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(1)Zur Geschichte der Jaina-Kosmographie und -Mythologie Von Ludwig Alsdorf, Münster Abkürzungen : Jamb

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Zur Geschichte der Jaina-Kosmographie und -Mythologie

Von Ludwig Alsdorf, Münster

Abkürzungen : Jamb. = Jambuddivapannatti (zitiert nach der

Ausgabe im Sresthi Devcand Lälbhäl Jain Pustakoddhär 52, Bombay

1920). Bh.c.c. = Bharahacakkicariya. HTr. = Hemacandras Trisasti-

saläkäpurusacaritra. BK = Brhatkathä. KSS = Kathäsaritsägara.

Vidy. = Vidyädhara. — Mit ,, Kibfel" und „Schdbbino" wird auf des ersteren ,, Kosmographie der Inder", des letzteren „Lehre der Jainas"

(Grundr. d. Indo-Ar. Phil. u. Altertumsk. 111,7) verwiesen.

In seiner ,, Kosmographie der Inder" stellt W. Kirfel auf

S. 209 fest, daß uns das so reich entwickelte und folgerichtig

durchgebildete kosmographische System der Jainas von vorn¬

herein als ein fertiges Ganzes entgegentritt, an dem — von

belanglosen Einzelheiten abgesehen — von den ältesten bis

zu den jüngsten Quellen nichts mehr geändert oder zugefügt

wird — eine Erstarrung, eine „Versteinerung", die übrigens

keineswegs nur für die Kosmographie der Jainas charak¬

teristisch ist, sondern mehr oder minder ihr ganzes Lehr¬

gebäude auszeichnet, vgl. etwa v. Glasexapp's „Jainismus"

S. 138L

Wenn es nun auch richtig ist, daß wir innerhalb der Jaina-

Überlieferung Entwicklungsstufen des Systems zumeist nicht

erkennen können, so ist es doch selbstverständlich, daß wir

versuchen müssen, durch Prüfung innerer Kriterien sowohl

als besonders durch Vergleich mit nicht-jinistischen Anschau¬

ungen uns trotzdem Einsicht in die Entstehung und Aus¬

bildung des kosmographischen Systems — und der damit

organisch zusammenhängenden eigentümlichen .Mythologie

bzw. Universalgeschichte — der Jainas zu verschaffen.

Kirfel's im wesentlichen deskriptive Darstellung hat sich

(2)

L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 465

diese Aufgabe niclit gestellt, zu deren Lösung auch sonst,

namentlich was die eigentliche Kosmographie angeht, noch

recht wenig beigetragen worden ist.

Im folgenden hoffe ich zu zeigen, daß auf die angedeuteten

Probleme ein überraschendes Licht geworfen wird durch

eine Quelle, deren kosmographisch-mythologische Aussagen

von Kirfel überhaupt nicht berücksichtigt wurden und auch

sonst noch nirgends die Beachtung gefunden haben, die sie

verdienen. Das ist Gunädhyas Brhatkathä, und zwar nicht

etwa in der erst seit kurzem vorliegenden Jaina-Version,

sondern gerade in der am längsten und besten bekannten

kaschmirischen Rezension, d. h. hauptsächlich Somadevas

Kathäsaritsägara.

Was die BK mit der Mythologie und Kosmographie der

Jainas verbindet, sind mit einem Worte gesagt die Vidyä¬

dharas.

Welche Rolle diese merkwürdigen übermenschlichen We¬

sen*) in der BK spielen, ist bekannt genug und wird in der

Einleitung zum KSS mit aller wünschenswerten Deutlich¬

keit ausgesprochen: im Gegensatz zu den bis zum Überdruß

wiederholten Götter- und Heldengeschichten soll die BK

etwas ganz Neues bieten in der Geschichte der Vidyä¬

dharas; die BK ist die Geschichte der Vidy.s. Ist auch

diese Einleitung der kaschmirischen Rezension an sich se¬

kundär, so halte ich doch die darin gegebene Charakteri¬

sierung der BK und der in ihr von den Vidy.s gespielten

Rolle für vollkommen zutreffend. Denn was mir bisher nicht

genügend beachtet zu sein scheint, ist die Tatsache, daß wir —

von der Jaina-Literatur abgesehen — von den Vidy.s zwar

in der BK sehr viel, außerhalb der BK — konkret gesprochen:

außerhalb von KSS, Brhatkathämanjari und Brhatkathä-

Slokasamgraha — dagegen erstaunlich wenig hören.

1) In Penzbr's Neuausgabe von Tawney's KSS-Übersetzung wer¬

den sie Vol. I S. 197 zusammen mit Nägas und Siddhas als ..Independent superhumans, often mixing with mortals" klassifiziert im Gegensatz

zu Feinden und Dienern der Götter und menschenfeindlichen Dämonent

3 1 30«

(3)

466 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

In seinem Artikel „Brähmanism" in Hastings' „Enyclo-

paedia of Religion and Ethics" (Vol. II) widmet Jacobi den

Vidy.s folgende Ausführungen:

„The Vidyädharas deserve a fuller notice. In the older

popular tales, especially in Päli literature, the Yaksas are the

principal superhuman beings ; in the younger popular literature

(represented by the Bfhatkathä) they are supplanted by the

Vidyädharas, the most human-like of all inferior divine beings.

They live under kings and emperors (chakravartins) of their

own, in towns on the northern mountains, just like men, with

whom they have much intercourse and even intermarry.

Men can also be received into their community and acquire

sovereignty over them. They possess superhuman powers,

especially the faculty of moving through the air, and of

assuming by their vidyä, or witchcraft, any shape at will

(whence they are also called Khechara, and Kämaräpin).

The Vidyädharas seem to have been at the height of popu¬

larity during the early centuries of our era ; there is a Präkrit

poem by Vimalasüri, the Padmacharita, wbich belongs to

that time; in it the Räksasas, the Yaksas, the Monkeys, etc.,

of the Rämäyana are declared to be different tribes of Vidyä¬

dharas."

Wenn Jacobi hier von der durch die BK repräsentierten

jüngeren volkstümlichen Literatur spricht, so können wir das

unbedenklich einschränkend präzisieren und einfach dafür

schreiben: die BK, bzw. die von ihr abgeleiteten Werke.

Tatsächlich ausschließlich aus diesen sind Jacobi's positive

Angaben geschöpft, und wir haben nicht den geringsten An¬

halt dafür, daß die BK etwa nur ein Werk einer verbreiteten

Gattung gewesen wäre: ganz im Gegenteil spricht die ihr in

der Literatur zuerkannte Stellung dafür, daß sie eine ein¬

malige, ebenso charakteristische wie originale Schöpfung

war, und zwar bestand ihre Originalität eben — wie es der

KSS so deutlich sagt — hauptsächlich in der Wahl der Vidy.s

zum Gegenstand bzw. Milieu. Ja, es sieht fast so aus, als

seien die Vidy.s überhaupt erst durch die BK aufgebracht

und in die Literatur eingeführt worden.

(4)

L. AiiSDOBF, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 467

Denn daß sie einer jüngeren Stufe in der Entwicklung der

indischen Mythologie angehören, unterliegt ja keinem Zweifel.

In der alten Zeit entsprechen ihnen, wie Jacobi a. a. O. an¬

deutet, die Yaksas, und, wie wir hinzufügen dürfen, die

Gandharven / Apsarasen*), mit denen sie dann später so oft

zusammen genannt werden. Vom Veda ganz zu schweigen,

ist besonders bezeichnend ihr völliges Fehlen in der alten

buddhistischen Überlieferung*). In beiden Epen werden sie

zwar wiederholt genannt*), spielen aber keine irgendwie

beachtliche Rolle; ihre Erwähnung beschränkt sich in den

meisten Fällen auf eine Mit-Aufzählung in der Reihe der

übrigen halbgöttlich-übermenschlichen Wesen — von auch

nur einer Geschichte oder Episode, die einen Vidy. zum

Helden hätte oder in der ein Vidy. handelnd aufträte, ist

nicht die Rede. Von den bei Hopkins genannten Rämäyana-

Stellen stehen eine ganze Anzahl (I 56, 11; IV 43, 52f.;

V 54, 51; VI 74, 44) in sicher interpolierten Stücken, und die

1) Wer im KSS liest, wie Menschen durch Ausführung bestimmter

Zeremonien zu Vidy.s werden (vgl. auch Harsacarita III, Cowbll-

Thomas S. 97), wird nicht umliin können, an die Geschichte von Purü¬

ravas' Aufnahme unter die Gandharven zu denken. Setzte man in der

Urva^I-Geschichte des Öatapathabrähmana für „Gandharven" „Vidy.s"

und für „Apsarasen" „Vidyädharls", so könnte sie als typische Vidy.- Geschichte gelten 1

2) Das Dictionary der Pali Text Society (bei CmLOEss fehlt das

Wort überhaupt) gibt „vii/ä-dhara" mit ,,a knower of charms, a sorcerer"

wieder, faßt das Wort also — für einen Teil der Belege vielleicht mit Recht — einfach als Appellativ auf. Von den zitierten Stellen stammen

drei aus dem Milindapanha, drei aus der Jätaka-Prosa (III 303, 529.

V 94) und beweisen also für die alte Zeit gar nichts; daß im Samugga-

Jätaka (III 529) ursprünglich sicher nicht von einem Vidy. die Rede

war, werden wir weiter unten sehen. Die einzige Gäthä Jät. 510,22

aber führt lediglich aus, daß (wie nach den vorliergehonden Strophen

auch andere mächtige Wesen gegen den Tod nichts vermögen) auch die

vijjädharas zwar mittels osadhis sicli unsiclitbar machen, sich damit

aber nicht dem Blick des Königs Tod entziehen können. Gerade hier

liegt also — falls die Strophe überhaupt alt ist — die allgemeine Be¬

deutung „Zauberer" sehr nahe, und als Beweis für das Aller der Vidy.s kann diese eine Stelle unmöglich dienen.

3) Vgl. lloi-KiNS, Epic Mythology §116; Sokisnskn, Mbh.-lndex

s. VV. Vidyädhara, °rl, °rendra, "rädhipa.

