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5.1 Diskussion der Methodik

5.1.5 Untersuchungsmethode

5.1.5.4 µ-CT-Auswertung der Knochenneubildung

Die Verwendung eines µ-CTs gehört, nachdem dies 1989 durch FELDKAMP et al.

eingeführt worden ist, heutzutage zu den Standardmethoden für die Bewertung der dreidimensionalen Struktur eines trabekulären Knochens (JAECQUES et al., 2004).

Verschiedene Arbeitsgruppen setzten das µ-CT ein, um quantitative Messungen

hinsichtlich des Knochenwachstums und der –heilung durchzuführen (STREET et al., 2002; GEIGER et al., 2005; SARKAR et al., 2006; GEIGER et al., 2007). Diese effiziente, zerstörungsfreie Methode erlaubt die quantitative Messung der Menge und der Verteilung des neu gebildeten Knochens durch die Möglichkeit einer

3D-Rekonstruktion (GULDBERG et al., 2003).

Als Vorteil der µ-CT-Untersuchungen gilt, dass im unmittelbaren Anschluß daran dieselben Präparate histologisch aufgearbeitet werden können. Dadurch ist ein direkter Vergleich der klinischen, radiologischen und morphologischen Befunde am selben Präparat möglich.

Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte unter Verwendung des Programms

VGStudio Max 1.2.1 (Fa. Volume Graphics; Heidelberg; Deutschland). Hierbei wurde der prozentuale Anteil des neu gebildeten Knochens am Gesamtvolumen des

Defektes bestimmt (GEIGER et al., 2005; 2007).

5.2 Diskussion der Ergebnisse

5.2.1 Immunhistologisch dargestellte Blutgefäßdichte

In dieser Studie wurde unter anderem untersucht, ob durch den Einsatz von mit VEGF transfizierten BMSC eine Steigerung der Vaskularisation im Defektbereich erreicht und hierdurch die Ausbildung einer atrophen Pseudarthrose verhindert werden kann.

Durch den Einsatz von VEGF kam es bei beiden Knochenersatzstoffen zu einer signifikanten Steigerung der Vaskularisation, die jedoch bei β-TCP signifikant stärker ausfiel als bei CDHA.

Betrachtet man die vorliegende Literatur, so finden sich unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich eines positiven Effektes von VEGF auf die Knochenheilung. Es ist

bekannt, dass VEGF und seine Rezeptoren sowohl für das Wachstum und die Differenzierung von Endothelzellen während der Embryonalentwicklung, als auch unter physiologischen und pathologischen Zuständen des adulten Organismus von besonderer Bedeutung sind (KALKA et al., 2000). Auch ist bekannt, dass endogenes VEGF eine Schlüsselrolle bei der Knochenheilung spielt (CHU et al., 2002; PENG et al., 2002; STREET et al., 2002).

Über die Wirkung von zusätzlich appliziertem VEGF auf die Knochenheilung liegen jedoch unterschiedliche Aussagen vor. So konnten HILTUNEN et al. (2003) einen Anstieg der Osteoblastenzahl, des Osteoidvolumens und des Knochenvolumens nach adenoviralem Gentransfer in osteoporotischen Kaninchenfemura erzielen.

Hierbei handelte es sich jedoch nicht um ein Frakturmodell. STREET et al. (2002) applizierten das VEGF in Proteinform über eine miniosmotische Pumpe in einen 10 mm großen Radiusdefekt bei Kaninchen, wobei eine deutliche Kalluszunahme erzielt werden konnte.

In den Vorgängerstudien unserer Arbeitsgruppe konnten GEIGER et al. (2005) eine Steigerung der Angiogenese durch den Einsatz von VEGF165 auf einer genaktivierten Matrix auf Kollagenbasis nachweisen. In der darauf folgenden Studie wurde der feste Knochenersatzstoff Biocoral® geprüft. Auch hier zeigten GEIGER et al. (2007), dass durch den Einsatz von VEGF transfizierten BMSC eine deutliche Steigerung der

Angiogenese im Radiusdefektmodel am Kaninchen im Vergleich zu BMSC oder VEGF alleine erzielt werden kann. YANG et al. (2010) verwendeten dasselbe

Defektmodell wie in der vorliegenden Studie und ebenfalls β-TCP als Trägermaterial.

Sie postulierten, dass lokale VEGF-Gaben einen Vorteil für die Knochenregeneration darstellen, da es zu einer Förderung der Neoangiogenese, des Knochenumbaus, der Osteoblastenmigration und der Mineralisation kommt.

