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Ph ysik im AlltAg

46 Physik Journal 9 (2010) Nr. 11 © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

E

s ist das Grauen eines jeden Fahrschülers und für manchen Autofahrer bleibt es ein lebens- langes Rätsel: rückwärts einparken.

Die Automobilindustrie hat dieses Problem schon früh erkannt und es als ein weiteres Differenzierungs- merkmal für die eigene Modell- palette aufgegriffen. Erstmals un- terstützte 1992 eine entsprechende Sensorik den Fahrer in Pkw-Serien- fahrzeugen beim Rückwärtsfahren oder Einparken. Das technische Grundprinzip ist auch heute noch das Gleiche. Zumindest als Sonder- ausstattung sind Einparkhilfen für jedes Fahrzeug der Mittelklasse und aufwärts erhältlich, mit Nachrüst- sätzen aus dem Kfz-Zubehörhandel lässt sich jeder Pkw aufmotzen.

Fast alle Einparkhilfen arbeiten mit Ultraschallsensoren, die in die Stoßfänger integriert sind und den Abstand zu einem Hindernis aufgrund der Laufzeitunterschiede von gesendeten und empfangenen Schallwellen ermitteln. Ein solcher Sensor setzt sich aus dem akusti- schen Wandlerelement, einer Elek- tronik und einem Gehäuse mit Steckverbindung zusammen (Abb. 1).

Beim Wandlerelement handelt es sich um eine piezo keramische Scheibe am Boden eines zylin- drischen Aluminiumtopfes, der wenige Zentimeter Durchmesser hat. Die Scheibe besteht meistens aus Blei-Zirkonat-Titanat, dem gängigsten piezokeramischen Werkstoff. Liegt an ihr eine Wech-

selspannung an, verändert sie pe- riodisch Durchmesser und Dicke.

Allerdings wären diese Schwin- gungen zu klein, um Schallwellen mit ausreichender Amplitude zu erzeugen und anschließend wieder über eine Erregung zu detektieren.

Deshalb kleben die Hersteller das piezokeramische Plättchen auf eine metallische Membran, die bei ihrer Resonanzfrequenz betrieben wird – und dadurch größere Schwingungs- amplituden erzeugt. Der Boden des Aluminiumtopfes dient als Membran.

Am gebräuchlichsten sind Sen- soren, die eine gemeinsame Leitung für den Sendeimpuls und den Schaltimpuls verwenden, den das Echo der reflektierten Schallwelle erzeugt. Den Abstand zum Hin- dernis ermittelt das Steuergerät aus der zeitlichen Differenz zwischen den Flanken der Sende- und Echo- impulse.

Jeder Ultraschallsensor hat eine bestimmte Abstrahlcharakteristik.

Interferenzeffekte oder Nebenkeu- len müssen so gering wie möglich ausfallen, damit der Sensor unab- hängig vom Winkel gleich zuverläs- sig arbeitet. Um die Breite des Fahr- zeugs mit möglichst wenigen Sen- soren lückenlos abzudecken, ist ein großer horizontaler Öffnungswin- kel wünschenswert. Typisch liegt er

zwischen 120 und 140 Grad, damit sich ein Referenzhindernis noch in etwa 50 Zentimeter Abstand erfas- sen lässt. Der vertikale Öffnungs- winkel muss dagegen so klein sein, dass Reflexionen auch bei unebe- nen Fahrbahnen – zum Beispiel bei geschotterten Wegen – dem Sensor keine Phantomhindernisse vorgau- keln. Tests haben ergeben, dass der vertikale Öffnungswinkel der Sen- soren deshalb nur etwa halb so groß sein sollte wie der horizontale, also 60 bis 70 Grad.

Sechs Augen sehen mehr als zwei Die Hersteller integrieren in den Heckstoßfänger eines Pkw heute zwei, vier oder sechs solcher Ultra- schallsensoren (Abb. 2). Wenn es sechs sind, befindet sich jeweils ei- ner seitlich am Stoßfänger, um den überwachten Nahbereich auf den Raum neben dem Fahrzeug auszu- dehnen.1)

Natürlich beeinflussen ver- schiedene Faktoren wie die Luft- temperatur oder die Stärke des Echos die Entfernungsmessung per Ultraschall. Da die erforderliche Genauigkeit aber nur im Zentime- terbereich liegt, sind diese Faktoren letztlich vernachlässigbar. Auch das materialabhängige Reflexionsver- halten des Ultraschalls ist meistens kein Problem, da die typischen

n tastsinn fürs Auto

Ultraschallsensoren erleichtern das Einparken.

Einparken wird nur noch auf absehbare Zeit eine Frage der Übung sein. Die Automobilindustrie entwickelt Einpark- hilfen, die zumindest teilautomatisch

arbeiten. Der Fahrer überlässt dabei die Lenkung der Elektronik und bedient nur noch Gas- und Bremspedal.

Bosch

Abb. 1 Bei den Ultraschallsensoren ist das Piezo-Element auf den Membrantopf aufgeklebt, der durch einen Entkopplungs- ring vor störenden Fahrzeugvibrationen geschützt ist.

Membran Bonddraht Piezokeramik

Entkopplungsring

Gehäuse mit Steckverbinder

ASIC

Leiterplatte mit Sende- und Auswerteelektronik Übertrager

Bosch

1) Die genaue Schall- druckverteilung einer Sensoranordnung simu- lieren die Hersteller heute während der Ent- wicklung mit der Rand- elementmethode. Im Gegensatz zur Finite- Elemente-Methode muss man nur die schallabstrahlende Oberfläche in kleine Abschnitte zerlegen und nicht noch zusätzlich das umgebende Volu- men. Dies spart also Re- chenzeit.

