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Archiv "Die ärztliche Ausbildung in Frankreich: harte Auslese" (18.09.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Frankreich hat 1970 — im selben Jahr also wie die Bundesre- publik Deutschland — das Medizinstudium reformiert. Seit da- mals sind weder die Zulassung zum Studium noch das Studi- um selbst verändert worden. Da in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit einige Verunsicherung über die ärzt- liche Ausbildung herrscht, scheint es lohnend, vergleichend einen Blick auf das Ausbildungssystem des westlichen Nach- barn Frankreich zu werfen — um so mehr, da in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft die Freizügigkeit der ärzt- lichen Niederlassung geltendes Recht ist. Der Verfasser hat einen Teil seines Medizinstudiums in Frankreich absolviert.

D

ie Ausbildung zum Arzt ist in Frankreich in drei Abschnitte gegliedert. Zwei Jahre Vorkli- nik, vier Jahre Klinik. Damit ist das Studium im eigentlichen Sinne beendet. Es folgt ein dritter Ab- schnitt, der jedoch schon der Wei- terbildung zum praktischen Arzt oder Facharzt dient. Praktische Ärzte erhalten im Anschluß an ei- ne zweijährige Weiterbildung das Recht, sich niederzulassen. Die Facharztweiterbildung dauert je nach Spezialität vier bis fünf Jah- re. Auf den ersten Blick ähnelt dies unserem System. Es gibt je- doch eine Reihe gravierender Un- terschiede.

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Nach einem Jahr die große Selektion

Frankreich kennt keinen Numerus clausus. Wer das baccalauröat oder einen gleichwertigen auslän- dischen Abschluß (zum Beispiel Abitur) hat, kann sich an einer Uni- versität seiner Wahl ins erste Stu- dienjahr einschreiben. Im ersten Jahr werden die Basiswissen- schaften gelehrt: Anatomie, Histo- logie, Embryologie, Biologie, Bio- chemie, Physiologie, Physik, Ma- thematik und Psychologie. Der Unterricht erfolgt aufgrund der großen Studentenzahl ausschließ- lich theoretisch. Da die Zahl der Studienplätze im zweiten Jahr er- heblich beschränkt ist, findet am Ende des ersten Jahres eine Aus- wahlprüfung statt, concours (Wettbewerb) genannt. Diese Prü- fung wird an allen Universitäten in schriftlicher Form abgehalten, Prüfungsstoff und -termine sind Angelegenheiten der Universitä-

Rolf Stingel

Die ärztliche Ausbildung

in Frankreich:

harte Auslese

• Praxisorientiertes Studium

• Leistungsorientiertes System

• Sinkende Studien- platzkapazitäten

• Frühe Entscheidung zwischen Spezialist und Allgemeinarzt

• Erhebliche Unter- schiede zum

deutschen Studium

ten. In Bordeaux besteht der con- cours je zur Hälfte aus kurzen Textfragen und Multiple-choice-

Fragen. Das Prüfungsergebnis wird per öffentlichem Anschlag bekanntgegeben, eine persön- liche Benachrichtigung erfolgt nicht. Die Prüfungsbesten werden ins zweite Studienjahr zugelas- sen, soweit Plätze vorhanden

sind. Der concours findet nur ein- mal pro Jahr statt und kann nur einmal wiederholt werden. Wer sich zweimal nicht plazieren kann, wird für immer für das Fach Medi- zin von sämtlichen Universitäten gestrichen, und die bis dahin er- brachten Studienleistungen ver- fallen.

Die Trauben hängen hoch für die französischen Studienanfänger.

An der Universität Bordeaux wa- ren 1980/81 1395 Studenten ins er- ste Jahr eingeschrieben, für das zweite Studienjahr in Medizin standen jedoch nur 355 Plätze zur Verfügung. Damit war von vorn- herein eine Durchfallquote von 75% festgelegt. Im Studienjahr 1984/85 bewarben sich 1586 Stu- denten für nur 257 Plätze des zweiten Studienjahres. 83% der Bewerber waren damit zum Scheitern verurteilt, von 100 konn- ten nur 17 weiterkommen.