(5)

468 L. Alsdobp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Möglichkeit, wenn nicht Wahrscheinlichkeit späteren Ein¬

schubs ist bei allen gegeben. Über die chronologische Wert¬

losigkeit aber der Feststellung, eine bestimmte Sache oder

Person komme ,, schon im Mbh. vor", vergleiche man Wintkr-

NiTz' Ausführungen Lit.-Gesch. IP S. 469. Die spärlichen

Vidy.-Erwähnungen der Epen könnten also, selbst wenn

eine an dieser Stelle nicht mögliche Einzeluntersuchung eine

Anzahl von ihnen als alt erweisen sollte, nur beweisen, was

wir ohnehin für selbstverständlich halten werden, daß näm¬

lich Gunädhya seine Vidy.s nicht einfach frei erfunden hat,

sondern von volkstümlichen Vorstellungen, vermutlich seiner

engeren Heimat, ausging.

Die Vidy.s sind nun zwar — was angesichts der Berühmt¬

heit der B K ganz unvermeidlich war — den übrigen Genien-

Arten (Gandharvas, Siddhas, Nägas, Yaksas usw.) eingereiht

worden, haben aber keine von ihnen verdrängen können.

Ja, wenn wir die jüngere Literatur daraufhin durchmustern,

so hat es im Gegenteil den Anschein, als ob sich die Vidy.s

kaum in dem eigentlich zu erwartenden Maße durchgesetzt

hätten. Der Gegensatz zwischen den spärlichen und wenig

aufschlußreichen Erwähnungen in den nicht direkt auf die

BK zurückgehenden oder unter ihrem handgreiflichen Ein¬

fluß stehenden Werken und der zentralen Stellung der Vidy.s,

der Überfülle von Material über sie in der BK und ihren

Folgewerken ist ganz auffallend. Wenn anderseits, wie

Lacote in seinem „Essay sur Gunädhya et la Brhatkathä" ge¬

zeigt hat, in der kaschmirischen Rezension der BK sich eine

ganze Reihe von Vidy.-Geschichten finden, die nicht dem

Grundwerk entstammen, so wird man diesen Sachverhalt

doch so deuten müssen, daß alles, was unter dem Einfluß

der BK an nachgeahmten Vidy.-Geschichten entstand, wie¬

der der BK einverleibt wurde — ein unverkennbares An¬

zeichen dafür, wie sehr man Vidy. und BK als zusammen¬

gehörend empfand.

Wenn wir bei den Buddhisten den Vidy.s so gut wie gar

nicht begegnen und sie bei den Brahmanen im wesentlichen

auf die BK und deren Einflußsphäre beschränkt finden, so

(6)

L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 469

müssen wir mit Überraschung feststellen, daß in der Literatur

der Jainas, der kanonischen wie der nachkanonischen, die

Vidy.s eine ganz außerordentliche Rolle spielen. Der Vidy.

hat hier, so könnte man sagen, geradezu gewuchert. Wie ich

schon in meinem „Harivamäapuräna" S. 95 Anm. 1 fest¬

gestellt habe, werden z. B. im Harivamäapuräna Vidy.s

„nicht nur bei jeder nur denkbaren Gelegenheit eingeführt;

es wird auch ungefähr alles zu Vidy.s gemacht, was irgendwie

nicht ganz klar Mensch oder Gott ist: die Zieheltern Pra-

dyumnas, der Vater der Usä, der mit Arjuna kämpfende

Kiräta . . ., ja im Jaina-Rämäyana sogar das Affenheer

Hanumans"*). Diese Beispiele ließen sich fast beliebig ver¬

mehren*).

Die Jainas haben nun aber auch — und damit kommen

wir zum eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchung —

den Vidy.s einen festen, und zwar keineswegs unbedeutenden,

Platz in ihrem kosmographischen System und ihrer mythi¬

schen Welthistorie angewiesen. Sie unterscheiden sich damit

scharf von den Buddhisten wie von den Brahmanen. Im

buddhistischen Teil von Kirfel's Kosmographie kommt das

Wort Vidy. überhaupt nicht vor. Die puranische Kosmo¬

graphie führt zwar in der Reihe der halbgöttlichen Wesen

auch die Vidy.s mit auf; aber sie lokalisiert sie in der unbe-

1) Dieser letzte, bereits in den oben zitierten Ausführungen Ja¬

cobi's erwähnte Fall kommt indessen jedenfalls nicht ganz auf das

Konto der Jainas: JämbavatI, die Tochter Jämbavats (der bei den

Jainas selbstverständlich auch Vidy. ist) wird Mbh. XIII 14, 41 kapin-

draputri, 42 vidyädharendrasya sutä genannt. Die Bombayer Ausgabe

ersetzt zwar kaplndra° durch narendra°, aber es wird ja auch sonst

(Hopkins S. 13) Jämbavat nicht nur als Bären-, sondern auch als

Affenkönig bezeichnet. Und endlich ist hiervon schwerlich zu trennen

die Tatsache, daß im Samugga-Jätaka der Vidy. der Prosa in den

Gäthäs väyussa putta genannt wird : der ,,Sohn des Windes" ist bekannt¬

lich Hanuman, und es kann somit (den Hinweis verdanke ich Herrn Ge¬

heimrat Lüdebs) keinem Zweifel unterliegen, daß in der ursprünglichen, noch viel derberen Geschichte die Frau sich mit einem Affen einläßt.

2) Für die Rolle, die die Vidy.s in der Erzählungsliteratur der

Jainas spielen, vgl. main etwa den Index zu Tawnbi's Kathäkoäa-

t bersetzung s. vv. vidyädhara, °ras, "ri.

3 1 *

(7)

470 L. Alsdorp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

stimmtesten und unsystematischsten Weise, übrigens auch

fast ganz ohne nähere Angaben, bald hier bald dort auf

irgendwelchen mythischen Bergen um den Meru herum*):

Angaben, die, wie wir sehen werden, auch an sich sekundär

sind. Ebenso unbestimmt und widerspruchsvoll sind die

Angaben der Epen. Von einem festen Platz im System, von

einer irgendwie bedeutenden Rolle, die die Vidy.s spielten,

kann also nicht die Rede sein : sie werden vielmehr offenbar

nur, weil sie eben auch noch da sind, ganz nebenbei mit auf¬

geführt und irgendwohin gesetzt.

Die Anschauungen der Jainas, soweit sie für unsern Zweck

in Betracht kommen, sind kurz folgende*). Die südlichste der

sechs westöstlich verlaufenden, den kreisrunden Jambudvipa

in 7 Weltzonen teilenden Weltgebirgsbänke ist der (Ksudra-)

Himavat (Pkt. Cullakimavanta); er trennt unsere südlichste

Zone Bhäratavarsa von dem nördlich davon gelegenen Haima-

vatavarsa. Bhäratavarsa wird weiter zerlegt in eine südliche

und eine nördliche Hälfte {daksinärdhabharata und uttarär-

dhabh.) durch ein dem Himavat paral¬

lel laufendes Gebirge, das im Prakrit

Veyaddha, im Sanskrit Vaitädhya oder

Vijayärdha heißt. Es zeigt den in

der P'igur schematisch angedeuteten

Querschnitt (vgl. Kirkel Tafel 9 u. 10). Die Gipfelfläche

ist ein Spielplatz der Götter; auf dem oberen Absatz woh¬

nen Gottheiten niederer Grade; der untere Absatz aber

ist die Wohnstatt der Vidy.s. Er wird im Pkt. als sedhi

(= Skt. *slisti), im Skt. als sreni bezeichnet, und zwar gibt

es, wie die Figur zeigt, eine Süd- und eine Nord-Sreni (dähina-

sedhijdaksinasreni und uttarasedhij°sreni): auf ersterer liegen

50, auf letzterer 60 (in Listen aufgezählte!) Städte*). — Der

1) Für die Einzelheiten verweise ich auf Kirfel's Werk.

2) Für die kosmographischen Belege verweise ich wiederum auf

Kirfel; vgl. auch mein „Harivaiiiäapuräi.ia" S. 444 f. und die dort ge¬

gebene Figur.

3) Die größere Zahl der Nord-Öreni erklärt sich daraus, daß das

Gebirge sich als peripherienahes ICreissegment darstellt, so daß sein

Nordrand merklich länger ist als der Südrand, vgl. Kirfel, Tafel 10.

(8)

L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 471

Bhäratavarsa wird nun weiterhin in nordsüdUcher Richtung

dreigeteilt durch die beiden Ströme Sindhu und Gangä, die

im Himavat entspringen und den Veyaddha in zwei Höhlen,

der Timisa-^) (Tamisrä-) und Khandappaväya- (°prapäta-)

guhä unterfließen. Flüsse und Veyaddha zusammen zerlegen

also Bharata in 6 Teile, die khand,a heißen und von denen

nur der mittlere der Südhälfte von Ariern bewohnt wird,

alle übrigen dagegen von Mlecchas. Schon hieraus (aber auch

aus vielem andern) ergibt sich unzweideutig, was auch Kirfel

S. 225 feststellt, „daß man unter dem Vaitäihya das Himä¬

laya-Gebirge der wirklichen Geographie und nicht etwa die

Gebirge Mittelindiens zu verstehen hat."

Die Jaina-Mythologie*) zählt unter ihren 63 „Großen

Männern" 12 Cakravartins; außerdem gelten die 9 Väsudevas

als Halbcakr.s (ardhacakravarlin). Ein Cakravartin muß alle

6 Khandas Bharatas erobern einschließlich der beiden Vidy.-

Srenis; ein Ardhacakravartin dagegen begnügt sich mit den

drei südlichen Khandas und der Süd-Sreni. Der maßgebende,

am ausführlichsten dargestellte Digvijaya ist der des ersten

Cakr. Bharata, nach dem der Bharata-varsa benannt ist.

Von ihm liegt uns eine kanonische Darstellung vor in dem

der Jambuddivapannatti eingegliederten Bharahacakki¬

cariya*); dieser Darstellung folgt die Hemacandras im I. Par¬

van seines TrisastiSaläkäpurusacaritra^).

