Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1725. April 2003 AA1149 beit zuständige Lehrer Rüdi-
ger Göbel der Journalistin die Schule zeigt. Der katholische Kontext der Schule drückt sich darin aus, dass Religions- unterricht und der Besuch der Messe verpflichtend sind.
„Die Kinder werden im Sinne eines christlichen Menschen-
bildes erzogen“, sagt Göbel.
Auch hat die Schule einen ei- genen Seelsorger, den Spiri- tual Karl Rieger, von allen nur „Spiri“ genannt. Der bie- tet auch Freizeitkurse an.
Auf dem Gelände der Schule befindet sich die Klo- steranlage des Augustineror-
dens aus dem 14. Jahrhundert, in der die Zimmer der Mittel- stufenschüler zum Beispiel im
„Haus Kapitol“, „Haus Mon- tecasino“ oder „Haus Orbis“
untergebracht sind. Im Kreuzgang des Klosters ver- ewigen sich die Abiturienten mit Namen auf Kacheln. Dar- unter finden sich viele Prie- ster. Diejenigen, die es zum Bischof schaffen, erhalten ein eigenes Fenster mit Bleiver- glasung, so zum Beispiel Dr.
theol. Franz Kamphaus, Ab- iturient von 1953 und seit 1982 Bischof von Limburg. Ob er seinen Widerspruchsgeist auf der Gaesdonck erwarb? Zur Erinnerung: Kamphaus wi- dersprach als Einziger der Entscheidung des Papstes, Schwangerenkonfliktberatung aus kirchlichen Einrichtun- gen zu verbannen. „Die Gaes- donck fördert sicherlich ei- genständiges Denken“, sagt der Schulleiter.
Anknüpfend an christliche Traditionen, wird für die Schüler der 11. Jahrgangs- stufe ein „Sozialpraktikum“
durchgeführt. Die Schüler ar- beiten drei Wochen in einem Krankenhaus, Altenheim, im mobilen Sozialdienst, einer Behinderteneinrichung oder Kindergarten im Kreis Kleve.
„Im Unterschied zum üb- lichen Betriebspraktikum können die Schüler im sozia-
Jugendbegegnungen
Austausch mit jungen
Franzosen
Gelegenheit für junge Fran- zosen und junge Deutsche, ihre Ferien miteineinder zu verbringen, bietet die Gesell- schaft für Übernationale Zu- sammenarbeit e.V. (GÜZ).
Während des Sprachunter- richts am Vormittag, vor al- lem aber bei den gemeinsa- men Aktivitäten können die Sprache, Kultur und die Le- bensweise des jeweils ande- ren kennen gelernt werden.
Die zwei- bis dreiwöchigen Programme für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren finden immer in den Schulfe- rien statt. Begegnungsorte in Frankreich sind Vichy in der Auvergne und Ciboure an
der Atlantikküste; in Deutsch- land stehen Häuser in Berch- tesgaden, Wasserburg am Bodensee, Heringsdorf auf Usedom und Langholz an der Ostsee zur Verfügung.
Die Preise sind moderat.
Seit mehr als 50 Jahren bietet die GÜZ zusammen mit dem Buerau Internatio- nal de Liaison et de Docu- mentation, in Paris deutsch- französische Jugendbegeg- nungen an. Der Jesuiten- pater Jean du Rivau gründe- te die beiden Organisatio- nen kurz nach Kriegsende mit dem Ziel, Vorurteile ab-
zubauen. pb
Informationen:
Gesellschaft für Übernationale Zusammenarbeit e. V., Dottendorfer Straße 86, 53129 Bonn,
Telefon: 02 28/9 23 98 10, Fax: 02 28/69 03 85,
E-Mail: guez.dokumente@gmx.net Internet: www.guez-dokumente.org
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len Bereich auch richtig mit- helfen, nicht nur jemandem über die Schulter schauen“, sagt Rüdiger Göbel, der die Praktika betreut.Viele gingen skeptisch an die Sache heran, sagt er, „und sind nachher an- genehm überrascht“. Das So- zialpraktikum ist nicht nur ei- ne Vorbereitung auf das Be- rufsleben, es hilft den Jugend- lichen, auch sich selbst besser kennen zu lernen. „Es ist eine gute Erfahrung zu wissen, dass ich solchen Situationen gewachsen bin“, schreibt Andreas im Bericht über ein Praktikum im Altenpflege- heim, „durch diese Erfahrung kann ich meine Grenzen neu festlegen“. Für Simon ist die Berufswahl klarer geworden:
„Ich habe jetzt schon mal ei- nen kleinen Einblick in die Arbeit im Krankenhaus. Das hat meinen Wunsch, Arzt zu werden, bekräftigt.“
Vor rund vier Jahren hat sich die Gaesdonck dem Thema der Hochbegabtenför- derung angenommen. „Die besonders Begabten ver- kümmern oft“, sagt Wolf- gang Winter, Spezialist für
Begabtenförderung an der Schule. In Kooperation mit dem Zentrum für Bega- bungsforschung der nieder- ländischen Universität Nij- megen (30 km entfernt), die
„auf der Gaesdonck“ eine Be- ratungsstelle für Begabungs- förderung unterhält, enga- giert sich Winter vor allem in der Lehrerfortbildung. Die Lehrer sollen lernen, wie man Hochbegabte erkennt und sie fördert. Problema- tisch seien die so genannten Underachiever,die trotz Hoch- begabung im Unterricht ver- sagen. Ist die Hochbegabung einmal erkannt, bietet die Gaesdonck viele Möglich- keiten, die Wissensdurstigen zu versorgen. Petra Bühring
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Sexualpädagogik
Mehr
Kompetenz
Berufsbegleitendes Studium in Merseburg
Die Fachhochschule Merse- burg in Sachsen-Anhalt bietet ab Oktober wieder berufsbe- gleitende Studiengänge der Fachrichtung „Sexualpädago- gik und Familienplanung“ an.
