

Die Maßnahmen für junge Menschen mit Schwerbehinderungen werden ergänzt durch ein Berufsorientierungsprogramm für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I allgemeinbildender Schulen. Hier fördert die Bundesregierung über Berufsbildungs-träger handlungsorientierte Potenzialanalysen und praktische Werkstatttage für Jugend-liche. Davon profitieren auch Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sowohl in Förderschulen (derzeit ca. 18,5 Prozent der teilnehmenden Schulen) als auch in inklusiv unterrichteten Klassen (der Anteil der jungen Menschen mit Behinderungen wird nicht erfasst). Derzeit beträgt das Jahresbudget des Programms 77 Mio. Euro, womit jährlich Maßnahmen für rund 195.000 Schüler bereitgestellt werden.

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Bilingualer Unterricht auf Deutsch und Gebärden © Jörg Carstensen/picture alliance/dpa

Im Oktober 2013 wurde eine dreijährige Inklusionsinitiative für Ausbildung und Be-schäftigung vereinbart, in der sich Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von Spitzenverbänden der Wirtschaft, Gewerkschaft, den Verbänden der Menschen mit Behinderungen und der Bundesagentur für Arbeit aktiv nachhaltig für eine verstärkte berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen einsetzen. Die Initiative beinhaltet unter anderem ein Förderprogramm zur intensivierten beruflichen Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen mit einem Ausgabe-volumen von 80 Mio. Euro.

Zur Förderung des Ausbaus neuer Arbeitsplätze in Inklusionsbetrieben hat das BMAS das Förderprogramm „Inklusionsinitiative II – AlleImBetrieb“ erarbeitet. Vorgesehen ist die Förderung der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in bestehenden oder neuen Inklusionsbetrieben nach § 215 SGB IX in den kommenden Jahren mit insgesamt 150 Mio. Euro aus Mitteln des Ausgleichsfonds. Die Mittel werden den Ländern zur Aus-führung der Förderung durch die Integrationsämter zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang wurde im September 2017 eine Evaluation zu der Frage aufgesetzt, ob und wie die Förderung der Inklusionsbetriebe effizienter gestaltet werden kann. Die Evaluation läuft bis Herbst 2020.

Der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und CSU für die 19. Legislaturperiode sieht vor Inklusionsbetriebe weiter zu fördern. Sollten die bisher bereitgestellten 150 Mio. Euro nicht ausreichen, den Bedarf an neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Inklusions-betrieben zu decken, erwägt das BMAS, darauf hinzuwirken, diese Anschubfinanzierung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (Ausgleichsfonds) bedarfsgerecht aufzustocken, wenn die Ergebnisse der Evaluation dies nahelegen.

Mit dem Bundesteilhabegesetz wurde die bisher auf Werkstätten für behinderte Menschen beschränkte bevorzugte Vergabe öffentlicher Aufträge auf Inklusionsbetriebe erweitert.

Die Bundesregierung wird allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, um die bevor-zugte Vergabe an Werkstätten für behinderte Menschen und Integrationsbetriebe sowohl für den Bund als auch für die Länder und Kommunen näher zu regeln. Dieses Vorhaben dient damit sowohl der Weiterentwicklung der Werkstätten für behinderte Menschen als auch der Umsetzung der Vorgabe des Koalitionsvertrages.

Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen

Im Dezember 2013 ist der Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen erschienen. Dieser basiert auf einer Neukonzeption, die sich an der VN-BRK orientiert. Der Teilhabebericht stützt sich auf Indikatoren, die auf die Artikel der VN-BRK bezogen sind. Der zweite Teilhabebericht der Bundesregierung wurde auf dieser Grundlage weiterentwickelt und Anfang 2017 veröffentlicht. Um eine weitere Verbesserung der Datenlage zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen, hat das BMAS im Jahr 2016 die Durchführung einer repräsentativen Befragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vergeben. Diese Befragung wurde durch eine Vorstudie vorbereitet und das in der Vorstudie entwickelte Befragungsinstrument sorgfältigen Tests unterzogen.

Zu einer barrierefreien Gesellschaft gehört auch der Zugang zu den Angeboten der Sexualaufklärung und der Familienplanung für Menschen mit Behinderungen. In diesem Sinne leistete das von der Bundesregierung von März 2013 bis Februar 2016 ge-förderte Modellprojekt zur Schwangerschaftsberatung für Menschen mit Behinderungen des Bundesverbandes donum vitae „Ich will auch heiraten“ einen wichtigen Beitrag zur konkreten Umsetzung der VN-BRK und des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention.

