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Archiv "Forschung: Ethik ist nicht abstrakt" (14.08.2009)

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A 1620 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 33

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14. August 2009

FORSCHUNG

Über die Aufklärung und Einwilligung von Studienteilnehmern diskutierten die Ethikkommissionen (DÄ 26/2009: „Ethik- kommissionen: Kei- ne Komplizen der Forscher“ von Gisela Klinkhammer).

Ethik ist nicht abstrakt

Schon vor neun Jahren haben Ema- nuel et al. sieben Aspekte benannt, die berücksichtigt werden sollten, damit klinische Forschung ethisch bleibt. Auf zwei der Forderungen soll hier hingewiesen werden. Die erste Voraussetzung ist die wissen- schaftliche Validität der klinischen Forschung. Raspe et al. haben die- sen Bewertungsmaßstab anschau- lich gemacht: „ . . . , dass irrelevan- te, repetitive, obsolete oder invalide Forschung ethisch nicht akzeptabel ist. Schlechte Forschung ist un- ethisch, auch wenn sie keine nen- nenswerten Belastungen und Risi- ken für ihre Probanden oder Patien- ten mit sich bringt.“

Wenn man das verinnerlicht, fragt man sich schon, ob die Vielzahl der Studien, in denen zum x-ten Mal über wenige Wochen der Einfluss verschiedener zugelassener Lipid- senker auf das Lipidprofil von Pa- tienten untersucht wird, nicht ethisch fragwürdig ist – vor allem dann, wenn zum Beispiel relevante End- punktstudien zu einigen Substanzen und ihren Kombinationen noch im- mer nicht vorliegen . . . Die zweite Voraussetzung ist der Respekt vor den potenziellen oder einbezogenen Patienten. In den letzten Jahren wird die Einwilligung nach Aufklärung (informed consent) zunehmend zur Farce: Die klassische maschinenge-

schriebene Seite umfasst 30 Zeilen à 60 Anschläge (1 800 Zeichen). Das sind bei 20 Seiten 36 000 Zeichen.

Man muss schon täglich trainiert die

„FAZ“ lesen, um bei einer solchen Informationsmenge noch den Durch- blick behalten zu können. Seit eini- ger Zeit aber bekommen die Patien- ten „Computerseiten“ vorgelegt mit 60 Zeilen à 90 Anschläge (5 400 Zeichen). Dann haben 20 Seiten al- lerdings 108 000 Zeichen. Das ent- spricht 60 klassischen Seiten! Wenn dann noch Zusatzinformationen über Kinetik und Genetik zu lesen sind, könnten das leicht 100 klassische Seiten werden. Pure Überforderung, Desinformation! Die Unterschrift der Patienten ist dann nicht mehr

justiziabel. Einem guten Rechtsan- walt würde es im Ernstfall nicht schwerfallen zu zeigen, dass sein Mandant den Text keinesfalls verste- hen konnte.

Wenn die Patienten folglich ge- zwungen sind, sich auf die Ausle- gungen und Erklärungen der freundlichen Prüfärzte zu verlassen, kann von Selbstbestimmung kaum noch die Rede sein, was auch wie- der unethisch wäre.

Ich stelle hiermit aber ausdrücklich fest, dass es auch exzellente Studien und brillante Patienteninformatio- nen gibt!

Literatur bei dem Verfasser

Prof. Dr. Frank P. Meyer, Magdeburger Straße 29, 39167 Groß Rodensleben

O SC U G

Ü u S d E ( k ne Komplizen der Fo

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

INTIMCHIRURGIE

Die Risiken kosmeti- scher OPs bleiben in vielen Medienbe- richten unerwähnt (DÄ 11/2009: „Intim- chirurgie: Ein ge- fährlicher Trend“

von Ada Borkenhagen, Elmar Brähler und Heribert Kentenich).

