• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schlüsselrolle" (09.10.1998)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schlüsselrolle" (09.10.1998)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ie gesundheitspolitischen Aussagen der SPD und der Bündnisgrünen sind einiger- maßen kompatibel, jedenfalls in den großen Zügen. Es lohnt sich, die recht konkreten Aussagen der ge- sundheitspolitischen Sprecher in un- seren Heften 33 und 34–35 nachzule- sen. Hier eine grobe Skizze:

Letztlich kreisen alle Parteivor- stellungen um das Problem der Fi- nanzierung des Gesundheitswesens.

Der Bewegungsspielraum ist eng.

Die Handlungsspielräume jedweder Bundesregierung sind gering. Mit- telfristig setzen SPD und Bündnis- grüne, so sie eine Regierung bilden, und danach sieht es aus, auf Bei- tragssteigerungen durch Erhöhung

der Beitragsbemessungsgrenze und durch Ausweitung des Versicherten- kreises auf Beamte und Selbständi- ge sowie eine Ausdehnung der Bei- tragsbemessungsgrundlage, indem beispielsweise Vermögenserträge in die Beitragsberechnung einbezogen werden.

Solche Maßnahmen bringen zwar Geld in die Kassen, eröffnen aber auch neue Leistungsansprüche.

Ob unter dem Strich nennenswerte Einnahmenzuwächse herauskom- men, ist nicht ausgemacht. Die kä- men mit Sicherheit jedoch dann, wenn es gelänge, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Denn, daran sei

einmal mehr erinnert, in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung hapert es auf der Einnahmenseite, und das liegt an der hohen Arbeits- losenquote. Die will eine rot-grüne Regierung aktiv angehen. Dazu gibt es hehre Vorsätze. Wie sie umgesetzt werden sollen, ist offen.

Beim Beitrags- satz kann auch ei- ne neue Regierung nicht ansetzen,

weil sie den kleinen und mittleren Einkommensbe- ziehern versprochen hat, die Steuer- und Beitragsbe- lastung zu senken, und sie der Wirtschaft versprechen muß (so jedenfalls Gerhard Schröder), die Lohnkosten international wettbewerbs- fähig zu halten.

Das alles bedeutet: Bei- tragssatzstabilität. Anderer- seits sollen gewisse Reformschritte der früheren Bundesregierung rück- gängig gemacht werden, zum Bei- spiel Zuzahlungen sowie die Ein- schränkung der Lohnfortzahlung.

Das wiederum belastet die Beiträge.

Zusätzliche Belastungen könnten von der Rentenversicherung kom-

men, wenn das Rentenniveau tatsächlich angehoben werden sollte.

Die Versuchung, dann den alten Ver- schiebebahnhof zwischen Kranken- versicherung und Rentenversiche- rung wieder aufzumachen, ist groß.

Zur Entlastung der Kassen wol- len beide angehenden Koalitions-

parteien Rationalisierungsreserven mobilisieren. Nach ihrer Ansicht gibt es solche zur Genüge. Die SPD und mehr noch die Bündnisgrünen setzen da vor allem auf den Haus- arzt. Dem wollen sie die Schlüssel- funktion zuerkennen; das könnte auf ein Primärarztsystem hinauslau- fen. Den Krankenhäusern soll weit- aus mehr als heute ambulante Be- handlung gestattet werden in der Hoffnung, daß dadurch stationär Betten abgebaut werden können.

Rationalisierung verspricht man sich auch durch den Ausbau von Krankenhäusern zu (fachärztlichen) Gesundheitszentren, in denen teure Technik konzentriert wäre.

Solche Strukturreformen, so- fern sie denn kommen, brauchen A-2511

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 41, 9. Oktober 1998 (19)

Regierungswechsel

Es wird spannend

Unverändert sind die Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen.

Daran hat auch die Bundestagswahl nichts geändert.

Wie sehen die Rezepte einer rot-grünen Koalition aus?