Zielgruppen der bundesweit einmaligen sexualpädagogisch weiterbildenden Studiengän- ge sind Sozialarbeiter, Heil- pädagogen, Hebammen, Psy- chologen und Ärzte. „Im Me- dizinstudium wird kaum auf das Thema Sexualität einge- gangen, daher sind Ärzte häu- fig überfordert, wenn Patien- ten sich mit ihren Problemen an sie wenden“, sagt der Leiter der Studiengänge, Prof. Dr.
med. Harald Stumpe. Er be- dauert, dass das Interesse der Ärzte für Sexualmedizin so gering sei, schließlich seien in den Anfängen des Faches in den 20er-Jahren hauptsächlich Ärzte aktiv gewesen. „Auch in der ehemaligen DDR haben sich mehr Ärzte für Sexualme- dizin interessiert.“
Das Studium ermöglicht Ärzten, im Sinne eines bio- psycho-sozialen Ansatzes be- ratend tätig zu werden, zum Beispiel Patientengruppen anzubieten oder auch auf- klärend in Schulen mitzuwir- ken. Der Unterricht findet an Wochenenden und in Block-
wochen statt. pb
Informationen:
Auskünfte erteilt die Fachhoch- schule Merseburg, Studentense- kretariat, Geusaer Straße, 06217 Merseburg, Dipl.-Soz. Päd. Kristina Kliche, Telefon: 0 34 61/46 12 00 E-Mail: kristina.kliche@sw.fh- merseburg.de
Internet: www.sexpaed.de Informationen:
Collegium Augustianum Gaesdonck, Gaesdoncker Straße 220, 47574 Goch, Telefon: 0 28 23/96 10, Fax:
0 28 23/96 11 30
E-Mail: poststelle @gaesdonck.de Internet: www.gaesdonck.de Die Kosten für die Unterbringung im Internat bewegen sich zwischen 256 und 972 Euro monatlich, abhängig vom Einkommen der Eltern.
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as scheinbar Unbegreif- liche für Jugendliche fassbarer machen – das will das Schulprojekt „Ver- rückt? Na und!“ des Leipzi- ger Vereins für Öffentlich- keitsarbeit in der Psychiatrie„Irrsinnig Menschlich e.V.“.
Kern des Projekts ist die di- rekte Begegnung zwischen Jugendlichen und psychisch Kranken. Schüler und Lehrer beschäftigen sich nicht nur
abstrakt mit dem Thema.
Psychiatrie-Erfahrene, deren Angehörige und Therapeuten lassen sie an ihrer Sicht der Dinge teilnehmen. Bei dem Konzept wurden Erfahrun- gen aus Kanada und Öster- reich genutzt: Als dort Ärzte und Psychologen an Schulen über psychische Erkrankun- gen aufklären wollten, ver- stärkten sich die Ängste der Schüler. Dagegen reagierten
sie positiv auf die persönli- chen Erfahrungsberichte Be- troffener. Durch die Begeg- nung lernen die Jugendlichen, dass es zwischen ihnen und psychisch Kranken mehr Ver- bindendes als Trennendes gibt. Wie zum Beispiel die 15- jährige Sonja: „Die waren to- tal normal, hören dieselbe Musik, haben die gleichen Po- ster an der Wand, die gleichen Klamotten an.“
„Verrückt? Na und!“ richtet sich an 14- bis 20-jährige Jugendliche an Realschulen, Gymnasien und Berufsschu- len. Seit Februar 2001 haben 750 Schüler an 25 Schulen hauptsächlich in Sachsen an dem Projekt teilgenommen.