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Nur die erbrachte Prüfungsleistung zählt Für uns ist dieses sehr leistungs- orientierte System von unge- wohnt offener Härte. Alle Medizin- studenten höherer Semester den- ken mit Schrecken an das erste Jahr und den concours zurück, zumal jeder Kommilitone wäh- rend dieses Abschnitts Konkur- rent ist und die Studenten oft mit allen Mitteln gegeneinander ar- beiten. Trotzdem wird dieses Sy- stem allgemein akzeptiert. Es gilt in Frankreich für alle Fächer, in denen die Nachfrage nach Stu- dienplätzen größer ist als das An- gebot. Das französische Zulas- sungssystem ist klar und durch- sichtig nach dem Motto: gleiche Chancen für alle, nur die erbrach- te Prüfungsleistung zählt! Es gibt keine dubiosen Prüfungsgesprä- che, es zählt kein von Bundesland zu Bundesland stark schwanken- der Abiturdurchschnitt, und es entscheidet schon gar kein Los.

Über solche Zulassungsmethoden informiert, schütteln französische Studenten ungläubig den Kopf.

Die Möglichkeit, sich einen Stu- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 38 vom 18. September 1985 (23) 2707

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Frankreich: Ärztliche Ausbildung

dienplatz zu erklagen, wird von ih- nen mit nur einem Wort kommen- tiert: „scandale". Das Medizinstu- dium ist in Frankreich nur über den concours möglich. Es ist un- denkbar und unmöglich, sich ein- zuklagen, sich ausländische Stu- dienleistungen anrechnen zu las- sen, und es gibt nicht einmal eine Sonderquote für Härtefälle. Hart, aber nach Meinung der Franzosen gerecht und für jedermann klar durchsichtig.

I

die Kapazitäten Paris senkt

Die Zahl der Plätze des zweiten Studienjahres wird vom Gesund- heitsministerium in Paris jedes Jahr neu festgelegt. Die Kapazität orientiert sich an Schätzwerten für den künftigen Bedarf an Ärz- ten. Sie nahm in den letzten Jah- ren deutlich ab. Standen in Bor- deaux 1980/81 noch 355 Plätze für das zweite Studienjahr zur Verfü- gung, so waren es 1984/85 nur noch 257 Plätze, was einem Rück- gang von 27% innerhalb von 5 Jahren entspricht. Dieser Trend läßt sich landesweit verfolgen, vor allem die großen Universitäten mußten Federn lassen. 1980/81 wies die Region Paris noch 1727 Plätze für das zweite Jahr in Medi- zin auf, 1984/85 waren es nur noch

1236. In Lyon war ein Rückgang von 450 Plätzen im Jahr 1984/85 auf 318 Plätze im Jahr 1984/85 zu verzeichnen, in Marseille sank die Zahl während desselben Zeitrau- mes von 400 auf 270 Plätze. Gab es in ganz Frankreich im Studien- jahr 1980/81 noch 6409 Plätze für das zweite Studienjahr in Medizin, so sank die Zahl zum Studienjahr 1984/85 um 25% auf 4750 Plätze.

Doch die Talsohle scheint noch nicht erreicht. In einer Broschüre der Medizinischen Fakultät Bor- deaux für die Studienanfänger des Jahres 1984/85 steht: „Die Se- lektion durch den concours am Ende des ersten Jahres ist streng, und wahrscheinlich wird die Zahl der angebotenen Plätze in den nächsten Jahren vermindert.

