• Keine Ergebnisse gefunden

A7 Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener

Im Dokument 13. Menschenrechtsbericht (Seite 114-130)

Menschenfeindlichkeit

Anti-Rassismus-Demo „United against Racism“ am 29. September 2018 in Hamburg. Über 400 Organisationen, Initiativen und Institutionen unterstützen den Aufruf unter dem Motto „United Against Racism“. © Bodo Marks/dpa

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

Diskriminierungen und Herabsetzungen von gesellschaftlichen Gruppen oder Individuen aufgrund tatsächlicher oder zugeschriebener religiöser oder ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, einer Behinderung oder anderer Persönlichkeitsmerkmale sind mit der Verfassung der Bundesrepublik und den Menschenrechten (z. B. Art 1 AEMR) unvereinbar. Aktuell werden demokratische Ge-sellschaften weltweit herausgefordert. Nicht zuletzt Bedrohungen durch unterschied-liche extremistische und terroristische Bestrebungen gefährden den gesellschaftunterschied-lichen Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben aller Menschen. Daher bleibt es von anhaltend großer Bedeutung, immer wieder für eine offene, vielfältige Gesellschaft und das Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen einzutreten.

Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus

Die Bundesregierung hat deshalb am 14. Juni 2017 einen neuen „Nationalen Aktions-plan gegen Rassismus – Positionen und Maßnahmen zum Umgang mit Ideologien der Ungleichwertigkeit und den darauf bezogenen Diskriminierungen“ (NAP) beschlossen.

Die Vereinten Nationen haben sich im Aktionsprogramm der Weltkonferenz gegen Rassismus im Jahr 2001 in Durban (Südafrika) verpflichtet, in Konsultation mit nationalen Menschenrechtsinstitutionen, Institutionen zur Bekämpfung von Rassismus und der Zivilgesellschaft nationale Aktionspläne gegen Rassismus auszuarbeiten. Der NAP gegen Rassismus folgt diesem Anliegen und nimmt Bezug auf den entsprechenden Kontext der Vereinten Nationen.

Vor dem Hintergrund von Polarisierungen und Radikalisierungen in Teilen der Gesell-schaft, unter anderem in den Asyldebatten oder bei Anfeindungen gegenüber betroffenen Gruppen, wie z. B. Juden, Sinti und Roma, Muslimen, Schwarzen Menschen oder lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Personen, ist es eine gesamt-staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich diesen Phänomenen fortwährend entgegen zu stellen.

Kern des beschlossenen NAP gegen Rassismus sind Positionen und Maßnahmen in folgenden Handlungsfeldern: Menschenrechtspolitik, Schutz vor Diskriminierung und Ahndung von Straftaten, Bildung und politische Bildung; gesellschaftliches und

politisches Engagement für Demokratie und Gleichwertigkeit, Diversität im Arbeitsleben, Aus- und Fortbildung sowie Stärkung interkultureller und sozialer Kompetenz im Beruf, Bekämpfung von Rassismus und Hass im Internet sowie Forschung zum Thema.

Der NAP gegen Rassismus ist nicht als statisches Programm zu verstehen, sondern – im Rahmen der föderalen Zuständigkeit – eine Rahmensetzung seitens der Bundesregierung, offengehalten für weitere Diskurse im Sinne eines politischen Projekts.

Im seit dem Jahr 1998 bestehenden Forum gegen Rassismus (FgR) tauscht sich die Bundes-regierung regelmäßig mit rund 55 NichtBundes-regierungsorganisationen zu Fragen und Möglich-keiten der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus, so z. B. auch im Rahmen von Konsultationen zivilgesellschaftlicher Initiativen zur Erstellung des o.g. NAP.

Kindergipfel im Landtag von Baden-Württemberg © Christoph Schmidt/dpa

Seit dem Jahr 2015 fördert das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zivilgesellschaft-liches Engagement für Demokratie und gegen jede Form des Extremismus auf kommunaler, regionaler und überregionaler Ebene. Es leistet einen wichtigen Beitrag im Bereich der Prävention von Rassismus und anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeind-lichkeit, berücksichtigt dabei wichtige Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

und ist eingebettet in den neuen NAP gegen Rassismus. Die Hauptzielgruppe des Bundes-programms sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich der Pädagogik, der Jugendarbeit, der Zivilgesellschaft, der Bildung sowie im Bereich der Polizei und der Justiz.

