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2.3 Arthropathien des Kniegelenkes beim Hund

2.3.1 Der Kreuzbandriß beim Hund

2.3.1.1 Ätiologie und Klinik des Kreuzbandrisses

Die Ruptur des Ligamentum cruciatum craniale ist eine der häufigsten orthopädischen Verletzungen beim Hund (ALLGOEWER et al., 2000) und eine der häufigsten Gründe für Hinterhandlahmheiten beim Hund (GRIFFIN u. VASSEUR, 1992). In der Mehrheit der Kreuzbandrißfälle ist das vordere Kreuzband betroffen.

Die Hunde sind vor allem mittelalt bis alt und haben zum Zeitpunkt der Diagnose oft schon Zeichen einer degenerativen Gelenkerkrankung im Kniegelenk. In der Regel fehlen Angaben über ein Trauma oder das beobachtete Trauma wird nur als gering eingestuft (BENNETT et al., 1988; GRIFFIN u. VASSEUR, 1992; DUPUIS u.

HARARI, 1993; GALLOWAY u. LESTER, 1995).

BENNETT et al. (1988) beschreiben, daß typischerweise kleine bis mittlere Rassen (< 15 kg Körpergewicht) fortgeschritteneren Alters betroffen sind oder aber größere, jüngere Tiere (unter vier Jahre). Rottweiler nennen die Autoren als die Rasse, die in ihrem Material am häufigsten betroffen war.

WHITEHAIR et al. (1993) stellen in ihrer Studie an 10.000 Hunden mit Kreuzbandriß fest, daß die Hunde zwischen sieben und zehn Jahren die höchste Prävalenz einer Ruptur hatten. Das durchschnittliche Alter sank mit höherem Körpergewicht. Am häufigsten hatten Rottweiler, Neufundländer und Staffordshire Terrier Kreuzbandrisse und mehr weibliche als männliche Hunde. Zudem tritt in den Untersuchungen der Autoren der Kreuzbandriß an der linken Hintergliedmaße öfter auf als an der rechten.

Im Gegensatz zu GRIFFIN u. VASSEUR (1992) setzen WHITEHAIR et al. (1993) die Grenze des Körpergewichts in Bezug zu gehäuftem Auftreten von Kreuzbandrissen

auf über 22 kg. DUVAL et al. (1999) führen aus, daß es, wie von vielen anderen Autoren ebenfalls beschrieben, vor allem die schwereren Hunde betrifft.

In den Untersuchungen von DUVAL et al. (1999) zu den Faktoren Rasse, Geschlecht und Gewicht im Zusammenhang mit einem Kreuzbandriß wird gesagt, daß im Gegensatz zu den Ausführungen von BENNETT et al. (1988) eine Prädisposition für größere Rassen unter 2 Jahre besteht. Eine eindeutige Rassendisposition kann im Vergleich der einzelnen Studien allerdings nicht festgelegt werden. Auch daß Hündinnen mehr betroffen seien sollen, wird angezweifelt. Dagegen unterstützen die Ergebnisse von DUVAL et al. (1999) andere Autoren, die beschreiben, daß ein erhöhtes Risiko bei kastrierten Hunden beiderlei Geschlechts besteht.

NIEMAND u. SUTER (1994) beschreiben, daß ein gesundes Kreuzband nur sehr selten durch gewaltsames Überstrecken reißt. Das Band ist fast immer durch degenerative Veränderungen der Kollagenfasern oder Mikrorisse vorgeschädigt, so daß ein verhältnismäßig geringes Trauma einen partiellen oder totalen Bandriß verursachen kann (WHITEHAIR et al., 1993). INNES et al. (2000) stellen fest, daß nicht nur drei, sondern auch fünf Jahre nach spontanem vorderen Kreuzbandriß die Tiere mit gleichzeitigem Meniskusschaden eine schlechtere Entwicklung im Hinblick auf Lahmheit, Beweglichkeit und Aktivität hatten, als Tiere mit alleinigem Kreuzbandriß. Allerdings wird auch gesagt, daß Menisektomie zu einer noch schneller auftretenden Arthrose führt.

Die schmerzhafte Gelenkinstabilität durch den Bandriß führt zur Lahmheit. In einer Vielzahl der Fälle reißt bald auch das kontralaterale Band. Ohne Operation stabilisiert sich das Gelenk partiell durch eine einsetzende Kapselfibrose. Damit verringert sich die Lahmheit. Die so verminderte Instabilität schädigt vor allem den medialen Meniskus und den Gelenkknorpel und führt schließlich zur Arthrose (TIRGARI u. VAUGHAN, 1975; BRANDT et al., 1991; NIEMAND u. SUTER, 1994).