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Auch nach dem concours:

jedes Jahr Abschlußprüfung Im zweiten Studienjahr vertiefen die Studenten ihre vorklinischen Kenntnisse und erhalten auch praktischen Unterricht in den In- stituten der Vorklinik. Um ins er- ste klinische Jahr zugelassen zu werden, müssen sie in jedem Fach eine Abschlußprüfung be- stehen. Bei Mißerfolg kann die Prüfung etwa sechs Wochen spä- ter wiederholt werden. Wer es auch dann noch nicht schafft, muß ein Jahr wiederholen. Während der ersten Hälfte des ersten klini- schen Jahres werden klinische Grundlagenfächer wie Pathologie, Immunologie, Mikrobiologie und Pharmakologie gelehrt. Die zwei- te Hälfte dient der Propädeutik mit mehreren zwei- bis dreiwöchi- gen Praktika in verschiedenen kli- nischen Fächern. Wiederum fol- gen Abschlußprüfungen, die ein- mal wiederholt werden können.

Sie gewähren Zugang zur drei Jahre dauernden praktisch-klini- schen Ausbildung und erheben den Studenten in den Stand eines

„etudiant clinique" (klinischer Student) oder kürzer „externe".

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Klar geregelter Status im Krankenhaus

Mit Beginn des zweiten klinischen Jahres erleben die Studenten ei- ne Zäsur in ihrer Ausbildung. Das bis dahin eher theoretisch-akade- mische Studium wird konsequent auf die Praxis umgestellt und auf die späteren medizinischen An- forderungen ausgerichtet. Dies wird schon dadurch deutlich, daß der externe in einem Dienstver- hältnis mit der Universität steht.

Seine Rechte und Pflichten regeln 13 Artikel eines Regierungserlas- ses (Nr. 70-931) vom 8. Oktober 1970. In diesen Artikeln ist veran- kert, welche Arbeiten die Studen- ten im Krankenhaus verrichten müssen (z. B. Aufnahme von Pa- tienten und Führen der Kranken- dossiers), welche sie dürfen (zum Beispiel Lumbalpunktion), wer für

ihre Ausbildung, Überwachung und Beurteilung zuständig ist und welche Verpflichtungen sie ge- genüber den Kranken, dem medi- zinischen Personal und der Klinik- verwaltung haben.

Die externes gehören danach zum diensttuenden Personal, und sie sind einer eigens für sie geschaf- fenen Disziplinarordnung unter- worfen. In Artikel 8 steht: „Der

Leiter einer klinischen Einrich- tung kann von seiner Einrichtung jeden Studenten ausschließen, dessen Gegenwart unvereinbar mit den Notwendigkeiten der Ab- teilung ist." Studenten, die bei- spielsweise ihr Äußeres erheblich vernachlässigen, kann so wir- kungsvoll bedeutet werden, daß die Notwendigkeiten der Abtei- lung eine Änderung ihres Erschei- nungsbildes verlangen. Aber auch Bezahlung, Vergütung der Dien- ste und Urlaub werden geregelt.

Studenten des zweiten klinischen Jahres werden weder für die Ar- beit in der Klinik noch für ihre Nachtdienste bezahlt, obwohl sie die gleichen Tätigkeiten wie ihre höhersemesterigen Kommilito- nen verrichten. Dafür sind die letz- ten vier Monate dieses Studien- jahres praktikums- und vorle- sungsfrei; es besteht die Möglich- keit, in dieser Zeit im Pflegebe- reich mit dem Gehalt einer exami- nierten Schwester zu arbeiten.

Ab dem dritten klinischen Jahr er- halten die externes derzeit 11732 Francs (rund 4000 DM) und ab dem vierten 13293 Francs (rund 4500 DM) pro Jahr, abzüglich 15 Prozent für Kranken-, Arbeitslo- sen- und Rentenversicherung. Für einen Nachtdienst erhalten sie zu- sätzlich 28 Francs (rund 10 DM), auf Intensivstation oder beim Not- arzteinsatz 50 Francs (rund 17 DM). Die Verpflegung während ei- nes Dienstes ist gratis. Zudem ha- ben die externes Anspruch auf ei- nen Monat Urlaub im Jahr. Pro un- entschuldigtem Fehltag werden in Bordeaux 50 Francs abgezogen, bei längerer Abwesenheit droht zusätzlich eine Disziplinarstrafe.