Aus Erfahrung

Kaum erscheint ein neuer Trend in der Schönheitschirurgie, schon er- scheinen düstere Artikel in den Medien, wie auch hier im DÄ. Da wird allgemein vor gefährlichen Nebenwirkungen gewarnt, ohne dass klare Zahlen oder aussage- kräftige wissenschaftliche Unter- suchungen vorlägen . . . Tatsäch- lich steigt die Zahl dieser Eingriffe stark an. Als Fachärztin für Chirur- gie und plastische Chirurgie führe ich einige dieser Eingriffe regel- mäßig durch. Die Zahl der behan-

delten Patientinnen stieg in meiner Praxis von ca. 30 im Jahre 2005 auf über 70 im Jahre 2008. Die häufigste Komplikation war die Nachblutung in den ersten 24 Stunden nach dem Eingriff. Diese Nachblutungen können recht be- drohlich sein und veranlassten uns, die Patientinnen grundsätzlich eine Nacht zur Überwachung in der Praxisklinik zu behalten. Infektio- nen waren hingegen selten. Eine ernsthafte Wundinfektion wurde nicht beobachtet. In einigen weni- gen Fällen kam es jedoch in der ersten Woche zu einer Blasenin- fektion, die durch Gabe von Amo- xicillin oder ein Cephalosporin in- nerhalb weniger Tage zum Abklin- gen gebracht wurde. Länger wäh- rende Gefühlsstörungen, Dyspareu- nien oder Narbenprobleme haben wir bislang nicht beobachtet. Die Zahl der psychisch gestörten Patientinnen, die diese Eingriffe nachfragen, würde ich eher als un- terdurchschnittlich einstufen. Bei D

s v r ( c f von Ada Borkenhage

B R I E F E

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Deutsches Ärzteblatt

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14. August 2009 A 1621 Patienten, die eine Nasenkorrektur

nachfragen, erscheint mir diese Zahl deutlich höher zu sein. Aller- dings beobachte ich eine erhebli- che Anzahl an E-Mail-Anfragen von minderjährigen Patientinnen.

Junge Mädchen sind gerade auf diesem Gebiet offenbar durch Dar- stellungen in den Medien leicht zu verunsichern. Näheres kann ich da- zu aber nicht sagen, da ich die Be- ratungsgespräche in diesen Fällen grundsätzlich nur in Gegenwart beider Elternteile durchführe und diesen auch meistens abrate, dem Eingriff zuzustimmen. Aus diesem Grunde erscheinen diese jugendli- chen Patientinnen nur selten in meiner Sprechstunde. Die Mehr- heit der operierten Patientinnen ist zwischen 25 und 45 Jahre alt, und in drei Viertel der Fälle besteht ei- ne ausgeprägte, wenn auch nicht immer krankheitswertige Vergrö- ßerung der kleinen Schamlippen, oft auch mit einer erheblichen Asymmetrie. Die meisten dieser Patientinnen klagen über Probleme beim Rad fahren oder Tragen enger Hosen.

Dr. med. Sigrid Hülsbergen-Krüger, Harburger Ring 8–10, 21073 Hamburg

Körperverletzung

Nach 30 Jahren Sexualpädagogik ist das Wissen um die Klitoris und weibliches Begehren erschreckend gering. Informationen werden un- vollständig oder in unangemessener Weise vermittelt, sodass viele Mäd- chen und Frauen kein zutreffendes Wissen über ihre Genitalien und ih- re Lust haben. Auf dieser Basis ist nachvollziehbar, dass Schönheits- normen die Vorstellung von der Va- gina prägen und Wünsche nach chi- rurgischen Eingriffen hervorrufen können . . . Für den wirklichen Skandal halte ich, dass Ärztinnen und Ärzte tatsächlich operative Ein- griffe vornehmen. Warum sollten

„größere“ Labien hinderlich sein?

Welchen Mann stören schon seine Hoden beim Rad fahren? Zudem kann in Österreich zu Eingriffen, die eine Verstümmelung oder Ver- letzung der Genitalien bedeuten, nicht eingewilligt werden. Sie sind eine Körperverletzung . . . Es gäbe

also durchaus Handhaben, diese ge- nitalen Eingriffe zu unterbinden.

