Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 365. September 2008 A1821
P O L I T I K
Krankenhaushygiene und Infektions- prävention am Robert-Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) benennt die hygienischen Anforderungen bei der Aufberei- tung von Medizinprodukten. Die gesetzlichen Vorschriften gelten für alle Medizinprodukte, unabhängig davon, ob sie Mehrfach- oder Ein- malprodukte sind. Zudem müssen sie alle Betreiber beachten, egal ob sie Medizinprodukte im Krankenhaus oder in einer Arztpraxis aufbereiten.
Untersuchungen zufolge sind je- doch die Kenntnisse der Ärzte über die Bestimmungen unterschiedlich.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) benennt in seinem Bericht vom Frühjahr 2008 zu den „Er- fahrungen mit den geänderten Re- geln zur Aufbereitung von Medi- zinprodukten“ besonders Defizite im niedergelassenen Bereich. „Der Rechtsrahmen scheint jedoch aus- reichend zu sein. In einigen Berei- chen wird auch bereits eine Ver- besserung der Aufbereitungsquali- tät beschrieben“, erklärt Wilfried Reischl, Leiter des Referats „Medi- zinprodukte“ im Bundesgesundheits- ministerium. Einen Anlass dazu, grundsätzlich zu korrigieren, sieht das Ministerium deshalb nicht. Es
hält lediglich einige Anpassungen für erforderlich. So soll beispielswei- se die Einhaltung der RKI/BfArM- Empfehlung künftig rechtlich ver- bindlich vorgeschrieben werden.
Kritik äußert allerdings die Bun- desärztekammer (BÄK). Sie bemän- gelt Defizite aufseiten der Überwa- chungsbehörden. „In einigen Bun- desländern ergehen sich die Behör-
den in Formalismen“, erklärt Man- fred Brüggemann, BÄK. Anstatt die Qualität der Aufbereitung zu be- trachten, verlangten einige Kontrol- leure lediglich zusätzliche Qualifi- kationen und Kurse. „Wir haben in diesem Zusammenhang auf die um- fassende Ausbildung der Medizini- schen Fachangestellten verwiesen“, sagt Brüggemann. Ein Lied vom
„Kampf“ mit Überwachungsbehör- den kann auch der niedergelassene Chirurg Dr. med. Holger Hinze aus Heinsberg, Rheinland, singen. „Ich habe mich pragmatisch für eine mögliche Aufbereitungsmethode ent- schieden, dennoch pocht die Be- hörde nun auf eine andere“, berich-
tet er. Die für ihn zuständige Mitar- beiterin der Behörde sei Apotheke- rin und plötzlich auch für Arztpra- xen zuständig. „Einzelne Personen haben eben unterschiedliche An- sichten zur Validierung“, sagt Hin- ze. Aber die Auseinandersetzungen kosteten Zeit und Kraft.
Ähnliche Erfahrungen haben auch weitere Verbände und Organisatio-
nen neben der BÄK gemacht. Ihr Fazit: Die behördliche Überwachung der Aufbereitungsprozesse muss verbessert werden. Nicht nur die personelle Ausstattung der Überwa- chungsbehörden sei unzureichend, sondern teilweise auch die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter. „Die Ausbildungsinhalte des Überwa- chungspersonals differieren stark“, kritisiert Nikou Ghassemieh vom Deutschen Interessenverband zur Förderung der Qualität bei der Auf- bereitung von Medizinprodukten (DIAM).
Als eine „Sofortmaßnahme“ plant das BMG, „intensiven Kontakt“ zu den Überwachungsbehörden sowie
EINMALPRODUKTE: EU SIEHT RISIKO BEI WIEDERVERWENDUNG
Der Einsatz wiederaufbereiteter Medizinprodukte, die vom Hersteller nur für den einmaligen Gebrauch vorgesehen sind, ist nach Meinung zahlreicher europäischer Fachleute riskant. Dies ergab eine Umfrage der Europäischen Kom- mission bei Politikern, der Medizinprodukteindustrie, Wie- deraufbereitern sowie Ärzten, Kliniken und andere interes- sierte Kreise. Demnach glauben 41 Prozent der Befragten, dass die meisten Einmalprodukte (84 Prozent), wie Ballon- katheter, flexible Endoskope oder Instrumente zur minimal- invasiven Chirurgie, nicht ohne gesundheitliche Risiken für die Patienten wiederaufbereitet werden können.
Durch die Verwendung nicht einwandfrei wieder ge- brauchsfähig gemachter Produkte drohten Infektionen, er- neute Krankenhausaufenthalte und somit zusätzliche Kos- ten für das Gesundheitswesen, meint auch der Arzt Tho- mas Ulmer. Der CDU-Europaabgeordnete hatte für das Eu- ropäische Parlament maßgeblich an der im vergangenen Jahr verabschiedeten Neufassung der EU-Medizinprodukte- richtlinie mitgewirkt. Diese sieht unter anderem vor, dass die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten weiterhin na-
tional geregelt werden soll. Die Europäische Kommission wurde zudem aufgefordert, bis 2010 einen Bericht über die Situation der Wiederaufbereitung von Medizinprodukten in den einzelnen Ländern vorzulegen.
Nur in knapp der Hälfte der 27 EU-Staaten (46,5 Pro- zent) existiert eine rechtliche Grundlage für das Reproces- sing. Während jedoch in Deutschland zum Beispiel die Wie- deraufbereitung von Medizinprodukten grundsätzlich er- laubt ist, ist sie in Frankreich verboten. Petra Spielberg
Kostenfaktor:
Die Reprocessings- Industrie beziffert das Einsparpotenzi- al durch den Einsatz wiederaufbereiteter Produkte auf bis zu 50 Prozent.
Bei einigen Überwachungsbehörden zählen lediglich die Formalien, nicht das Ergebnis.
Foto:Reeve/SPL/Agentur Focus