In Frankreich ist also eine Mitar- 2708 (24) Heft 38 vom 18. September 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

beit der Studenten im klinischen Betrieb rechtlich verankert wor- den. Die externes sind Angestellte der Universität, sie haben einen festen Status und sind zudem kranken-, arbeitslosen- und ren- tenversichert.

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Der Kern: Praxisorientierte klinische Ausbildung

Der klinische Student durchläuft drei Jahre lang sogenannte „sta- ges" in verschiedenen klinischen Fächern. Ein stage in einem Hauptfach wie Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie oder Päd- iatrie dauert vier Monate, stages in kleinen Fächern wie Augen, HNO oder Labormedizin dauern zwei Monate. Die Arbeit im Kran- kenhaus beginnt morgens je nach Gepflogenheit der Abteilung zwi- schen sieben und acht Uhr und endet meist am frühen Nachmit- tag. Auf vielen Stationen ist die Hälfte der externes samstags ebenfalls anwesend. Am späten Nachmittag werden Vorlesungen und Seminare besucht, die zur Vorbereitung von Zertifikaten die- nen.

Zertifikate sind schriftliche Teil- prüfungen in den klinischen Fä- chern. Sie sorgen für den theore- tischen Standard während der kli- nischen Ausbildung. Bis zum En- de des Studiums müssen 22 Zerti- fikate erworben werden.

Der Hauptarbeitsbereich eines externe ist die Station. Einer 30-Betten-Station sind in der Re- gel vier bis sechs externes zuge- teilt, ein externe betreut durch- schnittlich sechs Patienten. Der externe macht die Aufnahmeun- tersuchung und erstellt einen schriftlichen Bericht mit Anamne- se und Befund. Er schreibt das Aufnahme-EKG selbst und befun- det die Röntgenaufnahme der Lunge zusammen mit dem interne (Assistenzarzt). Der Patient wird von seinem externe bei der Visite vorgestellt. In der Chirurgie assi- stiert er nach Möglichkeit bei den Operationen seiner Patienten.

Die Guillotine, eine allgemein als französisch assoziierte Ein- richtung, kam unserem Kari- katuristen Party in den Sinn, als er von der in Frankreich ge- übten Auswahl- methode für das Medizinstu- dium hörte. Hier wird nämlich von der Schlan- ge der Studien- anfänger nach einem Jahr mit- tels des con- cours der Teil, der durchkommt und weiterstu- dieren darf, ab- geschnitten.

Das unterschei- det das franzö- sische System grundlegend vom deutschen, wird doch bei uns die Auswahl zum Studium vor dem Stu- dienbeginn vorgenommen

Sämtliche Laborwerte und Spe- zialuntersuchungsbefunde wer- den vom externe in die Kranken- akte eingetragen. Das Führen der Krankenakte mit täglicher Doku- mentation des Zustandes des Pa- tienten gehört ebenfalls zu den Pflichten, in vielen Abteilungen bereiten die externes auch die Entlassungsbriefe vor. Der be- treuende externe ist also rundum für seine Patienten verantwort- lich, von den Aufnahmeformalitä- ten über die Suche nach verschol- lenen Röntgenaufnahmen und überfälligen Laborwerten bis hin zum Entlassungsbericht. — Unge- fähr alle zehn bis 14 Tage hat der externe einen Nachtdienst. Er un- tersucht die neu aufgenommenen Patienten, erstattet dem diensttu- enden interne Bericht und schlägt die Behandlung vor. In der chirur- gischen Ambulanz fordern Stu- denten während des Dienstes selbständig Standardröntgenauf- nahmen an, verbinden, gipsen einfache Brüche und nähen klei- nere Wunden. Auf geburtshilf-

lichen Abteilungen tun die Stu- denten Dienst mit den Hebam- men, in der Anästhesie arbeiten sie auf der Intensivstation, neh- men am Notarztdienst teil. Im Ver- lauf der klinischen Tätigkeit wer- den so peu ä peu die praktischen ärztlichen Fertigkeiten erlernt.