Mag.a Sylvia Groth MAS, Frauengesundheits- zentrum, Joanneumring 3, A-8010 Graz

MEDIZINSTUDIUM

An der Universität zu Lübeck werden in strukturierten Aus- wahlgesprächen die persönlichen Eigen- schaften der Bewer- ber berücksichtigt (DÄ 25/2009: „Exzellenz und Engage- ment gesucht“ von Tina Hallfahrt, Su- sanne Reinke und Jürgen Westermann).

Abiturnote zweitrangig

. . . In dem Beitrag wird mit gutem Grund ein Satz hervorgehoben: „An- dererseits stellt sich die Frage, ob die Abiturnote tatsächlich die Kriterien erfasst, die einen hervorragenden Mediziner ausmachen.“ Mit vielen Freunden möchte ich dazu „nein“ sa- gen. Ein brauchbares Kriterium wäre meines Erachtens ein etwa zweijäh- riges Hilfspflegerpraktikum als Vor- aussetzung für das Studium. Mit so einem Einsatz wäre der Wunsch glaubhaft erwiesen, sich den Leiden- den zuzuwenden. Auch würde das eine respektvolle Haltung den Schwestern gegenüber garantieren.

Dr. med. Wieland Walther,

Albert-Schweitzer-Straße 7 a, 79199 Kirchzarten

RANDNOTIZ

Wer Arzt und Be- triebswirt ist, den verrät oft seine Sprache (DÄ 24/

2009: „Der Chef ist jetzt Ökonom“ von Sabine Rieser).

Ideale Vermittler

Es ist erschreckend, mit welchem be- rechenbaren Reflex sich immer noch der Widerstand gegen eine Verzah- nung von Medizin und Ökonomie regt. Es dürfte außer Zweifel stehen, dass Mediziner mit ökonomischem Sachverstand gebraucht werden, um bei den Kaufleuten das Verständnis für das medizinisch Notwendige und

Wünschenswerte zu wecken. Auch die Mediziner müssen vor dem Hin- tergrund der endlichen Ressourcen die Notwendigkeit ökonomischer Be- trachtungen ihres Tuns begreifen. Der Arzt als Ökonom ist hier der ideale Vermittler. Dies wird in den Kranken- häusern übrigens in der Regel von beiden Seiten als hilfreich und kon- struktiv angesehen, wenn es auch nicht immer friktionsfrei gelingt . . .

Dr. med. Peter Merguet, Kattowitzer Straße 32, 45470 Mülheim

Herzlichen Dank

Herzlichen Dank für Ihren Artikel.

Er spricht mir aus dem Herzen, Stichwort „Krankenhäuser mutieren zu Fabriken“ . . .

Prof. Dr. Dr. Ernst Hanisch, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Klinik für Viszeral- und Thoraxchirurgie, Asklepios Klinik Langen, Röntgenstraße 20, 63225 Langen

INNERE MEDIZIN

Komorbidität stand im Fokus des Inter- nistenkongresses in Wiesbaden (DÄ 20/

2009: „Ein Patient, viele Erkrankungen“

von Nicola Sieg- mund-Schultze und Christine Vetter).

Besser als dargestellt

Die in der DETECT-Studie von Prof. Wittchen gefundenen Quoten für fehlende Diagnosestellungen und angeblich schlecht behandelte Blut- druckpatienten basieren auf Einmal- messungen der behandelnden Ärzte und sind damit völlig überschätzt.

Angesichts der besonderen Situation einer Studie, der starken Variabilität einer Blutdruckmessung und dem häufigen „Weißkitteleffekt“ sind Einmalmessungen durch Ärzte nicht geeignet, um Diagnosen zu stellen oder Therapieerfolge zu kontrollie- ren. Standard in klinischen Studien und in der hausärztlichen Praxis sind folglich Mehrfachmessungen durch nicht ärztliches Personal . . . In der Praxis ist für den Hausarzt das Ein- stellen auf ideale Werte weitaus schwieriger als unter Studienbedin- gungen, bei denen sich ausgesuchte, hochmotivierte Studienteilnehmer

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Referenzen

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Schlechte Forschung ist unethisch, auch wenn sie keine nennenswerten Belastungen und Risiken für ihre Probanden oder Patienten mit sich bringt.“ Die wissenschaftliche Vali- dität

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