D

Öffnung

„HausärztInnen übernehmen eine unver- zichtbare Lotsenfunktion ,ihrer‘ PatientInnen durch den Ausbau der primärärztlichen Steuerungsfunktion im Gesundheitswesen. . . . Eine Reform der Krankenhäuser hin zu mo- dernen, wohnortnahen Gesundheitszentren mit integrierten berufsübergreifenden Versor- gungsstrukturen ist dringend geboten. Die Öffnung für die ambulante, spezialfachärztli- che Versorgung ist dabei besonders wichtig.“

Monika Knoche / Marina Steindor, Bündnisgrüne,

Schlüsselrolle

„Die Schlüsselfunktion bei den notwendi- gen Vernetzungen wird dem Hausarzt zukom- men. Auch für den Patienten kann er eine ,Schlüsselrolle‘ einnehmen. Voraussetzung für die Stärkung der hausärztlichen Versorgung ist insbesondere ein getrenntes, ausreichend ausgestattetes Budget vorwiegend mit Fallpau- schalen für Ärzte, die hausärztlich tätig sind, und ein eigenes abgeschlossenes Kapitel im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM).“

(2)

Zeit. SPD und Bündnisgrüne plädie- ren deshalb während einer Über- gangsphase für Globalbudgets, um Ruhe an der Beitragsfront zu halten.

Die neue Regierung wird sich frei- lich, sobald sie an die Umsetzung der Programme geht, mit den Realitäten auseinandersetzen müssen. Das Pri- märarztsystem etwa bedeutet eine Umkrempelung des Gesundheitswe- sens. Auf der Strecke blieben weitge- hend die ambulanten fachärztlichen Versorgungsstrukturen. Die Versicher- ten und Patienten sind jedoch gewohnt, daß diese vorgehalten und bei Bedarf reibungslos in Anspruch genommen werden können. Andererseits ist völlig offen, ob es bei Einführung eines Primärarztsystems genügend Primär- ärzte gibt, die die Patientenversorgung ohne Engpässe garantieren könnten.

Auch ist es nicht ausgemacht, daß in den Krankenhäusern tatsächlich derart viele personelle Reserven vorhanden sein sollten, um zusätzlich ambulante Leistungen in erheblichem Umfange anbieten zu können.

Solche Hürden seien vorsorglich aufgezeigt. SPD und Bündnisgrüne können indes auch unter den Ärzten Verbündete auftun, die die Hürden kleinreden. Auch die Krankenhaus- träger könnten versucht sein, etwa den Aufbau von Gesundheitszentren von sich aus der Politik anzubieten.

Bekenntnis zu Rot-Grün

Unter den ärztlichen Bünd- nispartnern bieten sich als gewichtige Gruppierung zur Zeit die Interessen- vertreter der Allgemeinärzte an. De- ren Verband hat bereits kurz vor der Wahl ein offenes Bekenntnis zur rot- grünen Programmatik abgegeben (Näheres dazu im folgenden Artikel;

siehe aber auch Heft 39, Seite eins:

„Allgemeinärzte – Katze aus dem Sack“).

So vage viele allgemeinpolitische Aussagen der neuen mutmaßlichen Koalitionsparteien auch sind – ge- sundheitspolitisch gibt es handfeste Vorstellungen. Und in den Parteien gibt es genügend Promotoren für ein neues Gesundheitswesen, die lange auf ihre Chance gewartet haben. Ge- sundheitspolitisch wird es somit span-

nend. Norbert Jachertz

A-2512

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 41, 9. Oktober 1998

ine „rot-grüne Koalitionssup- pe“, orakelte Dr. med. Klaus- Dieter Kossow, sei für die Hausärzte unter allen erkennbaren po- litischen Kochrezepten wohl die ge- haltvollste. Der Vorsitzende des Be- rufsverbandes der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA) wagte diese Pro- gnose auf dem 21. Deutschen Hausärz- tetag in Berlin – zwei Tage vor der Bundestagswahl. Wie die Dinge jetzt liegen, dürfte Kossow genau diese

„Suppe“ bald vorgesetzt bekommen.