Inzwischen gehen bei Irrsinnig Menschlich e.V. jede Woche mehrere Anfragen von inter- essierten Schulen aus dem ge- V A R I A
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Schulprojekt „Verrückt? Na und!“
Ermutigende Ergebnisse
Das Anti-Stigma-Projekt ermöglicht durch die
direkte Begegnung zwischen Jugendlichen und
psychisch Kranken, Vorurteile abzubauen.
ins Leben gerufen hat. Davon, dass das Schulprojekt langfri- stig Vorurteile abbauen kann, war auch das Pharmaunter- nehmen Lilly überzeugt, das
„Verrückt? Na und!“ 2001 mit dem „Lilly Schizophrenia Awards“ auszeichnete – 24 Projekte hatten sich um den Preis beworben.
Die Vorgehensweise des Projekts ist einfach. Zunächst werden die Jugendlichen, in Gruppen von 15 bis 20 Schülern, für das Thema sensi- bilisiert und setzen sich mit ihrem Selbstbild und ihren Le- benszielen auseinander. Wer bin ich, was ist die menschliche Psyche, was sind die Belastun- gen, die einen Menschen aus der Bahn werfen können? Da- bei werden Grundkenntnisse über psychische Er-
krankungen vermit- telt. In einem zwei- ten Schritt überle- gen die Schüler ge- meinsam, welche Vorstellungen sie von psychisch Kran- ken haben und wo- her diese stammen.
Sie lernen, ihre Ein- stellungen kritisch zu hinterfragen. Zu- letzt kommt es zur Begegnung mit
Menschen, die eine psychische Krankheit durchgemacht ha- ben. Die Begegnung kann ver- tieft werden durch einen Be- such in einer psychiatrischen Klinik. Manuela Richter-Wer- ling von Irrsinnig Menschlich e.V. ist immer wieder über- rascht, „wie interessiert und le- bensklug die Jugendlichen sind, gleich an welcher Schule wir unsere Aktion durch- führen“.
Die Ergebnisse der ersten wissenschaftlichen Evaluati- on des Projekts sind vielver- sprechend. 120 Schüler wur- den vor und nach dem Projekt nach ihrer Einstellung ge- genüber Menschen mit Schi- zophrenie befragt. Bereits vorher zeigten die befragten Schüler eine positivere Ein- stellung zu psychischen Er- krankungen, als aus der er- wachsenen Allgemeinbevöl- kerung bekannt ist. Doch es gab auch Vorurteile: So mein-
te die Mehrheit der Jugendli- chen vor dem Projekt, es wür- de ihnen Angst machen, sich mit jemandem zu unterhalten, der Schizophrenie hat. Da- nach waren diese Schüler fast ausnahmslos bereit, den Kon- takt aufzunehmen.
Eine der wichtigsten Ursa- chen für die Stigmatisierung psychisch Kranker liegt darin, dass schon die Erwähnung des Wortes Schizophrenie bei vielen negative Assoziationen auslöst. Auch hierbei hat das Schulprojekt eine notwendi- ge Korrektur bewirkt: Vorher dachten die Jugendlichen bei dem Begriff Schizophrenie häufig an eine „geistige Be- hinderung“ und schätzten die Betroffenen als „schwachsin- nig“ ein. Danach beurteilten
sie die Betroffenen eher als
„missverstandene Menschen“, deren Erkrankung jeden tref- fen kann.
Aufgrund der großen Reso- nanz aus ganz Deuschland will der Verein Irrsinnig Mensch- lich ein bundesweites Netz- werk von betroffenen und en- gagierten Menschen aufbauen, die „Verrückt? Na und!“ vor Ort an Schulen durchführen – Interessierte werden gesucht.
Auch finanzielle Hilfen sind willkommen,da sich das Schul- projekt nur durch Spenden fi- nanziert. Petra Bühring V A R I A
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samten Bundesgebiet und dem deutschsprachigen Ausland ein. Der Verein setzt sich seit seiner Gründung im Frühjahr 2000 für die Entstigmatisie- rung psychisch Kranker ein.
Gegründet wurde er auf Initia- tive des Psychiaters Prof. Dr.
Mathias C. Angermeyer und der Soziologin Beate Schulze von der Universität Leipzig.
Die Projekte des Vereins sind in das weltweite Anti-Stigma- Programm eingebunden, das die World Psychiatric Associa- tion 1996 in rund 80 Ländern
Ohne Berührungsängste: Sven Ramos be- richtet den Schülern von seiner Erkrankung.
Foto: Irrsinnig Menschlich e.V.
Informationen:
Irrsinnig Menschlich e.V. – Verein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychiatrie. Dr. Manuela Richter- Werling, Johannisallee 20, 04317 Leipzig, Telefon/Fax: 03 41/
2 22 89 90
E-Mail: info@irrsinnig-menschlich.
de; Internet: www.irrsinnig- menschlich.de