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Archiv "Willensfreiheit: Erschüttertes Selbstbild" (16.12.2005)

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und Patient stehen auch nach der letzten Reform des Einheitlichen Bewertungs- maßstabes zur Verfügung. Dies erlaube theoretisch zwei Kontakte im Quartal.

„Viel zu wenig“, betont Berger. „Um Patienten mit schweren psychischen Störungen gewissenhaft zu behandeln, muss man sie im Akutfall wöchentlich, später mindestens zweimal im Monat se- hen.“ Um die Honorierung aufzubessern, würden inzwischen auch viele Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie ver- stärkt Richtlinien-Psychotherapie durch- führen, die nach mehreren Bundessozial-

gerichtsurteilen zu einem gestützten, nicht floatenden Punktwert vergütet wird. Dadurch reduziere sich die Zahl der von ihnen behandelten Patienten wieder- um auf ein Zehntel, kritisiert Berger.

Daneben sind auch die Niederlas- sungsmöglichkeiten für junge Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sehr eingeschränkt: 87 Prozent aller Planungsbereiche sind gesperrt (KBV, Anfang 2005). Gleichzeitig sind jedoch für Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin noch rund 50 Prozent aller Planungsbereiche offen, das heißt, 1 913

Kassenarztsitze für diese Gruppe kön- nen nicht besetzt werden. Diese relativ hohe Zahl liegt an der in der Bedarfs- planung verankerten Mindestquote von 40 Prozent ärztlicher Psychotherapeu- ten, die der Gesetzgeber als eine Art Be- standsschutz gegenüber den Psychologi- schen Psychotherapeuten festgeschrieben hat (§ 101 Abs. 4 SGB V). Die DGPPN wünscht sich eine flexiblere Bedarfs- planung dahingehend, dass die freien Kassenarztsitze auch von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie besetzt werden könnten. Petra Bühring P O L I T I K

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A3484 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005

D

ie Frage nach der Willensfreiheit stand im Mittelpunkt des dies- jährigen Kongresses. Denn neue- re Erkenntnisse aus der Hirnforschung haben eine heftige Diskussion darüber ausgelöst, ob die Annahmen über Ent- scheidungs- und Handlungsfreiheit für die therapeutische Praxis aufrechter- halten werden können und ob die Fra- ge nach der Schuldfähigkeit in der fo- rensisch-psychiatrischen Begutachtung anders als bisher zu beantworten ist.

So haben unlängst elf führende Neu- rowissenschaftler in einem „Manifest“

über Gegenwart und Zukunft der Hirn- forschung zwar erklärt, dass das Gehirn trotz aufschlussreicher bildgebender Verfahren ein Rätsel ist: „Nach welchen Regeln (es) arbeitet; wie es die Welt so abbildet, dass unmittelbare Wahrneh- mung und frühere Erfahrung miteinan- der verschmelzen; . . . wie es zukünftige Aktionen plant, all dies verstehen wir noch nicht einmal in Ansätzen.“ Die Fachleute sind aber überzeugt davon, dass enorme Erkenntnisfortschritte zu erwarten sind. So würden Ergebnisse der Hirnforschung beispielsweise dazu führen, dass „psychische Auffälligkei- ten und Fehlentwicklungen, aber auch Verhaltensdispositionen zumindest in ihrer Tendenz vorauszusehen und ,Ge- genmaßnahmen‘ zu ergreifen sind.“

Vielen Ärzten und Psychologen er- scheinen solche Ansätze zu mecha- nistisch. Ein Menschenbild, das über die bekannten Schuldunfähigkeitsursa- chen hinaus Determiniertheit unter- stellt, „ist mit den Grundlagen unseres Denkens und Handelns als Psychia- ter, Psychotherapeuten und Gutachter schwerlich zu vereinbaren“, gab wäh- rend des Kongresses Prof. Dr. Henning Saß, Aachen, zu bedenken. Er verwies darauf, dass sich Qualitäten wie Hoff- nungen, Gefühle, Selbsteinschätzung, Einschätzung von anderen, die bei psychischen Erkrankungen für den Einzelnen eine große Rolle spielen, mit den objektivierenden Verfahren der neurowissenschaftlichen Forschung nicht direkt abbilden ließen. „Würde das Postulat der Verantwortlichkeit, dem die Vermutung der Freiheit von Wille und Entscheidung zugrunde liegt, aufgegeben, so wäre eine wesentliche Basis des menschlichen Zusammen- lebens gefährdet“, warnte Saß.

Dass die Wirkungsmechanismen von Medikamenten in viel größerem Umfang aufgeklärt seien als die kom- plexer psychosozialer Interventionen, betonte Prof. Dr. Sabine Herpertz, Rostock. Erst seit wenigen Jahren er- forsche man, wie Psychotherapie auf das Gehirn wirkt oder welche neuro- nalen Mechanismen einer gezielten Veränderung des psychischen Befin- dens zugrunde liegen. So konnte ge- zeigt werden, dass die Aufforderung zur Unterdrückung von Erinnerung ähnlich viele Hirnregionen aktiviert wie die Aufforderung zum Erinnern.

Zudem aktivieren häufig verwendete

Techniken der Psychotherapie offenbar bestimmte Hirnregionen. Die biolo- gische Psychotherapieforschung stecke aber noch in den Kinderschuhen, konstatierte Herpertz. Vorher-Nach- her-Messungen erklärten lediglich ei- ne Symptomverbesserung, spiegelten aber nicht den Veränderungsmecha- nismus wider. In der Diskussion wurde zudem ergänzt, dass ein wesentlicher Faktor der Behandlung noch immer die therapeutische Beziehung sei.

Begrenztes

Vorstellungsvermögen

Für die Auseinandersetzungen um die richtigen Schlüsse aus der modernen Hirnforschung bot Prof. Dr.Wolf Singer einen Ansatz. In einem Beitrag für die Deutsche Zeitschrift für Philosophie schrieb er unlängst: „Uns ist, als ob es in unserem Gehirn ein Zentrum gäbe.“

Die moderne Hirnforschung entwerfe allerdings ein ganz anderes Bild: Das Gehirn sei demnach extrem distributiv organisiert; eine Fülle von Verarbei- tungsprozessen vollzöge sich gleich- zeitig. „Die Begrenzung unseres Vor- stellungsvermögens erklärt vielleicht, warum unsere Intuition über die Vor- gänge in unserem Gehirn nicht mit dem übereinstimmt, was die Hirnfor- schung über diese in Erfahrung ge- bracht hat“, heißt es. „Die Einsicht in diese Begrenzung mag uns auch War- nung sein, die aus unserer Intuition abgeleiteten Vorstellungen nicht zur alleinigen Grundlage zu machen für unser Urteilen und Handeln.“ Rie, CU

Willensfreiheit

Erschüttertes

Selbstbild

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