I

Student ist Schüler und Assistent zugleich Der klinische Student ist voll in seiner Abteilung integriert, der Alltag im Krankenhaus wird für ihn nach und nach zur Routine, und er gewinnt Sicherheit. Die Studen- ten sind motiviert, denn sie sind für die Patienten mitverantwort- lich, sie entlasten die Assistenz- ärzte, haben ihren eigenen Ar- beitsplatz und Aufgabenbereich und wissen, daß sie gebraucht werden. Die Arbeitsatmosphäre ist sehr persönlich, auch Profes- soren und Oberärzte kennen nach einigen Tagen ihre externes na- mentlich.

Frankreich: Ärztliche Ausbildung

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 38 vom 18. September 1985 (27) 2709

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Frankreich: Ärztliche Ausbildung

Am Ende eines Praktikums erhal- ten die externes eine elf Punkte umfassende Beurteilung. Bewer- tet werden unter anderem medizi- nisches Wissen, wissenschaft- liches Interesse, Pflichtgefühl, Disziplin, Pünktlichkeit, Kontakt und Umgang mit Patienten und Pflegepersonal und kollegiale Zu- sammenarbeit. Der externe ist Schüler und Assistent zugleich.

Daher läuft er nie Gefahr, ein stö- rendes Element zu sein oder als solches empfunden zu werden.

Patienten und Ärzte an bundes- deutschen Universitätskliniken müssen Studenten geradezu als Störfaktoren empfinden, da Stu- denten hierzulande funktionslos fragend in ständig wachsender Zahl im Raume stehen. An der Universität Tübingen stieg die Zahl der im Fachbereich klinische Medizin eingeschriebenen Stu- denten von 1284 im Winterseme- ster 1977/78 auf 1927 im Winterse- mester 1984/85.

I

Spezialist? Praktischer Arzt?

Ein concours entscheidet!

Schon vor Abschluß des Studiums müssen die externes entscheiden, ob sie Fach- oder praktischer Arzt werden wollen. Der Zugang zur Facharztweiterbildung erfolgt wieder über einen concours, der in der Mitte des vierten klinischen Jahres stattfindet. Es handelt sich dabei um eine schriftliche Prü- fung, die einmal jährlich stattfin- det und nur einmal wiederholt werden kann. Denn Weiterbil- dungsstellen für Fachärzte sind knapp, und nur die Universitäten dürfen Fachärzte weiterbilden.

Für den gesamten Südwesten Frankreichs (9 Departements) gibt es pro Jahr 71 medizinische, 36 chirurgische, 14 psychiatrische und 19 Ausbildungsstellen für theoretische Medizin. Für den Großraum Paris mit etwa 8 Millio- nen Einwohnern sind es 157 medi- zinische, 79 chirurgische, 30 psychiatrische und 40 theore- tisch-medizinische Stellen. Medi- zinisch heißt hier alle konservati- ven Fachgebiete, also Innere Me-

dizin mit Teilgebieten, Neurolo- gie, Pädiatrie usw., chirurgisch heißt alle operativen Fächer, also Chirurgie mit Teilgebieten, Urolo- gie, HNO usw. Weil nur wenige Stellen zur Verfügung stehen, will der concours gut vorbereitet sein.

Die meisten Bewerber beginnen mit der Vorbereitung Ende des zweiten klinischen Jahres. Die Prüfungsbesten können sich die Stellen ihrer Wahl aussuchen, die schlechteren müssen nehmen, was übrigbleibt. Wer sich zweimal nicht plazieren konnte, kann in Frankreich nicht Facharzt werden.

