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Archiv "Treffer dank Zufalls verteilung" (12.09.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erdstrahlen

Einzelfall behindert würden. We- gen häufig ausgeprägter hellse- herischer Fähigkeiten von Ruten- gängern gleite das Phänomen des Rutenausschlags im übrigen — so König — in „paranormales Grenz- gebiet" ab. Derartige pseudowis- senschaftliche Publikationen in einer sonst angesehenen Fach- zeitschrift begünstigen die „Ge- schäfte mit der Angst" (Danie- lewski), worauf hier mit Nach- druck hingewiesen wird. Daher muß an die „Verantwortungen des

W

enn die Verursachung oder Auslösung von Krankheiten — speziell von Krebs — mit „Erd- strahlen" in Verbindung gebracht wird, so geschieht das prinzipiell mit folgender Argumentation:

O Es gibt relativ eng abgrenzba- re Orte, an denen diese Krank- heiten gehäuft auftreten.

• Sensible und entsprechend geschulte Menschen, die „Radi- ästheten", zeigen an diesen Orten unwillkürliche Reaktionen, die zu Ausschlägen der „Wünschelrute"

führen. Es liegt nahe, aus einem Zusammentreffen der beiden Phänomene auf gemeinsame Ur- sachen zu schließen, auf Wirkfak- toren, die den betreffenden Orten zugeordnet sind. Daß dies gerade

„Erdstrahlen" sein sollen, ist ein zusätzlicher Analogieschluß. Er beruht auf der Annahme, daß

• der Wünschelrutenausschlag von der Beschaffenheit des Unter- grunds und/oder unterirdischen Vorgängen ausgelöst wird.

Möglicherweise trifft jede dieser Annahme für sich genommen ge- legentlich zu. So ist es bei der lei- der so hohen Inzidenz von Krebs- erkrankungen selbstverständlich, daß es „Krebshäuser", also ört- liche Häufungen schon bei reiner Zufallsverteilung geben muß.

Nach örtlichen Wirkfaktoren zu suchen, ist daher nur dann ange- bracht, wenn sich nachweisen läßt, daß das örtliche Verteilungs- muster nicht so aussieht, wie es

Naturwissenschaftlers" erinnert werden (Maier-Leibnitz), zu des- sen Pflichten es auch gehört, Täu- schungen zu entlarven, um die Bevölkerung und insbesondere die uns anvertrauten Patienten zu schützen.

Irmgard Oepen, Marburg*) Literatur bei der Verfasserin

*) Prof. Dr. med. Irmgard Oepen ist Rechtsme- dizinerin und am Institut für Rechtsmedizin der Universität Marburg (Bahnhofstraße 7, 3550 Marburg) tätig.

Treffer dank Zufalls-

verteilung

die Gesetze des Zufalls erwarten lassen. Ein solcher Nachweis ist für die angeblich erdstrahlenbe- dingte Krebsauslösung nie ver- sucht, geschweige denn erbracht worden.

Daß an Schlafplätzen von Krebs- kranken Wünschelrutenausschlä- ge zustande kommen, kann eben- falls nicht überraschen. Man braucht nur die „radiästhetische"

Literatur durchzusehen, um zu er- fahren, daß angeblich so gut wie überall in Abständen von wenigen Metern Reaktionszonen und -streifen existieren. Es muß daher schon die Zahl von Zufallskoinzi- denzen mit „Krebszonen" hoch sein.

Was der Wünschelrutengänger macht, ist aber alles andere als ein lege artis ausgeführtes Experi- ment mit zufällig verteilten Aus- gangsbedingungen! Statt syste- matisch und ohne Kenntnis von örtlichen Besonderheiten nach Zonen mit Verdacht auf Pathoge- nität zu suchen, wird der „Radi- ästhet" von vornherein nur dort- hin gerufen, wo man Einflüsse von

„Erdstrahlen" vermutet. Dort wird er — abgesehen von anderen be- wußt oder unbewußt übermittel- ten Informationen — allerdings von

„Strahlen" beeinflußt: Nämlich von den reflektierten elektroma- gnetischen Lichtstrahlen, die zu- sammengenommen den opti- schen Eindruck von der Umge- bung vermitteln, also zum Bei- spiel zeigen, wo ein Bett steht. Es wäre geradezu ein Wunder, wenn ausgerechnet die als besonders sensibel geltenden Wünschelru- tengänger in der Lage wären, die von solchen und anderen Sinne- seindrücken vermittelten Informa- tionen zu ignorieren oder zu un- terdrücken.