Der niedersächsische Allgemein- arzt wollte seine „ernährungswissen- schaftliche“ Analyse jedoch ausdrück- lich nicht als Wahlempfehlung für die rund 45 000 Hausärzte verstanden wis- sen. Zu sehr habe sich im BDA unter dem Eindruck der Praxisbudgets ein Gewerkschaftsbewußtsein entwickelt, um „anderes als die Vertretung der hausärztlichen Interessen zur Grund- lage seiner Politik“ zu machen. Und diese Interessen sind eindeutig, wie in Berlin erneut deutlich wurde.

Kossow nutzte mit seinem Bericht vor den Delegierten die Gelegenheit,

die Vorstellungen seines Verbandes von einer primärärztlichen Versor- gungsstruktur zu konkretisieren. Der letzte Hausärztetag (vor einem Jahr in Dortmund) hatte in dieser Hinsicht nämlich für einige Verwirrung und al- lerlei Spekulationen gesorgt. So schickte der BDA-Vorsitzende voraus, daß es um die Vermeidung von Ratio- nierung gehen müsse. Die passende These dazu lieferte der Leitgedanke der Berliner Tagung: „Der Hausarzt im Primärarztsystem – der Weg in ein bezahlbares Gesund- heitswesen.“ Kossow sieht die Ursache für die Finanzkrise des Gesund- heitswesens hauptsäch- lich in der Versorgungs- struktur: „Falsche öko- nomische Anreize für die Leistungserbringer und eine undifferenzier- te Inanspruchnahme des medizinischen Angebots durch die Versicherten haben Überversorgung und unnötige Mehrko- sten ohne medizinischen Nutzen zur Folge. Weder die Politik noch die Selbstverwaltung waren in der Lage, die Probleme in den Griff zu be- kommen.“

Wenn es aber darum gehe, die Pa- tientenprobleme auf der jeweils ad- äquaten Stufe zu lösen, könne dies nur ein Primärarztsystem gewährlei- sten. Ein Reizwort, wie Kossow weiß.

Deshalb betonte der BDA-Vorsitzen- de ausdrücklich das Prinzip der Frei- willigkeit für die Versicherten. Nach den Zielvorstellungen des Verbandes soll das System so funktionieren:

G In der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) wird zusätzlich Hausarzt-Offensive: BDA-Vorsitzender Dr. Kossow (r.) und Dr. Wittek

21. Deutscher Hausärztetag

„Rot-grüne Koalitionssuppe ist wohl die gehaltvollste“

Bei der Verwirklichung des „freiwilligen Primärzarztsystems“

setzt der BDA seine Hoffnungen auf die neue Regierung.

E

Foto: Johannes Aevermann, Köln

(3)

ein sogenannter „Primärarzt-Tarif“

angeboten. Dieser müßte etwa 20 Pro- zent günstiger sein als der „normale Beitragssatz“, um für die Versicherten interessant zu sein.

G Die Versicherten können sich freiwillig für einen solchen Tarif ent- scheiden und ihre Entscheidung auch jederzeit mit der Rückkehr zum „nor- malen Beitragssatz“ wieder revidieren.

G Versicherte, die sich für den Hausarzt-Tarif entschieden haben, schreiben sich bei einem Primärarzt ihrer Wahl ein. Primärärzte sind nach den Vorstellungen des BDA einerseits Allgemeinärzte und Praktische Ärzte, andererseits Internisten ohne Teilge- bietsbezeichnung und Kinderärzte.

G Versicherte im Hausarzt-Tarif müssen grundsätzlich zunächst ihren Hausarzt aufsuchen. Spezialisten kön- nen nur mit Überweisung in An- spruch genommen werden. Davon ausgenommen sollen lediglich Au- genärzte und Gynäkologen sowie die zeitgebundene Psychotherapie und Notfallbehandlungen sein.

G Die Einweisung ins Kranken- haus erfolgt je nach Situation durch den Hausarzt oder einen Spezialisten – auf jeden Fall aber in Abstimmung mit dem Hausarzt, der auch die Verord- nung von Arzneimitteln koordiniert.

Der BDA ist von der Akzeptanz seines Modells überzeugt. Er verweist auf die guten Erfahrungen der pri- vaten Colonia-Krankenversicherung mit ihrem sogenannten Elementar- Tarif. Der sieht eine hundertprozenti- ge Kostenübernahme aller hausärztli- chen Leistungen, aber nur eine acht- zigprozentige Erstattung der Fach- arztrechnungen vor, wenn diese ohne eine Überweisung des Hausarztes zu- stande gekommen sind. Der Tarif ist deutlich günstiger als normale PKV- Tarife, werde gut angenommen und führe nachweislich zu Einsparungen.