Diese Art der Selektion von Fach- arztanwärtern ist schon lange Zeit heftig umstritten. Während in der Bundesrepublik über die Kriterien zur Zulassung zum Studium über- haupt gestritten wird, erhitzen sich in Frankreich die Gemüter gegen Ende des Studiums, wenn es um die Zulassung zur Facharzt- weiterbildung geht. Viele Ärzte und Studenten sehen wohl zu Recht nicht ein, warum eine rein schriftliche Prüfung darüber ent- scheiden soll. Sie fordern eine Einbeziehung der während des Studiums von den Abteilungslei- tern erstellten Praktikumsbeurtei- lungen. Doch trotz massiver Pro- teste hat sich hier seit 1970 nichts geändert.

Viele Studenten nehmen von vornherein nicht am Facharztcon- cours teil und wählen die Weiter- bildung zum praktischen Arzt. Bis 1984 genügte im Anschluß an das Studium ein einjähriges klini- sches Praktikum als Assistenzarzt und die Vorlage einer thäse (wis- senschaftliche Arbeit), um das Doktordiplom für Medizin zu er- halten und damit das Recht, sich niederzulassen. Neuerdings ist das Praktikum auf zwei Jahre ver- längert worden, und es kann erst nach Absolvierung einer zusätz- lichen Abschlußprüfung am Ende des Studiums angetreten werden, die alle klinischen Fächer umfaßt (certificat de synthäse clinique et thörapeutique). Das Praktikum enthält vier stages ä sechs Mona- te, wobei ein stage bei einem nie-

dergelassenen Arzt stattfinden sollte. Die Verlängerung dieses Weiterbildungsabschnittes erfolg- te, um die Ärzte besser auf ihre Tätigkeit als gönöralist (Praktiker) vorzubereiten. Ob dieses Ziel er- reicht wird, bleibt abzuwarten, denn es mangelt gerade an nie- dergelassenen Ärzten, die bereit sind, junge Kollegen in ihrer Pra- xis weiterzubilden.

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Seit 1980: 25 Prozent Studienplätze weniger Zieht man Bilanz, so sticht folgen- des ins Auge: Frankreich hat die Zahl der Medizinstudienplätze seit 1980 um 25 Prozent reduziert, und wahrscheinlich wird ein wei- terer Abbau von Studienplätzen erfolgen. Die französische Medizi- nerausbildung ist stark leistungs- orientiert. Während des klini- schen Studiums steht die prakti- sche Ausbildung im Vordergrund.

Für die Weiterbildung zum Fach- arzt bestehen empfindliche Zulas- sungsbeschränkungen. Die Wei- terbildung zum gönöralist wurde um ein Jahr verlängert, so daß die Ausbildung zum niederlassungs- berechtigten praktischen Arzt in Frankreich derzeit insgesamt acht Jahre dauert.

Quellen (denen das gesamte Zahlenma- terial des Artikels entnommen wurde):

Guide Thäraplix des ätudes mödicales, Annäe universitaire 1984/85, Band 1-4;

Guide Thäraplix des ätudes madicales, Annäe universitaire 1984/1985, Bor- deaux; Guide Thäraplix des ätudes mä- dicales, Annäe universitaire 1981/82, Band 1-4; Guide Thäraplix des ätudes mädicales, Annäe universitaire 1981/82, Bordeaux; Namens- und Vorlesungsver- zeichnis der Universität Tübingen, Som- mersemester 1985 und Sommerseme- ster 1978.

Privatdozent Dr. med. Dipl.-biochem.

Hans Moeller, Oberarzt der Universitäts- kinderklinik Tübingen, danke ich für die Durchsicht des Manuskripts.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Rolf Stingel Auf dem Rain 6

7460 Balingen-Frommern 2710 (28) Heft 38 vom 18. September 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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