Im Jahr 2016 umfasste das Fördervolumen von „Demokratie leben!“ 50,5 Millionen Euro.

Im Jahr 2017 wurde für die Erweiterung und Vertiefung des Bundesprogramms und seiner Projekte das Fördervolumen auf 104,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Für das Jahr 2018 standen 115,5 Millionen Euro zur Verfügung.

In allen Bundesländern werden über das Bundesprogramm Landes-Demokratiezentren gefördert, die von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Betroffene beraten.

Die Einrichtung von Stellen für eine zivilgesellschaftliche Opferberatung geht auf die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zurück. Die Beratung richtet sich an Betroffene, aber auch an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die Unterstützung im Umgang mit Rassismus oder anderen Formen der Diskriminierung suchen. Gefördert werden außerdem zahlreiche Einzelmaßnahmen unter anderem im Rahmen der lokalen Partnerschaften für Demokratie.

Sowohl im Bereich des Aufbaus nachhaltiger zivilgesellschaftlicher Strukturen, als auch im Bereich der Modellprojekte werden verschiedene Maßnahmen gefördert, die sich zentral mit präventiv-pädagogischen Maßnahmen gegen Rassismus, aktuelle Formen des Antisemitismus, Antiziganismus, LGBTI-Feindlichkeit sowie antimuslimischen Rassismus befassen. Insgesamt werden bundesweit 96 Modellprojekte unterschiedlicher Träger zu ausgewählten Phänomenen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und zur Demokratiestärkung im ländlichen Raum gefördert, die innovative methodische und pädagogische Ansätze und Arbeitsformen im Bereich der Präventivpädagogik ent-wickeln und erproben. Im Jahr 2016 wurde das Themenspektrum für die Entwicklung und Erprobung neuer Arbeitsansätze um „Rassismus und rassistische Diskriminierung“

und „Frühprävention im Vorschulalter“ erweitert.

Im Jahr 2017 wurde das Bundesprogramm um die Programmbereiche „Engagement und Vielfalt in der Arbeits- und Unternehmenswelt“, „Demokratieförderung im Bildungs-bereich“, „Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft“, „Stärkung des Engagements im Netz – gegen Hass im Netz“ und „Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe“ ergänzt. In diesem Rahmen werden ebenfalls Modellprojekte gefördert, die sich unter anderem präventiv-pädagogisch mit Rassismus und anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auseinandersetzen.

Seit dem Jahr 2016 werden die „Neuen Deutschen Medienmacher e. V.“ für die nationale Umsetzung der „No Hate Speech Movement“-Kampagne des Europarats im Rahmen des Bundesprogramms gefördert. Auch nach Ende der europäischen Koordinierung der Kampagne im Dezember 2017 wurde und wird die nationale „No Hate Speech Movement“-Kampagne als Modellprojekt im neu eingerichteten Programmbereich „Stärkung des Engagements im Netz – gegen Hass im Netz“ bis Ende 2019 fortgeführt und weiter-entwickelt. 18

Besonders hervorzuheben ist auch die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Trägern der Präventionsarbeit, die nicht nur lokal gegen Rassismus und andere Formen der gruppen-bezogenen Menschenfeindlichkeit aktiv werden, sondern vom BMFSFJ darin gefördert werden, ihre erfolgreiche Arbeit in unterschiedlichen Themen- und Strukturfeldern zu professionalisieren und auf Bundesebene auszubauen. Diese Träger sollen als langfristige Kooperationspartner gestärkt werden. Insgesamt werden 35 zivilgesellschaftliche Träger in ihrer Strukturentwicklung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ unterstützt.