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Ph ysik im AlltAg

© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 9 (2010) Nr. 11 47

Michael Vogel, vogel_m@gmx.de

Materialien im Straßenverkehr schlechte Absorber sind. Allerdings reflektieren bestimmte Kleider- stoffe Ultraschall nur schlecht, was die Messreichweite bei Personen, die sich im Rangierbereich aufhal- ten, verringert.

Einparkhilfen messen die Entfer- nung nach dem Trilaterationsprin- zip. Dabei fließt in die Berechnung des Hindernisabstands neben dem direkten Echo, das ein Sensor von seinem Sendeimpuls wieder empfängt, auch noch das Echo des Nachbarsensors ein. So lässt sich die Position des nächstgelegenen Hindernisses innerhalb der Sen- sorebene bestimmen und daraus wiederum die tatsächliche Entfer- nung zum Fahrzeug als Projektion auf den Stoßfänger berechnen.

Ein Gesamtsystem aus mehreren Sensoren muss dafür so ausgelegt werden, dass jeder Sensor kurze Messzeiten hat, also schnelle Wie- derholraten. Aber gleichzeitig muss die Zuordnung der Signale so ein- deutig sein, dass sich die Sensoren nicht gegenseitig stören.

Eine ISO-Norm legt fest, dass ei- ne Pkw-Einparkhilfe noch ein Rohr mit 7,5 Zentimeter Durchmesser erkennen muss. Die typische Reich- weite eines Gesamtsystems liegt bei etwa 1,5 Metern, der Minimal- abstand, um ein Hindernis sicher detektieren zu können, beträgt 15 bis 30 Zentimeter. Er ergibt sich aus der Zeit, die die Membran zum Ausschwingen benötigt – ein bis zwei Millisekunden –, erst dann kann der Sensor das Echo zuverläs- sig detektieren.

Heutige Einparkhilfen arbeiten bei einer Frequenz von etwa 40 Kilo hertz – ein Kompromiss zwi- schen der Systemleistung und der Störanfälligkeit gegenüber Fremd- geräuschen: Mit zunehmender Fre- quenz kommt es in der Luft zu einer stärkeren Dämpfung, also kleineren Echoamplituden. Dagegen gibt es bei tieferen Frequenzen immer mehr störende Schallquellen in der Nähe des Fahrzeugs, zum Beispiel Druckluftbremsen von Lkws oder Reibungsgeräusche von Zügen oder Stadtbahnen.

Prinzipiell lassen sich auch Radarsensoren als Einparkhilfe nutzen, die dann den Hindernis- abstand über den Doppler-Effekt bestimmen. Sie arbeiten bei 24,5 Gigahertz, ab 2013 sind in der EU bei Neuwagen nur noch 79 Gigahertz zulässig. Gegenüber Ultraschallsensoren haben Radar- sensoren den Vorteil, dass sie sich unsichtbar hinter den Stoßfän- gern platzieren und durch fremde Schallquellen nicht stören lassen,

allerdings sind sie teurer. Faktisch finden sie nur Verwendung, wenn das Auto über eine radargestützte automatische Fahrgeschwindig- keitsregelung verfügt, oft als Adap- tive Cruise Control bezeichnet.

Aber auch für die Ultraschall- sensorik gibt es im Fahrzeug erste Mehrfachnutzungen. Bei der Ver- messung von parallel zur Fahrbahn verlaufenden Parklücken lässt sich mit ihnen ermitteln, ob der Platz überhaupt ausreicht. Auch den nächsten Schritt, halbautomatische Einparkhilfen, gibt es bereits auf dem Markt. Dabei übernimmt die Bordelektronik das Einschlagen des Lenkrads, der Fahrer ist nur noch für Gas und Bremse zuständig.

Mittelfristig dürften solche Assis- tenzsysteme bei immer mehr Pkw- Modellen zur Serienausstattung avancieren.

Selbst den toten Winkel will die Automobilbranche mithilfe der Ultra schallsensoren endgültig beseitigen: Sie müssen dafür eine Distanz von etwa drei Metern über- brücken – was seitlich angebrachte Sensoren bereits heute schaffen – und können dann vor Fahrzeugen warnen, die im Außenspiegel gera- de nicht sichtbar sind. Diese Side View Assist genannte Anwendung arbeitet bis zu einer Geschwin- digkeit des messenden Fahrzeugs von etwa 140 Kilometer pro Stun- de – dann verhindert die Länge der Messbasis (maximal die Länge des Fahrzeugs) und das Ausschwingen der Membran im Ultraschallsensor eine zuverlässige Messung.2)

michael Vogel Abb. 2 Die Ultraschallsensoren sind in

die Stoßfänger integriert und in Fahr- zeugfarbe lackiert. Vier davon decken ein Feld von 1,5 m Tiefe lückenlos ab.

Bosch

2) Hermann Winner, In- haber des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TU Darmstadt, danke ich für wertvolle Hinwei- se.

Abbildung

Abb. 1  Bei den Ultraschallsensoren ist das Piezo-Element auf  den Membrantopf aufgeklebt, der durch einen  Entkopplungs-ring vor störenden Fahrzeugvibrationen geschützt ist.

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