So flexibel wie die private Kran- kenversicherung zeigten sich die ge- setzlichen Krankenkassen indessen nicht, räumte Kossow ein. Der BDA kann derzeit bei der GKV wenig Nei- gung zu Experimenten im Sinne der Hausärzte entdecken.

Dies mag auch ein Motiv für das zweite wesentliche Anliegen des Hausärzteverbandes sein: deutlich mehr Einfluß in den Kassenärztlichen Vereinigungen zu gewinnen. Der

BDA will die KVen zwar nicht zer- schlagen, ihre bisher einheitliche und fachgruppenübergreifende Struktur aber doch grundlegend verändern.

Künftig sollten, so die BDA-Wunsch- vorstellung, die Hausärzte „unter dem Dach der KV“ eine eigene Sektion bil- den – ausgestattet mit einer eigenen Verhandlungskompetenz gegenüber den Krankenkassen und ausgehend von einem eigenständigen hausärztli- chen Anteil am Gesamthonorar.

Letzterer soll vor allem dazu die- nen, „den Zugriff der Fachärzte auf hausärztliche Honorare zu unterbin- den“. Dem Einheitlichen Bewer- tungsmaßstab für ärztliche Leistun- gen (EBM) und erst recht den regio- nalen Honorarverteilungsmaßstäben der KVen trauen die Hausärzte keine Schutzfunktion mehr zu. So machten die Delegierten aus ihrer Skepsis ge-

genüber der gegenwärtig laufenden Reformarbeit am EBM keinen Hehl.

In einem Beschluß stellt der BDA fest:

„Auch dieser EBM-Entwurf stellt kei- ne sinnvolle Alternative zu den letzt- endlich gescheiterten Gebührenord- nungen der Vergangenheit dar. Des- halb wird der BDA-Vorstand aufge- fordert, alles zu tun, den EBM in dieser Form zu verhindern.“

Folgt man der Einschätzung von Dr. med. Klaus-Dieter Kossow, dürfte der BDA durch den Ausgang der Bun- destagswahlen in seinen Vorstellun- gen bestärkt worden sein. Rot-Grün, glaubt Kossow, wird sich der Sache der Hausärzte stärker annehmen als jede andere politische Konstellation. Unter diesem Gesichtspunkt wäre aus Sicht des BDA-Vorsitzenden vielleicht so- gar eine Rückkehr zum Globalbudget zu verkraften. Josef Maus

A-2513

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 41, 9. Oktober 1998 (21) ei den Allgemeinen Ortskran-

kenkassen (AOK) haben die krankheits- und unfallbeding- ten Fehlzeiten der Arbeitnehmer (Krankenstand) einen Tiefststand er- reicht: Während der Krankenstand 1994 bundesweit noch bei 6,1 Prozent lag, sank er 1997 auf 5,1 Prozent. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), Bonn, hervor, die unter dem Titel „Krankheitsbedingte Fehl- zeiten in der deutschen Wirtschaft“

jetzt erschienen ist. Die Ergebnisse:

Im Schnitt waren die bei der AOK versicherten Mitglieder im ver- gangenen Jahr 18,5 Kalendertage krank gemeldet. Auch die Entwick- lung im ersten Quartal 1998 war rück- läufig. Im vergangenen Jahr haben sich 54 Prozent der Beschäftigten

mindestens einmal krank gemeldet.

8,3 Prozent der Arbeitsunfähigkeits- tage waren auf Arbeitsunfälle zurück- zuführen. Insgesamt wurden 1997 in der deutschen Wirtschaft 561 Millio- nen krankheitsbedingte Fehltage ge- zählt. Dies entspricht 5,1 Millionen

„Erwerbsjahren“. Die volkswirt- schaftlichen (sozialen) Kosten der Produktionsausfälle wegen Arbeits- unfähigkeit betrugen 1997 nach Schätzungen des AOK-Instituts 77 Milliarden DM. Dieses Volumen mußte den Direktkosten der krank- heitsbedingten Fehlzeiten, die über die Krankenkassen und die Arbeitge- ber (Lohnfortzahlungskosten) regu- liert werden, hinzugezählt werden.