Keiner der bisher bekanntgewor- denen Berichte über ein Zusam- mentreffen der Annahmen unter 1) und 2) beruht auf einem Vorge- hen, das zufällige oder von zu- sätzlichen Informationen des Wünschelrutengängers begün- stigte Treffer ausschließt. Auch bei korrekter, blinder Festlegung der „radiästhetischen" Störzonen wäre zu fordern, daß das Verhält- nis von Treffern zu Fehldiagnosen in einwandfrei auf Nichtzufall prüfbarer Form dokumentiert wird.

Angesichts der Erkenntnisse, die heute über das Ausmaß und die Intensität von Placebo-Effekten vorliegen, wäre es auch ein Wun- der, wenn sich die in der radiäs- thetischen Literatur beschriebe- nen Heilungen und Besserungen nach Verlegung des Schlafplatzes auf „störungsfreie" Zonen nicht einstellen würden.

Was von der unter 3) erwähnten Annahme hinsichtlich Aussage- kraft und Reproduzierbarkeit zu halten ist, kann man am besten an den von Frau Oepen zitierten Stel- len nachlesen. Ob der eine oder andere Wünschelrutengänger tat- sächlich überzufällige Treffer bei Experimenten mit künstlichen elektromagnetischen Feldern er- zielt, sagt weder über die Existenz von „Erdstrahlen" noch über ei- nen Zusammenhang mit Krank- 2620 (24) Heft 37 vom 12. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erdstrahlen

heitshäufungen irgend etwas aus, solange nicht die gleichen Felder an den angeblich pathogenen Or- ten vorgefunden werden. Zusam- mengefaßt läßt sich feststellen, daß selbst dann, wenn die unter 1) bis 3) aufgeführten Annahmen auf zutreffenden Beobachtungen be- ruhen würden, weder der Schluß

Im es gleich zu sagen: Die Phy- kennt den Begriff „Erd- strahlen" nicht. Nun könnte man natürlich die „Dinge zwischen Himmel und Erde" zitieren, „von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt". Tatsächlich sind die heutigen Naturwissen- schaften noch weit davon ent- fernt, alles zu verstehen. Und je weiter die Physik in die subato- mar-kleinsten oder kosmologisch- größten Dimensionen vordringt, um so mehr neue Fragen tauchen auf. Aber das, was sich auf unse- rer Erde abspielt, kennen wir in- zwischen doch recht gut.

Wenn wir zeigen wollen, daß es etwas, wie die „Erdstrahlen", nicht gibt, so ist dies schwieriger, als einen Existenzbeweis zu füh- ren. Denn wir müssen sämtliche nur denkbaren Möglichkeiten überprüfen. Gehen wir also syste- matisch vor und fragen zunächst, welche Strahlungen es überhaupt gibt. Wir finden zwei Kategorien:

Da sind einmal die schnell und ge- richtet bewegten „materiellen"

Teilchen, also z. B. die Elektronen in Röntgen- oder Fernsehröhren, die Alpha- und Beta-Partikel der Radioaktivität, der Neutronenfluß aus einem Kernreaktor usw. Zum zweiten gibt es Wellen- oder Quantenstrahlen, die dann auftre- ten, wenn sich Kraftfelder zeitlich ändern. Nun ist es der Physik ge- lungen, die große Vielfalt der Er- scheinungen auf nur drei funda- mentale Kräfte zurückzuführen, nämlich auf die Gravitation, den Elektromagnetismus und die Kernkraft. Nichts deutet darauf hin, daß es daneben noch weitere

„Wechselwirkungen" gäbe. Zwei

auf die Existenz von „Erdstrah- len" noch auf einen Zusammen- hang mit Krankheiten zulässig ist.