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Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode ist vereinbart, den Nationalen Aktions-plan fortzuschreiben und dabei das Thema „Digitalisierung und Inklusion“ besonders in den Fokus zu nehmen. Angesichts der großen Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien in allen Bereichen des Lebens muss das Potenzial der Informationsgesellschaft auch für Menschen mit Behinderungen noch besser erschlossen werden. Vor allem die Digitalisierung eröffnet Menschen mit Behinderungen wichtige neue Teilhabechancen und -wege.

Frauen mit Behinderungen

Die repräsentative Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Be-hinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland“ (2011) belegt, dass diese Gruppe sämtlichen Formen von Gewalt deutlich häufiger ausgesetzt ist als Frauen im völkerungsdurchschnitt. Neben der direkten personalen Gewalt gegen Frauen mit Be-hinderungen sind sie vielfältigen Formen von Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt. Diese von ihnen erfahrenen Mehrfachdiskriminierungen sind abzubauen (vgl.

Art.6 VN-BRK).

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen trägt der hohen Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen Rechnung. Eines der dreizehn Handlungsfelder des Aktionsplans zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention bündelt die Maßnahmen zum Abbau der mehr-fachen Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen. Ein wesentlicher Teil dieses Maßnahmenbündels betrifft die Verbesserung von Gewaltprävention und Unter-stützungsangeboten für Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Im Rahmen des zweiten Nationalen Aktionsplans VN-Behindertenrechtskonvention (NAP 2.0) strebt die Bundesregierung an, Maßnahmen aus dem ersten NAP zugunsten von Frauen mit Behinderungen, die sich in der Praxis bewährt haben, zu verstetigen. Handlungsschwer-punkte sind: Förderung der Interessenvertretung von Frauen mit Behinderungen und Stärkung ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten in Werkstätten sowie Stärkung des Gewalt-schutzes für Frauen mit Behinderungen.

Auch auf Basis des Koalitionsvertrages für die 19. Legislaturperiode, in dem der Schutz ins-besondere von Frauen und Mädchen mit Behinderungen vor Gewalt explizit als Aufgabe benannt wird, und auch mit Blick auf das zur Zeit laufende Staatenprüfungsverfahren, ist es Ziel der Bundesregierung, eine Konzeption für einen Ebenen-übergreifenden und umfassenden Schutz von Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu erarbeiten. Dies bezieht auch die Schaffung von unabhängigen, niedrigschwelligen Aufsichts- bzw. Be-schwerdemechanismen mit ein.

Das vom BMFSFJ seit März 2018 für drei Jahre geförderte Nachfolgeprojekt „Politische Interessenvertretung behinderter Frauen“ des „Weibernetz e. V.“ verfolgt ebenfalls die genannten Handlungsschwerpunkte. „Weibernetz“ ist die einzige Organisation auf Bundesebene von Frauen mit Behinderungen für Frauen mit Behinderungen. Die Förderung des Vereins ist ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung des Artikels 4 der VN- Be-hindertenrechtskonvention, wonach die Betroffenen aktiv in die Maßnahmenplanung und Umsetzung einzubeziehen sind.

Die Bundesregierung fördert zudem seit Oktober 2016 für drei Jahre ein Projekt zum Aufbau eines „Bundes-Netzwerks für Frauenbeauftragte in Einrichtungen“. Seit Beginn des vom BMFSFJ geförderten ersten Projektes „Frauenbeauftragte in Einrichtungen der Behindertenhilfe“ hat sich diese Idee in der Praxis als ein erfolgreicher Beitrag zur Stärkung von Frauen mit Lernschwierigkeiten und zum Gewaltschutz in Einrichtungen erwiesen. Dies war eine wichtige Grundlage für die gesetzliche Festschreibung der institutionalisierten Einrichtung von Frauenbeauftragten durch die Novellierung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung zum 1. Januar 2017. Damit die Idee schnell und erfolgreich in den Einrichtungen umgesetzt werden kann, bedarf es einer Begleitung, die die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis weiterentwickelt, die Interessen der Frauen-beauftragten bündelt und sie wirkungsvoll vertritt. Das Modellprojekt hat darum eine Interessenvertretung auf Bundesebene zur Vernetzung der Frauenbeauftragten in Ein-richtungen zum Ziel. Das Projekt unterstützt die Frauenbeauftragten als Expertinnen in eigener Sache Arbeitsstrukturen, Aufgaben und Trägerschaft eines solchen Netzwerks zu erarbeiten und zu bestimmen.

