3. Anwendung der Unentscheidbarkeitsresultate auf kontextfreie Sprachen
Wie wir gesehen haben, gilt:
1
die regul¨ aren Sprachen sind unter allen Booleschen Operationen abgeschlossen.
2
die kontextfreien Sprachen sind nicht unter Komplement und Durchschnitt abgeschlossen.
K¨ onnen wir entscheiden, ob der Durchschnitt zweier kontextfreier
Sprachen leer ist?
Sie M eine (beliebige) TM (mit nur einem Band) mit Bandalphabet Σ und Zustandsmenge Q, sei # 6∈ Σ ∪ Q.
Definition 153 Definiere die Sprachen
C M (0) := {c 0 #c R 1 #c 2 #c R 3 . . . c R 2m+1 ; m ≥ 0, c i ist Konfi- guration von M , c 0 ist Anfangskonfiguration auf leerem Band, c 2m+1 ist Endkonfiguration oder c 2m = c 2m+1 und c 2m ist Endkonfiguration, und c 2j+1 ist Nachfolgekonfiguration von c 2j f¨ ur alle j }
C M (1) := {c 0 #c R 1 #c 2 #c R 3 . . . c R 2m+1 ; wie oben, jetzt aber:
c 2j ist Nachfolgekonfiguration von c 2j−1 f¨ ur alle zutreffenden j ≥ 1}
Info IV 3.0 Unentscheidbarkeit 236/241
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Bemerkung: C M (0) enth¨ alt nicht nur
” echte“ Rechnungen von M , da c 2j−1 → c 2j nicht unbedingt ein Schritt sein muss; das fordern wir jeweils nur f¨ ur c 2j → c 2j+1 .
Lemma 154
Die Sprachen C M (0) und C M (1) sind deterministisch kontextfrei.
Beweis:
Es ist einfach, jeweils einen DPDA daf¨ ur zu konstruieren.
Bemerkung: Ein Kellerautomat ist lange nicht so m¨ achtig wie eine Turingmaschine. Aber zwei Kellerautomaten (oder eine endliche Kontrolle mit zwei Kellern) sind so m¨ achtig wie eine
Turingmaschine (siehe ¨ Ubung).
Lemma 155
w ∈ H 0 ⇔ C M (0)
w
∩ C M (1)
w
6= ∅
Beweis:
Unmittelbar aus der Definition der beiden Sprachen!
Bemerkung: Falls M w deterministisch ist und w ∈ H 0 , dann enth¨ alt C M (0)
w
∩ C M (1)
w
genau ein Element, n¨ amlich die eine Rechnung von M w auf leerem Band.
Info IV 3.0 Unentscheidbarkeit 238/241
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Satz 156
Das Schnittproblem f¨ ur kontextfreie Sprachen ist unentscheidbar!
Beweis:
siehe oben
Wir haben sogar gezeigt: Das Schnittproblem f¨ ur deterministisch
kontextfreie Sprachen ist unentscheidbar!
In der Literatur wird dieser Satz ¨ ublicherweise mit dem Post’schen Korrespondenzproblem (PCP) bewiesen, das nach Emil Post (1897–1954) benannt ist.
Definition 157 (Post’sches Korrespondenzproblem) Gegeben: (x 1 , y 1 ), (x 2 , y 2 ), . . . (x n , y n ) mit x i , y i ∈ Σ +
Frage: gibt es eine Folge von Indizes i 1 , i 2 , . . . i r ∈ {1, . . . , n}, so dass
x i1x i2. . . x ir = y i1y i2. . . y ir ?
. . . x ir = y i1y i2. . . y ir ?
y i2. . . y ir ?
?
Satz 158
PCP ist unentscheidbar.
Info IV 3.0 Unentscheidbarkeit 240/241
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Beweis:
Wir skizzieren, wie man mit Hilfe des PCP die Berechnung einer (det.) TM simulieren kann. Wir haben dazu (u.a.) Paare
(a, a) f¨ ur alle a ∈ Σ
(u 1 u 2 u 3 , aqb) gem¨ aß der inversen ¨ Ubergangsfkt der TM, mit a, b ∈ Σ, q ∈ Q und u 1 , u 2 , u 3 ∈ Σ ∪ Q
Dies bedeutet, dass die TM bei der lokalen Konfiguration aqb diese
im n¨ achsten Schritt zu u 1 u 2 u 3 ¨ andert.
Beweis:
Die allgemeine Situation sieht dann so aus, dass eine geeignete Indexfolge i 1 , . . . , i k folgende Zeichenreihen erzeugt:
x c 1 . . . c r−1 x 1 . . . x i−1 q x i x i+1 . . . x s y c 1 . . . c r−1
Es m¨ ussen nun die einzelnen x i durch Paare der Form (a, a) gematcht werden, lediglich x i−1 qx i kann nur durch (genau bzw.
h¨ ochstens) ein Paar der zweiten Form gematcht werden.
Damit ergibt sich wieder die allgemeine Situation wie oben, mit r um 1 erh¨ oht, und man kann das Argument per Induktion
abschließen.
Wir ¨ uberlassen es als ¨ Ubungsaufgabe herauszufinden, wie auch Anfang und Ende der TM-Berechnung geeignet durch das PCP simuliert werden k¨ onnen.
Info IV 3.0 Unentscheidbarkeit 241/241
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