Im Voraus sei bemerkt, daß der Cakr. nur den Äryakhanda

und den mittleren Mlecchakhanda der N-Hälfte selbst unter¬

wirft; er bleibt immer innerhalb der zwei Flüsse und sendet zur

Eroberung der jenseits von ihnen liegenden 4 Khandas

1) Diese vom Bh.c.c. (s. gleich), dem Thänanga, der Vasudeva¬

hindi und Puspadantas Mahäpuräna gebotene Form fehlt bei Kirfel,

der (im Register) nur Tamisa angibt: dies die in Jamb. außerhalb des

Bh.c.c. gebrauchte Form.

2) Vgl. V. Glasenapp, Jainismus, S. 246—301.

3) Analysiert von Schübking, Gött. gel. Anz. 1932, 291—98.

4) Neuausgabe Bhavnagar 1936. Übersetzt von H. Johnson, Gaek¬

wad's Or. Ser. vol. LI.

(9)

472 L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

jeweils seinen ihn begleitenden Feldherrn aus*). Der Digvijaya

des Cakr. selbst bildet eine Pradaksinä um seine in der Mitte

des Äryakhanda gelegene Residenz Ayodhyä. Er beginnt an

der Mündung der Gangä in den Ozean, führt an diesem

entlang bis zur Mündung der Sindhu und geht dann zur

Timisa-Höhle, deren Wächter, der Gott Kayamäla {Krta°),

sich unterwirft. Nachdem der General von seinem Feldzug

in das SW-Nikkhuda zurück ist, öffnet er auf Befehl des

Cakr. durch Anklopfen mit seinem Stabe das Tor der Höhle,

die der Cakr. auf seinem Durchzug mittels des mani- und

käkinl-ratna erleuchtet. Es folgt nun im mittleren Khanda

der Nordhälfte die Besiegung und Unterwerfung der Kirätas,

dann begibt sich der Cakr. zum Himavat, an dem er den

Vorderteil seines Wagens dreimal anprallen läßt und dessen

Gottheit er unterwirft. Darauf wendet er sich zum Rsabha-

küta*), läßt auch dort den Wagen dreimal anprallen und

schreibt eine Proklamation seiner Cakravartin-Herrschaft über

ganz Bhäratavarsa an die Bergwand. Nun geht es zurück

1) Diese vier Khaiidas heißen nikkhuda / ni?kuta. Nach Schubriho, Gött. gel. Anz. 1932, S. 296, hätte Hemacandra die Unternehmungen

gegen das SW- und NW-, gegen das SO- und NO-Niskuta zu je einer

vereinfacht. Dies ist jedoch nicht richtig. Nur das erste Unternehmen, gegen das SW-Niskuta, wird (HTr I 4, 248—284) ausführlich berichtet;

bei den drei übrigen begnügt sich der Dichter (vernünftigerweise) mit je einem Öloka. Aber alle drei stehen genau an der gehörigen Stelle im Verlauf des Digvijaya, so z. B. das nach NW zwischen der Bezwingung

der Mlecchas des mittleren Nord-Khanda und der Unterwerfung des

Himavat :

giri-sägara-maryädam Sindhor uttara-ni^kutam

nrpdjnayä Suseno 'tha sädhayitvä samäyayau. 4, 458.

Die Unternehmungen gegen die beiden Gangä-Niskutas werden 4,539-

(NO) und 4,586 (SO) berichtet, also auch getrennt. — Das Wort

ni?kuta dürfte übrigens, ebenso wie Vaitä^hya und Vijayärdha (vgl.

unten S. 485 f.), nur falsche Sanskritisierung sein: nikkhuda ist vielmehr tatsächlich = niskrta und bezeichnet das von Sindhu und Gangä ,, Aus¬

geschlossene", d. h. also die vom Äryakhanda aus gesehen jenseits

Sindhu und Gangä liegenden Teile Bharatavarsas. Diese Erklärung

macht auch die Komposita Sindhu- bzw. Gangä-nikkhuda verständ¬

lich, deren Anfangsglieder also ursprünglich im Instr. aufzulösen wären.

2) Vgl. unten S. 488 f.

(10)

L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 473

zum Veyaddha und es folgt die Unterwerfung der beiden

Vidy.-Herrscher Nami und Vinami. Mit diesen hat es folgende

Bewandtnis*):

Als der erste Tirthankara Rsabha, Bharatas Vater, vor

seiner Weltentsagung sein Reich verteilte, weilten die Prinzen

Nami und Vinami in der Fremde. Bei ihrer Rückkehr baten

sie Rsabha um ihren Anteil, aber er, der sich inzwischen von

allem Weltlichen abgewandt hatte und in tiefer Meditation

versunken war, antwortete ihnen nicht. Nami und Vinami

dienten ihm nun unverdrossen unter steter Erneuerung ihrer

Bitte um ein Reich. Da kam eines Tages Dharanendra, der

Herr der Nägakumäras, und belehnte sie zum Lohn dafür,

daß sie Rsabha so treu gedient, mit den beiden Srenis des

Vaitädhya. Da man dorthin zu Fuß nicht gelangen kann,

verheb er ihnen 48000 Vidyäs, um sich und ihre zukünftigen

Untertanen auf den Vaitädhya zu transportieren. Es gründete

nun Nami 50 Städte auf der Süd-, Vinami 60 Städte auf der

Nord-Sreni. Die Vidy.s wurden in 16 nach den Haupt-Vidyäs

benannte nikäyas eingeteilt, von denen je 8 Nami und Vinami

zufielen. Dies ist der Ursprung der Vidy.s.

Nach der Unterwerfung von Nami und Vinami, die nach

dem Bh.c.c. friedlich erfolgt, nach HTr dagegen das Er¬

gebnis 12jährigen Kampfes ist*), zieht der Cakravartin durch

die Khandaprapäta-Höhle (ihr göttlicher Hüter heißt Natta-

mäla/Nrltamäla, Nätyamäla) zurück in den Äryakhanda und

nach Ayodhyä, wo seine feierliche Krönung stattfindet. —

1) Vasudevahindi S. 163 f.; HTr I 3, 124—233; Jinasena, Harivam-

äapuräiia (JHp) 22,51—110; Puspadanta, Mahäpuräna VIII; Ravi-

sena, Padmapuräna 3, 306ff.

2) Nach JHp ließ er sie ihnen durch die Göttinnen Diti und Aditi

geben; jede von ihnen gab die Hälfte, und der vidyäkosa der Diti hieß

Gandharvasenaka, der der Aditi Pannaga. Die beiden Göttinnen kom¬

men nur bei Jinasena vor, aber in der Vasudevahindi heißt es (164, 4):

tao teria (sc. Dharariena) Gandhavva-Pannagänarn adhayälisam sahassätii dinnäni.

3) Zu diesem Unterschied vgl. Schdbbino, Gött. gel. Anz. S. 295.

Vasudevahindi und Jinasena scheinen der kampflosen (doch wohl

usprünglichenl) Version zu folgen, doch sind beide zu knapp, um dies

mit Sicherheit behaupten zu können.

(11)

474 L.Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Von den kosmographischen Haupttatsachen der eben

gegebenen Darstellung*): dem Veyaddha-Gebirge als solchem

bzw. der in ihm vorliegenden merkwürdigen Verdoppelung

des Himälaya, den beiden Vidy.-bewohnten Terrassen, vor

allem aber den beiden unter ihm durchführenden Stromtun¬

neln, ist der normalen brahmanischen — und erst recht der

buddhistischen — Kosmographie, wie sie Kirfel beschreibt,

nicht das Geringste bekannt. Sie erscheinen vielmehr als

besonders kennzeichnende Eigentümlichkeiten der Jaina-Kos¬

mographie. Um so überraschender ist der, wie ich glaube im

Folgenden erbrachte, Nachweis, daß alle diese Eigentümlich¬

keiten und darüber hinaus eine Reihe von Einzelzügen des ge¬

schilderten Digvijaya tatsächlich aus Gunädhyas B K stammen.

Leider fällt für diesen Nachweis die so viel bessere, aus¬

führlichere und ursprünglichere nepalesische Version der

BK so gut wie ganz aus. Wir haben von ihr nur den fast ganz

in der Menschenwelt spielenden Anfangsteil, und es fehlen

gerade die Partien, die für die Kenntnis der Vidy.s erst

w-irklich ertragreich sein würden, insbesondere der, wie wir

sehen werden, entscheidend wichtige Eroberungsfeldzug

Naravähanadattas*), durch den er sich zum Cakravartin der

Vidy.s aufschwingt. Wir haben also nur die dürftige Dar¬

stellung der Kaschmirer, d. h. praktisch eigentlich bloß den

KSS, denn Ksemendra kürzt ja gerade die Haupterzählung

so stark, daß er nur hier und da Somadevas Angaben be¬

stätigen, sie aber nirgends ergänzen oder zu ihrem Verständ¬

nis beitragen kann; das Buch Mahäbhiseka, das bei Somadeva

immerhin .300 Sloken umfaßt, ist bei ihm auf ganze 55 Sl.

zusammengeschrumpft.

Wenn wir nun dem KSS irgendwelche Auskünfte über

die Vidy.s der BK entnehmen wollen, so empfiehlt es sich,

1) Es sei ausdrücklich bemerkt, daß sie nur das für die folgende

Untersuchung Dienliche aushob; sie ist also weder vollständig noch

gleichmäßig und verzichtet auch zumeist auf Mitteilung von Varianten, besonders aus den Digambara-Quellen.

2) Dieser fehlt auch der Jaina-Version, auf die wir uns aber hier

aus methodischen Gründen ohnehin nicht stützen würden.

(12)

L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 475

dabei von allen eingeschalteten Vidy.-Geschichten, insbe¬

sondere denen von Saktivega und Süryaprabha im 5. und

8. Buch, zunächst ganz abzusehen, weil damit gerechnet

werden muß, daß in diesen apokryphen Geschichten Gunä¬

dhyas Vorstellungen von den Vidy.s bereits weiterentwickelt

oder geradezu verfälscht sind'). Wir beschränken uns also

auf die (leider fast nie gelesene) Haupterzählung des KSS.