Weitere Entwicklungen zur VN-BRK in Deutschland

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde das deutsche Recht im Lichte der VN-BRK weiterentwickelt. Damit wird die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessert und ihre Teilhabe und Selbstbestimmung gestärkt. Der Behindertenbegriff wurde nach dem Verständnis der VN-BRK neu gefasst. Die frühzeitige Unterstützung bei der Rehabilitation wird verbessert und eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung eingeführt. Dabei steht der „Peer-Counselling-Ansatz“ im Vordergrund: die Beratung von Menschen mit Behinderungen durch Menschen mit Behinderungen. Mit einem umfang-reichen Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“

werden bis zum Jahr 2026 Jobcenter und Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Durchführung von Modellprojekten zur Erprobung von innovativen Ideen und An-sätzen bei der frühzeitigen Erkennung und Prävention einer chronischen Erkrankung oder Behinderung gefördert. Darüber hinaus werden Teilhabemöglichkeiten unter anderem durch die Einführung eines Budgets für Arbeit sowie durch die Einführung einer neuen

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Leistungsgruppe zur Teilhabe an Bildung verbessert. Die Eingliederungshilfe wird aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe herausgeführt und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe orientieren sich ab dem Jahr 2020 nicht mehr an bestimmten Wohnformen, sondern ausschließlich am individuellen Bedarf. Das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen wird gestärkt. Zudem werden bei der Heranziehung von Einkommen und Vermögen erhebliche Verbesserungen umgesetzt. Die Einführung der neuen Regelungen der Eingliederungshilfe unterstützt das BMAS bis zum Jahr 2022 mit fünf wissenschaftlichen Begleit- und Untersuchungs-projekten. Wie auch bei der Erarbeitung des BTHG, finden hier eine enge Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern, den Leistungserbringern und ein stetiger Austausch mit den Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden statt.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) aus dem Jahr 2002 wurde 2016 mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts, das am 27. Juli 2016 in Kraft getreten ist, in vielen Bereichen fortentwickelt. Ein wichtiger Punkt bei dieser Novellierung war die Errichtung einer Bundesfachstelle für Barrierefreiheit bei der

„Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See“ und die Einführung eines Schlichtungsverfahrens mit der Einrichtung einer Schlichtungsstelle bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.

Am 23. Dezember 2016 ist die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen in Kraft getreten. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen nach den hier beschriebenen Regelungen sicherzustellen. Die barrierefreie Informationstechnik ist in der Bundesrepublik Deutsch-land im BGG und in der „Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung“ (BITV 2.0) geregelt. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts von 2016 wurden bereits einige Elemente der Richtlinie wie etwa die mobilen Apps und das Intranet der Behörden erfasst. Deutschland musste seine Rechts- und Verwaltungsvor-schriften jedoch weiter anpassen, um die Vorgaben der Richtlinie vollständig umzusetzen.

Mit dem „Gesetz zur Verlängerung befristeter Regelungen im Arbeitsförderrecht und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“ ist die Richtlinie für den Zu-ständigkeitsbereich des Bundes umgesetzt worden. Mit den Änderungen wurden erneut notwendige Anpassungen des BGG vorgenommen. Der neuen Überwachungsstelle, die wie die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit bei der DRV Knappschaft-Bahn-See eingerichtet wurde, und der Schlichtungsstelle wurden die wesentlichen Aufgaben zur Sicherstellung

des von der Richtlinie geforderten Überwachungs- und Durchsetzungsverfahren auf-getragen. Die öffentlichen Stellen des Bundes werden hierdurch angehalten, sich stärker mit der Barrierefreiheit ihrer Webseiten und mobilen Anwendungen auseinanderzusetzen.

Die Länder ergreifen ebenfalls die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen, um die Richt-linie für ihren Regelungsbereich umzusetzen.

Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in das allgemeine Bildungssystem und das gemeinsame zielgleiche oder zieldifferenzierte Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen in der allgemeinen Schule ist ein weiterer Schwerpunkt bei der Umsetzung der VN-BRK.

Mit der Empfehlung „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Be-hinderungen in Schulen“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20. Oktober 2011) ist die qualitative und quantitative Ausweitung inklusiver Bildungsangebote zu einem Schwerpunkt bildungspolitischen Handelns der Bundesländer geworden. Ziel ist es, unter Berücksichtigung der Vorgaben der VN-Kinderrechtskonvention und der

Mit der Empfehlung „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Be-hinderungen in Schulen“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20. Oktober 2011) ist die qualitative und quantitative Ausweitung inklusiver Bildungsangebote zu einem Schwerpunkt bildungspolitischen Handelns der Bundesländer geworden. Ziel ist es, unter Berücksichtigung der Vorgaben der VN-Kinderrechtskonvention und der

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