gestellungen, die Einbeziehung oder Federführung bei der Erstellung die- ser Leitlinien von wissenschaftlichen Fachgesellschaften bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Patientenre- präsentanten und Allgemeinmedizi- nern zur Planung der Umsetzbarkeit, die Nutzung sogenannter Reminder- Systeme und die Nutzung von Leitli- nien als Instrumente der kontinuierli- chen Fortbildung. Für die Vermei- dung der zweiten Gefahr kann nicht auf die Ergebnisse von Studien zurückgegriffen werden. Hier wird es darauf ankommen, durch die Schaf- fung eines gesundheitspolitischen all- gemeinen Konsenses die Gefahren abzuwenden, die zu erwarten wären, wenn uns nur eine Version von Man- aged Care bleiben sollte vor dem Hin- tergrund einer ethisch besonders pro- blematischen Kombination von unsy- stematischer Rationierung, Ver- schwendung und ungelösten Quali- tätsproblemen und Ressourcenvertei- lungskonflikten in der Ärzteschaft.
Ähnlich wie in England sollte auch in Deutschland eine Förde- rungsmöglichkeit für Studien ge- schaffen werden, die die Strukturre- form vorbereiten helfen. Obwohl im Prinzip ein Teil dieser Ressourcen durch die Pharma- und Medikalindu- strie eingeworben werden könnte, ist klar, daß ob des zu unterstellenden Interessenkonfliktes die Ergebnisse so geförderter Studien in Zweifel ge- zogen werden könnten. Jedoch könn- ten nur mit diesen Studien die Vor- aussetzungen für die wirkungsvolle Implementierung der Instrumente der evidenzbasierten Medizin in Deutschland geschaffen werden. Erst nachdem entsprechende Implemen- tierungsstrategien entwickelt und ge- testet wurden, könnte die Frage der Veränderung der Vergütungsstruktu- ren in Hinblick auf diese Ergebnisse diskutiert werden.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-2128–2131 [Heft 34–35]
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl Lauterbach Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie Universität zu Köln
Gleueler Straße 176-178, 50935 Köln
A-2131 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 34–35, 30. August 1999 (23)
T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BERICHTE
sychiatrische Erkrankungen sind der Weltgesundheitsor- ganisation zufolge mit 10,5 Prozent die dritthäufigsten Erkran- kungen. Angst- und Zwangsstörun- gen, Depressionen, Alkoholabhän- gigkeit und Schizophrenie gehören zu den bedeutenden Volkskrankheiten.
Die Schwere psychiatrischer Erkran- kungen hat zugenommen; ihr Krank- heitswert wird von vielen jedoch nach wie vor nicht anerkannt. Das Anse- hen psychiatrischer Erkrankungen in der Bevölkerung, aber auch innerhalb der Ärzteschaft sei häufig negativ, sagte Prof. Dr. med. Henning Saß, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), in Bonn.
Mitglieder der DGPPN informierten dort über den aktuellen Stand der Psychiatrie und mögliche Auswirkun- gen der Gesundheitsreform 2000.
Mehr Transparenz
Psychiatrische Erkrankungen würden angstvoller erlebt und schwie- riger verstanden als somatische, er- klärte Prof. Dr. med. Peter Falkai, im Vorstand der Fachgesellschaft zustän- dig für Öffentlichkeitsarbeit. Im Un- terschied zu körperlichen Erkrankun- gen würden sie als Eingriff oder Ver- lust der Persönlichkeit betrachtet.
Deshalb müsse die Bevölkerung durch mehr Transparenz über Diagnostik und Therapie psychischer Störungen informiert werden, um tiefsitzende Vorurteile und Ängste abzubauen.
In den letzten 20 Jahren habe sich die Versorgung psychisch Kranker wesentlich verbessert, berichtete Prof. Dr. med. Max Schmauß, Vize- präsident der DGPPN. Die Behand- lung habe sich, soweit es gehe, vom stationären in den ambulanten Be-
reich verlagert; unterstützend wirkten hier psychiatrische Tageskliniken, be- treute Wohnformen und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen.
Obwohl die Entwicklung von Psychopharmaka einen Durchbruch bei der Behandlung von Psychosen bedeutete, akzeptiere die Bevölke- rung sie nur wenig, so Prof. Dr. Ma- thias Berger, Vorstandsmitglied der DGPPN. Viele befürchteten eine Suchtgefahr, die nur bei Tranquilizern belegt sei, nicht aber bei Neurolep- tika oder Antidepressiva. Außerdem vermuteten viele Menschen starke Nebenwirkungen und hielten die Psychotherapie auch bei schweren Er- krankungen für das Mittel der Wahl.
Bei der Behandlung psychischer Krankheiten bevorzuge man heute ei- nen mehrdimensionalen und differen- zierten Therapieansatz. Bei der Ent- stehung psychiatrischer Erkrankun- gen spielten einerseits neurobiologi- sche Faktoren, andererseits psychi- sche oder soziale Probleme eine Rol- le. Bei der Behandlung könne der Arzt die bei vielen psychiatrischen Er- krankungen auftretende Neurotrans- mitter-Imbalance durch Gabe von Psychopharmaka korrigieren, um da- nach mit Hilfe der Psychotherapie psychische Konflikte anzugehen. Man sei in den letzten Jahren dazu überge- gangen, die Psychotherapie an die Störungsbilder anzupassen, so Berger.
Sorge bereitet der DGPPN die Gesundheitsreform. Der geforderte Bettenabbau von 0,8 auf 0,3 Betten je 1 000 Einwohner sei nicht machbar, da bereits in den letzten Jahren Betten drastisch reduziert worden seien. Ein weiterer Abbau gefährde die Grund- versorgung. Die Fachgesellschaft be- fürchtet, daß aufgrund der geforder- ten Einsparungen ein Verteilungs- kampf zuungunsten der Psychiatrie entsteht. Dr. med. Kirsten Steinhausen