Aus ihr ergibt sich zunächst eindeutig, daß die Vidy.s

nirgendwo anders wohnen als auf dem Himalaya*). Besonders

klar spricht dies Närada aus, als er Naravänanadatta nach

seiner Kaiserkrönung vor dem vermessenen Zug nach dem

Meru warnt (110, 18):

Vidyädharänäm bhümir hi Himavän vijitas tvayä,

tan Merau devabhämau te kim käryam? tyaja durgrahaml

Aber wir erfahren auch Genaueres über die Wohnsitze der

Vidy.s:

iha vidyädharänäm dvau vedyardhau sto Himäcale: 107, 65

uttaro daksinas caiva nänä tac-chrnga-bhümi-gau,

paratah kila Kailäsad uttaro, 'rväk tu daksinah. 66

,,Hier auf dem Himälaya gibt es zwei Vedyardhas der Vidyä¬

dharas, einen nördlichen und einen südlichen, die sich auf

beiden Seiten (wörtl. ,, voneinander getrennt") auf der Grund¬

fläche (Basis) seiner Gipfel befinden; jenseits des Kailäsa ist

der nördliche, diesseits davon der südliche."

Brockhaus verband nänä-tac° zu einem Kompositum,

und daraufhin übersetzte Tawney: ,, There are two divisions

of the Vidyädhara territory on the Himalayas here, the

northern and tbe southern, both extending over many

peaks of that range." Das ist zweifellos falsch, bhümi ist die

1) Insbesondere halte ich die starke tantristische Färbung mancher Vidy.-Geschichten im KSS für eine (in der Tat fast unvermeidliche!) sekundäre Weiterentwicklung.

2) Auch MBh. III 9930 wird der Himälaya vidyädharänucarita ge¬

nannt, aber an andern Stellen ebenso wie im Rämäyana, den Puränen

und den sekundären Teilen des KSS erscheinen auch alle möglichen

andern Berge und Länder als Wohnsitze der Vidy.s. Ich halte dies für

eine sekundäre Entstellung.

(13)

476 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Grundfläche, das Hochplateau sozusagen, aus dem die höch¬

sten Gipfel herauswachsen; die Vedyardhas sind also zwei

Terrassen oder Abdachungen auf der Höhe des Gebirges,

aber noch am Fuße der Schneegipfel: wer einmal von der

indischen Ebene aus über dem blauen Gebirgswall des Himä¬

laya die weiße Kette der Schneegipfel schimmern sah, dem

wird diese Vorstellung von der Lage des Menschen unzu¬

gänglichen, aber in allem so menschenähnlichen Reichs der

Vidy.s ganz natürlich scheinen, um so mehr als ja die Schnee¬

region, der Kailas selbst, bereits durch Siva besetzt war.

Die beiden Vedyardhas werden von je einem Oberkönig

beherrscht. Gleich nach der eben zitierten Stelle heißt es von

dem nördlichen Vedyardha (107, 69f.):

tatra Mandaradeväkhyo mukhyo räjästi durmatih ... 69

yas tu daksina-madkye'sti Gaurlmunda iti srutah,

räjä vidyä-prabhävena sa dustätmä sudurjayah. 70

Ebenso wird später Naravähanadattas Vater vom Siege seines

Sohnes berichtet (110, 97L):

hatvä Mänasavegam ca Gaurlmundam ca daksine

jitvä Mandaradevam ca vedyardha-patim uttare 97

äsädyobhaya-vedyardha-vidyädhara-mahibhujäm

sarvesäm säsana-bhftäm cakravarti-padain mahat ... 98

Als nun Nar. nach Eroberung des südlichen Vedyardha sich

anschickt, gegen Mandaradeva, den Beherrscher des Nord-

Vedyardha, aufzubrechen, wird ihm gesagt, er müsse zuerst

die ratnas eines Cakravartin erwerben, denn (108, 196 f.):

asiddha-cakravarty-anga-sarva-ratnasya durjayah,

deva, Mandaradeva 'sau düra-durgama-bhümi-gah: 196

Deoamäya-mahävlra-raksita-dväradesayä

agrasthayä Trislrsäkhya-guhayä hy esa raksyate, 197

siddha-ratnena cäkramyä^) sä guhä cakravartinä.

D. h. also der nördliche Vedyardha ist nur durch einen

Tunnel, die Triäirsa-guhä, zugänglich, und diesen Tunnel

1) DdboIprasZo. und Päbab drucken falsch "tnya; Bbockhaus hat richtig "myä.

(14)

L. Alsdobp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 477

kann nur ein mit den Ratnas versehener Cakravartin passieren.

Diese Ratnas gewinnt denn auch Nar. nun zunächst. Als er

dann auf seinem Feldzug bis zum Fuß des Kailäsa ge¬

kommen ist und dort am Ufer der Mandäkini lagert, wird

ihm nochmals gesagt (109, 44 f.):

na yuktam imam allanghya Kailäsam gantum agratah: 44

Haräspadasya hy etasya vidyä nasyanti langhanätl

Trislrsaguhayä tasya gantavyam pärsvam uttaram, 45

Devamäyäbhidhänena sä ca räjnäbhiraksyate.

Hier sehen wir als offenbar mit vedyardha'^) gleichbedeutend

das Wort pärsva^) gebraucht; ebenso verwendet es der Höh¬

lenwächter Devamäya, als er, inzwischen von Nar. unter¬

worfen, diesem auf seinen Wunsch die Geschichte der Triäirsa-

Höhle erzählt (109, 61 ff.):

Kailäsasya purä, deva, vidyädhara-vardsrite

abhütäm bhinna-sämräjye dve pärsve daksinottare. 61

Rsabhäkhyo Hha devena tapas-tustena Sambhunä

cakravarti pradisto 'bhüt eka eva tayor dvayoh. 62

sa gantum uttaram pärsvam Kailäsam jätu langhayan

adhahsthita-Hara-krodhäd bhrasta-vidyo 'patad divah. 63

i^sabha fragt nun Siva, nachdem er seinen Zorn durch er¬

neutes Tapas besänftigt hat, wie er denn Cakravartin beider

PärSvas sein solle, wenn er nicht über den Kailäsa dürfe.

Darauf bohrt Siva, um dem Rsabha einen Weg ins nörd¬

liche PärSva zu schaffen, den Tunnel durch den Berg.

Nun aber beschwert sich der Kailäsa: sein Nord-PärSva sei

immer unzugänglich für Menschen (mänusdgamya) gewesen,

jetzt aber werde es durch den Tunnel zugänglich. Auch dafür

weiß jedoch Siva Abhilfe: er setzt in die Höhle Weltelefanten,

1) Über die Bedeutung dieses Wortes s. unten S. 485 f. Es kommt

(abgesehen von den in der nächsten Anm. genannten Stellen aus dem

8. Lambaka) noch vor 108, 26 und 109,12. In der Brhatkathämanjari

habe ich es nicht gefunden; an den Stellen, wo es zu erwarten wäre,

ist es Ksemendras übermäßiger Kürze zum Opfer gefallen.

2) In der SOryaprabhageschichte steht dafür 46, 54 sänu: „daksine sänau Himddrer . . .". — Weitere Belege für vedyardha in dieser apo¬

kryphen Geschichte findet man 44,10 und 12; 50,99 und 109.

(15)

478 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Giftblickschlangen und Guhyakas und macht außerdem zum

Wächter ihres Südausganges den Vidy.-Fürsten Mahämäya

(dessen Nachkomme der Erzähler Devamäya ist), zur Wäch¬

terin des Nordausganges aber die „Can^ikä aparäjita Käla-

rätri". Er erschafft dann die mahäratnas und bestimmt, der

Tunnel solle immer nur einem im Besitz der ratnas befind¬

lichen Cakravartin aller Vidy.s offenstehen sowie den etwa

von ihm für den Nord-Päräva ernannten Königen*). Darauf

herrschte Rsabha als Kaiser, vermaß sich aber mit den

Göttern zu kämpfen und wurde von Indra erschlagen*).

Nar. durchzieht nun den Tunnel, dessen Hindernisse er

mittels seiner Ratnas überwindet:

tamämsi candrikä-ratnais, candanendhi-drg-visän,

diggajän hasti-ratnena, khadga-ratnena guhyakän 85

vighnän anyäms cänya-ratnair nivärya . ..

Nachdem dann auch Mandaradeva besiegt und Nar. un¬

bestrittener Herrscher aller Vidy.s geworden ist, sagt man

ihm, nun müsse er sich zum Mahäbhiseka auf den Rsabha-

Berg begeben (110, 43); denn dort seien auch Rsabha und

alle andern Cakravartins der Vorzeit gesalbt worden. Und

mit der gleichen Begründung verwirft eine himmlische Stimme

den Vorschlag HariSikhas, den Mahäbhiseka lieber auf dem

nahen Mandara-Berge vorzunehmen (110, 47 ff.). Nar. begibt

sich also mit seinem ganzen Gefolge zurück durch die Tri-

äirsa-Höhle und zum Rsabha-Berg, dessen genaue Lage leider

nicht angegeben wird. Dort findet der Mahäbhiseka statt,

dort besucht Udayana seinen Sohn, und dort hat offen-

1) In der Tat regiert auch später Nar. nur den Süd-Vedyardha selbst, für den nördlichen setzt er Amitagati als Vasallen ein. Das Gleiche rät äiva 50, 99 dem Süryaprabha:

Ituru daksina-vcdyardlie cakravartitoam ätmanafi, uttarasmims tu ocdyard/ie dehi tae Chrulaiarmanah.

Die Worte „gamySyam duipärSvl" übersetzt Tawnky : ,,this cave shall be open at both ends". Das ist falsch; duipärsvl ist vielmehr ,,die beide I'ärävas verbindende (Höhle)".

2) ,,. . . kurvann htsahhakas tatah / särnrä/yam yuyudhe darpäd devair jaghne ca Vajrinä". Dies wird noch einmal erwähnt 110,21b.

(16)

L. Ai-sDOEP, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 479

bar auch nachher Naravähanadatta seinen dauernden Wohn¬

sitz*).