Seit dem Jahr 2017 wurden zudem neue Themen- und Strukturfelder in die Förderung auf-genommen, die auch „Rassismusprävention sowie Empowerment Schwarzer Menschen“

und „Akzeptanzförderung und Empowerment für lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle bzw. -geschlechtliche Menschen“ einbeziehen.

Schutz vor Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität

Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität sind Teil der Menschenrechte und stellen zentrale Aspekte der Persönlichkeit dar. Viele Menschen erleiden jedoch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität Diskriminierung.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Diskriminierung von Menschen auf-grund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität beendet wird. Innerhalb der Bundesregierung ist das BMFSFJ koordinierend für Fragestellungen und Aufgaben im Hinblick auf lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und transgeschlechtliche sowie intergeschlechtliche Menschen zuständig.

Seit dem 1. Oktober 2017 können schwule und lesbische Paare in Deutschland heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren und wurden dadurch in ihren Rechten gestärkt. Die Öffnung der Ehe für alle war ein Meilenstein in der rechtlichen Gleichstellung homo-sexueller Paare.

18 https://no-hate-speech.de/

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

Ferner trat am 22. Juli 2017 das Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung der nach

§ 175 StGB und § 151 StGB DDR Verurteilten in Kraft. Das Gesetz spricht den Opfern des

§ 175 StGB eine einmalige Entschädigung von 3.000 Euro für jede Verurteilung, sowie zu-sätzlich 1.500 Euro für jedes angefangene Haftjahr zu. Entschädigungsansprüche können in einem sehr niedrigschwelligen Verfahren beim Bundesamt für Justiz mit Inkrafttreten des Gesetzes geltend gemacht werden. Um über diese Möglichkeit und die damit ver-bundenen Modalitäten der Antragstellung zu informieren, wurde im zweiten Halbjahr 2017 mit Mitteln des BMFSFJ eine Beratungshotline der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) e. V. gefördert.

Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – und deren Umsetzung wurde bereits in Abschnitt A 1 (Zwischenüberschrift:

Schutz vor Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität) eingegangen.

Fremdenfeindliche und rassistische Beiträge in sozialen Netzwerken und im Internet Im Zuge der Aufnahme von Flüchtlingen sind fremdenfeindliche und rassistische Bei-träge in sozialen Netzwerken und auf Plattformen im Internet erheblich angestiegen.

Nach Auffassung der Bundesregierung konnte dem nicht allein mit den Mitteln des Strafrechts begegnet werden. Daher wurde das Gesetz zur Verbesserung der Rechts-durchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzwerkRechts-durchsetzungsgesetz) auf den Weg gebracht, das am 1. Januar 2018 vollständig in Kraft trat. Das Netzwerkdurchsetzungs-gesetz führt bußgeldbewehrte „Compliance“-Regeln ein, um soziale Netzwerke mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern zu einer schnellen Bearbeitung von Nutzer-beschwerden über strafbare Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere bestimmte strafbare Inhalte anzuhalten. Das Gesetz erfasst nur Inhalte, die bestimmte Straftatbestände nach dem deutschen Strafgesetzbuch erfüllen, wie z. B. die Volksver-hetzung (§ 130 StGB). Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen die sozialen Netzwerke binnen 24 Stunden nach Meldung entfernen, rechtswidrige Inhalte binnen einer Regelfrist von sieben Tagen. Zusätzlich enthält das Gesetz zahlreiche Sicherungsmechanismen, damit es auf Grund des Gesetzes nicht zu einem Löschen von rechtmäßigen Beiträgen durch die Netzwerke kommt.

Im föderalen Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland ist die Opferhilfe grund-sätzlich Ländersache. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der einzelnen Opfersituationen gibt es eine Vielzahl staatlicher Stellen (wie z. B. die Opfer(schutz)beauftragten der Länder (Berlin, Nordrhein-Westfalen), die Opferschutzbeauftragten bei den Polizeidienststellen und die Zeugenbetreuungsstellen) und nicht-staatlicher Einrichtungen, die teilweise

miteinander vernetzt sind und Opfern Unterstützung anbieten. Die Hilfsangebote reichen über Beratung, Begleitung des Opfers zu Gerichtsterminen, Therapien bis hin zu finanziellen Hilfen. Durch die Vielfältigkeit der Opferhilfe kann individuell auf die Be-dürfnisse der Betroffenen eingegangen werden. So gibt es in den einzelnen Bundesländern auch Einrichtungen, die sich beispielsweise auf die Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalt spezialisiert haben. Auf Seiten der Länder wurden außerdem im Rahmen von durch die Bundesregierung initiierten und geförderten Bundesprogrammen landesweite Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus aufgebaut.