Bei der Interpretation der unterschiedlichen Ergebnisse müssen die verschiedenen Versuchsaufbauten und Applikationsformen berücksichtigt werden. Zudem ist es bedeutsam, ob es sich um eine Fraktur handelt, die auch ohne den Einsatz von Wachstumsfaktoren geheilt wäre und bei der lediglich die Heilungsgeschwindigkeit erhöht werden sollte oder ob es sich um ein Pseudarthrosemodell handelt, bei dem es darum geht, eine Heilung herbeizuführen, die sonst nicht stattgefunden hätte.

Auf Grund der Ergebnisse des vergleichbaren Versuchsaufbaus der Vorgänger-studien von GEIGER et al. (2005; 2007) und dieser Studie lässt sich also folgern, dass VEGF die Angiogenese fördert und den Knochenersatzstoff in neuen Knochen umwandeln kann.

5.2.2 Knochenneubildung im Defektbereich

Eine optimale Knochenbildung hängt auch von der Wahl des Trägermaterials ab (YANG et al., 2010). In der eigenen Studie wies die Quantität des neu gebildeten Knochens, sowohl in der histologischen, als auch der µ-CT-Auswertung auf die signifikante Überlegenheit des Knochenersatzstoffes β-TCP gegenüber CDHA hin.

Im Vergleich der Gruppe I zu II (β-TCP ohne/mit BMSC) und der Gruppe IV zu V (CDHA ohne/mit BMSC) verhielten sich beide Keramiken identisch, es kam zu einer signifikanten Steigerung der Knochenneubildung durch die Beschichtung mit BMSC.

Entgegen den Ergebnissen von KASTEN et al. (2006), die bei der s. c. Implantation von CDHA mit BMSC in der SCID-Maus signifikant mehr ektopen Knochen fanden als bei β-TCP, gab es bei den vorliegenden Untersuchungen zwischen diesen Gruppen keinen auffälligen Unterschied. Gründe hierfür können darin begründet liegen, dass in der eigenen Studie eine größere Menge BMSC (5 x 106 vs. 2 x 105

BMSC) bei längerer Implantationsdauer (16 Wochen versus 8 Wochen) untersucht wurde.

Der Einsatz von VEGF zeigte in der Kombination mit β-TCP eine zusätzliche auffällige Knochenzunahme, hingegen kam es bei CDHA zu einer signifikant

reduzierten Knochenneubildungsrate. Vergleicht man dazu den Um- bzw. Abbau des Trägermaterials, so zeigt sich, dass durch den Einsatz von VEGF bei beiden

Knochenersatzstoffen eine auffällig gesteigerte Resorption zu erkennen war, welche bei CDHA signifikant größer ausfiel als bei β-TCP.

Diese heterogenen Einflüsse auf die Knochenneubildung entsprechen den

Erkenntnissen der bestehenden Literatur (STREET et al., 2002; KESSLER et al., 2003; KLEINHEINZ et al., 2005). Ein negativer Effekt von VEGF auf die Knochen-heilung, im Vergleich zur alleinigen Besiedelung mit BMSC, wurde erstmals in der Vorgängerstudie zur eigenen Untersuchung beschrieben (GEIGER et al, 2007). Das in dieser Studie als Knochenersatzstoff verwendete Biocoral® ist ein natürliches Calciumcarbonat, das nach vorliegenden Erkenntnissen im Knochen vollständig resorbiert werden soll. In der Vorgängerstudie zeigte sich jedoch, dass Biocoral®, wenn es mit Zellen beladen wird, sehr schnell abgebaut wird, ohne dass gleichzeitig eine Knochenneubildung stattfindet. Innerhalb von vier Wochen post operationem waren die Biocoral-Täger zum größten Teil resorbiert, zu diesem Zeitpunkt begann jedoch erst die Knochenbildung. Dasselbe Phänomen konnte ebenfalls in einigen anderen Studien gezeigt werden (VUOLA et al., 1998; PETITE et al., 2000;

PELISSIER et al., 2003). Als Grund für diese Vorgänge wurde die

Zusammen-setzung des Trägerstoffes verantwortlich gemacht. Koralline Kristalle sind viel kleiner als die in HA-Keramiken enthaltenen. Zudem verursachen darin vorhandenen

Magnesium- und Carbonat-Ionen einen Anstieg der Auflösungsgeschwindigkeit des Trägerstoffes (LEGEROS, 2002).

