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Archiv "Genomforschung: Erbitterter Wettlauf" (19.05.2000)

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Academic year: 2022

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in deutsch-japanisches Konsor- tium hat nunmehr das Chro- mosom 21 mit 99,7-prozentiger Genauigkeit entschlüsselt. Damit liegt nach Chromosom 22 eine zweite voll- ständige Sequenz aus der Reihe der 23 Chromosomenpaare des Menschen vor. Wie Prof. Helmut Blöcker (Ge- sellschaft für Biotechnologische For- schung, Braunschweig) in Berlin er- klärte, gehört Chromosom 21 zu den kleinsten der Chromosomen. Es ent- hält 225 Gene, von denen 127 ein- deutig identifiziert sind, 98 Gene sind vorhergesagt aber noch nicht cha- rakterisiert. Von den 127 Genen sind 103 in ihrer Funktion bekannt – hier lässt sich das dazugehörige Protein angeben, beziehungsweise es ist be- kannt, in welchem biologischen Zu- sammenhang das Gen an- oder abge- schaltet wird.

Von den noch nicht hinlänglich charakterisierten 98 Genen weiß man, dass einige als Verursacher schwerwie- gender genetischer Erkrankungen in- frage kommen, so etwa manischer Depression, Taubheit, bestimmter Tu- morerkrankungen. 14 der bereits in ihrer Funktion identifizierten Gene führen bei genetischer Veränderung zu „monogenen“ Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Autoimmuner- krankungen, erhöhte Anfälligkeit für Leukämie und einer speziellen Form der Epilepsie.

Wichtigste Erkenntnis ist die seit langem bekannte Tatsache, dass das Chromosom 21 in direktem Zusam- menhang mit der Trisomie 21 (Down- Syndrom) steht. Dr. Marie-Laure Yaspro (Max-Planck-Institut für Mo- lekulare Genetik, Berlin) erläuterte, dass das nun vorliegende Wissen, ins- besondere das über die partielle Tri- somie 21, ein neues und tieferes Ver-

ständnis des molekular bedingten Pa- thomechanismus des Down-Syndroms und anderer Erkrankungen eröffne und damit auch die Chance zur Ent- wicklung eindeutigerer diagnostischer Testverfahren. So könnte im Hinblick auf die Trisomie 21 in Zukunft vermut- lich die Fruchtwasseruntersuchung ge- rade auch bei älteren Schwangeren unterbleiben und durch weniger inva- sive Tests ersetzt werden.

Prof. André Rosenthal (Institut für Molekulare Biotechnologie, Jena) sprach die Frage an, warum es zu ei- nem derart erbitterten Wettlauf zwi- schen dem akademischen internatio- nalen Humangenomprojekt und der privaten US-Firma „Celera“ von Craig Venter kommen musste. Venter be- hauptete unlängst, er habe 99 Prozent des menschlichen Erbgutes entschlüs- selt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die komplette Kartierung und fertige Sequenz der einzelnen Chromosomen, sondern um Millio- nen von Teilstücken, deren Buchsta- benabfolge erst noch zusammenge- setzt werden muss.

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„Während die Daten des interna- tionalen Genomprojekts alle 24 Stun- den kontinuierlich im Internet veröf- fentlicht werden und damit jedem Forscher zur Verfügung stehen – also auch Craig Venter –, hält dieser seine Fortschritte der Sequenzierung unter Verschluss und fordert Patentschutz“, erklärte Prof. Heinz Lehrach (MPI für Molekulare Genetik, Berlin). Der Molekularbiologe kritisierte die im amerikanischen, jedoch nicht im europäischen Recht verankerte Mög-

lichkeit der Patentierung Tausender von Genen. Er forderte, dass für die freie Forschung Informationen zu ein- fachen Sequenzen (deren Funktion und Anwendungsmöglichkeit noch nicht charakterisiert ist) nur mit öf- fentlichen Mitteln generiert, patent- frei und jederzeit zugänglich sein müssten. Anders solle dies bei soge- nannten Funktionsgenen gehandhabt werden. Diese zur gezielten Entwick- lung spezifischer Pharmaka identifi- zierten Geninformationen bedürften als „Rezepte zur Herstellung von Wirkstoffen“ eines umfassenden Pa- tentschutzes.

Der Parlamentarische Staatsse- kretär des Bundesministeriums für Bil- dung und Forschung (BMBF), Wolf- Michael Catenhusen, feierte den Tag der Bekanntgabe der Entschlüsselung von Chromosom 21 als einen Erfolg der deutschen Wissenschaft. Er merkte an, dass Deutschland erst 1995/96 – also fünf Jahre nach Beginn einer der größten internationalen Studien in der Biologie – in die Ge- nomforschung eingestiegen sei. Die- ser späte Zugang beruhe auf der da- mals mangelhaften Einsicht in das Wissen um das praktische Potenzial dieses Wissenschaftszweiges, der dem- entsprechend nicht ausreichend finan- ziell gefördert wurde.

Das Deutsche Humangenom- projekt – eine Initiative des BMBF, der Deutschen Forschungsgemein- schaft und der Wirtschaft mit insge- samt 42 Forschungsprojekten durch 90 Arbeitsgruppen – wird jährlich mit 44 Millionen DM staatlich gefördert.

Catenhusen hielt eine Erhöhung um 20 Millionen DM für nicht ganz ausgeschlossen. Lehrach forderte in diesem Zusammenhang eine Förder- summe von 500 Millionen DM, um konkurrenzfähig und schnell zu sein, und er hoffte, dass die „Bedenkenträ- ger endlich vom Sinn dieser epo- chalen Forschung überzeugt werden können“.

Bislang wurden aus den For- schungsergebnissen des Deutschen Humangenomprojekts 20 Schutz- rechte für entsprechende Technologi- en und Verfahren sowie 280 Schutz- rechte für Funktionsgene erteilt bezie- hungsweise angemeldet. Eine ethische Begleitforschung wurde ebenfalls in- itiiert. Dr. Barbara Nickolaus A-1396 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 20, 19. Mai 2000

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Genomforschung

Erbitterter Wettlauf

Anlässlich der Bekanntgaben der Entschlüsselung des Chromosoms 21 beklagten deutsche Molekularbiologen erneut, dass die Genomforschung politisch und finanziell nicht genügend unterstützt wird.

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