Die Identität der hier aus dem KSS ausgehobenen An¬

gaben und Einzelzüge mit den oben skizzierten Anschauungen

und Lehren der Jainas springt in die Augen. Nach dem, was

oben S. 465f. über die Rolle der Vidy.s in- und außerhalb der

BK dargelegt wurde, kommt eine jinistische Entlehnung aus

einer andern Quelle als der BK (bzw. einer auf sie zurück¬

gehenden Überlieferung) nicht in Frage; es fehlt insbesondere

jeder tatsächliche Anhalt für eine Annahme, daß etwa Jainas

und BK gemeinsam aus einer vor der BK liegenden Quelle

schöpften. Von einer derartigen literarisch fixierten Quelle

fehlt jede Spur; aber auch volkstümliche Anschauungen von

einer so systematisch bis ins einzelne fixierten Form, wie sie

das Maß der Übereinstimmung zwischen Jainas und BK

voraussetzen würde, sind nirgends nachzuweisen. Dieses

„Vidy.-System" ist vielmehr, was immer seine volkstümlichen

Wurzeln gewesen sein mögen, eben erst die Schöpfung

Gunädhyas. Und endlich genügt es ja, für die Beziehungen

zwischen Jainas und BK auf das Vorhandensein einer alten

Jaina-Version der BK hinzuweisen. Zur Erklärung dieser

Beziehungen und damit der oben aufgezeigten Übereinstim¬

mungen bleiben also nur zwei Möglichkeiten. Entweder die

Vidy.s der Jainas und die mit ihnen zusammenhängenden

Züge der Jaina-Kosmographie und -Mythologie stammen

aus der BK; oder die BK — sei es schon das Grundwerk,

sei es erst die in der kaschmirischen Rezension uns vorliegende

Bearbeitung — ist auf das stärkste von der Jaina-Kosmo¬

graphie und -Mythologie beeinflußt. Von diesen Möglich¬

keiten kann die zweite auch nicht einen Augenblick lang

ernstlich in Betracht kommen. Die Vidy.s des Grundwerkes

von den Jainas herzuleiten hieße — bei der zentralen Stellung,

die sie darin einnehmen —■ geradezu eine jinistische Ur-BK

1) 111, 2 f.: evam tasminn Psabhake parvate tasya tisthatah Naravähanadattasya sabhäryasya samantrinah präpya vidyädharddhUa-cakravarti-sriyam paräm

bhunjänasydyayau pusnan sukhäni madhur ekadä.

Zeitschrift d. DMQ Bd. 93 (Neue I'olge Bd. 17) 31

(17)

480 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

postulieren. Das aber verbietet nicht nur die Tatsache, daß

die uns vorliegende Jaina-BK zwar alt, aber unzweifelhaft

stark sekundär ist, sondern auch der von Lacote einwandfrei

geführte Nachweis, daß Gunädhyas Werk im Gegensatz zu

der Sivaitisch gewordenen kaschmirischen Version ,,kube-

ristisch" war, worauf ja schon der Name des Helden, Nara¬

vähanadatta, hinweist. Daß aber auch an eine sekundäre

Entlehnung jinistischen Gedankengutes durch die von KSS

und Brhatkathämanjari vertretene Spätform der BK nicht

zu denken ist, ergibt sich zweifelsfrei daraus, daß das oben

skizzierte Jaina-System ganz klar eine sekundäre Umge¬

staltung dessen ist, was wir im KSS lesen.

Bevor wir dies im einzelnen nachzuweisen versuchen, sei

eine allgemeine Bemerkung vorausgeschickt. Was Gunädhya

von den Vidy.s und ihrem Kaiser Naravähanadatta erzählte,

war ein, wenn auch auf volkstümliche Vorstellungen seiner

Zeit aufgebautes und von ihnen befruchtetes, Erzeugnis

seinei dichterischen Einbildungskraft und Kunst; nichts lag

ihm jedenfalls ferner als systematisierende Logik. Gerade

mit dieser aber traten die Jaina-Theologen an die Kinder

seiner Muse heran. Was sie seinem Werke entnahmen, bauten

sie ja ein in ein äußerst kunstvolles, kompliziertes und bis ins

kleinste ausgearbeitetes System. Wir werden sehen, daß sich

hieraus gerade die wichtigsten Unterschiede zwischen Jaina-

System und BK einleuchtend erklären lassen.

In der BK wird Naravähanadatta Cakravartin der Vidy.s

und nur der Vidy.s. Aus der Menschenwelt ist er mit seiner

Vidy.-Werdung sozusagen ausgeschieden : es ist nie davon die

Rede, daß er auch nur im Reiche seines Vaters die Thronfolge

antreten könnte. Vidy. Cakravartins hat es schon vor ihm

gegeben; von deren erstem, Rsabha, werden wir unten noch

zu sprechen haben*).,Nichts ist übrigens natürlicher: wie die

1) Bei den übrigen im KSS genannten oder mindestens den von

ihnen erzählten Geschichten ist es dagegen teils wahrscheinlich, teils

sicher, daß sie dem Grundwerk nicht angehörten. Die einen ganzen

Lambaka füllende Geschichte von Süryaprabha hat schon Lacötb als

eine Replik der Geschichte Nar.s bezeichnet. Wenn er es aber immerhin

(18)

L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 481

ganze Vidy.-Welt das getreue Märchen-Spiegelbild der Men¬

schenwelt ist, so hat sie eben entsprechend denen der Men¬

schen auch ihre Könige und Cakravartins.

Erst der grübelnde Systematiker wirft die Frage nach

dem genauen Verhältnis von Menschen- und Vidy.-Cakravartin

auf. Wenn, so sagt er sich, ein gewöhnlicher Menschenprinz

wie Naravähanadatta sich zum Cakr. der Vidy.s aufschwin¬

gen konnte, sollte dann die Macht eines ganz Bharata erobern¬

den Cakravartins vor den Vidy.s Halt machen? So taten die

Jainas bei der Aufnahme der BK, was vielleicht nicht nötig

war, aber jedenfalls außerordentlich nahe lag: sie haben

Menschen- und Vidy.-Cakravartin verschmolzen. Ihr Ca¬

kravartin ist gleich dem uns von Buddhisten undj Brah¬

manen bekannten plus dem Vidy.-Cakravartin der BK*);

nicht für ganz unmöglich hält, daß dies Buch (als Unterabschnitt) der

Ur-BK angehört haben könnte (Essay S. 228), so glaube ich, daß wir

heute bestimmter urteilen dürfen. Nicht nur atmet — was Lacötb

selbst hervorhebt — dies Buch einen so völlig andern, dabei ersichtlich späteren Geist als die eigentliche BK, daß es geradezu unmöglich ist, es deren Urheber zuzuschreiben (was auch schon die unglaubliche Mono¬

tonie und Erfindungsarmut seiner Wiederholungen verbieten würde);

es kommt jetzt hinzu, daß in der Jainaversion einerseits die Sürya¬

prabha-Geschichte fehlt, anderseits aber in ganz analoger Weise deut¬

lich sekundäre Abklatsche der Geschichte des Helden sich eingedrängt

haben. Gegen Süryaprabhas Ursprünglichkeit spricht weiter, daß

dieser Name in der KSS 113, 5 gegebenen Liste früherer Vidy.-Kaiser

fehlt. Diese Liste enthält anderseits auch Jimütavähana, von dem es

mir nach der Untersuchung von Bosch (,,De Legende van J.") völlig sicher scheint, daß er ursprünglich Uberhaupt kein Vidy. war, zu einem

solchen vielmehr erst bei der Aufnahme seiner Geschichte unter die

apokryphen Erweiterungen der kaschmirischen BK gemacht wurde.

Dem Grundwerk hat er sicher nicht angehört. Die sieben Vidy.-Cakra¬

vartins des Kathäpitha der Kaschmirer endlich sind deutlich ein Gegen¬

stück zu den sieben Mänusi-Buddhas.

1) In seinem Artikel ,, Chakravartin" in Hastinos' Encyclopaedia (Vol. III S. 336) schreibt Jacobi: „In the old popular literature which

was collected in the Brhatkathä, and is known to us from Sanskrit

works based on this lost compilation, the dignity of a Chakravartin is also attributed to the Vidyädharas, or fairies"; dazu die Anmerkung:

,,The notions prevailing in this popular literature of romantic epics and fairy tales are adopted also in legendary works of the Jainas, ... Hence

3 :■ 31*

(19)

482 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

anders ausgedrückt: in den vom Cakravartin zu erobern¬

den Herrschaftsbereich ist die Vidy. -Welt mit einbezogen

worden.

Wenn nun diese Vidy.-Welt nach der BK auf den beiden

„vedyardhas" des Himälaya liegt, nach den Jainas dagegen

auf zwei sachlich den „vedyardhas" genau entsprechenden

„sedhis" eines besonderen, Veyaddha genannten, aber dem

Himälaya der wirklichen Geographie entsprechenden Gebir¬

ges, so braucht kaum gesagt zu werden, daß vedyardha und

veyaddha sprachlich identisch sind und daß das jinistische

Veyaddha-Gebirge gegenüber dem Himälaya der BK eine

sekundäre Neuerung darstellt. Aus welchem Grunde aber

hat man diese sonderbare Verdoppelung des Himälaya vor¬

genommen, die doch mit ihrer Benennung des wirklichen

Nordgebirges als Veyaddha, der Versetzung des Himälaya

in mythische Ferne dem bekanntesten geographischen Sach¬

verhalt bzw. Sprachgebrauch so schnurstracks zuwiderlief?

Was etwa jenseits des Himälaya, nördlich seines Nord-

Vedyardha liegend gedacht werden solle, konnte Gunädhya

an sich ganz gleichgültig sein; tatsächlich liegt für ihn nur

irgendwo weiter im Norden der Meru, an dessen Eroberung

Naravähanadatta vorübergehend denkt. Anders die Jaina-

Systematiker. Für sie war der Himavat die Nordgrenze der

Weltzone Bhäratavarsa, die diese von der nächsten Weltzone

Haimavatavarsa scheidet. Wird die Vidy.-Welt in dem von

Gunädhya beschriebenen, von den Jainas übernommenen

the Jainas, too, have Chakravartins of the Vidyädharas, besides human

Chakravartins, narachakravartinas." — Von dem, was die BK war,

haben wir seit Lacötes Essay eine etwas andere Vorstellung: sie ist

uns nicht abschließende Sammlung einer volkstümlichen Literatur,

überhaupt nicht mehr Erzählungs-Sammlung, sondern umgekehrt ein

einmaliges literarisches Werk, das Ausgangspunkt einer Literatur wurde.