CDHA verhält sich offensichtlich ähnlich wie Biocoral®. Über die Gründe des negativen Einflusses von VEGF in Kombination mit CDHA auf die Knochenneu-bildung kann nur spekuliert werden. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass die Keramik im Vergleich zu β-TCP schneller abgebaut wird, als neuer Knochen gebildet werden kann. Weitere Einflussfaktoren, die den schnelleren Abbau katalysieren,

könnten entstandene Abbauprodukte, Löslichkeit, Phagozytose, ein schädlicher Einfluss von Abbauprodukten auf Zellen oder der pH Wert sein.

Bekannt ist, dass verschiedene Typen von CaP-Keramiken unterschiedliche prädominante Abbaumechanismen aufweisen (YANG et al., 2010).

CaP-Keramiken, die gesintert sind, d. h. unter großer Hitzeeinwirkung (>1000°C) hergestellt werden, unterscheiden sich in ihrer Struktur, ihrer Löslichkeit und teilweise auch in ihrer chemischen Zusammensetzung von den nicht gesinterten

CaP-Keramiken. β-TCP ist gesintert und wird in vivo innerhalb von ein bis zwei Jahren resorbiert (BOHNER, 2001). Der Abbau wird von Osteoklasten und Makrophagen durchgeführt (BOHNER u. BAUMGART, 2004). CDHA ist nicht gesintert, weist aber annähernd die gleiche chemische Zusammensetzung wie β-TCP auf, jedoch eine völlig andere kristalline Struktur. CDHA besitzt eine deutlich größere Oberfläche, die dem Appatit des Knochens ähnelt. Dadurch ist es biologisch reaktiver als traditionelle CaP, wie z. B. β-TCP (BOHNER, 2001).

In Studien (LU et al., 2002; KOMAKI et al., 2006) konnte festgestellt werden, dass die zellinduzierte Phagozytose eine wichtige Rolle beim Abbau von Trägermaterial spielt. VEGF initiiert die Osteoklastendifferenzierung, -funktion und das

Osteo-klastenüberleben und könnte so Einfluss auf den Keramikabbau haben (NAKAGAWA et a., 2000). Ein weiteres Indiz für diese Theorie ist, dass in der Gruppe CDHA mit BMSC eine Steigerung der Knochenbildung erzielt werden konnte, wohingegen es durch den Einsatz von VEGF transfizierten BMSC mit CDHA zu einer negativen Entwicklung kam, die sogar quantitativ unter der der Gruppe CDHA mit BMSC lag.

Andere Ursachen für die negative Entwicklung der Knochenneubildung können die durch den Abbau von Knochenersatzstoffen veränderten Umgebungseigenschaften sein, wie z. B. Osmolarität und pH-Wert (MUSCHLER et al., 2004; HING et al., 2007). Weitere Faktoren sind die zunehmende Instabilität und die fehlende Konduktivität der abgebauten Matrix.

β-TCP zeigte sich auch in anderen Studien als ein erfolgreicher Knochenersatzstoff in der Kombination mit VEGF. YANG et al. (2010) untersuchten β-TCP beschichtet mit rhVEGF165 auf einer Fibrin-Dichtmasse, die eine gleichmäßige Abgabe von VEGF über 11 bis 15 Tage ermöglichte, in einem vergleichbaren Radiusdefektmodell am

Kaninchen. Sie erreichten eine völlige Überbrückung des Defektes nach 12 Wochen.

CLARKE et al. (2006) verwendeten ein neuartiges β-TCP JAX™ in einem

Ulnadefektmodell am Kaninchen. Auch diese Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass es nach einer Kultivierung mit 2,5 µg VEGF zu einer Steigerung der Heilungs-rate nach 8 Wochen kam.

Nur wenige Studien, die verschiedene Trägermaterialien miteinander vergleichen sind bisher bekannt. ALAM et al. (2001) untersuchten den Einfluss von rhBMP-2 auf verschiedene Komposite aus HA und TCP. Die Arbeitsgruppe fand eine erhöhte Knochenbildung, wenn das Material eine geringe Menge an TCP und viel HA enthielt. Dies wurde mit der erhöhten Oberflächenrauhigkeit des TCP erklärt, kann aber auch mit dem vermehrten Abbau zusammenhängen (HING et al., 2007).

Publikationen, die den Einfluss von VEGF auf die hier verwendeten

Träger-materialien vergleichend untersuchten, sind bisher nicht bekannt. Auch liegen bisher keine vergleichenden Studien zum Einsatz verschiedener Applikationsformen vor.