Was haben die Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische Chemie, die Vereinigung Westdeutscher Hals-, Nasen- und Ohrenärzte und die Deutsche Sektion des Internationalen Ägypto- logenverbandes gemeinsam? Ganz einfach: Bei allen handelt es sich um sogenannte wissenschaftliche Fachgesellschaften. Mit ih- nen hat sich der Wissenschaftsrat in seinem Bericht „Zur Förde- rung von Wissenschaft
und Forschung durch wissenschaftliche Fachgesellschaften"
auseinandergesetzt. Fachgesellschaften:
Arbeit kann verbessert werden Wissenschaftliche
Etwas Licht in den Dschungel der bundesdeutschen wissenschaftli- chen Fachgesellschaften zu bringen
— so kann man die Arbeit umschrei- ben, die die Wissenschaftliche Kom- mission*) mit ihrem Bericht geleistet hat. Am Anfang steht auch hier eine Definition. Danach handelt es sich bei den Gesellschaften um „auf der Grundlage von Satzungen auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse von Fachwissenschaftlern, die an Hoch- schulen oder in anderen Bereichen wissenschaftlich tätig sind".
Schon 1986 hatte die Kommissi- on die Rolle wissenschaftlicher Fachgesellschaften diskutiert. Er- gebnis war damals, daß sie zwar ein wichtiger Bestandteil im institutio- nellen Gefüge von Wissenschaft und Forschung sind, ihre Möglichkeiten aber nicht optimal nutzen. Das war Anlaß, sich umfassender mit der Frage zu befassen, wie die Gesell- schaften in Zukunft Wissenschaft und Forschung fördern könnten. Da- zu wurden (westdeutsche) wissen- schaftliche Fachgesellschaften zwi- schen dem Herbst 1989 und dem Frühjahr 1991 mehrmals schriftlich befragt und 188 Antworten ausge- wertet. Ansprechpartner waren die Vorsitzenden; die Sichtweisen der Mitglieder konnten und sollten nicht berücksichtigt werden.
Bestätigt wurde, daß die einzel- nen Gesellschaften von unterschied- licher Bedeutung für ihre Disziplin sind: „Ihr Einfluß kann sich auf den
*) Der Wissenschaftsrat setzt sich aus einer Wissen- schaftlichen Kommission und einer Verwaltungskom- mission zusamamen; in der ersten sind überwiegend Wissenschaftler vertreten, in der zweiten Vertreter des Bundes und der Länder.
inneren Zusammenhalt einer Diszi- plin ebenso erstrecken wie auf inter- disziplinäre Bemühungen und von der Kooperation mit der Praxis über die wissenschaftliche Publizistik bis hin zur internationalen Kooperation reichen." Die Arbeitsgebiete unter anderem:
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Die Veranstaltung von Ta- gungen ist das am häufigsten ge- nannte Arbeitsgebiet.e
Knapp die Hälfte aller be- fragten Gesellschaften gab an, initi- ierenden Einfluß auf wissenschaftli- che Projekte zu nehmen.Mehr als zwei Drittel nehmen Einfluß auf Studiengänge; nur vier Prozent tun dies aber „häufig". 81 Prozent beteiligen sich an der Förde- rung des wissenschaftlichen Nach- wuchses. Konkret vergeben 26 Pro- zent der Gesellschaften Stipendien und 61 Prozent Wissenschaftspreise.
Folgerung des Wissenschaftsrates:
„Offenbar gehört die Förderung von Lehre und wissenschaftlichem Nach- wuchs nicht zu den selbstverständli- chen der Aktivitäten einer wissen- schaftlichen Fachgesellschaft".
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In den Außenbeziehungen spielen vor allem andere wissen- schaftliche Fachgesellschaften eine Rolle. Weitere externe Kontakte konzentrieren sich auf Fachministe- rien von Bund und Ländern. Die Kontakte zu Wissenschaftsorganisa- tionen wie der Max-Planck-Gesell- schaft sind gering. 39 Prozent der Gesellschaften gaben an, auch Stan- des- und Berufsinteressen zu vertre- ten; innerhalb der Humanmedizin waren es sogar 54 Prozent.Anfang 1991 wurde in einer Nachbefragung ergründet, inwieweit
sich der deutsche Einigungsprozeß innerhalb der Fachgesellschaften niedergeschlagen hat. Etliche Ge- sellschaften hatten sich bereits mit ihrem ostdeutschen Pendant verei- nigt; Beitritte ganzer Fachgesell- schaften waren jedoch eher die Aus- nahme. Sie fanden fast aussschließ- lich in der Medizin statt.
Ob getrennt oder vereint — im Kapitel „Schlußfolgerungen" legt der Wissenschaftsrat Fachgesell- schaften folgendes nahe:
■ Fachgesellschaften sollten es sich zur Aufgabe machen, Wissen- schaftlern beim Verarbeiten der In- formationsfülle zu helfen. Geeignet sei hierzu die Erstellung und Her- ausgabe zusammenfassender Litera- turanalysen in Form von Übersichts- artikeln oder Sonderausgaben.
■ In den eigenen Fachzeitschrif- ten sollten möglichst hohe Qualitäts- standards gelten. Konkret wird vorge- schlagen, Begutachtungsverfahren für Beiträge einzuführen und auch ausländische Experten dabei einzube- ziehen. Sowohl bei Veröffentlichun- gen wie Tagungen erscheine zudem die Hinwendung zur Fachsprache Englisch unausweichlich.
■ Die „etablierten" Fachgesell- schaften sollten sich stärker dem wis- senschaftlichen Nachwuchs öffnen.
■ Die internationale wissen- schaftliche Zusammenarbeit sollte ausgebaut werden. Konkret wird vor- geschlagen, gemeinsame Preise zu vergeben, Austauschprogramme zu organisieren oder gemeinschaftlich Stellungnahmen zu erarbeiten.
■ Der Kontakt von Fachgesell- schaften untereinander und mit der Wirtschaft werde dadurch erschwert, daß es keine fortlaufenden, aktuali- sierten Informationen über die Ge- sellschaften gebe. Der Wissen- schaftsrat regt deshalb den Aufbau einer Datenbank an.
■ Fachgesellschaften sollten prüfen, wie sie ihre wirtschaftlichen Grundlagen verbessern könnten. Be- sonders kleinere seien in einem Teu- felskreis gefangen: Sie verfügten über wenig Geld und seien deshalb allein oder vorwiegend auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen. Die daraus re- sultierende Begrenzung des Lei- stungsangebots bedinge wiederum ei- ne geringere Mitgliederzahl. th Dt. Ärztebl. 89, Heft 42, 16. Oktober 1992 (27) A1-3419