Karl Dirnagl, München*)

') Karl Dirnagl, Diplom-Physiker, Leitender akademischer Direktor am Institut für medi- zinische Balneologie und Klimatologie der Universität München (Anschrift: Marchioni- nistraße 17, 8000 München 70).

. entbehren jeglicher

physikalischer Grundlage

der drei Grundkräfte (und die dar- auf zurückgehenden Wellenstrah- lungen) können wir sofort aus- scheiden: Die Gravitation ist so schwach, daß unsere hochemp- findlichen Detektoren nicht ein- mal die gravischen Wellen explo- dierender Sterne erfassen; die Kernkraft ist zwar überaus stark, wirkt aber nur über so winzige Entfernungen wie 10 -15 m.

Was übrig bleibt, sind die elektro- magnetischen oder Photonen- Strahlungen. Sie entstehen, wenn sich elektrische oder magneti- sche Felder zeitlich ändern, und überspannen hierbei das riesige Spektrum von den kilometerlan- gen Radiowellen bis hin zu den ul- traharten Gamma-Quanten. Damit haben wir alle denkbaren Mög- lichkeiten genannt.

Welche Strahlung erzeugt nun un- sere Erde? Wir kennen die natür- liche Radioaktivität von (ungefähr- lichen) 100 mrem pro Jahr und sonst — nichts. Nun könnte man sich darauf hinausreden, daß die

„Erdstrahlen" vielleicht gar keine Strahlen im physikalischen Sinn, sondern nur Felder wären, deren Kraftlinien „strahlenförmig" ver- laufen. Man könnte dabei an das irdische Magnetfeld denken, des-

sen mittlere Feldstärke von etwa 1.

Gauß sogar gewissen lokalen und zeitlichen Schwankungen unter- liegt. Dieses Feld ändert sich aber nur über größere Entfernungen (nicht „von Zimmerecke zu Zim- merecke") und während astrono- mischer Zeitspannen, so daß da- bei auch keine elektromagneti- schen Strahlen entstehen. Im üb- rigen sind keinerlei gesundheit- liche Schäden bei Personen be- kannt, die sich in der Nähe techni- scher Magnete mit über tausend- facher Feldstärke aufhielten oder die mit starken elektromagneti- schen Sendern arbeiten. Eigent- lich erübrigt sich auch der Hin- weis, daß unterirdische Wasser- adern — genau wie oberirdische Bäche oder Flüsse — völlig unma- gnetisch sind, ebenso wie das als

„Schutz" gepriesene Kupfernetz;

es besitzt keinerlei Abschirmwir- kung. — Wir wollen noch ein weite- res, Argument hinzufügen: Die Physik besitzt heute für alle über- haupt in Frage kommenden Fel- der und Strahlungen so ausge- zeichnete Meßgeräte, daß zum Beispiel einzelne Alpha-Partikel oder Lichtquanten registriert und gezählt werden können. „Erd- strahlen" irgendwelcher Art blie- ben uns mit Sicherheit nicht ver- borgen. Verglichen mit unseren modernen Detektoren besitzt die Wünschelrute die gleiche appara- tive Aussagekraft wie Kaffeesatz.

Ziehen wir das Fazit: Die „Erd- strahlen" entbehren jeglicher physikalischer Grundlage. Ihre

„Wirkungen" mögen psychisch oder psychosomatisch zu erklä- ren sein bzw. auf Auto- oder Fremdsuggestion zurückgehen.

Das Bettrücken oder ein Kupfer- netz unter der Matratze bringt nichts anderes als einen Placebo- Effekt. Leider ist auch in unserem Zeitalter der Aberglaube noch nicht ganz ausgestorben, und es gibt immer noch Leute, die damit Geschäfte machen.

Horst Löb, Gießen*)

*) Prof. Dr. rer. nat. Horst Löb ist am I. Physika- lischen Institut der Universität Gießen (An- schrift: Heinrich-Buff-Ring 16, 6300 Gießen) tätig.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 37 vom 12. September 1984 (27) 2621

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