In einer Vielzahl der Fälle findet man eine rosafarbene Gelenkschmiere, ein Hinweis auf freie Blutung in das Gelenk, und eine Gelenkschwellung, die durch ein vermehrtes Volumen an Synovia hervorgerufen wird (TIRGARI, 1977). Die Entwicklung periartikulärer osteophytärer Zubildungen wird im allgemeinen als ein

(GILBERTSON, 1975). Vor allem treten sie entlang der femoralen Trochlea oder in der Fossa und der Area intercondylaris der Trochlea auf, was von TIRGARI (1977) als pathognomonisch für einen Kreuzbandriß angesehen wird. Häufig wird diskutiert, ob die degenerativen Veränderungen schon vor dem Kreuzbandriß bestanden haben oder allein durch die dann einsetzenden Mechanismen erzeugt werden. TIRGARI (1977) und BRANDT (1991) sehen den Kreuzbandriß als Ursache der degenerativen Gelenkschädigung an. NIEBAUER u. LUBEC (1980) halten die degenerative Kniegelenksentzündung für die eigentliche Ursache des sekundären Kreuzbandrisses. VASSEUR et al. (1985) beschreiben, daß degenerative Veränderungen im kranialen Kreuzband bei großen Hunderassen früher eintreten und schneller voranschreiten als bei kleineren Hunderassen. Diese degenerativen Veränderungen im Kreuzband sind durch Kernzerfall von Fibrozyten, Untergang von Kollagenfaserbündeln, Knorpelmetaplasie, dystrophische Verkalkungen und fibröse Reparation mit Vaskularisierung gekennzeichnet. NARAMA et al. (1996) berichten in ihren Untersuchungen über gleichartige Veränderungen, allerdings unabhängig vom Gewicht, also auch bei den leichteren Tieren. Der Prozeß beginnt mit einer Vergrößerung der fibrozytären Kerne als Zeichen einer Aktivierung in noch unveränderten Arealen. Diese Aktivierung konnte aber auch schon bei zweijährigen, gesunden, unter Laborbedingungen gehaltenen Beaglen beobachtet werden. Als darauf folgende Veränderung wird ein Ödem zwischen den Kollagenfasern gesehen, das diese auseinanderdrängt, sowie eine Fibrose der Wand der kleinen Gefäße.

Zudem kommt es zu einer Ansammlung von lymphozytären Zellen in der Sehnenscheide oder im synovialen Gewebe. Mit dieser Untersuchung können NARAMA et al. (1996) zeigen, daß degenerative Veränderungen in Kreuzbändern auch bei gesunden Tieren zu finden sind. Die Autoren vermuten, daß mangelnde Bewegung, wie sie unter Laborbedingungen auftritt, eine Rolle spielt.

Aufgrund der beschriebenen Abläufe kann eine Osteoarthrtis durch operative Zertrennung des Kreuzbandrisses induziert werden (POND u. NUKI, 1973;

GILBERTSON 1975; LEWIS et al., 1986). LEWIS et al. (1986) stellen zudem fest, daß die klinischen, röntgenologischen, histologischen und biochemischen Veränderungen im Rahmen einer experimentellen Durchtrennung des kranialen

Kreuzbandes den Verhältnissen bei natürlich auftretender Osteoarthritis ähneln. Die Osteoarthritis beim Hund wird unter anderem deswegen als Modell (Pond-Nuki Modell) in der humanen Arthroseforschung verwandt. Dieses kanine Modell ist wahrscheinlich das am besten charakterisierte und am meisten verwendete Modell in der experimentellen Osteoarthroseforschung (MARSHALL u. CHAN, 1996b). Der Schweregrad der Osteoarthrose, der bei experimenteller Kreuzbanddurchtrennung erzeugt wird, ist variabel und hängt von der Rasse, dem Alter, dem Gewicht und von der Aktivität des Tieres ab. Die tierspezifische Variabiltät ist aber potentiell in der Versuchs- wie Kontrollgruppe zu erwarten und wird deswegen in der Regel vernachlässigt.

Außer der durch individuelle Faktoren hervorgerufenen Variabilität ist zudem die Technik bei der Durchtrennung wichtig. Es ist bei der Durchtrennung von entscheidender Bedeutung, daß das Band komplett und nicht nur partiell durchtrennt wird. Zudem wird bei einer offenen Arthrotomie wesentlich mehr Gewebe traumatisiert. Im Gegensatz dazu ist die Arthroskopie eine minimal invasive Technik und erlaubt trotzdem einen ausreichenden Einblick in die Gelenkstrukturen (MARSHALL u. CHAN, 1996a). MARSHALL und CHAN (1996a) beschreiben, daß zum Ausschluß der Variabilitäten zwischen den Tieren eine bilaterale Transsektion vorgenommen wurde. Die erzeugten Veränderungen werden als bilateral symmetrisch ausgebildet beschrieben.