Aber die Herkunft des Vidy.-Cakr.s der Jainas aus der BK hat Jacobi ganz richtig erkannt. Nur daß die Jainas Vidy.-Cakr.s neben mensch¬

lichen gehabt haben sollten, scheint mir unrichtig. Ich weiß nicht, woher

Jacobi den Ausdruck naracakravartinas entnommen hat; aber soviel

ist sicher, daß der normale Jaina-Cakravartin zugleich Menschen- und

Vidy.-Cakr. ist.

(20)

L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 483

Aufbau auf dem Himavat angenommen, m. a. W. denken wir

uns an der Stelle des Himavat einmal den jinistischen Ve¬

yaddha, so würde, wie dies besonders klar die oben S. 471 er¬

wähnte Theorie der Voll- und Halb-Cakravartins zeigt, die

Süd-Terrasse {srenijvedyardha) zu Bharata, die Nord-Terrasse

aber zum nächsten Weltteil Haimavata gehören (indem also

der höchste Kamm des Gebirges die eigentliche Grenzlinie

darstellte, so wie tatsächlich im Jainasystem der Kamm des

Veyaddha die Grenze zwischen daksina- und uttara-Bhara-

tärdha bildet). Nun erobert zwar der Vidy.-Cakravartin

Gunädhyas eine nach freiem dichterischem Ermessen lokali¬

sierbare Märchenwelt; der Cakr. des Jaina-Systems aber ist

ein Cakr. der Weltzone Bharata; was er erobert, kann nur

und muß einen Teil Bharatas bilden. Es ist im Rahmen des

Jaina-Systems ganz undenkbar, daß er auf seinem Digvijaya

beim Zug in den Nord-Vedyardha in den nächsten Kontinent

geriete! In diesem gibt es überhaupt keine Cakravartins,

denn solche treten nur in den Karmabhümis Bharata,

Airävata und Videha auf, Haimavata aber ist eine Bhoga-

bhümi; und schon diese Verschiedenheit der Lebensbedin¬

gungen und Zustände — z. B. auch der Körpergrößen — in

beiden Zonen verbietet die Vorstellung, daß ein Cakravartin

von Bharata über einen Teil Haimavatas mit herrschen

könnte.

Aber vielleicht liegen die Dinge noch einfacher. Wenn wir

uns nämlich genau an das ausgebildete System halten*), so

gehört der Himavat offenbar weder zu Bharata noch zu

Haimavata: in der geometrischen Reihe der Zonenbreiten

(vgl. Schubring S. 140) figurieren die Weltgebirge als den Zonen

gleichgestellte Glieder, so daß also, die (nord-südliche) Breite

Bharatas = 1 gerechnet, die des Himavat = 2, Haimavatas

= 4, des nächsten Weltgebirges Mahähimavat = 8 ist usw.

Nach dieser Anschauung ist der Himavat — der doppelt so

1) Ob wir dies für die Zeit der Anleihen aus der BK schon dürfen, ist mir allerdings zweifelhaft. Schubring (S. 32) erkennt jedoch gerade

an der gleich zu berührenden geometrischen Reihe der Zonen- und Ge-

birgsbreiten ,.Mahävirasche Fiügung".

(21)

484 L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

breit ist wie ganz Bharata! — ohne Zweifel eine selbständige

kosmographische Einheit und kann nicht zum Reiche des

Cakravartins von Bharata gehören. Daran darf die „Unter¬

werfung" des Gottes des Himavat nicht irre machen. Ab¬

gesehen davon, daß das eigentliche kosmographische System

diesen göttlichen Repräsentanten des Himälaya gar nicht

kennt, zeigt, was es mit einer solchen Unterwerfung auf sich

hat, am besten das Beispiel des dem Himavat-Gotte genau

entsprechenden Gottes des Veyaddha. Dieser wird nämlich

„unterworfen", bevor Bharata durch die Timisa-Höhle zieht,

aber offenbar ohne daß das die auf dem Veyaddha lebenden

Vidy.s irgendwie berührte; denn diese werden, wie wir ge¬

sehen haben, erst viel später unterworfen, vor der Rückkehr

in die Südhälfte Bharatas, wozu nach einer Version sogar ein

12 jähriger Kampf nötig ist! Ich möchte sicher diesen Veyad-

dha-Gott, und wahrscheinlich auch den des Himavat, für

nachträgliche Zutaten halten, die ihre Entstehung wahrschein¬

lich dem Beispiel der drei Tirtha-Götter (vgl. Schubrino,

Gött. gel. Anz. S. 294) verdanken. Ähnlich wie die Unter¬

werfung dieser drei Tirtha-Gottheiten nur symbolisch be¬

kräftigt, daß Bharatas Reich tatsächlich bis an den Welt¬

ozean, die Südgrenze Bharatavarsas, reicht, bedeutet auch

die Unterwerfung des Himavat-Gottes nur, daß dieser Bhara¬

tas Herrschaft über den angrenzenden Bhäratavarsa bis zum

Fuß des Gebirges anerkennt. Diese Auffassung wird bekräftigt

durch das symbolische Anprallenlassen des Wagens an die

Bergwand: das kann doch nur zum Ausdruck bringen wollen,

daß Bharatas Reich wirklich und ganz genau bis zum Fuß

des Gebirges reichen soll. In keinem Falle ist es möglich,

die tatsächlich von Bharata beherrschter! Vidy.s auf diesem

Gebirge wohnend zu denken.

Wenn wir endlich auch schon die Vorstellungen des aus¬

gebildeten Systems über den inneren Bau des Himavat — mit

seinem so ausführlich beschriebenen zentralen Fluß-Quellsee,

dem Lauf von Sindhu und Gangä auf der Höhe des Gebirges

entlang, ihren Absturz nach Bharata hinab usw. — für die

Zeit der Anleihen aus der BK voraussetzen dürfen, so ist es

(22)

L. AiiSDOBP, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 485

klar, daß mit diesen Vorstellungen Gunädhyas Angaben über

die Vidy.-Welt sich wenigstens nicht so ohne weiteres ver¬

einigen ließen; daß es also mindestens bequemer sein mußte,

Gunädhyas Vidy.-Himavat als ein besonderes Gebirge dem

System einzugliedern.

Ob nun eine der eben vorgebrachten Vermutungen das

Richtige trifft oder ob mehrere der geschilderten Umstände

zusammentrafen — auf jeden Fall waren mehr als aus¬

reichende Gründe dafür vorhanden, daß der Himavat des

Jaina-Systems nicht gleichzeitig der Wohnsitz der Vidy.s

wurde. Es war notwendig, die ganze Vidy.-Welt in Bharata

hineinzurücken, und zu diesem Zwecke spaltete man, sozu¬

sagen, vom Himavat den neuen Vidy.-Gebirgszug ab und

gab ihm den Namen, den in der BK die beiden Terrassen

geführt hatten.

Was bedeutet nun aber dieser Name eigentlich, bzw. wie

ist seine richtige Form? Dem vedyardha des KSS stehen bei

den Jainas Ve(y)addha, Vaitädhya und Vijayärdha gegen¬

über*). Von diesen Formen ist das, soviel ich sehe, gänzlich

sinnlose Vaitädhya jedenfalls nur eine falsche Sanskritisierung

des nicht mehr verstandenen Veyaddha. Vijayärdha heißt

das Gebirge angeblich deshalb, weil es den vijaya Bharata

halbiert*); der Ausdruck cakkavatti-vijaya bezeichnet näm¬

lich die ,, Großreiche, in denen ein Großherr {cakkavatti)

regiert" (Schubring S. 141 Anm. 4). In Wirklichkeit ist auch

Vijayärdha wohl nur ein Versuch, das unverständliche

Veyaddha etymologisierend zu erklären*). Es bleibt also nur

diese Form Veyaddha, die mit dem vedyardha des KSS ganz

offensichtlich identisch ist und somit ursprünglich nicht das

Gebirge, sondern die bei den Jainas jetzt sedhi oder sreni

genannten Terrassen bezeichnete.

1) Außerdem (vgl. Schubbwo S. 140 unten) Vijayädhya, eine klare

Mischform von Vaitädhya und Vijayärdha.

2) Vgl. Schobbiko S. 141.

3) In der Tat wird Jamb. 84b die eben für Vijayärdha zitierte Er¬

klärung für Veyaddha gegeben.

3 2*

(23)

486 L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Das Kleine Petersburger Wörterbuch gibt für vedyardha

an: „Die Hälfte eines Altars, Bez. zweier mythischer Gebiete

der Vidjädhara auf dem Himalaja, eines nördlichen und eines

südlichen." Diese Übersetzung ,, Hälfte eines Altars" ist

wohl sicher verfehlt. Aber vedi bedeutet nach dem pWB

auch: „Gestell, Sockel, Unterlage, Bank". Vergegenwärtigen

wir uns, was wir eben über die Natur der Vedyardhas fest¬

stellten: zwei Hochplateaus im Norden und Süden des noch

über sie emporragenden höchsten Gebirgskammes — so

scheint die Bezeichnung als ,, nördliche bzw. südliche (Gebirgs)-

sockelhälfte" nicht ganz unangemessen. Auch lautlich läßt

sich vedy-ardha mit veyaddha ohne weiteres vereinigen, ob¬

gleich wir natürlich nicht wissen, wie das Prakrit- bzw.

PaiSäci-Wort aussah, das vedyardha zugrunde liegt. Es könnte

aber sowohl ein erst prakritisches Kompositum vei-addha zu

ve(y)addha verschleift als auch ein sanskritisches vedyardha

über vediyaddha > veiaddha ebenfalls zu ve(y)addha geworden

sein. Ich möchte indes diese Erklärung, wenn auch nicht für

ganz unwahrscheinlich, so doch keinesfalls für sicher halten;

die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch

vedyardha nur eine falsche Sanskritisierung ist und das Wort

irgend etwas ganz anderes bedeutet*).