Insgesamt dürften die gesamten sozia- len Kosten der krankheitsbedingten Fehlzeiten mehr als 140 Milliarden

Ortskrankenkassen/Krankenstand

Fehlzeiten auf dem Tiefststand

Mit einer Quote von 5,1 Prozent erreichte der

Krankenstand bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen 1997 das niedrigste Niveau der letzten 30 Jahre.

B

(4)

DM 1997 allein im Bereich der Orts- krankenkassen betragen haben.

Der in den letzten vier Jahren stark rückläufige Krankenstand wird auf die anhaltende Arbeitslosigkeit, die verschlechterten Arbeitsmarkt- chancen und vor allem auf die gerin- ger gewordene Dauer der Arbeitsun- fähigkeitsfälle zurückgeführt. Dage-

gen hat sich die Anzahl der Krank- meldungen im letzten Jahr kaum ver- ändert. Die durchschnittliche Dauer eines Krankheitsfalles betrug 13,4 Ka- lendertage. 1996 waren es noch durch- schnittlich 13,9 Tage. Bei 30,4 Prozent der Fälle handelte es sich um Erkran- kungen mit einer Dauer von ein bis drei Tagen. Der Anteil der Kurzzeit- erkrankungen hat im Vergleich zum Vorjahr zugenommen.

Der Hauptanteil des Kran- kenstandes geht allerdings – wie be- reits in den Vorjahren – auf länger dauernde Erkrankungen zurück. Für 40,9 Prozent aller Fehltage waren die Langzeiterkrankungen mit einer Dauer von mehr als sechs Wochen verantwortlich. Dabei handelt es sich zum größten Teil um chronische Er- krankungen. Allerdings machten die- se Erkrankungen lediglich 5,5 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle aus.

Auf Kurzzeiterkrankungen (mit einer Dauer von ein bis drei Tagen) gingen nur 4,5 Prozent der Fehltage zurück, obwohl deren Anteil an den Arbeitsunfähigkeitsfällen 30,4 Prozent betrug. Kurzzeitfälle ohne

Krankschreibung werden allerdings von den Krankenkassen nicht erfaßt.

Wie bisher schon wiesen die öf- fentlichen Verwaltungen den höch- sten Fehlzeitbestand mit 6,1 Prozent auf, den niedrigsten mit 3,4 Prozent die Banken und Versicherungen. Re- lativiert werden muß der Kran- kenstand bei Behörden durch die Tat- sache, daß hier die Be- schäftigten oftmals hohen Arbeits- und Umweltbe- lastungen ausgesetzt sind (etwa im Straßenbau, bei der Straßenreinigung oder bei der Abfallbeseitigung).

Hinzu kommt: Die öffentli- chen Betriebe und Verwal- tungen kommen

ihrer Verpflich- tung, Schwerbe- hinderte zu be- schäftigen, re- gelmäßiger und umfangreicher nach als andere Betriebe in an- deren Branchen.

Der Kran- kenstand ist in der Gesamtwirt- schaft und in allen Bran- chen rückläufig. Am stärk- sten ging er im Baugewer- be, im Verkehr, im Trans- portgewerbe, in Betrie- ben der Energiewirtschaft und Wasserversorgung, im Bergbau sowie in der Land- und Forstwirtschaft

zurück, und zwar jeweils um 0,3 Pro- zentpunkte. Die meisten Unfälle wa- ren im Baugewerbe zu verzeichnen.

In dieser Branche gingen 15,1 Pro- zent der Fehltage auf das Konto von Arbeitsunfällen.

Einfluß der Betriebsgröße

Mit zunehmendem Einfluß der Betriebsgröße nimmt auch die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage zu.

Während Mitarbeiter von Kleinbe- trieben mit zehn bis fünfzig Mitglie- dern 1997 durchschnittlich 15,9 Tage fehlten, wurden in Betrieben mit mehr als 1 000 AOK-Versicherten je Mitarbeiter 22,1 Fehltage registriert.