Seit dem Jahr 2001 werden für Opfer extremistischer Übergriffe finanzielle Hilfen im Bundeshaushalt als Härteleistungen bereitgestellt, die vom Bundesamt für Justiz ver-waltet werden. Diese Leistungen sind als Akt der Solidarität des Staates und seiner Bürger mit den Betroffenen zu verstehen und sollen ein deutliches Zeichen für die Ächtung derartiger Übergriffe setzen. In den Haushaltsjahren 2014 bis 2016 betrugen die Mittel jeweils 700.000 Euro.

Antragssteller und Empfänger der Leistungen sind in vielen Fällen Mitbürger, die auf Grund ihrer Herkunft oder Hautfarbe Opfer von massiven Beleidigungen und Körper-verletzungen wurden. Zu den Empfängerinnen und Empfängern von Härteleistungen gehörten aber auch Personen, die sich aktiv gegen fremdenfeindliche Gewalt engagierten und deshalb zum Ziel von massiven Bedrohungen wurden.

Im Jahr 2016 gingen beim Bundesamt für Justiz für diese Form der Übergriffe 168 An-träge ein. Insgesamt wurde an 94 Opfer rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher oder rassistisch motivierter Gewalt Härteleistungen gezahlt. Die Höhe der getätigten Aus-zahlungen für 2016 betrug 238.000 Euro.

Im Jahr 2017 gingen für extremistische Übergriffe 130 Anträge ein, von denen bisher 69 positiv beschieden wurden. Die Höhe der getätigten Auszahlungen für 2017 betrug 323.380 Euro. In 2018 gingen bisher beim Bundesamt für Justiz 136 Anträge ein.

Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung

Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern ist die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Ein fundamentales Prinzip dieser freiheitlich demokratischen Grundordnung ist die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, vor allem des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

In der rechtsextremistischen Weltsicht bestimmt die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder „Rasse“ über den Wert eines Menschen. Schwerpunkte rechtsextremistischer Agitation sind Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus.

Die Beobachtung des Rechtsextremismus gehört daher zu den Aufgabenschwerpunkten der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Die gewonnenen Erkennt-nisse dienen der Analyse und Bewertung des von der rechtsextremistischen Szene aus-gehenden Gefährdungs- und Bedrohungspotenzials sowie – darauf aufbauend – der Vorbereitung und Durchführung konkreter Bekämpfungsmaßnahmen.

Verfassungsfeindliche Bestrebungen werden nicht nur durch nachrichtendienstliche Beobachtung bekämpft, sondern auch durch „Verfassungsschutz durch Aufklärung“. So informiert der Verfassungsschutz die Bevölkerung durch Öffentlichkeitsarbeit über die Gefahren des Rechtsextremismus. Dies geschieht insbesondere durch die Verfassungs-schutzberichte, die jährlich von Bund und Ländern herausgegeben werden. Darüber hinaus erstellen die Verfassungsschutzbehörden Broschüren und Beiträge zu aktuellen verfassungsschutzrelevanten Themen, zum Beispiel zur Entwicklung und zur Rolle der Musik im Rechtsextremismus.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt sein Aussteigerprogramm „Hilfe zur Selbst-hilfe“ im Bereich Rechtsextremismus erfolgreich weiter. Über das Aussteiger-Kontakttele-fon haben sich seit Programmbeginn im Jahr 2001 mehr als 1.200 Anrufer gemeldet. Mehr als 10 Prozent der Anruferinnen und Anrufer haben das Programm bis zum individuellen Abschluss durchlaufen.

Eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen menschenverachtende Bestrebungen sind Organisationsverbote. Diese können das extremistische Gedankengut zwar nicht aus den Köpfen der Menschen eliminieren. Allerdings berauben sie die verbotenen Organisationen der „apparativen Basis“, um ihr verfassungsfeindliches Gedankengut weiter zu verbreiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar 2017 das Urteil im NPD-Verbotsverfahren verkündet. Das Gericht hat den Antrag des Bundesrates auf Verbot der NPD als un-begründet zurückgewiesen. Zwar verfolge die NPD verfassungsfeindliche Ziele, es fehle aber an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen ließen, dass ihr Handeln zum Erfolg führe (sogenannte Potentialität). In seinem Urteil hat das Bundes-verfassungsgericht auf die Möglichkeit der Streichung staatlicher Finanzmittel durch den verfassungsändernden Gesetzgeber hingewiesen. Die entsprechenden gesetzlichen Änderungen Art. 21 GG, im PartG und weiteren Gesetzen sind zum 22. Juni 2017 in Kraft getreten.

Vor dem Hintergrund sich ständig verändernder Gegebenheiten und Erscheinungs-formen von rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten müssen die polizeilichen Bekämpfungsmaßnahmen fortlaufend angepasst werden. Dabei sind beachtliche Erfolge der Strafverfolgungsbehörden zu verzeichnen.

Das Oberlandesgericht (OLG) München verurteilte im März 2017 vier Mitglieder der zunächst als virtuelle Gruppierung gegründeten „Oldschool Society“ (OSS) wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß §  129a StGB zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. An diesem Beispiel zeigt sich, dass ein teils fließender Übergang von aggressiver Rhetorik zu konkreten Planungen oder zu tatsächlichen Straf- und Gewalttaten mit rechtsterroristischen Dimensionen auch künftig möglich scheint. Am 27. April 2017 erhob der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Anklage vor dem Staatsschutzsenat des OLG Dresden gegen zwei weitere mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen OSS, ebenfalls wegen der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB sowie die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens gemäß § 310 StGB.

Seit dem 11. April 2016 führt der Generalbundesanwalt ein weiteres Verfahren gegen acht deutsche Staatsangehörige und weitere, bislang unbekannte Personen wegen Verdachts der Gründung von bzw. Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung

„Gruppe Freital“ und anderer Straftaten, unter anderem des Herbeiführens von Spreng-stoffexplosionen gemäß §  308 StGB an zwei Asylunterkünften in Freital sowie an einem alternativen Wohnprojekt in Dresden. Das OLG Dresden verurteilte am 7. März 2018 acht Beschuldigte wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB, versuchten Mordes bzw. Beihilfe dazu und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu mehrjährigen Haftstrafen.

Das Landgericht Dresden verurteilte am 24. August 2017 zwei Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführung einer Spreng-stoffexplosion zu Haftstrafen von jeweils drei Jahren und acht Monaten. Beide An-geklagten wurden für schuldig befunden, aktive Mitglieder der FKD gewesen zu sein und sich in diesem Zusammenhang an gezielten und vorab geplanten Gewalttaten gegen Asylbewerberinnen und Asylbewerber und politische Gegner beteiligt zu haben. Am 13. September 2017 eröffnete das Landgericht Dresden gegen weitere sechs mutmaß-liche Mitglieder der FKD das Hauptverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Das Verfahren dauert an.

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

Seit Aufdeckung der rechtsterroristischen Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ im November 2011 haben sich insgesamt 13 parlamentarische Untersuchungs-ausschüsse, davon zwei auf Bundesebene, mit der Aufarbeitung des NSU-Komplexes beschäftigt.