Charakteristische Weiterentwicklung im Rahmen des

Jaina-Systems glaube ich auch zu erkennen bei dem vielleicht

bemerkenswertesten Berührungspunkt zwischen BK und

Jaina-Kosmographie, nämlich dem von dem Cakravartin zu

durchziehenden Tunnel.

Im KSS gibt es nur einen Tunnel, der unter dem Kailäsa

hindurch die beiden Vedyardhas verbindet und nur dem

einen Zwecke dient, dem jeweiligen Cakravartin den Durch¬

marsch nach dem Nord-Vedyardha zu ermöglichen. Bei den

Jainas haben wir zwei Tunnel. Sie verbinden nicht die

Vedyardhas, sondern die Süd- und Nordhälfte Bharatavarsas;

und sie haben einen doppelten Zweck: erstens dienen sie

1) Gern würde man vedyardha / veyaddha irgendwie mit vidyädhara

zusammenbringen, doch sehe ich keinen Weg dazu. Der synonyme Ge¬

brauch von päriva im KSS scheint auch nicht weiterzuhelfen.

(24)

L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 487

wie in der BK dem Durchzug des Cakravartin, der sie dabei

ganz wie in der BK mit seinen Ratnas erleuchtet; zweitens

aber sind sie Durchlässe für die beiden Ströme Sindhu und

Gangä, so daß also die Tunnel von den Hochplateaus hinab

an die Basis des Gebirges verlegt sind.

Man kann sich wohl vorstellen, daß die Phantasie sich

einen als Durchmarschstraße für einen Cakravartin dienenden

Tunnel wie den des KSS erdenkt — die Geschichte seiner

Erbohrung durch Siva ist für ein Märchen völlig angemessen

und plausibel. Man kann sich ebenso gut die Erfindung einer

Fluß-Durchbruchshöhle vorstellen; aber eine Höhle, die

gleichzeitig als Durchzugstraße und Flußbett dient — das

ist deutlich sekundär*). Und es ist nicht schwer zu sehen,

wie die zwei Jaina-Höhlen entstanden und zu ihrem Doppel¬

zweck gekommen sind. Der Digvijaya eines Cakravartin ist,

wie wir sahen, eine Pradaksinä; daß er dies nicht nur bzw.

erst bei den Jainas ist, zeigt z. B. die von Jacobi in seinem

Artikel „Chakravartin" (a. a. 0., S. 336f.) wiedergegebene

Beschreibung des buddhistischen Digvijaya im Lalitavistara.

Hätte man nun den Cakravartin durch einen und denselben

Tunnel des in Bharata hinein versetzten Gebirges hin und

zurück ziehen lassen, so wäre das Bild der Pradaksinä zerstört

gewesen. Und da man die notorisch im Himavat entspringen¬

den Flüsse Gangä und Sindhu nicht wohl über das ihnen

sekundär in den Weg gelegte Veyaddha-Gebirge fließen lassen

konnte*), lag in der Tat nichts näher als den einen Tunnel

der BK zu verdoppeln und die beiden Höhlen zugleich als

Durchflüsse für Gangä und Sindhu zu benutzen. Bei dieser

Verdopplung erhielt dann statt der zwei Wächter der

1) Zu dem neuen Charakter der Jaina-Tunnels als Fluß-Durch¬

bruchshöhlen paßt es auch schlecht, daß sie mit Toren verschlossen

sind, während dies etwa bei der Triäirsa-Höhle ganz natürlich wäre;

im KSS wird allerdings von Toren der Höhle nichts berichtet, doch ist damit keineswegs gesagt, daß sie in der BK gefehlt haben müssen.

2) Möglich wäre ja an sich auch gewesen, ihren Ursprung auf den

Veyaddha zu verlegen. Aber die Vorstellung von dem Quellsee auf dem

Himavat war dafür wohl schon zu fest eingewurzelt.

(25)

488 L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Triäirsa*)-Höhle jede der Jaina-Höhlen nur einen göttlichen

Wächter.

An die Stelle der von Siva in die Triäirsa-Höhle gesetzten

Hindernisse: Giftschlangen, Weltelefanten und Guhyakas

(s. 0.), treten bei den Jainas je zwei merkwürdige, quer durch

den Tunnel fließende Flüsse, die in der Timisa-guhä aus der

Ostwand der Höhle kommen und in die Sindhu münden, in

der Khandappaväya-guhä dagegen aus der Ostwand kommen

und in die Gangä münden"). Zu ihrer Überbrückung tritt das

vardhaki-ratna, der Zimmermann oder Architekt, in Tätigkeit.

Worauf diese sonderbare Vorstellung von den Höhlen-Quer¬

flüssen zurückgeht, weiß ich nicht zu sagen.

Dagegen findet durch die BK bzw. den KSS noch eine

andere merkwürdige Station auf Bharatas Digvijaya ihre

Erklärung. Nach der „Unterwerfung" des Himavat wendet

sich, wie wir sahen, der Cakravartin zum Rsabhaküta und

schreibt dort seinen Namen und seinen Herrschaftsanspruch

über ganz Bhäratavarsa an die Bergwand'). Vom Rsabba-

1) Triiirsa wäre im Prsdcrit Tisisa. Tislsa und Timisa sind immer¬

hin so ähnlich, daß der Verdacht sprachlichen Zusammenhanges nicht

ganz von der Hand zu weisen ist. Tri^irsa, ein Beiname Öivas, ist für die

von ihm erbohrte Höhle ein passender Name. Timisa müßte also durch

Verlesen, Verschreiben oder ein sonstiges Mißverständnis aus Tisisa ent¬

standen sein. Bezeichnend ist jedenfalls, daß im Bh.c.c. sich die auch

vom Thänanga, von der Vasudevahindi und Puspadanta bezeugte Form

Timisa findet, während die jüngere (weil das fertige Bh.c.c. als Einschal¬

tung verwendende) systematische Darstellung der Jamb. dafür das

einem Skt. Tamisra entsprechende Tamisa bietet. Ist dies etwa eine

eytmologisierende Verbesserung? Anderseits könnte der Vokalismus von

Timisa auf Einfluß von timira beruhen. Über Vermutungen wird man

hier schwer hinauskommen.

2) Nach Kirfel S. 223 gäbe es diese Flüsse nur in einer der beiden

Höhlen. Nach dem Bh.c.c. wie nach HTr haben, wie ja auch nicht an¬

ders zu erwarten, beide Tunnels die Querflüsse. Aus ihrem oben be¬

schriebenen Lauf ergibt sich, daß die Sindhu längs der W-Wand der

Timisa, die Gangä längs der 0-Wand der Khandapp.-Höhle fließt.

Der Weg des Cakravartin verläuft also auch in den Tunnels immer in¬

nerhalb der beiden großen Ströme.

3) Daß er auch an ihn den Wagen anprallen läßt, ist, wenn die für diese symbolische Handlung oben gegebene Deutung richtig ist, jeden-

(26)

L. Alsdobp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 489

küta, der also ofTenbar zum Himavat nicbt mit gehört und

auch tatsächlich in der Aufzählung von dessen elf Bergkup¬

pen nicht erscheint, sagt Schubring § 114 Schluß: ,,Bharaha

und Eravaya eigentümlich ist ferner u. a. der 8 joy. hohe

Usabhaküda auf dem Abfall des Cullahimavanta bzw. Si-

hari zwischen den beiden Flüssen*)." Was soll dieser einzelne

Berg, der nicht zum Himavat gehört, ihm aber doch min¬

destens dicht benachbart liegt, der trotz seines Namens zu

dem Tirthankara Rsabha in keine Beziehung gesetzt wird (1),

und der so wichtig ist, daß von ihm gesondert Besitz er¬

griffen werden muß? Warum setzt gerade an seiner Wand

Bharata seiner Cakravartin-Herrschaft ein inschriftliches

Denkmal? Vom Standpunkt des Jaina-Systems aus sind

diese Fragen nicht zu beantworten. Aber es wird sofort alles

klar, wenn wir uns erinnern, daß in der BK der Rsabha-Berg

die Krönungsstätte (und wahrscheinlich auch Residenz)

aller Vidy.-Cakravartins ist, benannt offenbar nach deren

erstem, Rsabha, für den die TriSirsaguhä gebohrt wurde.

Über die Lage des Rsabha-Berges, sagt, wie wir sahen, der

KSS leider nichts Genaues, nur haben wir ihn jedenfalls

südlich des Kailäsa zu suchen, da ja Naravähanadatta auf

dem Wege zu ihm durch die Triöirsahöhle zurück muß. Es

stände aber nichts im Wege anzunehmen, daß der Rsabha-Berg

außerhalb der beiden Vedyardhas läge, oder mindestens daß

der Sitz des (nur zu gewissen Zeiten überhaupt vorhandenen)

Oberherrn über beide Vedyardhas diesen gegenüber als be¬

sondere geographische Einheit gerechnet sei. Diese Anschau¬

ung, auch wenn sie nur auf einem Mißverständnis oder einer

Entstellung der Anschauung der ursprünglichen BK beruhen

sollte, macht es jedenfalls verständlich, daß die Jainas, als

falls sekundäre Übertragung vom Himavat. Bemerkenswert ist immer¬

hin, daß dem Bsabhaküta kein besonderer Gott zugeteilt wird.

1) Über die Lage des Bsabhaküta sagt das Bh.c.c. nichts; nach

Jamb. 86 b liegt er „Gangä-kundassa paccatthimenam Sindhu-kundassa

puracchimevtam Cullahimavantassa väsaharapavvayassa dähinille ni-

tambe." — Vgl. auch Kibfel, Tafel 5 (weder R. deutlicher als in Bharata

in Airavata zu erkennen ist) und 6.

(27)

490 L. Alsdobp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

sie die Vedyardhas in der Form des Veyaddha-Gebirges in

die Mitte Bharatas rückten, den Rsabha-Berg an der alten

Stelle „beim" oder ,,am" Himälaya beließen. Volle Klarheit

ließe sich allerdings hier nur erzielen, wenn wir die BK selbst

oder mindestens eine bessere Version als nur die so dürftige

kaschmirische besäßen.