Der Krankenstand in den neuen Bundesländern unterscheidet sich 1997 nur geringfügig von dem in den alten Ländern (und zwar um 0,1 Pro- zentpunkte). Es wurde ein deutliches Gefälle in den einzelnen Bundeslän- dern festgestellt.

Die höchsten Krankenstände waren im Jahr 1997 in Berlin (6,7 Pro- zent) und in Bremen (6,3 Prozent) re- gistriert worden. Die niedrigsten wie- sen Niedersachsen (4 Prozent), Bay- ern und Baden-Württemberg (jeweils 4,6 Prozent) auf.

Das Krankheitsgeschehen kon- zentriert sich auf fünf Krankheits- gruppen: auf Muskel- und Skelett- erkrankungen, Verletzungen, Atem-

wegserkrankungen, Erkrankungen der Verdauungsorgane und Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Die Mus- kel- und Skeletterkrankungen verur- sachten im vergangenen Jahr 26 Pro- zent aller Arbeitsunfähigkeitstage. Im Rahmen dieses Krankheitsbildes do- minieren die Rückenerkrankungen mit 56 Prozent. Gegenüber dem Vor- jahr hat sich der Anteil der krank- heitsbedingten Fehltage, die auf Muskel- und Skeletterkrankungen zurückgehen, um 0,8 Prozentpunkte verringert. Dr. Harald Clade

„Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deut- schen Wirtschaft. Branchenreport 97“, her- ausgegeben vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (Autoren: Alexander Redmann, Isabel Rehbein, Christian Vetter), Schriften- reihe WIdO-Materialien, Band 39, 320 Seiten, Bonn, August 1998

A-2514

P O L I T I K AKTUELL

(22) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 41, 9. Oktober 1998 Krankenstand der AOK-Mitglieder

1993 bis 1997 (in Prozent)

5,5

4,5

3,5

2,5

1993 1994 1995 1996 1997 5,8

6,1

5,8

5,3 5,1

Grafik 1

Sonstige 27,5

Muskel/Skelett 26,4

Atemwege 14,4 Verletzungen

15,9 Herz/Kreislauf

8,2 Verdauung

7,6

Arbeitsunfähigkeitstage der AOK-Mitglieder nach Krankheitsgruppen 1997 (in Prozent) Grafik 2

Der Krankenstand der AOK-Mitglieder erreichte 1997 mit 5,1 Pro- zent einen Tiefststand.

Die Arbeitsunfähigkeitstage der AOK-Mitglieder gehen im wesentli- chen auf fünf größere Krankheitsgruppen zurück.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

INFORMIERT Die Deutsche Stiftung für Allgemeinmedi- zin und Familienmedizin (DESAM) schreibt wieder eine dreijährige Förderung für Studierende aus, die in besonderem Maße an

Bereits seit 1973 hat die DEGAM eine eigene Stif- tung, die sich bisher vor allem für die Forschungsför- derung einsetzte – unter ihrem Dach wird in regel- mäßigen Abständen

Auf diesen Seiten stellt die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- medizin und Familienmedizin (DEGAM) neueste medizinische Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der

Ein Grund dafür könnte sein, dass Medizinstudie- rende hier nicht allein durch den Numerus clau- sus ausgewählt werden, sondern auch durch Aus- wahlgespräche für die auch

Eine Notwendigkeit wurde dann angenommen, wenn die Beschwerden eine Pneumonie, Otitis media, pro- trahierte Sinusitis oder Strep- tokokkentonsillitis vermuten ließen oder

Fazit: Eine hausärztliche Be- treuung in den letzten 48 Stun- den ist damit assoziiert, dass Menschen zu Hause sterben können. Eine Beobachtungsstu- die kann keinen

Patienten mit Pertussis litten häu- figer nach vier Wochen noch an Husten und Schlafstörungen als Patienten mit anderen Atemwe- gsinfekten. Patienten mit länger anhaltendem

Hausärztinnen und Hausärzte, Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, Lehrärztinnen und -ärzte, interes- sierte Medizinstudierende sowie