Der erste NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat mit seinem Abschlussbericht 47 parteiübergreifende Empfehlungen für die Bereiche Polizei, Justiz und Verfassungsschutz ausgesprochen. Inzwischen sind die Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses zu weiten Teilen umgesetzt bzw. befinden sich in der Umsetzung . Der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat diese Bemühungen ausdrücklich anerkannt und die Notwendigkeit der Fortführung der Maßnahmen bekräftigt. Bei vielen Maßnahmen handelt es sich um Daueraufgaben. Hierzu gehören vor allem die noch stärkere Ausrichtung der Aus- und Fortbildung auf Belange der Bekämpfung von Rechtsextremismus und -terrorismus, des Opferschutzes wie auch Anstrengungen zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz.

Ständige Aufgabe ist es auch, Maßnahmen, die zu einem Bewusstseins- und Kulturwandel in den Behörden beitragen, weiter voranzutreiben.

Die Umsetzung der Empfehlungen wird vom BMI weiter mit Nachdruck verfolgt. Bei den nachgeordneten Sicherheitsbehörden des BMI, insbesondere dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt, stellt das BMI im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht sicher, dass dauerhaft die richtigen Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen werden.

Nach Aufdeckung des NSU-Komplexes im November 2011 wurden zahlreiche organisatorische und strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der koordinierten Zu-sammenarbeit der unterschiedlichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus eingeleitet. Diese reichen von der nachrichten-dienstlichen Früherkennung bis zur Strafverfolgung und umfassen die Optimierung der internen Abläufe in den Sicherheitsbehörden des Bundes wie auch strukturelle Ver-besserungen bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.

Hervorzuheben sind insbesondere die Einrichtung des „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums“ (GETZ) für die Phänomenbereiche Rechtsextremis-mus/-terrorismus, LinksextremisRechtsextremis-mus/-terrorismus, Ausländerextremismus/-terroris-mus und Spionage/Proliferation sowie die beim Bundesamt für Verfassungsschutz unter Mitwirkung des Bundeskriminalamts und anderen Sicherheitsbehörden angesiedelte

„Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus“. Die Zusammenarbeit in diesen Einrichtungen hat sich bewährt und ergänzt die bestehenden Wege des Informationsaustauschs.

Statistische Erfassung und Analyse der Straftaten

Insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung der Maßnahmen ist die statistische Erfassung und Analyse der Straftaten von wesentlicher Bedeutung.

Straftaten, die aus einer rassistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Motivation heraus begangen werden, zählen zur „Politisch Motivierten Kriminalität“ (PMK) und werden in gesonderten Kategorien (so genannten Unterthemen) des Themenfelds

„Hasskriminalität“ statistisch erfasst. Darüber hinaus werden entsprechende Straftaten Phänomenbereichen zugeordnet, um den ideologischen Hintergrund der Tat deutlich zu machen. Die Verteilung auf die einzelnen Phänomenbereiche der PMK stellt sich für die Jahre 2016 und 2017 19 wie folgt dar:

Rassistisch Fremdenfeindlich Antisemitisch

2016 2017 2016 2017 2016 2017

PMK-rechts 1.305 1.277 8.530 6.166 1.381 1.412

PMK-links 0 1 10 10 2 1

PMK – nicht zuzuordnen 16 4 265 84 37 20

19 Die in der Tabelle aufgeführten Zahlen für 2016 und 2017 beziehen sich auf das jeweilige gesamte Kalenderjahr und sind daher nicht mit dem Berichtszeitraum identisch; Doppelnennungen bei den Unterthemen sind möglich.

Die Statistik für das Gesamtjahr 2018 konnte zum Ende des Berichtszeitraums (30. September 2018) noch nicht vorliegen.

20 Seit dem 1. Januar 2017 werden die politisch motivierten Straftaten nunmehr detaillierter in fünf Phänomen-bereichen erfasst. Der bisherige Phänomenbereich „PMK -Ausländer-“ wurde in die zwei Phänomenbereiche

„PMK -ausländische Ideologien-“ und „PMK -religiöse Ideologien-“ ausdifferenziert. Daher gibt es keine vergleichbaren Vorjahreszahlen. „PMK -Sonstige-“ wurde umbenannt in „PMK -nicht zuzuordnen-“.

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

Bekämpfung von Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

A7

Im Dokument 13. Menschenrechtsbericht (Seite 114-130)