Nach KSS 109, 61 f. (s. oben S. 477) waren die beiden

„pärsva" der Vidy.s „bhinna-sämräjye", d. h. sie standen

ur\ter zwei voneinander unabhängigen Oberkönigen (samräj),

bis dann Siva zu ihrem gemeinsamen Cakravartin den Rsabha

ernannte. Rsabha ist also der erste Oberlehnsherr beider

Vedyardhas. Nicht hiervon zu trennen ist die oben S. 473

wiedergegebene Geschichte der Jainas von der Entstehtmg

der Vidy.s. Nami und Vinami, die den beiden samräj's ent¬

sprechenden Herren der beiden Srenis, werden zwar — ob¬

wohl sie nur von Rsabha ein Lehen haben wollen und sich

z. B. weigern, ein solches von Bharata zu nehmen — nicht

direkt von Rsabha belehnt, sondern von Dharanendra. Aber

es wird geflissentlich betont, daß sie die Vidy.-Herrschaft nur

kraft ihres Dienstes an Rsabha empfangen, der somit doch

als ihr eigentlicher, idealer Lehnsherr erscheint, wenn er es

auch wegen seiner Weltentsagung nicht mehr formell sein

kann*).

Es ist bekannt (vgl. Schubring S. 23), daß die Jainas

das Vorbild für ihren ersten Tirthankara in jenem Weltkaiser

und Asketen Rsabha fanden, von dem uns Visnupuräna 2, 1

und Bhägavatap. 5, 6 berichten. In der BK trat ihnen eben¬

falls ein Rsabha entgegen als der erste Cakravartin der Vidy.s.

Der Bericht von der Entstehung der Vidy.s ist offenbar das

Ergebnis des Ausgleichs dieser Vorstellungen, der Ver¬

schmelzung dieser beiden Personen. Die Erfindung der ji¬

ij Xach Puspadantas Mahäpuräna VIII, 9 hätte er sogar vor seiner

Weltentsagung Dharanendra ausdrücklich beauftragt, Nami und Vinami

nach ihrer Rückkehr mit dem Veyaddha zu belehnen ; und in Ravisenas

Padmapuräna nimmt Dharanendra einfach die Gestalt Ksabhas an

(III 308: vikrtya jina-rüpam sa täbhyäm vidye vare dadau . . .), so daß also N. und \'. glauben müssen, von Rsabha selbst belehnt zu sein.

(28)

L. Alsdobf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 491

nistischen Geschichte ist dabei ziemlich durchsichtig. Um

die Entstehung der Vidy.s zu begründen, wird eine Situation

geschaffen, in der zur Befriedigung der berechtigten An¬

sprüche der zwei Prinzen Nami und Vinami kein Stück der

Menschenwelt mehr verfügbar ist: so muß denn auf den

menschen-unzugänglichen Veyaddha zurückgegriffen werden,

und um auf ihn zu gelangen, müssen Nami, Vinami und ihre

Untertanen zu Vidy.s gemacht werden. —

Unsere Untersuchung hat ergeben, daß von dem Bilde des

Bhäratavarsa, wie es die Jaina-Kosmographie entwirft und

wie es den Ablauf von Bharatas Digvijaya bestimmt, eine

Reihe der wesentlichsten und charakteristischsten Züge aus

der BK stammen bzw. durch ihre Einwirkung entstanden

sind. Das Veyaddha-Gebirge mit seinen Vidy.-srenis und

deren beiden Oberfürsten, die durch es bewirkte Sechs-

Khanda-Einteilung Bharatas, die beiden Stromtunnel, der

Rsabha-Berg, die „Entstehung" der Vidy.s unter der Ägide

des ersten Tirthankaras Rsabha — alles dies kommt direkt

oder indirekt aus der BK*). Wir erhalten also hier Einblick

in eine ziemlich weitgehende Um- bzw. Ausgestaltung der

Jaina-Kosmographie, oder anders ausgedrückt: wir werden

in die Lage versetzt, nicht unbedeutende Teile des uns in den

Quellen als fertiges, entwicklungsloses Ganzes entgegentre¬

tenden Systems als nachträgliche Zusätze und Ausgestal¬

tungen zu erkennen.

1) Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß der Veyaddha Bha¬

ratas und was mit ihm zusammenhängt selbstverständlich auch auf den

genau entsprechenden Airävatavarsa, auf die 32 Vijayas von Videha

und endlich auf die entsprechenden, noch zur Menschenwelt gehören¬

den Teile der Kontinente Dhätakikhanda und Puskaradvipa übertragen worden ist. Das System stellt ferner (Schubring S. 140f.) den „diha-

Veyaddha" von Bharata und Airävata „vatta- Veyaddha" in den andern Weltzonen (außer Videha) gegenüber. Hier dürfte eine nachträgliche

Übertragung des Namens Veyaddha von den neuen Quergebirgen Bha¬

ratas und Airävatas auf die in den übrigen Zonen (als Seitenstücke zum Meru) bereits vorhanden gewesenen ,, runden" Zentralgebirge vorliegen, denen dann die neuen Veyaddhas als ,, langgestreckte" gegenüberge¬

stellt wurden.

(29)

492 L. Alsdorf, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie

Die Bedeutung unserer Feststellungen für die relative

Chronologie von BK und Jaina-Kanon liegen auf der Hand.

Es ist, wie ich schon an anderem Ort (Harivamäapuräna S.122)

ausgeführt habe, nicht anzunehmen, daß derartige mytho¬

logische Anleihen bei einem eben neu geschaffenen literarischen

Werk gemacht werden ; es muß gewiß eine beträchtliche Zeit

vergehen, ehe dieses Literaturwerk zur Geltung einer Auto¬

rität in mythologischen Fragen aufgestiegen ist. Zur inner-

jinistischen Weiterentwicklung und Umformung des Entliehe¬

nen bis zur fertigen Ausbildung des klassischen Jaina-Systems

muß wiederum eine kaum nach Jahrzehnten zu bemessende

Zeit erforderlich gewesen sein: diese ganze Entwicklung ist

aber vor den uns vorliegenden Texten bereits abgeschlossen.

Zwischen den kanonischen Texten, in denen uns das kosmo¬

graphische System entgegentritt, und der BK muß also eine

Zeitspanne liegen, die mit zwei bis drei Jahrhunderten sicher

eher zu kurz als zu lang angesetzt ist.

Leider stehen wir, sobald wir diese relative Chronologie in

eine absolute umzusetzen versuchen, vor nur einer Gleichung

mit zwei Unbekannten. Denn wenn das Datum der BK gerade

das ist, was wir gerne bestimmen möchten, so hat anderseits

die Angabe, daß eine Sache oder Person im Jaina-Kanon

vorkomme, chronologisch fast noch geringeren Wert als die

entsprechende Angabe beim Mahäbhärata. Sicher ist ja nur,

daß sich Entstehung und Redaktion des Jaina-Kanons über

mehrere Jahrhunderte hingezogen haben, und bei der Struk¬

tur der meisten Texte muß nicht nur jeder einzelne Text,

sondern jeder Abschnitt, wenn nicht jeder Satz, besonders

datiert werden. Da ich jedoch über die Datierung der BK

und die hierfür durch jinistische Quellen etwa gebotenen

Möglichkeiten in anderem Zusammenhange ausführlich zu

handeln denke, werde ich auf diese Fragen hier nicht weiter

eingehen. Nur soviel sei noch gesagt, daß die im Laufe der

vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse mich

in meiner schon an anderer Stelle*) ausgesprochenen Ansicht

1) Harivamsapuräna S. 122; Akten des 19. Internat. Grientalisten- kongresses S. 345 f.

(30)

L. Alsdobp, Zur Geschichte d. Jaina-Kosmographie u. -Mythologie 493

von dem höher als bisher anzusetzenden Alter der BK noch

bestärkt haben, und daß ich keinen Grund sehe, die BK, die

mit den beiden Epen immer wieder in einem Atem genannt

und theoretisch wie praktisch — letzteres gerade auch wieder

von den Jainas! — auf eine Linie gestellt wird, nicht auch

zeitlich in die Nähe der Epen zu rücken.

(31)

Die buddhistischen Termini jnana und vijnana

nach Leumann und Stcherbatsky

Von W. Kirfel, Bonn

Als Hermann Jacobi sich vor etwa zehn bis elf Jahren

mit der Trimäikävijnapti des Vasubandhu beschäftigte und

diese zusammen „mit dem Bhäsya des Äcärya Sthiramati"

ins Deutsche übersetzte'), scheint er über einzelne buddhi--

stische Begriffe mit seinem damals noch lebenden Freunde

Ernst Leumann mehrfach korrespondiert zu haben. Bei

einer unserer damals noch regelmäßigen Zusammenkünfte

zeigte er mir nämlich einmal ein längeres Schreiben Leu¬

mann's, in dem dieser ihm seine Auffassung über den Be-

^riffsunterscliied der beiden buddhistischen Termini jnäna

imd vijnäna dargelegt hatte. Den unmittelbaren Anlaß zur

Korrespondenz der beiden Geleiirten gerade über diese beiden

schwierigen Begriffe scheint möglicherweise Th. Stcherbat-

sky's Aufsatz ,,Über den Begriff von vijnäna im Buddhis¬

mus" gegeben zu haben, der 1929 in der „Zeitschrift für

Indologie und Iranistik", Bd. 7, S. 136—139 erschien. In

diesem Artikel setzt sich nämlicli Stcherbatsky mit L. Wal¬

lace auseinander, der sein Buch ,, Central conception of

Buddhism and the meaning of the word 'dharma', London

1923" in der „Zeitschrift für Buddhismus", Jg. 8 (1928,

S. 398 besprochen und seine Gleiciistellung der Begriffe citta,

nianah, vijnäna^) angefochten hatte, und er sucht diese

Gleichstellung auf Grund älterer buddhistischer Quellen ein¬

gehend zu motivieren. Jacobi bot mir damals an, von

1) Jacobi's ( bersetzung wurde zum Druck gebracht von Waltbb

U'jBEx in: Beiträge zur indischen Sprachwissenschaft und Religions¬

geschichte, H. :. t^tutlgart 1932.

2) Vgl. das genannte Buch S. 15, 19, 72.

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