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Archiv "Forschung und Ethik: Die Weichen sind gestellt" (07.01.2002)

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och im Januar wird die Entschei- dung in einer in Deutschland seit Monaten heftig umstrittenen Fra- ge erwartet: Embryonale Stammzell- forschung – ja oder nein? Eine Antwort darauf soll der Deutsche Bundestag nach einer erneuten Debatte am 30. Ja- nuar geben. Die Deutsche Forschungs- gemeinschaft (DFG) will am 31. Januar über die öffentliche Förderung des Pro- jekts von Prof. Dr. med. Oliver Brüstle, der embryonale Stammzelllinien im- portieren will, entscheiden.

Die Entscheidung ist bereits mehr- fach verschoben worden, zuletzt am 7. Dezember 2001, um dem Bundestag nochmals Gelegenheit zur Diskussion zu geben. Die Enquete-Kommission

„Recht und Ethik der modernen Medi- zin“, die sich im November mehrheitlich gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen und gegen den Import von Zelllinien wandte, macht es den Abge- ordneten nicht leicht. Da es sich um eine Gewissensfrage handele, gab sie keine Empfehlung für die Abstimmung. Eine Minderheit plädierte dafür, den Import unter strengen Voraussetzungen zu tole- rieren. Dies ist auch die Ansicht der knappen Mehrheit des Nationalen Ethik- rats. Das von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Frühjahr 2001 eingesetzte Gremium befürwortete am 29. Novem- ber den Import von embryonalen Stammzellen unter strengen Auflagen und mit einer Befristung auf drei Jahre.

Bundesforschungsministerin Edel- gard Bulmahn will die Forschung an

„überzähligen“ Embryonen ebenso er- lauben wie die Zentrale Ethikkommis- sion, die zwar bei der Bundesärztekam- mer (BÄK) angesiedelt, jedoch von ihr unabhängig ist. Der Präsident der BÄK, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, mahnt indes zur Besonnenheit.

Man solle zunächst die Möglichkeiten der Forschung an adulten Stammzellen ausschöpfen, fordert er.

Ablehnend steht Bundesjustizmini- sterin Däubler-Gmelin der Forschung an embryonalen Stammzellen gegen- über. Sie ist der Ansicht, dass Embryo- nen als frühe Formen des menschlichen Lebens nicht „vernutzt“ werden dürf- ten. Forschungsfreiheit gehöre zwar zu den Grundrechten, sagte sie Ende De- zember in Berlin, doch Anwendungs- forschung am Menschen sei selbstver-

ständlich nicht frei. „Egal, wie das Vo- tum des Bundestages am 30. Januar aus- fällt“, sagte Däubler-Gmelin, an den DFG-Präsidenten Prof. Dr. Ernst-Lud- wig Winnacker gewandt, „erwarte ich, dass dies auf die DFG-Entscheidung Einfluss hat!“ Deren Meinung steht je- doch bereits seit Mai vergangenen Jah- res grundsätzlich fest: Man könne in Deutschland nicht auf die Forschung an embryonalen Stammzellen verzichten.

Auch die Max-Planck-Gesellschaft sieht das so.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist längst kein Tabuthema mehr. Die Zahl ihrer Befürworter jedenfalls scheint zu- zunehmen. Zurzeit ist diese Methode vorgeburtlicher Diagnostik nach dem Embryonenschutzgesetz verboten. Aber auch das ist umstritten. Der Wissen- schaftliche Beirat der BÄK, der mit seinem „Diskussionsentwurf zu einer

Richtlinie zur Präimplantationsdiagno- stik“ (DÄ, Heft 9/2000) die Debatte über diese Methode ausgelöst hatte, hält die PID für mit dem Embryonen- schutzgesetz vereinbar. In einer jetzt vorgelegten „Ergänzenden Stellungnah- me“ hält er nach Überprüfung der Ein- wände an seiner Position fest, „wonach die PID im Einzelfall bei Verdacht auf die Entstehung einer schwerwiegenden genetischen Erkrankung in engen Grenzen und Einhaltung strikter Ver- fahrensregeln aus medizinischen, ethi- schen und rechtlichen Gesichtspunkten vertretbar ist“. Der Wissenschaftliche Beirat drängt allerdings auf eine Klärung der Zulässigkeit der PID durch den Gesetzgeber. Die Bundesärztekam- mer hat dieser Stellungnahme noch nicht zugestimmt, deren Vorstand will sich am 17. Januar eine Mei- nung dazu bilden.

Die Mehrheit der De- legierten des 104. Deut- schen Ärztetages in Lud- wigshafen hatte ebenfalls an den Gesetzgeber ap- pelliert, rechtliche Klar- heit über die Zulässigkeit der PID herzustellen.

Für den Fall einer Zulas- sung müsse der Gesetz- geber weitere Kriterien für eine maximale Ein- grenzbarkeit dieser Me- thode mitgestalten, heißt es in einem Beschluss. Auch in der Poli- tik besteht keine Einigkeit in der Frage, ob die PID zugelassen werden sollte.

Nur die Freien Demokraten haben sich festgelegt: Sie sprechen sich eindeutig für die PID aus und haben einen ent- sprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, der in erster Lesung am 14. Dezember im Bundestag beraten wurde. Dieser Entwurf stieß auf scharfe Kritik bei zahl- reichen Abgeordneten unterschiedli- cher Fraktionen. „Die Zulassung der PID kann stigmatisierende und diskrimi- nierende Tendenzen in der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderun- gen und chronisch Kranken verstärken“, sagte die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Helga Kühn- Mengel. Für Maria Böhmer (CDU/CSU) bedeutet PID, „dass menschliches Leben selektiert und getötet wird“.

Dr. med. Eva A. Richter/Gisela Klinkhammer P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 1–2½½½½7. Januar 2002 AA19

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Au us sb blliic ck k

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2000022

Forschung und Ethik

Die Weichen sind gestellt

Embryonale Stammzellforschung und PID sind umstrittene Themen, für die in diesem Jahr Entscheidungen anstehen.

Forschung in Israel: Petrischale mit schwimmenden embryonalen

Stammzellen Foto: dpa

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