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Archiv "Gefahren im Hypnoland" (11.09.1975)

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DEUTSCHES FERNSEHEN

Die Information:

Bericht und Meinung

HÖRFUNK UND FERNSEHEN

Gefahren im Hypnoland

Am 30. Au- gust um 20.15 Uhr strahlte die ARD „Hyp- noland, eine

Reise in das Land der Hypnose"

aus, die das Publikum immer wie- der zu tosendem Beifall und schal- lendem Gelächter brachte. Das Show-Geschäft ist für das Fernse- hen eine harte Sache. Stets muß es auf der Jagd nach irgendwelchen Sensationen für sein anspruchsvol- les Publikum sein. Diesmal hat die Sendung erreicht, was sie wollte:

knallige Sensation und Verblüf- fung. Es fragt sich nur, ob die ARD mit dieser „pfundigen" Unterhal- tung wirklich ihrem Publikum ge- dient hat.

In früheren Zeiten waren öffentli- che Hypnosevorführungen polizei- lich verboten. Der Gesetzgeber hatte offensichtlich seine guten Gründe, ähnlich wie diejenigen, die auch heute schwerwiegende Be- denken gegen derartige Schaustel- lungen haben.

Der Hypnose haftet bei Laien ein abenteuerlicher und unheimlicher Nimbus an. Es wurden in dieser Sendung hypnotische Zustände von umwerfender Komik dargebo- ten, die aber nicht das Geheimnis- volle und Unfaßbare auslöschen konnten. Der Zuschauer fragt sich, nachdem er sich ausgelacht hat:

Wie ist das nur möglich. Er kommt zu der irrtümlichen Überzeu- gung, daß es dem Hypnotiseur gelungen ist, mit seiner „Kraft" den freien Willen, eines unserer höch- sten Güter, auszuschalten. Der Star des Abends war ein englisch spre- chender Schausteller mit dem Flair harmloser Nettigkeit. Laut Ansage zieht er seit 15 Jahren mit dieser Show über die Bühnen der Welt.

Man glaubt es ihm. Denn für den Kundigen waren seine Erfahrungen und die souveräne Sicherheit evi- dent.

Aus dem Publikum stellten sich freiwillig ca. 70 Leute als Versuchs- person zur Verfügung. Aus dieser Schar sonderte er flugs die Böcke von den Schafen. Das einleitende Experiment mit den krampfhaft zu- sammengefalteten Händen zeigte ihm die wenigen „Renitenten", die er auf die Zuschauerplätze wieder zurückschickte. Die sprudelnde Einführungsansprache wurde von einem Dolmetscher sparsam über- tragen. Sie war ein Meisterstück.

Als dann der Ruf ertönte: Alles hört auf mein Kommando, fand er — wen wundert es in Deutschland — bereitwillige Gemüter. Nun rollte wie im Fluge eine 90-Minuten- Schau ab.

Angesichts des vor Vergnügen sich biegenden Publikums mag es sau- ertöpfisch erscheinen, an dieser Sendung Anstoß zu nehmen. Es ist wahrlich kein Hochmut der „Götter in Weiß", wenn sie darauf pochen, daß die Hypnose ausschließlich in die Hand des Arztes gehört. Sie ist ein spezifisches Therapiemittel, eines unter vielen. Sie hat die Ei- genart, daß ihr Verlauf individuell verschieden und nicht immer vor- aussagbar ist. Sie hat absolute Kontraindikationen. Schon Kartsch- ner und Korner (Amer. J.

Psychiat. 103/630, 1946/47) sagen:

There is danger of producing an actively psychotic patient. Und I. H.

Schulz warnt noch ernster: eine technisch-methodisch einwandfreie Hypnose kann eine latente Schizo- phrenie in Gang setzen („Gesund- heitsschädigung durch Hypnose"

und „Grenzgebiete der Psychothe- rapie").

Wir müssen also gegen die unbe- denkliche Weise, wahllos Men- schen für hypnotische Experimen- te zu benutzen, aus vielfälti- gen Gründen schärfsten Protest einlegen. Kein Arzt, der sich der wirksamen und zeitökonomischen Hypnose bedient, wird einen Men- schen unvorbereitet mit dieser Me- thode überfallen. Man kann dem Schausteller, der über keinerlei anamnestische Daten seiner Ver- suchspersonen verfügte, den Vor- wurf einer „psychischen Vergewal-

tigung" nicht ersparen, so lustig und vergnüglich die Vorstellung ablief.

Aber auch die Veranstalter schie- nen sich nicht über einen mögli- chen Nachahmeeffekt im klaren ge- wesen zu sein. I. H. Schulz, einer un- serer besten Kenner der Hypnose, wurde nie müde, auf die Gefahren einer falschen Hypnosetechnik hin- zuweisen. Ferner schien den Ver- anstaltern nicht bewußt gewesen zu sein, daß Hypnosevorführungen auf der Bühne zu Kettenreaktionen im Zuschauerraum führen können, die der Experimentator mit seinem Weckritual nicht erreichen kann.

Solche üblen Folgen sind in der Li- teratur häufig genug beschrieben worden.

Kurzum, der tolle Wirbel und die ergötzliche Ausschlachtung hypno- tischer Zustände in dieser Sen- dung muß schwerste Bedenken von ärztlicher Seite hervorrufen.

Die Bereitschaft, abhängig zu sein, ist weit verbreitet (Führersüchtig- keit). Die Hypnose löst ein Lust- gefühl auch beim Hypnotisierten aus.

Dieses an sich positive Gefühl ge- hört letzten Endes zu jeder lege ar- tis durchgeführten Hypnose.

Zum Schluß eine persönliche Er- fahrung des Rezensenten: Als er im zweiten medizinischen Semester war, sah er in einer geschlossenen Vorführung eine Hypnose. Er war fasziniert. Am gleichen Abend be- richtete er seinem Budenkamera- den, auch einem Mediziner, von seinem Erlebnis. Spielerisch wurde beschlossen, es auch einmal zu probieren. Wie ein Papagei sprach er die kurz zuvor gehörten „Be- schwörungsformeln" mit der dazu gehörigen Monotonie, ohne auch nur im Traum mit einem Effekt zu rechnen. Noch heute steht ihm das Entsetzen vor Augen, als sein Op- fer in tiefen hypnotischen Schlaf versank. So einfach geht das. Erst I. H. Schulz lehrte ihn später, die Hypnose kunstgerecht anzuwen- den. Dr. Fleiß

2520 Heft 37 vom 11. September 1975 DEUTSCHES ARZTEBLA.TT

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